Skip to main content

Full text of "Die Pilgerfahrt des träumenden Mönchs. Aus der Berleburger Handschrift herausgegeben von Aloys Bömer"

See other formats


Digitized by 


C-oo I 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 






Origir 

UNIVERSITY 








Go gle 








Go gle 








Deutsche Texte des Mittelalters 

herausgegeben 
von der 

Königlich Pretissischen Akademie der Wissenschaften 

Band XXV. 


Die Pilgerfahrt 
des träumenden Mönchs. 

Aus der Berleburger Handschrift 

lierausgegeben 

von 

Aloys Bömer. 

Mit drei Tafeln in Lichtdruck. 

!£i 

BERLIN 

Weid m a n n s c li e B u c h h a 11 d 1 u n g 

1915 . 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Deutsche Texte des Mittelalters 


herausgegeben 


von der 


Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. 


Band XXV. 


Die Pilgerfahrt des träumenden Mönchs. 


BERLIN 

Weidmannsche Buchhandlung 

1915 . 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 







vl./'V 


VN 


\ ic.-'. 


I « 


\ i -OL. 


Die Pilgerfahrt 
des träumenden Mönchs. 


Aus der Berleburger Handschrift 


herausgegeben 


Aloys Bömer. 


Mit drei Tafeln in Lichtdruck. 


BERLIN 

Weidmannsche Buchhandlung 

1915 . 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



« 


T 

U 7 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Einleitung. 


Die in ihrer rorliegenden Gestalt meines Wissens nach röllig unbekannte 

Pilgerfahrt des träumenden Mönchs ist eine Übersetzung des in den Jahren 1330 

Ins 1332 dem Dosenroman nachgebildeten französischen Traumgedichts Le Pelcrinage 

de Tic humaine des Zisterziensers GuiVuumc de Dcgailerille aas dem Kloster 

Chaalis im Departement Oise (ryl. über ihn Jlnltman. Guillaume de Deguilerille. 

Diss. Upsala 1302). H7<* glücklich der Dichter mit der Fülle moralisch zu- 

geschnittener Allegorien dem eigenartigen Geschmack seiner Zeit llechnung getragen 

hat. beircisen außergewöhnlich zahlreiche Abschriften und selbst noch Drucke 

• • 

seines Werkes , mehrfache Ilearbeitungen und wiederholte Übertragungen in fremde 
Sprachen. Deguilerille selbst sah sich nach 23 Jahren zu einer neuen, jedoch 
keineswegs vorteilhafter geratenen Deduktion reranlaßt und baute überdies die 
Dichtung durch zwei Fortsetzungen, Le Pelcrinage de l'Amc und Le Pelcrinage de 
Jesuserist, zu einer großen Trilogie von mehr als 30000 Versen aus (Neuausgabe 
der 3 Teile ron J. J. Stürzinger für den Hosburghc Club. London 1893 — 97. 
Abdruck des 1. Teils in der urspr. Gestalt: Terz, der l/ss. beider Fassungen 
S.IX/f. Dazu zu rer gl. Hnltman a.a.O. S.2f. u. F.urly Fnglish Text Society. 
Extra-Ser. 02 [1301] S. LXJIJ* ff'., woselbst auch eine ergänzungsbedürftige 

Bibliographie der Drucke des Originals und der verschiedenen Ilearbeitungen und 

• • 

Übersetzungen gegeben wird). Ein Kleriker von Angers. Jean Gallopes, löste 
auf Geheiß seiner Herrin, der 1133 dem König Jlene ron Neapel vermählten 
Komtesse Johanna ron Lural, den ersten Teil in französische Prosa auf (ge¬ 
druckt Lyon 1183, 1133 und 1304). Unter den lUnrsetrangen stehen der Zahl 
nach die englischen an erster Stelle. Nachdem sich bereits ('haw er die eingelegten 
Marienlieder (.I liC) zu eigen gemacht hatte, wurde Deguilerillcs erste Deduktion 
wiederholt in englische. Prosa, die zweite. 1423 von John l.ydgate in englische Verse 
gekleidet (letzter Abdruck: Early Engl. Text Soc. Extra-Ser. 77. 83. 32. 1H33 — 1301). 

0 0 

Auch die Niederlande begnügten sich nicht mit einer I bertragung. Einer Prosa¬ 
übersetzung eines unbekannten Geistlichen aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts 
frgl. Tijdschrift voor nederlandschc taal- en letterkunde. 23 / 1301]. 1 ff.) ließ ein 
Späterer eine erheblich kürzende Bearbeitung folgen (gedruckt Haarlem 1180 und 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



VI 


Einleitung. 


1498, Delft 1498 und 1508). Selbst eine Übertragung ins Spanische erlebte das 
Werk (gedruckt Tolosu 1480). Von einer lateinischen Fassung, auf welche im 
Prolog der ersten niederländischen Bearbeitung (Cod. ms. germ. fol. 624 der Kgl. 
Bibi, zu Berlin, Bl.l r ) als Vorlage hingewiesen wird, habe ich keine sonstigen 
Spuren aufzufinden vermocht. 

Von deutschen Übersetzungen war bislang nichts bekannt, und doch sind 

hei der Inventarisierungsarbeit der Deutschen Kommission nicht weniger als 

• • 

drei entdeckt oder wenigstens als Übertragungen von Deguilevilles Dichtung er¬ 
kannt worden : zwei poetische und eine prosaische, alle drei auf die ursprüngliche 
Fassung des Originals zurückgehend. Unsere versifizierte Umdichtung ist die älteste. 
Die Handschrift, auf die ich in der Fürstlich Sagn-Wittgensteinsrhen Schloßbibliothek 
zu Berleburg gestoßen hin — ich nenne sie h — dürfte den ersten Jahren 
des 15. Jahrhunderts augehören. Auf dem unteren Bande des ersten vorliegenden 
Blattes ist in neuerer Zeit mit Bleistift die Signatur Litr. A N''° 1292 eingetragen, 
auf dem Bunde rechts der fürstliche. Stempel aufgedrückt. Über die Herkunft 
des leider gerade am Anfang und Ende defekten Papierkodex findet sich keinerlei 
Vermerk. Er hat aus 95. anfangs meist oben in der linken Ecke, später zuweilen 
auch mehr nach der Mitte hin, von 28 an in der rechten Ecke des 1. Blattes vom 
Schreiber selbst mit römischen Zahlen numerierten Lagen zu 12 Bll. (in deren 
14. zwischen Bl. 4 und 5 zum Nachholen einer vergessenen Partie ein Blatt ein¬ 
gelegt ist), einer (86.) Lage zu 2 und einer (37.) zu 6 Bll., im ganzen also aus 
429 Blättern bestanden. Die Folge der Lagen ist durch Kustoden auf der letzten 
Seite, rechts unten, gesichert. Von den 429 Blättern sind verloren gegangen 

1) die 2 ersten und 4 mittleren Bll. der 1. Lage, 2) das 2. Bl. der 2. Lage, (das 
1. gleichfalls ausgelöst gewesene Bl. mit Papier streifen an Pergament-Falz geklebt), 

2) das 3. und 1. Bl. der 5. Lage, 4) das 1. Bl. der 30. zweiblättrigen Lage 
(Defekt durch ein Kreuz links oben in der Ecke des 2. Bl. gekennzeichnet), 
5) die Bll. 3—5 der letzten sechsblättrigen Lage, von denen jedoch wahrscheinlich 
das 4. und 5., sicher das 5., ebenso wie das noch vorhandene 6. Bl. (nur auf der 
Büekscite. Schreibübung vnd der) leer gewesen sind. Auch mancherlei sonstige 
Beschädigungen, Bisse in den Blättern (häufig mit Papier überklebt), Lädierungen 
der Bänder (besonders in der 1. Lage: äußere IJingsseite des letzten Blattes mit 
schmalem Papierstreifen überzogen). Flecken u. dgl. zeugen von dem fleißigen Ge¬ 
brauche des Bundes. Besonders stark ist der Einband mitgenommen. Das un- 
gepreßte weiße Leder, mit dem die Holzdeckcl überzogen sind, ist abgescheuert 
und arg beschmutzt: je 5 Metullbuckel vorn und hinten, welche das Buch beim 
Aufliegen geschützt haben, fehlen sämtlich: von 2 Leder schließen ist nur noch der 
Metallbeschlag der oberen auf dem Hinterdeckel vorhanden; beim Entfernen des 
Beschlags der unteren wurde noch dazu ein Stück Leder mit abgerissen. Gegen 
Vorder- und Hinterdeckel sind Teile einer zweispaltigen Folio-Pergamenthand¬ 
schrift des 10. Jahrhunderts geklebt mit Text der Expositio evangelii secundum 
Lueam des hl. Ambrosius (Beginn des Fragments auf dem Vorderdeckel: In 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Einleitung 


VII 


illo tempore Exurgens maria abiit in montana = Migne. Patr. lat. XV, 
col. 1559). 

Das Papier enthält folgende Wasserzeichen: 1) Ociisenkopf mit Stange 
und Stern, Briquet, Les filigranes (1907) Nr. 15 089 um nächsten stehend; durch¬ 
gängig in Lage 1 und 20 bis Schluß, vereinzelt in Lage 8. 10. 12. 14, in der 
A usführung geringfügig wechselnd; — 2) ein Briquet Nr. 16 Oll nahekommendes 
Zeichen, aber einer der 4 Bogen mit Kerbe; Lage 2 — 13, in 8. 10. 12 dazwischen 
rer einzelt Ochsenkopf (s. oben); — 3) Wage. Die beiden Wagschalen an Größe 
und Abstand Briquet Nr. 2429 am ähnlichsten, aber der Aufhänger aus 4 Linien 
zusammengesetzt und der Ring ohne Stern; Lage 14 — 16, in 14 dazwischen 
vereinzelt Ochsenkopf (s. oben); — 4) Krone mit Stange und 3 in Kreuzform 
stehenden Blättern, deren oberstes einer Lanzenspitze gleicht. Briquet Nr. 4639 
und 4640 am nächsten stehend; Lage 17 — 19. 

Die Höhe des Bandes beträgt 22, die Breite 14 1 /* cm; die Größe des 
Schriftfeldes wechselt in der Höhe zwischen 15 und 17, in der Breite ztvischen 9 
und 11 cm. Die Zahl der Zeilen schivankt zwischen 15 und 20, doch herrscht 
in der 1. Hälfte 17, in der 2. Hälfte 18 und 19 cor. Die einzelnen Verse sind 
ubgesetzt, indessen wurden bei der Korrektur mehrere einzufügende Zeilen neben- 
anstatt zwischengeschrieben. Der Apparat unter unserem Texte gibt darüber im 
einzelnen Auskunft. Im Texte selbst werden die corliegenden Verse (ebenso wie die 
Illütter) ohne Rücksicht auf die iÄicken fortlaufend gezählt, weil die Anzahl der 
fehlenden Verszeilen ja nie mit absoluter Sicherheit hätte bestimmt werden können. 

Der ganze Band ist von einer Hand in ziemlich regelmäßiger, nur in 
der Größe hier und da etwas wechselnder Kursive von rundlichem Duktus auf- 
!ivzeichnet. Im einzelnen charakterisiert sich die Schrift durch Willkürlichkeiten 
verschiedenster Art. Die Anfangsbtichstaben der Verse sind, von den meist in 
Majuskeln geschriebenen Satzanfängen abgesehen, ohne ersichtliches Prinzip bald 
groß. bald klein geschrieben, doch wiegen die Minuskeln, vielfach mit Schnörkeln 
•leziert oder auch durch Größe etwas ausgezeichnet und bei geirissen Lettern dann 
laium von den Majuskeln zu unterscheiden, bei weitem vor. Bis auf ganz ver¬ 
einzelte Ausnahmen sind diese Anfangsbuchstaben rot gestrUheU bzw. mit einem 
dicken roten Punkt versehen, der zuweilen cor- statt eingesetzt ist. Das w hat 
meistens in jeder seiner beiden Rundungen einen Punkt erhalten, wogegen bei 
den langgezogenen Buchstaben die Rötelung manchmal auf rotes Nach ziehen fast 
des ganzen Körpers hinausgelaufen ist. 

Bezüglich der Initialen bei Sinnesabschnitten herrscht bis gegen Bl. 50 
hin bunte Mannigfaltigkeit, indem die drei ersten ganz in Rot ausgeführt (Bl. l r . 
2 r . 4 r ), zwei spätere schwarz vorgeschrieben und rot nachgezogen (30*. 42"), 
andere durch dicke schivarze Schäfte (27’. 36’. 38 r . 48’), wieder andere und zwar 
die Mehrzahl durch größere Ausführung, teilweise auch Verschnörkelung hervor - 
gehoben sind (8'. 22 r . 23 r . 28 r . 28’. 29’. 32’. 34 r . 35’. 37’. 38’. 40 r . 42 r . 43’. 
17’. 48 r ), während manche endlich völlig der Auszeichnung entbehren, selbst da, 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



VIII 


Einleitung. 


wo eingefügte Bilder einen Abschnitt anzeigen (8 r . 12 r . 13 v . 15 r . 26 r ). Von 
Bi 48* an bildet Verdickung der Schäfte die nur selten durchbrochene Kege 
(neben IVrv 1737. 1737. 1382. 8301 zwei horizontale Strichelchen, neben 1713 
0000. 13183 Paragraphenzeichen), jedoch sind einige Male die Schuftumrisse roi 
anstatt schwarz ausgefüllt. In unserm Text werden Initialen der letzten A.ri 
ebenso wie die ganz rot ausgeführten in Fettdruck wiedergegeben, jedoch mi: 
einem Vermerk im Apparate, im übrigen über die Anfänge der Abschnitte ohn< 
besondere Xotiz über das Verhalten der 11s. einheitlich durch Einrücken der Zeih 
kenntlich gemacht. 

Während die Eigennamen nur selten groß geschrieben sind, weisen häufig 
andere Wörter. Substantive. Adjektive, Verben, ja zweimal sogar die Konjunktion 
so (V. 0700. 7778) große Anfangsbuchstaben auf. Besonders oft erscheint ein 
(übrigens von B nicht za unterscheidendes) Majuskel-!!, bei Kompositis sogar 
mehrmals im Wortinncrn, z. B. wiederReden 4035, widerRede 12455 — Rede 
und Reden in ihren rerschiedenen Formen herrschen auch sonst vor —, underRook 
9865, mulen Rat 12178. An der letzten Stelle sind freilich, ebenso wie bei griffen 
Olae 9509, die beiden Teile des Wortes in der Hs. nicht aneinandergeschrieben, wie 
sie überhaupt, besonders bei den Korrekturen, in dieser Beziehung wenig konsequent 
ist, indem sie willkürlich trennt und verbindet. Wo ihre Schreibweise direkt sinn- 
störend von der gebräuchlichen ubweicht, wird sic im Texte insofern gebessert 
oder wenigstens gekennzeichnet, als zwischen den fälschlich getrennten Silben ein 
kleineres Spatium gelassen wird, als sonst zwischen zwei Worten üblich. Wenn 
jedoch sowohl Trennung als auch Verbindung im Gebrauch sind, wird die Hs. 
kopiert, auch wenn sie bei dem betreffenden Ausdruck an verschiedenen Stellen 
ungleichmäßig verfährt. Sämtliche Versaufänge und Eigennamen, auch die Xamcn 
der personifizierten Tugenden, Laster usw., soieic das Substantiv Got (für den 
Christengott) sollen in der uns geläufigen Urne mit großen Anfangsbuchstaben, 
alle übrigen Worte klein gedruckt werden. 

Nach modernen Grundsätzen wird auch der schwankende Gebrauch von i 
und j. U und V einheitlich geregelt. In der Hs. begegnet auch für i im Anlaut 
off. am regelmäßigsten bei in und seinen Zusammensetzungen, ein j, meistens 
hoch über der Linie angesetzt und häufig geradezu als großes J erscheinend. 
Gewisse Wörter freilich sind, wenigstens int Innern der Verse, fast ausnahmslos 
mit i geschrieben, z. B. ich, is. ist. i tritt in der Kegel auch in der Verbindung 
ie auf z. B. ieder, iederman u. u. Das i hat bald einen Punkt, bald keinen, 
seltener, wenigstens bei der ersten Niederschrift, einen Strich, der aber bei den 
Korrekturen, wenn überhaupt ein Zeichen gesetzt ist, die Hegel und an manchen 
Stellen auch der ersten Schrift zugefügt ist. Für langes i ist meistens ij ge¬ 
schrieben, hier mit zwei Punkten, dort ohne Punkte, in der Korrektur auch mit 
zwei Strichen. Das an zweiter Stelle stehende j ist häufig wenig oder gar nicht 
unter die Linie heruntergezogen und von dem ersten i nicht unterschieden. Diese 
verschiedenen Schreibarten werden im Text nicht kenntlich gemacht, sondern ein 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Einleitung . 


IX 


für allemal i und ij gedruckt. Dagegen wird natürlich das häufig für i ein¬ 
tretende y beibehalten und selbst die wenigen Fälle, wo dasselbe mit einem Funkt 
als y erscheint, entsprechend wieder gegeben. Ein krasses Beispiel von der In¬ 
konsequenz der Hs. in der Wiedergabe des i- Lauts bietet der gleichlautende 
Anfang der Verse 4135/6, geschrieben Bij yn und By in. — Sowohl u wie v 

sind im Anlaut gewöhnlich, aber nicht ausnahmslos, durch v, im In- und Aus- 

• • 

laut durch u wiedergegeben. Uber dem u erscheint häufig, manchmal allerdings 
erst bei der Korrektur angebracht, ein e, meist in sehr reduzierter Form, zu¬ 
weilen nur in Gestalt von zwei schräg übereinandergestellten Häkchen oder Funkten, 
nicht nur für langes u, sondern auch für die Umlaute ü und iu, für üe und uo 
und schließlich auch für einfaches u, das seinerseits auch wieder, unter Verzicht 
auf Bezeichnung der Länge, des Umlauts usw., sehr oft für alle die genannten 
Laute verwendet wird. Daneben kommen vor: ü, ue, üe und endlich (für uo, 
aber auch für U> ü, wobei jedoch das kleine o nicht selten undeutlich geraten und 
ran dem e kaum zu unterscheiden ist, so daß die Entscheidung für den Drucktext, 
der diese beiden übergeschriebenen Zeichen möglichst genau wiedergeben soll, an 
manchen Stellen nicht mit absoluter Sicherheit getroffen werden kann. — a, i 
und o erscheinen gleichfalls mit übergesetztem e, daneben aber auch wieder ae, 
ie und oe. 

Für den s-Luut verwendet die 11s. Junges f 'im An- und Inlaut, kleines 
s im Auslaut; der Druck gibt auch das erstcre durch s wieder; ß behält er in 
dieser Form bei. Da am Schluß der Wörter das, was. alles usw. neben s auch 
das ältere z rorkommt, durften die dem Schreiber ganz geläufigen Abkürzungen 
dz und WZ in daz und waz aufgelöst werden. — f sieht oft dem f zum Ver¬ 
wechseln ähnlich. — t ist in den Verbindungen st und tz meistens wie C ge¬ 
schrieben; hier setzt der Druck regelmäßig t, während sonstige orthographischen 
Eigentümlichkeiten der Hs., z.B. Wechsel von c und k. f und v, ss und ß, 
tz und z, einfachem und doppeltem Vokal oder Konsonanten unverändert aus 
der Vorlage übernommen werden. 

An Abkürzungen, die im Text bis auf eine einzige, unten noch näher zu 
bezeichnende, durchgängig aufgelöst werden, erscheinen in der Hs.: Zur Bezeichnung 
von n und m ein meist nach oben etwas durchgebogener Strich, der sich zuweilen 
auch über die Nachbarbuchstaben ausdehnt und bei kleinen Worten als großer 
Bogen über der ganzen Buchstaben folge schwebt. Bei a, i und u wird er oft 
gleich vom Ende des Vokals an hochgezogen, bei e als Bogen an den Kopf an¬ 
gesetzt; einmal ist er mit einem Schnörkel verziert ffromen 11678). Als Sigle 
und zwar in der Korrektur ist die Abbreviatur vn = und zu verzeichnen (804. 
12302). — Ein Haken für er, seltener für r und re, auch wieder je nach der 
Form der Buchstaben oben am Kopf aufgesetzt oder unten vom Ende hochgezogen 
oder frei über ihnen schwebend, gewöhnlich nach links, einige Male aber auch 
nach rechts umgebogen; ein übergesetztes Häkchen, einem großen Komma ähnlich, 
für ri; eine kurze geschlängelte Linie ( ) zuweilen mit einem Schnörkel für ra. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



X 


Einleitung. 


sowie übergeschriebenes o für ro; geschweift durchstrichenes f für ser, besonders oft 
bei unser und seinen Kasus. — In lateinischen Lehnwörtern die dort üblichen 
Kürzungen p = pre (am häufigsten bei predigen und Ableitungen), p = per Per¬ 
sonen 3445, pergament 13004, permente 13163.13173), p pro Propheten 9117, 
proveancen 9532); vereinzelt plement = parlement 700. — o = us paulus 4019, 
benedictus 4256, longinus 8318, venus 10683). — bndictus 4187. — An Einzel¬ 
heiten endlich noch das bekannte geschr mit Schleife am r = geschriben 12375. 
13368, vorgnt mit Schlangenlinie über dem n und Schleife am t = vorgenanten 
390; die Eigennamen Jhrlm mit großer Verschlingung über dem 1 = Jherusalem 
12849; Jhü 1062, Jhüs 3283, Jhü 3926, Jhüs 8424. 9971, Jhm 11203, Jhs 11296, 
Jhu 12845, ihm xpm Parenthese nach 3274, für die betreffenden Formen von 
Jhesus Christus, die jedoch auch ausgeschrieben Vorkommen. Die Abbreviatur 
Xpc = Cristus 11319 muß als einzige beibehalteu werden, da sie im 21. der 
eingelegten Marienlieder, welche der Reihe nach mit den Buchstaben des Alphabets 
beginnen, das X-Lied eröffnet. 

Offenbare Fehler der Hs. werden verbessert und (mit entsprechendem 
Vermerk im Apparat) durch Kursivdruck kenntlich gemacht, die fehlende Inter¬ 
punktion, zu der sich nur gelegentlich einmal in einem Schrägstrich ein Ansatz 
findet, nach den bekannten Lachmannschen Prinzipien hinzugefügt. 

Durch den ganzen Hand hin zieht sich, an der ursprünglichen Fassung 

des Textes ändernd, eine zweite Schrift, die man auf den ersten Blick wegen 

ihrer Flüchtigkeit einer anderen Hand zuschreiben möchte, bei näherer Prüfung 

alter doch als dem ersten Schreiber angehörig erkennt, in dem wir wiederum keinen 

• • 

andern als den Übersetzer selbst zu erblicken haben werden. Ist es an sich schon 
wahrscheinlicher, daß der Urheber selbst nachträglich noch einmal die Feile an sein 
Werk gelegt hat, als daß ein anderer sich dazu veranlaßt gesehen habe, so läßt 
doch auch ein bestimmter Umstand auf das erstere schließen. Der bei dem Maße 
von Gebundenheit, das er sich seiner Vorlage gegenüber auferlegte, sicher nicht 
leichten Aufgabe für annähernd 14 000 Verse die notwendigen Reime zu finden, 
war der Übersetzer durchaus nicht gewachsen. Trotz mannigfacher Veränderungen 
an Vokalen und Konsonanten, sowie Ab- und Zutaten im In- und Auslaut der 
Wörter (Apothesis, Epenthesis und Ejnthesis), die er sich in seiner Reimnot erlaubte, 
trotz größerer und kleinerer Zusätze zur Vorlage (ganze Verse eingefügt: 77. 81. 
85. 89. 107. 113. 135. 177(8 usw.) auf der einen und seltenerer Abstriche auf der 
andern Seite, wollte ihm ein formell auch nur einigermaßen befriedigendes Werk 
nicht gelingen. Nicht genug damit , daß er sich die Freiheiten der älteren Dichtung, 
bei gleichen Vokalen verschiedene (jedoch nicht ungleichartige) Konsonanten, bei 
gleichen Konsonanten verschiedene Vokale im Reime zu verwenden und andere 
mehr in weitgehendstem Maße zu eigen machte, daß er außergewöhnlich zahlreiche 
reimlose Zeilen duldete und noch weniger vor rührenden Reimen unzulässiger Art 
zurückschreckte: viel schwerer belasteten ihn die vielen Fälle, in denen er eine Bindung 
zweier Verse durch den Reim, wie es scheinen muß, nicht einmal versucht hatte. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Einleitung. 


XI 


Mögen ihm solche Flüchtigkeiten nach Vollendung seiner Arbeit selbst zum Bewußt¬ 
sein gekommen bzw. von anderer Seite gebracht sein, oder mögen nötig erscheinende 
Änderungen anderer Art den ersten Anlaß gegeben haben, jedenfalls entschloß er 
sich, das Werk noch einmal durchzugehen, nicht streng systematisch ausbessernd, 
sondern hier mehr, dort weniger sorgfältig eingreifend. Als besonders ver¬ 
besserungsbedürftig erwiesen sich die Seiten 53’ — 61’. Viele der Korrekturen 
erstrecken sich auf die Berichtigung von Schreibfehlern (die gleichwohl nicht 
sämtlich ausgemerzt sind) oder eine Veränderung des Ausdrucks, wobei das 

Original teilweise genauer befolgt, teilweise aber auch verlassen wurde; ein ganz 

• • 

beträchtlicher Teil der Änderungen jedoch hat den fehlenden Reimen gegolten. 
Ihre Gewinnung war oft mit kleinen Mitteln ohne anderweitigen Nachteil möglich, 
aber ebenso oft hat unter der reimtechnischen Besserung der Text in erheblicher 
Weise gelitten, indem noch mehr Flickwörter hervorgesucht und, namentlich wenn 
ganze Verse hinzukamen, durch Umschreibung oder direkte Wiederholung des 
bereits Gesagten die an sich schon oft genug lästig fallende Breite der Dar¬ 
stellung zur Unerträglichkeit gesteigert wurde, von grammatischen Unebenheiten 
und Störungen des Sinnes ganz zu schweigen. Daß aber die Beschaffenheit der 
neuen Reime sich von der der alten in nichts unterscheidet, macht die Identität 
von Übersetzer und Schreiber-Korrektor mehr als wahrscheinlich. An formeller 

Vernachlässigung sucht auch das korrigierte Werk noch seinesgleichen. 

• • 

Die Tilgung des alten Textes geschah bei ganz kleinen Änderungen wohl 
durch Radierung, sonst meist durch Streichung, seltener durch Unterpunktierung, 
hier und da auch in Verbindung der beiden letztgenannten Verfahren. Bei der 
Rubrizierung des Buches wurden die weitaus meisten der zu entfernenden Worte und 
Wortteile noch dazu rot durchstrichen. Die Ersatzteile sind entweder vor oder hinter 
dem Verse am Rande des Blatts zugeschrieben oder zwischen den Zeilen über (nur 
1023 ausnahmsweise, unter) dem gestrichenen Passus eingefügt; wo nichts zu tilgen 
war, weist meist ein A- Zeichen dem Zusatz seinen Platz an. Textliche Ver¬ 
änderungen jeglicher Art werden im Apparat genau verzeichnet; tvo Korrekturen 
ohne Bemerkung angeführt stehen, handelt cs sich um Verbesserungen bei der 
nachträglichen Durchsicht des Werkes, während die wenigen Änderungen bei der 
ersten Niederschrift durch ein zugefügtes gleich hervorgehoben werden. Bemerkens¬ 
wert unter den letzteren ist eine Tilgung durch schwarze Einrahmung (387). 

Außer der erwähnten Tätigkeit des Tilgens, der Anbringung von roten 
Initialen bei einem Teil der Sinnesabschnitte und der Strichelung der Versanfänge 
hat der Rubrikator die Aufgabe gehabt, die zahlreichen Illustrationen der IIs. 
mit einem erklärenden Text zu versehen, dessen Wortlaut wir bei einigen der 
Bilder (72. 78. 79. 80. 82. 95) zunächst in der flüchtigen Schrift der Korrektur 
und offenbar gleichzeitig mit ihr schwarz vor geschrieben finden. Daß demnach 
die Korrektur der Rubrizierung vorausgegangen ist, findet wie in den erwähnten 
Tilgungen durch roten Strich, auch in dem Umstande eine Bestätigung, daß 
die bei der Korrektur zwischengeschriebenen ganzen Verse gleichfalls die rote 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



XII 


Einleitung. 


Strichelung ihr ex Anfangsbuchstaben aufweisen: wir müßten sonst schon un- 
nehmen, daß die wenigen nachgetragenen Zeilen nachher besonders für sich 
rubriziert worden wären. Da aber die rote Reinschrift der Bilderläuterungen 
ohne allen Zweifel wieder von der Hand des Schreibers der Hs. herrährt, werden 
wir auch die gesamte Rubrikation als seine Arbeit anzusehen haben. 

• • 

Es fragt sich endlich noch, ob auch der Illustrator mit Übersetzer , 
Schreiber, Korrektor und Rubrikator identisch ist. Die vollständige Hs. hat 
110 fertige Bilder gezählt, von denen jedoch mit den ausgerissenen Blättern int 
1. Teile der Dichtung (i verloren gegangen sind. Die Zahl ergibt sich aus der 
Numerierung mehrerer Figuren inmitten des Bandes von seiten des Schreibers 
(15. 58 — 65. 67 — 70). Es shid 
Federzeichnungen, bis auf die 
und durchgehends mit farbigem 
Kolorierung verraten besondere 


3 l v —5 cm hohe und 6 —.9 cm breite kolorierte 


erste vorliegende in bunte Rahmen eingefaßt 
Hintergrund versehen. Weder Zeichnung noch 
Kunstfertigkeit. Sind schon die plumpen, ge¬ 
drungenen Figuren der Personen, des Pilgers selbst (der ähnlich wie der Ackers¬ 
mann von Böhmen als Hauptperson auf den Bildern immer wiederkehrt) und 
all der allegorischen Frauen und Männer, welche ihm auf seiner abenteuerlichen 
Wallfahrt durchs Leben von der Geburt bis zum Tode entgegentreten, primitiv 
und roh gezeichnet, bei reichlicherer Ausrüstung unter Verzicht auf einen Teil 
der im Text beschriebenen Attribute, so versagt die Kunst des Malers noch 
mehr, wenn es Flächen, beispielsweise einen Scheideweg (55 u.a.) oder ein Meer 
(85 u. a., vgl. das Faksim.) darzustellen gilt. Unter diesen Umständen erscheint 
es keineswegs ausgeschlossen, daß der Übersetzer nach seinen bescheidenen Kräften 
auch für die Illustrierung des Werkes selbst gesorgt hat. Von den noch vor¬ 
handenen 104 Bildern sind 17 aufgeklebt (31 — 34. 38 — 11. 45. 46. 49. 50. 52 — 56), 
deren Ausführung also bequemer, ohne Furcht durch Verunglücken einer Nummer 
die beschriebenen Blätter zu verderben, vorgenommen werden konnte. Bei sämtlichen 
Bildern scheinen Einfassung und Umrisse zuerst flüchtig mit der Feder skizziert zu 
sein, denn es sind nicht nur unter mehreren der aufgeklebten Stücke an den Rändern 
Teile einer älteren Vorzeichnung sichtbar, sondern eins der Bilder (Bl. 154 r ) ist 
überhaupt nicht über die Umrißfixierung hinausgekommen, iveshalb es bei der 
(dien Numerierung auch nicht mitgezählt wurde. Zu Anfang des 4. Buches der 
Dichtung (Bl. 351 r ) ist ein Bild nur mit Bleistift skizziert. Seine Ausführung 
mag deshalb unterblieben sein, weil dieselbe Situation auf der Rückseite des 
folgenden Blattes zur Darstellung gebracht worden ist. Bei der Beschreibung 
der Bilder unter dem Text zähle ich dieses ebensowenig mit wie ein anderes, das 
überhaupt noch nicht angefangen, aber bereits mit roter Beischrift (lioffart) ver¬ 
sehen ist (Bl. 248 r ). 

Ihrem Dialekt nach gehört die 11s. Mitteldeutschland. speziell (wie 
namentlich der Stand der Lautverschiebung beweist) dem rheinfränkischen Gebiete 
an, so daß sie also an ihrem Aufbewahrungsorte Berleburg, nahe der hessischen 
Grenze, oder wenigstens in der dortigen Gegend von einem den Grafen von 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Einleitung. 


XIII 


Wittgenstein irgendwie nahestehenden, vermutlich geistlichen Alaune geschrieben 
sttiin könnte. Doch ist das natürlich nicht mehr als eine Alöglichkeit. 


Von der zweiten poetischen Übertragung ins Deutsche kennen wir 
stt icohl Entstehungsort wie Entstehungszeit, und dazu auch noch den Vornamen und 
den Stand des Übersetzers. Ein einfacher Priester namens Petrus, der mit seinem 
rollen Namen nicht hat bekannt sein wollen, hat in der heiligen Stadt Cölti im 
-Jahre 1444 das Werk geschaffen. Das alles verrät eine noch im 15. Jahrhundert 
nieder geschriebene versifizierte Notiz auf der Rückseite eines vorgehefteten Pergament¬ 
blattes in der Handschrift, die uns im Historischen Archiv der Stadt Cöln erhalten 
ist. Sie lautet: 


Dyt boicli hait in der hilger stat 
Zo Coelne uys welsche in duytsch gesät 
Eyn sympel priester, Petrus genant, 

— Niet vorder en wilt he sijn bekant — 
Die dat volbraicht hait in dem jaire 
Doe man tzAlte ind schrei ff vur wäre 
Nae Christus geburde vierzienhondert 
Ind vier ind vierzich ungesondert. 
Biddende die id hoeren off lesen, 

Dat sy eme daneber willen wesen 
Ind sprechen doch myt ynnicheit 
Vur synen lone der arbeit 
Eyn pater noster ind ave marie. 

Up dat yn Got van sunden vrye 
Ind synre mjsdait gar verzije. 


Auch über die Zeit der Niederschrift der Handschrift — wir nennen sie c — 

und über den Namen ihres Schreibers sind wir unterrichtet. Noch in demselben 

• • 

Jahre 1444, in dem die Übersetzung vollendet wurde, ist der Band von einem 
Johannes Dursten geschrieben, laut der Schlußschrift: ' Actus et completus Anno 
M° cccc 0 xliiij in profesto decollationis Johannis baptiste per manus Johannis 
dursten.’ Bei dem Namen Johannes Dursten an den bekannten, 1481 verstorbenen 
Augustinermönch Johannes von Dorsten zu denken, der seit 1465 Professor an 
der Universität Erfurt und vordem Mitglied des Osnabrückcr Konvents war, sind 
wir in Ermangelung irgend eines Anhaltspunktes nicht berechtigt. 

Die Handschrift ist eine Papierhandschrif t, ans 1!) Lagen von je 12 Blättern 
bestehend, bei deren letzter jedoch die zweite leere Hälfte ausgeschnitten ist, so 
daß also jetzt nur noch 222 Blätter vorliegcn. Das Papier weist fünf verschiedene 
Wasserzeichen auf: 1) eine zweizackige Krone mit Stange und dreiblätteriger 
Spitze: Lage 1 und 6; — 2) eme Traube; Lage 2 — 5, 7 — 10, 12. 12, sowie 15 und 16 
mit Nr. 4 untermischt; — 3) einen Ochsen köpf mit Stange und Stern: Lage 11; — 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



XIV 


Einleitung. 


4) einen ganzen Ochsen: Lage 14 und 17, dazu 15 und 16 mit Nr. 2 untermischt: — 

5) einen Anher; Lage 18 und 19. Die Höhe des Bandes beträgt 21, die Breite 
14 cm; die Größe des Schriftfeldes wechselt in der Höhe zwischen 14 1 * und 15’ >. 
in der Breite zwischen 8 und 9 cm. 


Die steile Bücherschrift neigt mit dem Fortschreiten des Werkes immer 
mehr zur Kursire. Die Rubrizierung beschränkt sich auf Strichelungen des An¬ 
fangsbuchstabens jeder Zeile, rote Initialen zu Beginn größerer Sinnesabschnitt* 
und rote Paragraphenzeichen vor kleineren Abschnitten oder auch — jedoclt nicht 
regelmäßig — da, wo eine Person zu reden beginnt. An Stellen letzterer Art 
sind dazu auch die Namen der Sprechenden am Rand herausgehoben und rot 
unterstrichen, ein Verfahren, das wir einige Male auch zur Kennzeichnung des 
Inhalts durch kurze Stichworte angewendet finden. Die oben mitgeteilte Schlu߬ 
schrift, der noch ein dreimaliges ‘Amen’ vorausgeht, ist durch Unterstreichung und 
Strichelung in Silber ausgezeichnet. 

Eine wohl dem Anfang des 16. Jahrhunderts angehörende Hand nahm 
hin und wieder Korrekturen am Text vor, während eine noch spätere, vermutlich 
aus dem 17. Jahrhundert, sich auf den ersten Blättern des Bandes dadurch be¬ 
merkbar gemacht hat, daß sie bis Blatt 16 lateinische Stichworte an den Rand 
schrieb und bei Blatt 2’— 5" überdies noch auf dem unteren Rande den Inhalt 
kurz lateinisch skizzierte. 

Der braune Lederüberzug der Holzdeckel ist vorn und hinten durch die 
gleichen Pressungen verziert, denen wir jedoch eine, besondere Sorgfalt nicht nach¬ 
zurühmen vermögen, ln der Mitte ist da in fünf Reihen untereinander je drei¬ 
mal ein Stempel Marias mit dem Kinde eingedrückt, ringsherum in den vier 
Ecken und auch an den Seitenrändern eine kleine Anbetung der heiligen Drei¬ 
könige, die darauf hindeutet, daß auch der Einband in Cöln angefertigt worden 


ist, wo ja jene Könige seit der Überführung ihrer Gebeine im Jahre 1164 eine 
ganz besondere Verehrung genossen. Je zwei Dreikönigsstempel werden verbunden 
durch die eingepreßten Worte ‘hilf maria.’ 

In das Cölner Historische Archiv ist der Kodex, um seine Geschichte 
rückwärts zu verfolgen, mit den übrigen Handschriften der sogenannten Gymnasial- 
bibliothck, d. h. der auch unter dem Namen Jesuitenbibliothek bekannten öffent¬ 
lichen Bibliothek der katholischen Gymnasien Cölns, im Jahre 1885 überführt 
worden. An den Besitz der Gymnasialbibliothek erinnert der sowohl auf der 
Vorderseite, des vorn eingehefteten Pcrgamentschntzbluttes, wie auf dem ersten Blatt 
der eigentlichen Handschrift aufgedrückte Stempel ‘Gymnasial- Bibliothek zuKoeln.’ 

Auf dem unteren Rande, des erstgenannten Blattes ist dazu mit- Bleistift die 

* (t H 

Nummer 229 eingetragen. Die Signatur ^ ist außerdem auch noch auf einem 

Etikettrhen im zweiten Feld des Bandrückens zu lesen. Der Gymnasialbibliothek 
ist die Handschrift nach der Säkularisation zu Anfang des Jahrhunderts mit 
dem übrigen Bücherbesitz der Klöster und Stifter der Stadt einverleibt, und 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Einleitung. 


XV 


zwar wurde sie vom Kreuzherrnkloster beigesteuert. Dort könnte sie überhaupt 
entstanden sein, spätestens abei • vtt sie. wie ich annehmen zu dürfen glaube, gleich 
nach dem Binden dorthin gelangt. Auf dem die Innenseite des Hinterdeckels 
bekleidenden Pergamentblatt, ganz oben links, da wo der Hand dieses Blattes 
unter der letzten Ijage her greift, — an einer Stelle also, die nach dem Binden 
nur noch durch weites Zurückbiegen des Deckels sichtbar wird und jedenfalls 
eite dann nicht mehr beschrieben werden konnte — lesen wir nämlich in senkrechter 
Hichtung von unten nach oben die Notiz: ‘Detur domino Conrardo de grunen- 
berch liberario in Conventu cruciferomm in colonia.’ 

Für wen aber mag diese Notiz bestimmt gewesen sein? Am nächsten 
liegt doch, meine ich, die Vermutung, daß es eine Bemerkung für den Buchbinder 
tcar, der das gebundene Manuskript eben an den Bibliothekar des Kreuzherrn- 
/’closters abliefern sollte. In der Folge ist der Band dann noch wiederholt als 
Besitz dieses Klosters gekennzeichnet worden. Eine alte Kursivhand hat oben 
auf der Vorderseite des vorn eingehefteten Pergamentblattes vermerkt: ‘über frat- 
rum sancte Crucis In colonia.’ Darunter steht in großer sorgfältiger Bücher¬ 
schrift: ‘Liber theutonicalis fratrum sancte Crucis in Colonia agrippina’, wohl 
von derselben Hand geschrieben, die etwas tiefer die Signatur: cxxxij Q [Rasur]’, 
sowie den Titel ‘über de peregrino’ eingetragen und die außerdem auch noch 
auf dem gegen den Vorderdeckel geklebten Pergamentblatt den Vermerk : ‘Pertinet 
fratribus sancte Crucis in Colonia agrippina’ gemacht hat. Die jüngste Besitz¬ 
notiz der Kreuzherren stellt ein Etikettchen unten auf dem Bücken des Bandes 
mit dem Aufdruck: ‘BIB. des Croisiers’ dar. der wohl an die französische Herr¬ 
schaft nach 1797 erinnert. 

Was nun das Werk selbst angeht, so ist diese zweite poetische deutsche 
Übersetzung von der unserigen vollkommen unabhängig; vielleicht hat ihr Urheber 
die ältere Übertragung nicht einmal gekannt. In einer 50 Verse umfassenden 
Einleitung verbreitet er sich des Näheren über Zweck und Art seiner Arbeit. 
Während unser Autor sich eng an den Wortlaut der Vorlage hält und dadurch 
stark gebunden mit Vers und Reim nur zu oft seine liebe Not hat, legte sich der 
neue Übersetzer einen solchen Zwang nicht im geringsten auf. Ihm war der 
Sinn des Originals die Hauptsache, und so konnte ihm denn unschwer ein for¬ 
mell um vieles höher stehendes Werk gelingen. Von einer Illustrierung des Textes 
hat er gänzlich abgesehen. 

Als Probe gebe ich im Anhang die ersten X04 Verse der Übersetzung 
wieder, d. h. die Einleitung und den ersten Abschnitt des eigentlichen Werkes, 
also gerade diejenige Partie, die in unserer Handschrift und, wie wir gleich sehen 
werden, auch in der Prosaübersetzung bedauerliche Lücken aufweist. 

Diese Prosaübersetzung ist im Gegensatz zur eben charakterisierten mit 
unserer Übertragung aufs engste verwandt. Sie ist überliefert in Und. gerne. IS 
der Hamburger Stadtbibliothek (h) aus der Mitte oder der 2. Hälfte des 15. Jahr- 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



XVI 


Einleitung. 


hunderts. Ihr Dialekt weist gleichfalls nach ltheinfranken. Aus dem Nachlaß 
von Zacharias Kanrad von l'fj'enbuch in Frankfurt a.M. (Exlibris auf der Innen¬ 
seite des Vorderdeckels in der Mitte) ist der Kodex 1749 an Johann Christian 
Wolf in Hamburg gekommen (Papierstreifen mit Aufdruck ex Bibliotheca Ham- 
burgenli Wolfiana gleichfalls im Vorderdeckel, oben) und rnn diesem 1707 der 
Hamburger Stadtbibliothek zum Geschenk gemacht worden, wo seine Iiedeutung 
erst kürzlich von I)r. Fritz Burg bei der Inventarisierung für die Deutsche 
Kommission erkannt worden ist. l'ffcnbach hat den rnn ihm mit Nr. 182 si¬ 
gnierten Band unter seinem Exlibris folgendermaßen charakterisiert: Volumen 
sec. XIV|!] vel initio XV scriptum continens Parabolas Theologico-morales cum 
figuris quam plurimis ingeniosis ac affabre satis pictis. Vitae scilicet humanae 
miseriae in Peregrinatoris persona adumbrantur. Unde etiam Menschlich Beede- 
fart inscribitur über ut ex versiculo in fine voluminis adparet. 

Die Hs. hat aus 11 Lagen (1 —5. 7. 9 — 13) von 12 und 3 Lagen (6. 8. 14) 
von 14 Blättern bestanden, von denen jedoch leider auch die 2 ersten und das 11. 
der 1. Lage, sowie das 1. 3. 4. und 11. der 14. Lage verloren gegangen sind. Die 
einzelnen laugen sind vom Schreiber auf dem unteren Bande ihres 1. Blatts mit 
römischen Zahlen numeriert, doch ist die Nummer der 2. Lage wieder ausradiert. 
Die noch vorhandenen 167 Blätter, deren erstes in der Mitte des oberen Bandes 
als einziges mit III foliiert ist. wurden im IN. Jahrhundert in der äußeren Ecke, 
oben mit arabischen Zahlen paginiert (S. 1 — 334). Wasserzeichen: ca. 7 cm 
lange Traube an einem einmal geringelten Stiele. Höhe des Blattes 28 3 jt, Breite 
20 cm; Höhe des abgegrenzten Schriftfeldes 21, Breite 12 cm. 31—35 Zeilen auf 
der Seite. 

Der ganze Band ist von einer Hand in steiler kräftiger Kursive von 
mäßiger Höhe geschrieben. Sinnesabschnitte sind durch neue Zeile und rote meist 
über 2 Beihcn hinwegreichende Initialen, von denen eine (S. 106) schwarz nach¬ 
gezogen wurde, gekennzeichnet. Voti roter Strichelung ist in ausgiebigster Weise 
Gebrauch gemacht, nicht nur für ganze Sätze, sondern auch für einzelne Satzteile, 
l'ber- und Enterschriften der 4 Bücher des Werkes, sowie die Schlußschrift des 
Bundes und die Überschriften der eingefügten Bilder wurden in zarten Linien 
rot eingefaßt, während das Schlußwort amen und einzelne kleine Korrekturen 
ganz in Bot geschrieben sind. 

Nach der starken Beschmutzung sämtlicher Seiten und den zahlreichen, 

später überklebten Bissen in den Bändern der Blätter (bei deren größtem, tief in 

den Text hineingegangenen die verklebten Worte neugeschrieben sind. S. 26314) 

zu schließen, ist diese Prosaübersetzung noch eifriger gelesen worden als unsere 

• • 

poetische. Der gleichfalls zeitgenössische Einband, Holzdcckel mit Überzug von 
ursprünglich hell-, jetzt braunrotem, durch eingepreßte Linien- und Kreisornamente 
geziertem Leder, hat dieselben Schädigungen erlitten wie der von b: das Leder 
ist stark mitgenommen. je 5 Metallbuckel auf Vorder- und Hinterdeckel und 
2 Sehließen abgerissen. Ein ehemals weißes, jetzt stark beschmutztes Papier- 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Einleitung . XVII 

Schildchen im zweiten der 5 Felder des Rückens trägt die Aufschrift: Menfchlich | 

Biedefahrt. | MS. ant. | 

• • 

Weitgehende Übereinstimmungen in der Fassung des Textes und der Wahl 
der Bilder lassen auf eine nahe Verwandtschaft der von b und h repräsentierten 

0 0 

und mit diesen Chiffern fortan kurz bezeichneten Übersetzungen schließen. Stehen 
zunächst beide der Metzer Us. (M) des französischen Originals dadurch auffallend 
nahe, daß in ihnen auf der einen Seite auch die zahlreichen Reimpaare fehlen, 
um die M allein ärmer ist als sämtliche anderen von Stürzingcr verglichenen 
4J2 Hss. (nach b zitiert zwischen V. 364/5. 669/70. 3332/3. 3434/5. 7514/5. 
7522/3. 8196/7. 8480/1. 9124/5. 9779 80. 10306/7 je 1, zwischen 7568/9 und 
7602/3 je 2, zwischen 7138/9: 5, zwischen 7546/7 sogar 6 Paare; dazu 
1 einzelner Vers zwischen 4733/4), und auf der andern Seite beide mehrere ganze 
Ferse (10207/10. [im Original nur 2 Verse: 10082ab] und 13392/3) und eine 
Anzahl einzelner Ausdrücke haben, die allein in M überliefert sind (z. B. 5316 
[hart]. 5360 [follenkommen]. 5767 [bij dich kommen]. 7838 [honde] u. a), so 
gehen sie dagegen auch wieder vereint mit den übrigen Hss. gegen M, indem sie 
z. B. die in M fehlenden Einzelverse 4554. 8922 und 12427 aufweisen. 

Noch deutlicher spricht sich das Verwandtschaftsverhältnis in der Formu- 

• • 

lierung der deutschen Übersetzung aus. Innerhalb der ersten 500 Zeilen von b 
(von denen jedoch in h 1—58 fehlen, so daß also nur 442 zu zählen sind) stimmen 
die beiden Texte, von geringfügigen orthographischen und dialektischen Differenzen 
abgesehen, in nicht weniger als 55 völlig überein (62,4. 79. 126. 136. 140. 143. 
152. 159. 180. 191. 202. 206. 210. 222. 226. 228. 231/2. 243. 251. 263/4. 267. 
295. 299/300. 305. 307. 312. 327. 330. 332. 335. 339. 346/7. 353. 356. 363. 367. 
392. 403. 424. 427/8. 430. 436. 442. 444/5. 486/8). Besonders bemerkenswert 
sind darunter die über mehrere Zeilen hintereinander sich erstreckenden Überein¬ 
stimmungen; kleinere, keinen ganzen Vers ausmachende wären dazu noch in reicher 
Fülle anzuführen. Ergeben diese Tatsachen, denen noch das Vorhandensein gemein¬ 
samer Fehler im Verständnisse des Originals (Näheres im Apparat) angereiht 
werden könnte, daß eine der Übertragungen die andere direkt oder indirekt als 
Vorlage benutzt hat (ein Zurückgehen beider auf eine ältere deutsche Quelle darf 
nach den folgenden Darlegungen als ausgesddosscn betrachtet werden), so erhebt 
sich weiter die Frage, welcher von ihnen die Priorität zuzusprechen ist. Sie 
dürfte schon nach dem Gesagten zugunsten der auch in der älteren Aufzeichnung 
vorliegenden poetischen Fassung zu beantworten sein, denn es ist wohl denkbar, 
daß der Prosaübersetzer sich nicht gescheut hat, gelegentlich Verse seiner Vorlage, 
deren gebundene Form im Zusammenhänge kaum auffallen mochte, herüber¬ 
zunehmen, nicht aber, daß er ohne Grund zahlreiche Stellen seines Werkes mit 
Reimen ausgestattet haben sollte. Dazu kommt etwas anderes. Von den bei b 
im Interesse des Reimes eingefügten Flickverscn erscheinen manche auch in h, 
z. B. 285. 1531. *1752. *1825. *1836. 1847. *1959. *1977. 2802. 2924. 2983. 2999. 
3078. *3204. *3208. 3339. 3470 u. a. Was für ein Grund sollte für h Vorgelegen 

Deutsche Texte des Mittelalters. XXV. \j 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



XVIII 


Einleitung. 


haben, diese nichtssagenden Sätze zu erfinden? Die mit Sternchen bezeichnten 
Verse sind in b erst bei der Korrektur zugeschrieben, ein Beweis dafür, daß h 
die Überarbeitung von b benutzt hat, was auch in einzelnen Ausdrücken seine 
Bestätigung findet. V. 1692 des Originals 

Et (si) me semble grant laidnre 

ist z. B. in b (1817) zunächst übersetzt: 

Und duncket mich auch gar hesselich. 

Da jedoch ein Beim auf grommen verlangt wurde, erfolgte die Änderung von 
gar hesselich in nyergent Vorkommen, und diese vom Original abweichende Lesart 
erscheint auch in h. 

Gleichwohl ist h nicht ausschließlich von b abhängig, denn wie b Verse 
des Originals hat, die in h fehlen (z. B. b 103. 17011. 196. 525. 836/7. 862 u. a), 
so weist auch h Stellen auf, die in b übergangen sind. Es fehlen z. B. in b 
nach V. 854: 1, nach 13609: 2, nach 8046. 8634. 9811 und 9895 sogar je 4 Verse 
der französischen Vorlage, welche in h ihre Übersetzung gefunden haben. Auch 
Einzelheiten in Wort und Wendung beweisen, daß h neben b noch einen andern, 
wahrscheinlich doch wohl einen Originaltext benutzt hat: b 221 (en tel ordure 
Orig., in solichem unflate h, in der geschieht [: nit] b), 260 (s. Apparat), 743 
(s. App.), 1488 (h nennt mit Orig, den Fürsten Archetrycline [Archedeclin], b 
nicht), 1906 (s. App.) u. a. m. Den größten Umfang nehmen die Übereinstimmungen 
und Abweichungen der beiden Übersetzungen bei den in h gleichfalls versifizierten 
Marienliedern (b 11056 ff.) an. Wiederholt geht übrigens h auch, ebenso unab¬ 
hängig vom Original wie von b, ganz eigene Wege. 

Die Verwandtschaft der Illustrationen von b und h bewährt sich, wie 
schon angedeutet, in der Wahl der Themata, nicht etwa in der Darstellung 
selbst, die vielmehr bei dem jüngeren Manuskripte deutlich die großen Fortschritte 
erkennen läßt, welche die Buchmalerei gerade in den 50 Jahren, um die b und h 
zeitlich auseinander liegen, gemacht hat. Die großen, ohne Einzwängung in einen 
Böhmen meist die ganze Breite des Schriftfeldes einnehmenden, gelegentlich sogar 
noch darüber hinausragenden Bilder von h, welche den gegen die Mitte des 
15. Jahrhunderts wahrscheinlich unter Einwirkung der Holzschneidekunst sich 
vollziehenden Übergang von den weich geschwungenen, gerundeten Linien der 
Zeichnung, wie sie b noch auf weist, zum geradlinigen eckig gebrochenen Stil 
schon durchgemacht haben, verraten ohne Ausnahme eine gewisse Sorgfalt und 
ein technisches Geschick, das auch der Perspektive — im Gegensätze zu b — fast 
immer Herr wird. Durch den ihm zur Verfügung stehenden größeren Baum 
wesentlich unterstützt hat ihr Maler selbst bei den kompliziertesten allegorischen 
Gestalten alle Einzelheiten der Beschreibung zur Darstellung zu bringen gewußt. 
Es gehört zu den Ausnahmen, wenn b einmal in der Befolgung des Textes den 
Vorzug verdient wie bei Figur 9 (Der heilige dauff), wo h einen am Taufbecken 
stehenden Priester und Diener malt, während b der Beschreibung gemäß darstellt, 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Einleitung. 


XIX 


wie der Pilger im Wasser kniet und der Offizial ihm das Haupt salbt. Soweit 
angesichts der beiderseitigen Defekte eine Kontrolle möglich ist, decken sich die 
Stellen der Bilder, mit den wenigen sehr erklärlichen Ausnahmen, daß die zwei 
in b nicht vollendeten Nummern auf Bl. 154 r (nur Umrisse) und 248° (nur Bei¬ 
schrift) — natürlich auch das oben erwähnte Bleistiftbild Bl. 351 v — in h fehlen, 
während hier auf Nr. 20 (Das heilige Sacramente) als gut entbehrliches Plus 
noch einmal eine ganz ähnliche Situation folgt (Überschrift S. 34 unten: Hie 
deylet er myt den andern daz sacrament, Bild S. 35 oben): wieder der Bischof 
am Altar und hinter ihm ein paar Gläubige, nur das erste Mal der Geistliche 
mit erhobenen Händen vor dem Kelche stehend, das zweite Mal die Hostie in 
den Händen haltend. Zu Anfang von Buch 3 ist in h (S. 222) ohne besondere 
Beziehung zum Text der Pilger mit gen Himmel gewandtem Haupt dargestellt. 
Ob in b, wo nach der Überschrift des Buches ausnahmsweise die untere Hälfte 
der Seite (279 r ) leer gelassen ist, auch ein Bild geplant war, läßt sich natürlich 
nicht mit Sicherheit entscheiden, doch spricht die Wahrscheinlichkeit dafür. Zwei 
Bilder, für welche der Schreiber von h Raum zu lassen vergessen hatte, scheinen 
auf kleinen eingehefteten Blättchen, die zwar später wieder ausgeschnitten, jedoch 
an schmalen übrig gebliebenen Streifen von ca. 15 cm Höhe noch erkennbar sind, 
Platz gefunden zu haben. Die beide Male unten auf einer Seite stehenden ver¬ 
waisten Überschriften (S.35: Vernunfft ist sere erfert, eine in b fehlende Partie, 
und S. 168 = b Nr. 59) zeigen an, daß die Bilder gleich oben an den Kopf der 
folgenden Seite gehört hätten, womit der Unterlassungsfehler des Schreibers seine 
Erklärung findet. Ein einziges Bild von h (S. 63 = b Nr. 26) ist auf geklebt, weil dort 
irrtümlich zunächst noch einmal die vorhergehende Illustration skizziert worden war. 

Soweit die in b verloren gegangenen Teile des Werkes in h erhalten sind, 
lasse ich deren Text im Apparat als Ersatz eintreten; wo auch h versagt, d.h. in 
der Einleitung (= Orig. 1 — 34), von der in b nur die beiden Schlußverse vor¬ 
liegen (b 1\2), und im ersten Teile der fehlenden Partie zwischen b 58 und 59 
(= Orig. 87—196), bringe ich das französische Orignal nach Stiirzingers Ausgabe 
zum Abdruck, wozu dann noch die im Anhang abgedruckte Textprobe von c ver¬ 
glichen werden kann. Wenn unser Übersetzer den jetzt vermißten Eingang seiner 
Dichtung in ebenso viele Verse gekleidet hätte wie die Vorlage, würden die 32 Zeilen 
das zweite der beiden zu Anfang ausgerissenen Blätter so gefüllt hohen, daß für 
ein einleitendes Bild kein Platz mehr gewesen wäre und dieses also auf dem 
1. Blatte, am wahrscheinlichsten wohl auf dessen Rückseite, hätte angebracht sein 
müssen. Eher möchte ich jedoch annehmen, daß der Übersetzer die Worte des 
französischen Dichters für seine Zwecke zugeschnitten und die Möglichkeit gehabt 
hat, das Bild an den Kopf des 2. Blattes zu setzen, in ähnlicher Weise, wie wir 
es auf dem betreffenden Faksimile bei Stürzinger sehen. Das erste der beiden 
fehlenden Blätter würde in diesem Falle als Schutzblatt leergelassen sein. 

Mit dem Gefühle der Dankesschuld schließe ich diese Arbeit ab. Zunächst 
gegenüber Seiner Durchlaucht dem Fürsten zu Sayn -Wittgenstein, auf dessen 

b* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



XX 


Einleitung. 


Schloß im reizenden Berleburg ich vor Jahren wochenlang der Inventarisierungs¬ 
arbeit für die Deutsche Kommission obliegen durfte, und der dann unsere Hand¬ 
schrift, die ich damalß, • auffand, zuerst der miinsterischcn, dann fast zwei Jahre 
lang der Breslauer Universitätsbibliothek zu meiner Benutzung anzuvertrauen die 
Güte gehabt hat. Durch eine gleiche Langmut in der Herleihung ihrer Hand¬ 
schriften hohen mich die Hamburger Stadtbibliothek und das Historische Archiv 
der Stadt Cöln verpflichtet. — Ganz besonderen Dank aber drängt es mich Herrn 
Professor Roethe zum Ausdruck zu bringen. Seitdem er mich im Jahre 1904 
mit der Inventarisierung der westfälischen Handschriften betraute, hat er meine 
Arbeit stets mit wärmstem, wohltuenden Interesse begleitet. Und wie bei allen 
kleineren dabei abfallenden Früchten, die ich ihm für seine Zeitschrift liefern 
konnte, so hat er auch jetzt bei dieser großen Veröffentlichung vom Anfang bis 
zum Ende mit seinem scharfblickenden Auge über dem Werke gewacht. Die in 
den deutschen Texten ’ wohlbekannte Chiffre (R) kennzeichnet nur einen ganz 
kleinen Teil von dem, was unser vielfach so arg verwahrloster Text ihm zu ver¬ 
danken hat. Dasselbe gilt von der Chiffre (H) des Herrn Privatdozenten 
Dr. Hübner in Berlin, der die Korrekturbogen freundlichst mit dtirchgesehen hat, 
und dem dabei auch an zahlreichen Stellen aus Verlegenheiten, die der Text be¬ 
reitete, eine glückliche Rettung zu finden gelungen ist. 

Breslau. Aloys Börner . 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die Pilgerfahrt des träumenden Mönchs. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



U r J Zu Chalis inn der eptien, 

Da ich uff myme bette was ligen. 

Mich duchte, als ich slieff in 

swere, 

Das ich ein weller und erwecket 

were 

5 Zu gan gheen Jherusalem in die 

stat. 

In eyme Spiegel mich geducht 

hait: 

Der waz groß, da bij hatte ich 

gelegen 


Und die stat von ferrem gesehen. 
Von wydem begriffe sij mich 

duchte, 

10 Innen und ussen köstlich und fol 

gnochte. 

Alle wege und genge waren rieh 
Von finem golde gepafriget glich, 
i 1 ’] Hohe was das fondement gesatzt 
Gar schone uff eynem platze, 

15 Und die husongen waren dar zu 
Von lebendigen steynen gemacht 

nü: 

Eine hohe mure das alumb be- 

sloß. 


vor 1. Der (auch in h) fehlende Eingang der Dichtung mit vor anstehendem Bild ( 1) 
lautet im französischen Original: 

A ceuz de ceste region 
Qui point n’i ont de mansion, 

Ains y sont tous com dit Saint Pol, 

Riehe, povre, sage et fol, 

& Soient roys, soient roynes, 

Pelerins et pelerines, 

Une Vision veul nuncier 
Qoi en dormant m’avint 1’autrier. 

En veillant avoie leu, 
io Considere 9t bien v6n 

Le biaa ronmans de la Rose. 

Bien croi que ce fu la chose 
Qui plus m’esmut a ce songier 
Que ci apres vous vueil nuncier. 

16 Or (i) viengnent pres et se arroutent 
Tonte gent et bien escoutent, 

Ne soit nul et ne soit nule 

vor 3 Bild (2) mit Überschrift links oben: Jhrlffl. links im Bett liegend der Pilger, 
rechts m achteckigem roten, mit 8 blauen Edelsteinen besetzten Bahmen ein Spiegel, darin die 
Stadt Jerusalem. 

DtaUoht Text» <1 m Mlttelalun. XXV. 1 


Qui arriere point recule; 

Avant se doivent touz bouter, 
so Touz asseoir et escouter. 

Grans et petis la vision 
Touche sans point de excepcion. 
En francois tonte mise l’ai 
A ce que l’entendent li lai. 

26 La pourra chascun aprendre 
La quel voie on doit prendre, 
La quel guerpir et delessier. 
C’est chose qui a bien mestier 
A ceuz qui pelerinage 
so Font en cest monde sauvage. 

Or entendez la vision 
Qui m’avint en religion 
A l’abbaie de Chaalit, ... 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 






2 


Beschreibung des himmlischen Jerusalems, das der Dichter im Traum gesehen. 


Da inne waren wonungen viel 

und groß, 

Und da was alle frolicheit 
20 Und alle freude aen trurikeit. 

Dar durch, sere kurtzlich zu gan, 
Mochte yeclicher aen hinderstan: 
Es was dar inne me gudes dan 

man hieß 

Noch gedencken mochte odir wyst. 
25 Aber das krenckete mich vaste 
Das nit yeclicher dar in torste 
Nach synem willen gan: 

Das det mich erschrocken stan. 
Der ingang was gut, 

[2 p ] Er was aber gar wol behüt. 

31 Cherubin, der ein portener was 

der stat, 

Ein schon swert in siner hant er 

hat, 

Licht leuffig, auch schone es ge¬ 
ieget waz 

Und zu beyden sijtten scharff ge- 

sliffen, nu merckent daz: 
35 Er konde sich wol behelffen mit, 
Es ist keinre der mit dem bocke- 

ler nit 

So viele können mochte, 

Der da durch zu gan dochte, 

Er müste sin dot odir wont. 


40 Da was nit wider zu der selben 

stont 

Der fürste geborn von der selben 

stat: 

[2’1 Umb das er mentscheit an yme 

hatte, 

An dem passe leit er den dot vil 

hart, 

Und in sine sijtte die glave ge- 

drongen wart. 

45 Zu betzalonge ließ er blut nas, 

Wie wol er den zolle nit schuldig 

was. 

Also dadent auch sine rytter, 

Sine kempen und sine soldener: 

Sij alle uß syme kelche drunckent 

und gingent 

50 Und da hin zu gan den dot ent- 

phiengent. 

An den zynnen über der porten. 

Da niemans schonet der portener 

zu allen orten, 

Sag ich hencken die fenychin 

Von blude rot gef erbet fin 

55 Und dar zu auch geferbet vielfar. 

Da ich des alles hatte genommen 

war, 

Da sag ich und wart nit bedrogen 

Das dar inn wart geflogen 


28. erachocken. 


vor 31 Bild (3) mit Unterschrift: Cherubin der Jherusalem hfidet. ^in Cherubim mit 
dem Schwerte in der Hand steht als Wächter vor der Stadt Jerusalem. 

Nach 58 sind 4 Blätter ausgerissen. Der erste Teil dieser Partie fehlt auch noch in h. 
Er lautet im Original: 


Qu’entrer a force y convenoit, 
S’autre p&asaige n’y avoit; 
Toutevois par celle voie 
90 Nul mais pasaer ne veoie; 
Chaacun eatoit tont recreu, 
Quant Cherubin avoit veu. 

Bien puet son glaive flamboiant 
Metre en sauf des ore en avant. 


96 Mais tout ainai comme levai 
Mea iex en haut et regardai, 
Une mont grant merveille vi 
Dont grandement fu eabahi. 
Saint Augustin vi qui eatoit 
ioo Haut aus carniaua et [ae] aeoit, 
Et bien sembloit estre oiaeleur 
Qu d'oiaeles apaateleur. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Beschreibung des himmlischen Jerusalems, das der Dichter im Traum gesehen. 


3 


[* r ] Er machet sich wol richtums ane. 
60 Es mag keiner so rieh gesin noch 

haben so viel, 


Er ist wol arme so es were sin 

wille, 

Und mag yn sicherlich wol dun 
In ein solicli suberlich wesen zu 

gan: 


Aveque,8 li avoit pluaieura 
Autrea grana mestrea et docteurs 
106 Qui aidoient a amoraer 
Les oysaus et apasteler, 

Quar pour (lea) pasteana qu’il tenoient 
Et (la) aemence qu’espandoient, 

Pour leure enmieles morsiaus 
uo Et Ieura diz doucereux et biaus 
Maint(ea) gens oyaiaua devenoient 


Et en haut poia (droit) s’en voloient. 
Mont vy certea de Jacobins, 

De Chanonnea et d’Anguatins, 
ii6 De gent de tont maniere, 

De gent laie on aecnliere, 

De clera et de religienx 
Et de mendien8 (et) 8onSraiteux 
Qui ain8i plnmea qneilloient 
l» Et grana ellea ae faiaoient; ... 


Hier setzt h ein: 

[S. 1 ] machten in groß Angel hynne uf jnne die atat zn Aiegen: aye 8tyegent über 
cherubin vnd achten n£ jnne gar wenig ic. 


Hie brediget aant9 benedictg. [Bild 4.] 

Alß balde ich myn angen vnd myn gesiecht nf die ander sit keret, da verwondert mich 
s noch me von eyner Sachen die ich aache: nf der mnren von der atat aach ich ander mechtige 
lnde die do jren heymlichen mit gezng Gar suptyleclich in hülfen. Za erate aach ich 
saut benedictg der eyn groß lang leiter hatte an die murB gestalt von zwölf staffeln der 
demntikeit: dar nf stiegen sie anelleclichen in die atat die von synen luden warn und ym 
zu gehörten, Monich gra, wiß vnd awartz annder von yemantz verwiße zn haben :c. 

io Hie brediget aantg franeißkna. [5. 2] [Bild 5.] 

Dar nach aach ich santn francißcum der sich wol bewyset alß eyn frunt den die da 
wat von 8ynem orden, vnd alß mich bedneht, ao hatte er eyn wol geüoehten seyle an die 
mnren gehangen. Daz selbe waz an manichen enden geknupt, do mit iglicher uf steyg der 
von einer heymlicheit waz. Ez waz keyner da, ab ym ayne hende gesnyret werB, Er mocht 
15 balde uf stygen wan er die knoden hart begreiffe. Ich aach auch vil ander lüde uf der 
murB, der namB ich uch nit eygentlich erzelen kan vnd wie sie ir heymlich an allen enden 
daten uf stygen, Dan aleyn waz myn gesiecht geyn dem ende daz geyn myr stnnt. Dar 
über konde jeh nyt gesehen, Daz mich gar sere verdroiße, Dan ich wil knrtzlichen da von eu 
wenyg sagen ic. 

so Hy brediget santg petrg. [S. 3] [Bild 6.] 

An der müren dye geyn mir atunt da aach ich eyn cleyne dorre, die waz enge, dye 
der konig von der atat det hnden und hatte den alußel aant peter gegeben, dem getruwet er 
wol. Er mocht sich wol uf in verlaßen, dan er ließ da durch nyemant in gan dan bloßlich 
alleyn die arme, wan der nit lüget der da hat gesprochen daz der rieh nit mag dar in 
» komB alß wenig eyn kemeldiere mocht gan durch eyner nalden äuge. Der jngangk waz 
gar cleyn vnd auptile, dar von must sich eyn iglicher uß dun. Da fant mä alter cleyder 
genug vnd vil: dar durch mocht keyn gekleiter gan Er hette dan dez konigez kleyder an, 
vnd die gingent al hyn in alß dick sie wolden. Der jugang gefil mir gar wol vmb dez 
gemeynB vortelß willen daz al lüde hatten die sich geware arm wolten machen. Die hatten 
* keynen wiederetant, wa sie sich dan nit uß dun wolten vnd die alten cleyder hie uß laße 
vnd nuwe cleyder da in holen. Dieß aach aal eyme iglichen wol gefallen, dan diß ist gut 
zu dun: [4] wie rieh eyner ist, so macht er sich wol arm ... 


iS. ginget. 29. vrtelß. 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




4 


Seine Rüstung zur Wallfahrt in die himmlische Stadt . 


Und were gut einwenig vasten, 

65 Wann einer zu abent sadt solte 

rasten. 

Nu han ich uch genug kurtz ge¬ 
sagt 

Von der gar suberlichen stat, 

Als ich das in dem hübschen Spie¬ 
gel han befanden, 
Dar umb ich mich han underwon- 

den 

70 Da von ein weller zu sin. 

Mochte ich bis an das ende myn 
Anderswo gesehen, als mir dreu- 

mete zu der zijt, 
Da sach ich keine gude rüge nit, 
Und mich duchte ich hette große 

rüge 

75 Würde ich mit guder fuge 
[3*] Recht dar in beslossen, 

Des were ich unverdrossen: 

Dar uß zu kommen ich nummer 

gedechte 

Obe ich dar in kommen mochte. 

80 Als ich das hatte in myme synne 
Und das hatte gedacht da inne, 
Balde dar nach ich widerdachte 

fast 

Das ein sacke und wallestap mir 

gebrast 

Und das ich der nit entperen 

konde, 

85 Ich gedachte wo ich die fonde: 

Es ist eine sache wol beqweme- 

lich 

Eyme ieclichen weller irrelich. 


Da gienge ich uß myme huse 

Und uß der selben kluse 
90 Da inne ich nun manet was 

Aen dar uß zu kommen, merckent 

das. 

Ich begonde zu suchen einen 

wallestab 

Und auch ein wallesacken, 

[* r ] Die mir notdürftig waren dar zu, 
95 Zu dem das ich zu schaffen hatte 

do. 

Als ich also suchende gieng 

Und schriende mich umbfieng 

Wo ich mochte finden eine kre- 

mere 

Der mir dar zu zu helfen gut 

were, 

100 Eine frauwe ich in myme wege 

sach, 

Die von irer hubscheit mir freu- 

den jach: 

Sij geleich wol sin ein dochter 

eins keisers, 

Des konniges odir eins andern 

großen herren genoß. 

Eynen kyddel mit golde beslan sij 

anhatte 

105 Und gegurtet mit eime grünen 

syden weppe, 
[■*"] Umb und umb besetzet mit kar- 

fonckel: 

Er luchte vorware durch alle 

dunckel. 

An der brüste ein gülden sloß, 


85. die gleich übergeschr . 107. luchter. 

97. Orig.: Et (en) plourant me dementoie. 


vor 96 Bild (7) mit Nebenschrift rechts: Gods gnade die wieet den pilgerin vff den 
Rechte weg. Eine Frau mit Königs-Krone und Mantel, das Haupt von Sternen umgeben 
(Gottes Gnade), spricht zu dem Pilger, der hier noch im Mönchsgewand erscheint 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gottes Gnade weist den Pilger auf den rechten Weg. 


5 


Mitten da inne ein gülden spange 

groß, 

110 Da inne im mittel ein sterile was, 
Der gab ußermaßen schonen glast. 
Das mich sicher wonderte sere 
Und dar zu auch der mere 
Das ir heubt was mit golde ge- 

kronet wol 

115 Und was auch umb und umb vol 
Mit lichten Sternen glantz: 

Das nam mich wonder gantz. 
Sicher er wol mechtig was 
Der ir hatte gegeben das 
120 Und sij also getzieret. 

Sij was züchtig geformieret, 

Als mich duchte in myme rat, 
Dann sij mich zu erste gegrußet 

hait 

[5 r ] Und mich süßeclich fragede so 
125 Was ich also gienge suchende do. 
Da wart ich zu male gar erfert, 
Umb das ich nit hatte gelernet 
Das frauwe so gar köstlich 
Zu mir neygete sich. 

130 Aber balde genug ich mich be¬ 
dacht 

Und in mir selber das acht, 

Als ich das lernte und weiß es 

wol: 

Wer allermeyst gudes ist vol, 

So viel me demut ist in yme. 

135 Glicher wijse ist der synne: 

So der appelbaum me eppel dreit, 
So er sich gheen dem mentschen 

me neiget 

Demütikeit ist das Zeichen 
Der guden hertzen und der 

weichen: 

140 Wer dis banner nit endreit, 

Der enhait in yme nit gantze 

gntheit. 

[5 r ] Von stunt ich ir geantwert han, 


Als mir das in mynen synne kam, 
Das ich zu gan uffgewecket was 
145 Gheen Jherusalem in die stat, 
Aber ich was zornich dar umb 
Und kommert mich in mynem 

synne 

Das ich keynen sacke 
Odir auch wallestab enhatte: 

150 Und das gienge ich suchen also 
Und her und dar fragen dar na. 
Sii antwerte myr und sprach: 

‘lieber frunt, 
Wiltu hören gude mere zu dieser 

stunt 

Das du suchest, nu komme mit 

mir: 

155 So groß gut kam nie zu dir 
Als das du mich haist fonden 
Hie zu dieser stonden 
Und das du mir hie begegenet 

bist. 

[6 r ] Alles das dir nu gebrist 
160 Und wes du bedarfft, mercke mich, 
Des wil ich dir helffen zu stunt 

sicherlich.’ 

Da mochte ich nit langer gebei- 

den mir, 

Was mir da von gescheen were, 
Ich wolde alles wissen: yren name, 
165 Wer sij were und wannen sij 

qweme. 

‘Frauwe, uwern namen sant 
Mir und uwer rieh und lant, 

Und wer ir sient vorwar, 

Wolde ich gerne wissen zwar: 

170 Ich bijden uch, sagent mir das, 

So bin ich frolich desta baß.’ 

Da antwerte sij mir: 

‘Ich wil is sagen dir, 

Verstant und mercke mich! 

175 Ich wil nit fortsamme sin gheen 

dich 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



6 


Gottes Gnade weist den Pilger auf den rechten Weg. 


[6'] Odir mich verhelen vor dir 
— Ich sage dir wäre, gleube 

mir! — 

Und dich auch nit smehende sin: 
Ich bin des keysers dochter ein, 
180 Der über alle ander herren ein 

herre ist. 

Er hait mich gesant in diese ge- 

wist 

Yme frunde zu gewynnen nu, 

Nit dar umb das er ir bedarff 

ergent zu, 

Anders dan das er ir begert 
185 Und yme were lieb und wert 
Von allen luden yre heymelicheit 
Umb yren nutz und selikeit 
Sihestu wie ich getzieret bin 
Und gefüglich bereidt fln 
190 Von spangen und von Sternen? 

Du haist nye hubscher gesehen: 
Es ist zu erluchten allen den 
[? r ] Die mit der nacht wollen gen, 

Is ist umb daz mich ieclicher fin¬ 
den mag 

195 Mit der nacht als mit dem dag 
Und auch in dem dage als mit 

der nacht, 

Uff das sij machen keinen bracht. 
Ich bin die du anruffen salt 

sicherlich 

So du gehest in fremden landen, 

nü mercke mich: 


200 Als lange du mycli in geselle¬ 
schafft haist, 

Keinen bessern frunt du haben 

magst 

Gest du aen mich in diesem lande. 

0 

Mag nit sin, du wirst gehasset 

mit schände 

Und auch von myme vader, dem 

konige groß, 

205 Und von allen die da sint din 

genoß. 

Aen mich mag niemans wol getun, 

Allen luden bin ich notdürftig zu 

irem dun: 

Vor langen zijden were verlorn 

die weit 

Hette ich sij nit gehut in myme 

getzelt. 

[7*] Der mich bij yme hait, dem 

bristet nicht; 

211 Der mich nit hait, dem bristet 

alle geschieht: 

Ich bin von allem meisterynne 

Und von allen bösen artzetynne. 

Ich erluchten die nit gesehenden 

215 Und geben stercke den spehenden; 

Ich heben uff die gefallen sint, 

Und wijsen die verirret sint. 

Fliehen wil ich nyemant 

Dan die da dotlich gesundet liant, 

220 Aber nach den luden achte ich nit 

Als lange sij sint in der geschieht. 



[192.] Kustode unten auf Bl. 6», an zwei 200. mych aus myae. in geselleschnfft 
Seiten rot eingefaßt: die mit der nacht. üb. gestr. fruntschafft 

195. mit über gestrichenem vff. dem 203. wirst gehasset mit üb. gestr. must 
aus den. haben. 

198. salt siche’lich üb. gestr. must u. zu- 204. auch üb. gestr. haß. 

erst als Korrektur hintergeschriebenem magst. 205. Vor genoß ist brüder und gestr. 

199. gehest übergeschr. nü üb. gestr. gast. 207. notdorftig üb. gestr. not. 

mercke mich zugeschr. 213. artzetynne üb. gestr. spiegelerynne. 

214. nit üb. gestr. vn. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gottes Gnade führt den Pilger in ihr Hau». 


7 


Gottes Gnade bin ich genant 
Und nit anders werden ich ge- 

mant: 

Also du mich auch nennen macht, 
225 Wan so du myn bedarfft. 


[® r ] Nu macht du wol wissen aen zwi- 

velonge 

Obe gut sij bij mir die wonunge: 
Gefellet sij dir wol, so sage is 

balde 

Und din sagen nit me verhalde!’ 
Da antworte von stunt balde 

ich: 


XI 


‘Franwe, durch Got begnaden 

mich, 

Wollent mich uch bekentlich 

machen 

Und auch in keinen Sachen 

Mich nummer gelassen, 

285 Dan mir in keiner massen 

Nutschit so notdurfftig gesin en- 

kan 

Zu dem das ich dan zu schaffen 

han, 


Und dancken uch sere gütlich 
Des das ir bij mich 
240 Zum ersten sint kommen 

Gar umb mynen großen frommen: 
[s*] Mir was nutschit anders not. 

Nu furent mich war ir wollent, 
Des bijden ich uch: ir nit beiden 

sollent’ 

245 Da nam sij mich zu den selben 

zijden 

Und furte mich aen beiden 
Gheen eime huse daz sij hatte, 
Das ir was, als sij da sagete. 

Und sprach, ich funde da allez 

das 

250 Das mir dan zu haben not was. 
Das huß hatte sij gefondieret, 

Als sij sagette, und auch gemuret 
Dritzehenhondert und drißig jar, 
[9 r ] Als ir das wol gedachte zwar. 

255 Das huß ich gar gerne gesag, 

Und da ichs sag, ich sere er- 

schrack, 

Dan is gar hohe in der lufft 

hieng 

Thuschen hyemel und erden ring 


234. Mich aus von uch korr. 254. Orig.: Si comme bien l'en aouvenoit. 


Nach 225 fehlt 1 Blatt. Die Partie lautet in h: 

[S. 7] ... wan du myn bedarfest. Daz wirt sicher gar dick geschehen E du körnst in 
die stat die du gesehen hast, vmb daz du noch gar vii wieder falle, hinderunge, anfechtunge 
und wiederwertikeit finden wirst, die du nit vergan magest an mich, du noch ander, daz 
gleybe vor war: vnd du mochtest an mich gan und intrjnne, daz doch eyn sach ist die nit 
6 sin en mag, daz sage ich dir wol, so machstu doch an mych geyn jherusalem nit in kome 
Noch din fuß dar in gesetzen: wie wol daz du hast gesehen Etwa vil lüde dar in kome 
vnd daz etlich nacket dar in gente vnd etlich fliegent dar über in, Etlich ander koment dar 
in mit gezuge vnd etlich durch [8] Cherubin, so saltu doch wißen daz keyner dar in komet 
an mich, dan die eynB mußet sich dar vor uß dun sich dar in baß wieder zu becleyden, die 
io andern dun ich sich fledern mit mynen dogende, daz sie desto baz dar in gediegen mogent. 
Dan diegent sie alß ich wil, daz hastu wol gesehen: die andern setzen ich in sunderlich 
stede nach myro wiln. Alß dun ich sie al in gan. Nu mastu wol wißen ... 

vor 245 Büd (8) mit Nebenschrift rechts: Codes gnade fiiret den pilgerin Jn yre huß; 
der Pilger jetzt im Pilgergewand. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




8 


Das Haus von Gottes Gnade (die Kirche). 


Als obe is von hymel dar were 

kommen. 

260 Kloghuser und hübsche thorne, 
Gar hübsch was sin begriff vorne: 
Aber mich erferte sere das 
Daz ein groß wasser da vor was, 
Dar durch ich auch muste gan 

265 Solde ich in daz huß kommen aen 

wan. 

Es hatte kein bredt, brücke noch 

schyff, 

Und was das ende doch gar dieff, 

[9*1 Als ich des dar nach wart ge war, 
Da ich waz dar in gestossen gar. 

270 Da hübe ich an zu fragen 
Wie ich dar uß mochte entken 
Und war umb solich pas da were 
Und obe eynich ander weg da 

umb were, 

Und das sij mir ordeclich sagen 

wolde 

275 Was gudes das wasser mir dun 

solde. 

Da antwerte sij mir: ‘was sages- 

tu? 

Bistu umb so wenig erschrocken 

nu 

Und wilt gheen Jherusalem fere 
Und must auch über das große 

mere? 

280 Das große mere ist diese werlt 

hie 

Und ist vol großen snfftzen ye 

und ye, 

Gewiders und lidens, 


Lunten und stridens 
[io?] Und auch viel windes, 

285 Das du noch wol befindes: 

Wie saltu dar über kommen, 

Sijt daz du von deinem so großen 
schrecken hast genommen? 
Du salt nit föchte han: 

Als ich dir dan wil san, 

290 Hie gent durch me kleiner ktnt 
Dan grosser lüde, die veraldet 

sint. 

Dis ist die erste durchfart 
Von dinre guden wallefart, 

Durch ander ende mag kein weg 

sin 

295 Dan alleine durch Cherubin. 

Dar durch etliche gangen hant 
Die sich in irem blude geweschen 

hant. 

Doch nit dar umb, wiltu den weg 

dyn 

Ordenieren zu gan durch Cherubin, 
1 So ist dieser nit wieder dich, 

301 Sonder er ist dir gar beqweme- 

lich, 

Dan so du gedenckest wannen du 

kommen bist, 
Und an das huß vol mists 
Da inne du IX manet gewest bist, 
305 Das dir dan wol not ist 

Dich zu weschen in dieser frist. 
Dar umb raden ich dir hie durch 

zu gan, 

Dan keinen sichern weg macht du 

nit han. 


260. tu ergänzen: waren da. Das Orig, 
hat Clochiers i ot et helles tours; h liest Es 
hatte kl. etc. 

261 eingesetzt als Ersatz für 2 getilgte 
Verse, zu deren erstem 260 das Objekt enthalten 
hatte: 


hatte is zn machen genömen 
vnd das was gar köstlich znsauien körnen. 
263. Daz vor ein zugeschr. 

267. ende übergeschr. 

290. knt. 

298. dyn n. gestr. fin. 

308. weg gleich iilifrgeschr. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gotte» Gnade holt einen Offizial herbei, der den Pilger tauft. 


0 


Zu zijden ein konig hie durch 

gangen ist, 

310 Der diesen gang wol hait gefrist: 

Das was der den gang gemacht 

hette, 

Der nit unreyne waz und auch 

nie myssedet. 

Wiltu da durch gan, daz sage dar, 

So dun ich von stunt kommen her 
315 Eynen der myn sunderlich diener 

ist 

[U r \ Und auch Gottes officiale da bij 

ist. 

Er ist auch myner wonungen 

huder 

Und dis ganges ein diener. 

Der hilffet dir da durch zu gan, 
320 Dich zu baden und zu weschen 

lau. 

Der selbe dich auch crutzen 

wirdet, 

Umb das er zu stunt gesehen 

wirdet 

Das du wilt über mere 

Jherusalem zu gewynnen, die stat 

her. 

325 Umb mynner zu forten die viende 

din, 

Das crutze macht er uff die 

brüste din, 

Uff din heubt und an dinem 

rucke 

Desta mynner zu forten alle un- 

gelucke. 


331. Darst nachträgl. vor föchten geschr. 
336. da» zweite i in offici&l nachträgl. ein- 
gefugt. 

342. salbete üb. gestr., nicht mehr lesbarem 
Worte. 


Er salbet dich als einen kempen 

zwar, 

330 Das du nit als umb ein har 

Darst föchten dine viende sicher¬ 
lich. 

[u r ] Nu sage balde, was beduncket 

dich ? ’ 

Da sprach ich: ‘ich des begere 

Das ir yn dunt balde kommen 

here.’ 

335 Da qwam zu mir durch ir ge¬ 
bot 

Der official, als da vor stat. 

Der nam mich da mit einre liandt, 

In das wasser stieß er mich zu 

hant, 

Da badet und wöscli er mich 
340 Und dry male dar under donckete 

mich. 

Gnade sagete mir an keinen 

enden unwaer: 

Er crutzete und salbete mich 

zwaer. 

Dar nach sij mich in das huß ge- 

färt hait, 

IwiDa sij gar ein edel und hübsche 

herberge hait. 

345 Da det mir Gnade gar gutte 

glichniß an, 

Viel besser dan sij vor hatte ge- 

taen, 

Und sprach, sij wolte mich gerne 

Viel Sachen wijsen und lernen, 

344. vnd hübsche übergeschr. 

345. sij vor mir gestr., dafür gnade über¬ 
geschr. glichniß an eingesetzt hint. ein getilgtes, 
nicht mehr lesbares Wort (w. ..), weswegen 
gntten in gutte geändert. 


vor 335 Bild (9) mit Nebenschrift rechts: der heilige dauff. Der Pilger kniet mit 
gefalteten Händen im Wasser; ein Offizial salbt sein Haupt mit großer Salbenbuchse. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



10 


Ein Bischof firmt den Pilger. 


Und daz einen guden synne ich 

neme vor mich, 

350 Obe dar zu verstaen wolde ich. 

Da sij also zu mir rette in dem 

ziele, 

Sach ich schiere wonders viel, 

Des ich nit zu male geswigen wil: 

Ich werden davon sagen ettwas 

viel 

355 Dar nach wan ich ein wol ge¬ 
fallen habe, 

Wil ich uch sagen von mime 

wallestabe 

Und von dem sacke des ich be- 

gern, 

Dan ich der zijt genug darzuhan 

und nit mag entpern. 

l w *J Zum ersten an dem ende sag 

ich, 

360 In dem mittel duchte mich, 

Das Zeichen thau, daz waz nit 

von blude 

Des wissen lemmelins güde. 

Es ist das Zeichen da mit ge- 

tzeichent sint 

Mitten an den Stirnen die Gottes 

kint. 

365 Und nahe bij mir sag ich einen 

meister An, 

Der schein wol ein vikarie sin 


Von Aaron und von Moysen: 

Inn siner handt sag ich yn 

wysen 

Eine rüde, was an eime ende 

kromp, 

370 Und sin heubt gecronet mit 

horner stomp, 

[*3 r ] Gecleidet mit lynen cleider. 

Ich geleube das is were der 
Von dem da rette Ezechiel 
In syme nünden cappittel, 

875 Das er den luden an ire Stirnen 

macht 

Das Zeichen thau, da mit er sij 

getzeichent hait 
Er sagete das is das Zeichen were 
Dar durch Got yn milde worden 

were: 


Dan durch Zeichen wilt er das sij 

sient 

380 Sine lüde alle die da mit an der 

stirn getzeichent sint 
Mit dem Zeichen det mich Gnade 

Gott 


An die stirne Zeichen und sere 

dancken aen spot: 
Da von ich vor wäre gar froe 


was, 

Dan is mir sere beqwemelich was, 
385 Nit von notdurfftikeit, 


357. sacke üb. gestr., nicht mehr sicher les¬ 
barem Worte, vielleicht banden; infolge dieser 
Änderung: dem aus den, des aus der. 

358. Dan aus Dar, dahinter zu gestr. Nach 
ich ist mich getilgt, darzuhan vnd übergeschr. 
entpern hint. gestr., nicht mehr lesbarem Wort. 

361. vor Das gestr. von thau. thau n. 
Zeichen übergeschr. 


362. lßmelins üb. gestr. scheffelins. 

368. handt aus hant. wysen hint. gestr. 
halden. 

370. in gecronet der 3.-5. Buchstabe aus 
andern Lettern hergestellt. 

372. der vor were gestr. u. dahinter sugeschr. 

373. Ezechiel 9, 2 — 4. hint. Ezechiel ein 

1 üb. d. Z. 


vor 359 Bild (10) mit Nebenschrifl rechts: Fyrmonge. Ein Bischof mit dem Bischofs¬ 
hut auf dem Haupt, in der Linken den Bischofstab haltend, zwei Finger der Rechten zum Segnen 
erhoben, sieht dem Pilger entgegen, der mit 4 Gefährten zum Empfange der Firmung naht, 
oben neben dem Bilde gestr. Z, Ansatz zu Vers 359. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Der Bischof Überreicht dem Offizial dreierlei Salben. 


11 


Sonder von zukommender follen- 

kommenheit. 

[13 c ] Dar nach sach ich den meister 

machen 

Eine gude salbe dem officiale zu 

Sachen, 

Die er gab und befale 
390 Dem vorgenanten officiale. 

Mit solichen Worten er zu yme 

sprach: 

‘Sichstu die drie wirdige salben 

Die ich dir geben und den luden 

allen? 

Alle die die da pilgeryn 
395 Und auch die kempen wollent sin, 

Mit den zweien ersten du salben 

salt 

Und nit anders da mit machen 

salt. 

[74 r ] Die dritte ist vor die gewondeten, 

Vor die geslagen und die ge- 

qwetscheten, 

400 Vor die da in dem dotbette 

lygent 

Und keins trostes sich me ver- 

sehent: 

Mit dieser salbe saltu die be¬ 
strichen sin 

Und yn ein getruwer artzet sin, 

In allenthalben sij salben mit 

gantzem flijß 


387. ich h, fehlt der Ha. officia vor 
meister gleich durch schwarze Einrahmung 
getilgt 

388. de. 

394. vor vor Alle gestr. 

400. dem dot üb. gestr. das. vor lygent 
gestr. sich, lygent aus legent. 

403. Ynd üb. gestr. So magstu. 


405 Da er dan der salben bedürfende 

ist. 

Des bedorffent sicherlichen wol 
Yeclicher der da wallen sal, 

Alle pilgerin und die geirret sint 
In diesem lande und in der 

werlde blint: 

410 Dan sij sint alle dage in dem 

criege 

Wie einer den andern bedriege, 
Also das is nit gesin mag, 

Sij mußen geletzetwerden allen 

dag, 

[74 »J Übel entfangen sin odir wont. 

415 Das ist yn gar ungesunt, 

Und dar umb uff das leste 
Ist yn die salbe das beste. 

Dar umb bestrich sij aen feie, 
Wan ich dir die salbe dar umb 

befele! 

420 Ettliche zu salben vor mich 
Den nuwen konnig behalden ich 
Und die vikarien Moyses, 

Die ertzete, als du einer bis: 

Und die dische da wir uff essen, 
425 Und thau an die stirne gemessen, 
Davon halden ich die ußrichtonge, 
Die gewonheit und verdienonge. 
Nn luge daz du nit missegriffest 
Wieder mich und auch nit under- 

stest!’ 


404. allent aus allen. halben sij üb. 
gestr. Sachen. salben aus besalben. 

405. Da er vor dan Übergeschr. dan aus 
den. der «. dan gestr. 

408. Vor Alle ist vnd gestr. 

409. n. lande mit j zu ja angesetzt. 

413. geletzetw’ds üb. gestr. yeclichen. 

420. n. salben langer senkrechter Strich. 
426. halden üb. gestr. han. 


vor 392 Bild (11) mit Nebenschrift rechts: bestrichen des heilige oleys. Der Bischof 
überreicht dem Offiziale dreierlei Salben. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



12 


Rechtes Verständnis unterweist über guteix Gebrauch der Salben. 


[# r l Als sij zwene also ander ein 

rettent 

431 Und ire salben ordeniertent, 

Zu stunt ist zu yn kommen 
Ein jungfrauwe von eime thorn 

geklommen: 
Recht Verstenteniße sij sich hait 

genant, 

435 Als Gottes Gnade mir vor hat be- 

kant. 

Sij hub an zu yn zu reden 
Und yn zu sagen aen meren: 

‘Ir herren, die also redent 
Und uwer salben also ußrichtent, 

440 Da mit andern luden zu salben, 
Und hait hie uwer rede allent¬ 
halben, 

(/5»] Nu versteent zweie deine wort, 
Die ich uch balde han uffenbart: 
Salbe ist ein süßes ding 

445 Zu wonden die zu odir uffen sint. 
Auch sal sueßelich mit umbgangen 

sin 

Und auch süße instrumente da bij 

sin. 

Süße sal der sin der das heldet, 
Dan grobkeit sich dar zu nit 

stellet 

450 Is ist nit not daz der verwonte 

man 

Herteclich werde gegriffen an, 
Doch ettwan schadt dem gewonten 

grobkeit mere 


Dan yn salben sere. 

Grob sint die da böse sint, 

455 Die frechen als des lewen kint, 
Die inn allen Sachen sich nit 

wollen spam, 

Nutschit verdragen oder unge¬ 
rochen laßen fara. 
[t6 r ] Die sint nit gut artzet zu wonden 
Noch gude artzet zu dem libe 

besonder, 

460 Dan sij den verwondeten ire 

salben 

Zu viel hertlich anstrichen wollen. 
Dar umb bin ich abe geclommen, 
Uch zu underrichten her zu uch 

kommen, 

Das inn uch sij keine grobkeit, 

465 Keine frecheit odir boßheit. 

Den verwondeten sollet ir gnedig 

sin, 

Barmhertzig und yn geben süßen 

schin: 

Ir sollent sij handeln sußeclich, 
Dan ist uwer salbe gut sicherlich. 
470 Dicke sollent ir uch lassen ge- 

dencken 

Das ir gesalbet sint aen wencken, 
Und das ir milde, süße und guttig 
Sollent sin und nit übermütig: 

[16 *] Nit ußruffig umb uwer boßheit 
475 Sollent ir sin zu keiner zijt, 

Und das ir alles böse vergebent 
Und nach Gotte strebent; 


434. Recht vor d. Z. zugefügt. 

443. balde aus balden. 

449. sich wohl eineufügen; Orig.: i mesa- 
vient, h: ist dar so nit gut. 


452. Bchadt üb. gestr. ist. grobkeit mere 
üb. gestr. bessere. 

453. Vor Dan ist hartekeit gestr. sere 
gestr. u. dann wieder zugeschr. 


vor 430 Bild (12) mit Überschrift: verstenteniße ßdiget. Eine Frau (Rechtes Ver¬ 
ständnis) ist eben aus einem Turme gekommen, dessen Türe noch offen steht. Sie trägt eine 
Krone auf dem Haupte. Mit erhobener Rechten predigt sie dem Bischof und Offizial, die hinter¬ 
einander stehen und die linke Hand erhoben haben. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Rechtes Verständnis mahnt tu Müde und Barmherzigkeit. 


13 


Dan, wo nit luget der prophete, 
Alle rache er yme behalden hait, 

480 Dar umb wer die yme nemen 

wolte, 

Das er dez zu eime bösen ende 

kommen solte!’ 

Da Recht Verstentenisse also 

hatte geredt, 
Der vicarie, der vor ist genennet, 
Hait ir geantwert und sprach: 

‘sagent mir, 

485 Ich bijden uch, wissent ir 

War umb ich die horne uff dem 

heubt habe 
Und auch die spitze an myme 

stabe? 

Ist is nit umb straffonge 
D~ r ]Der boesen und sij zu straffen 

dun? 

490 Ich meynen, ich solle die boesen 

bossen 

Und sij mit den hörnen stoßen 
Und auch mit der spitze stechen 
Eie ich die salbe werde brechen.’ 
‘Lieber frunt’, sprach Verstente¬ 
nisse, 

495 ‘Nu höre mich einwenig me! 

Ich kennen dich wol was du ge- 

saget haist, 
Aber du noch nit zu male ge- 

lernet haist 

Die wijse, als du wissen salt 
Zu stechen und zu stoßen balt. 

500 Zum ersten saltu betrachten mil- 

declich 


Die die du siest gaen irreclich: 
Sistu dann das sij versteinet sint 
Und gestercket in dem irren aste, 
[17'] So hastu macht sij zu stechen 

vaste. 

505 Is höret wol dime ampte zu 

Von den bösen recht gerichte dun, 
Aber du salt vor milde sin 
Dan stechende odir scharff zu sin. 
Noch sagen ich dir vort einen 

punct: 

510 Hastu yemans zu keinre stunt 
Mit hertikeit gestossen odir ge¬ 
stochen 

Odir dich an yemans gerochen, 
Das du das nit habest getaen 
Aen die milde salbonge vor zu 

haen 

515 Des bedurens und mitlidens! 

Dan wie gehornet du bist zu 

richten, 

So saltu doch mitliden in dem 

hertzen han 

Mit dem den du richten salt 
Und gedencken auch balt 

520 Das du gesalbet wurde 
[J8 r lEe die horner dir dan wurden 
Und die spitze oder des Stabes 

Zeichen: 

Das sal dich gar sere weichen. 
Wan du yemans straffen wilt, 

525 So saltu dar inne vor wesen milt 
Und auch nit vergessen des in 

der frist 

Von des wegen du vicarie bist. 


478. Deuteronom. 32,33. 

481. dez übergeschr. 

482. Recht übergeschr. 

484. ir übergeschr. 

488. Js ist Hs.; Ist is mit h nach dem 
Original. 

501. das c in irreclich zuyeschr. 


514. vor zu haen eugeschr. 

[520.] Kustode unten auf Bl. 17•: Ee die 
horner. 

522. Vnd vor die tugeschr. oder üb. 
gestr. vnd. 

524. Nach du ist auch gcstr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




14 


Warum der Bischof Hörner auf dem Haupt und einen Stab mit Spitze trägt. 


Das waz der der gehörnet scheyne 
Und hatte doch der horner keine: 
580 Das was Moyses, der das folck 

von Israhel 
Furte durch das mere, 

Der mit der rüden die er drüg, 

Yn hatte gemacht gutten weges 

genug. 

Nu verstant wol diese letze hert, 
535 Sij ist dir einer guden predigen 

wert: 

Schinest du ussen gehörnet sin, 

So sal din hertze zumale aen 

horner sin. 

[iS»] Wie du doch ussen geschaffen 

siest, 

So gedencke dastu barmhertzig 

best, 

540 Wann innen saltu barmhertzig sin, 
Wie du doch ussen nit habest den 

schin! 

Den bedrog magstu wol dun 
Und doch nit da mide übel staen: 
Din hertze sij senffte und gutlig 
545 Und eime guden exempel gelich! 
Hastu eine rüde spitz an eime 

ende, 

So gedencke daz sij an dem an¬ 
dern behende 
Kromp und gebogen ist 
Und gheen dem spitzen ende ge- 

neiget feist. 

531. Vor mere tat grosse gestr. 

533. gemacht übergeschr. 

539 nachträgl. neben 538 rechts a. R. zu¬ 
gefügt. 

540. Vor innen ist du gestr., n. innen: saltu 
übergeschr. sin hint. gestr. bist. 

541 zwischengeschr. 

543. staen hint. gestr. dun. 

547. behende hint. gestr. ende. 

549. spitzen üb. gestr. and’n. feist hint. 
gestr. ist. 


550 Das bedudet, und nit erschrig 

dich, 

Das du salt sin demütig, 

Und in dir sal sin demütikeit 
Wanne du straffest durch gerech- 

tikeit. 

Nu wisse war umb dir ist ge¬ 
geben 

555 Die rüde und dir ist wöergeben: 

Das ist umb das du din folcke 
[J9 r ] In dieser werlt regieren solt 
Und das dun durch das wasser 

gan 

Und ir keinen verderben lan. 

560 Du salt auch versuchen mit dime 

stabe 

Obe das wasser dieff gront habe 
Und obe man bedurfte bret odir 

brücke, 

Daß sie nit lyden ungelucke, 

Dan wo brücke odir bret da ge- 

bresten, 

565 Die bistu schuldig zu machen zu 

dem besten. 
Dar umb bistu bruckenmacher ge¬ 
nant: 

Is ist dine letze, das verstant! 

Nu wil ich dir sagen vorbaß 
War umb, wiltu verstaen daß, 

570 Das du die hübsche rüde solt dran 
Und war umb din heubt gehörnet 

ist gethan. 

555. ist vor dir gestr. u. dahinter übergeschr , 
Das vor geben gestrichene vber ist wieder ein¬ 
zusetzen. 

563 zwischengeschr. 

567. Vor Is ist Dis verstant gestr. n. das 
zugeschr. verstant. 

569. Vor verstaen ist mich gestr. daß 
hint. gestr. baß. 

571. ist gethan hint. gestr. ist. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Von den Hörnern und dem Stab des Bischofs. 


15 


Zu zijden hie in dieser stat 
Der gehornete uß der hellen ge- 

wonet hait 

Und darch besesse lange zijt 
[W'lSine wonunge da hatte gedieht: 

576 Aber umb das is verdroß 
Gottes Gnade, die große, 

Die das haß vor hatte gemacht 
Da inne zu wanen mit yrer 

macht, 

580 Mit den hörnern ich dich ge- 

wapent habe 

Und dir anch geben den stabe, 
Das er durch dich ußgedrieben 

würde, 

Der ungetruwe mit siner burde, 
Der da inne herre sin wolde, 

585 Und du yn mit den hörnen stoßen 

solde. 

Den hastu mit den hörnen ge¬ 
bossen 

Und auch mit dem stabe gestossen 
Und yn gedrieben von der stat 
Da er lange in gewonet hat. 

590 Die zwene henckel sin 

Die hangent an den hörnen din, 
W Hastu zu der zijt erworben 
Do der dufel ist verdorben, 

Das du yn von der stat haist ge- 

taen 

595 Und die stat van unreynikeit aen 
Gemachet haist und gereyniget. 
Das was da du sij haist gewijhet, 
Geheiliget und gebenediget. 


Und umb das du ein gut kempper 

wert 

600 In der wijhonge du dich nit er- 

ferest, 

So wilt Gnade Gottes das du dich 

Mit den wappen dicke cleides 

glich, 

Da mit du uberwonden haist und 

inne leides die stat 

Da inne er dicke gewest hait, 

605 Zu Zeichen und bedutonge 

Das du nit kommest in ver- 

gessonge: 

Und auch umb daz er in keinre 

frist 

Nit komme wo du dan bist, 

Der ungetruwe, den du uberwon¬ 
den haist, 

l 20 '] Gebosset, gestossen und niderge- 

slagen haist: 

611 Und auch uff das du siest gestalt 

Allezijt frisch zu striden mit ge- 

walt, 

Zu aller stont und zu allen ge- 

tzijden, 

Wieder die da wollen strijden 
615 Wider Gottes Gnade und ir huß 

stören, 

Yr gut nemen und verdören 

Mit manicher hande under- 

nemonge, 

Mit gewalt und uberschetzonge. 

Aber da von, daz man vor wäre 

weiß, 


580. ich übergeschr. R. schlägt vor: M. d. 
5. si dich gew. hat (: Btap); Orig.: De cea 
corne» te fist armer, et la verge bailiier te fiat. 
583. Vor mit ist waner gestr. 

503 nachträgl. Amt. 592 geschr., durch 
tf nkrechten Strich getrennt. 

595. van übergeschr. 

599. wert aut were. 


600. du dich üb. gestr. vnd; tilge du? 
Nach erferet ist we’ gestr. erferet in erferest 
zu ändern [trotz Reim f] vergessen. 

603. die stat hier tugeschr. «. zu Anf. von 
604 gestr. 

610. Gebosset aus gebesse’t 
615. Wider vor d. Z. zugefiigt. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



16 


Von den Hörnern und dem Stab de» Bischofs. 


620 Dustu nit das du bist geheiß 
Noch daz du schuldig bist zu don, 
Dan du erloubest is yn schon 
Und wijsest sij den weg dar zu 
Das Gnade Gottes nit zu dancke 

nymmet 

625 Und ir auch zu freude noch gute 

nit kommet 
Dar umb sage ich dir aen smei- 

chelerie : 

[** r JIs ist nit anders dan spotterie 
Von dinen hörnen und dime 

stabe. 

Dine horn sint als die snecken 

habe, 

630 Die sich umb einen halm in zie- 

hent: 

So er sij ruret, sij dar umb flye- 

hent. 

Soliche horner hatte nit sant 

Thommas, 

Der dem konnige den ingang und 

pas 

Von syme huse hart geweret hait, 

635 Umb das er aen sache und zu un¬ 
recht 

Und mit gewalt das understanden 

hait 

Das huß dinstber zu machen 
Mit viel Unrechten Sachen, 

Das alletzijt frijhe solde sin. 

640 Lieber tvere der biderman fin 


Gestorben ee er daz ließe dinst- 

ber sin. 

Von sant Ambrosio ich dir sage 

Wie er sin huß erweret habe 
[21 •] Wieder konnige und keisere, 

645 Das er des huses alleine here 

were. 

Er sprach: “ir hant nwer palaste, 

Uwer stede, thorne und sloße 

veste 

Und die gulten von dem keiser- 

tum, 

Da mit sollet ir uch wol genügen 

lan. 

650 Myns huses krüdent uch nit, 

Lassent mir das, ir hant da inne 

keyn stette, 

Is wirt nit dinstber bij myme 

leben, 

Ich wolde lieber myn leben 

geben” 

Die lüde drugent nit horner umb 

süße 

655 Und hatten sij nit aen große un- 

müße. 

Werest du also wol mit hörnen 

gekleit 

Zu behuden die fryhe gewonheit 

Dins huses das du besessen haist, 

So hastu das vingerlin in diner 

handt, 

660 Obe du dinen stab recht brachest 


632. Vgl. Thomae vita prima auctore Ed- 
tcardo Grim ( Migne, Patr. lat. CXC, col. 16). 
634. hart übergescltr. 

638. vnrechten übergeschr. 

640. hette Hs., n. d. Korrektur im folgenden 
Vers irrtüml. stehen geblieben. 

641. Gestorben aus za sterben korr. 

642. Ambrosius Epist. CI. I,. Ep. 20, 19 
(Migne, Patr. lat. XVI, col. 999). 


Digitized by Google 


645. hases übergeschr. 

649. l&n hint. gestr. dun. 

651. key stette «. gestr. nit. 

653. myn leben geben korr. aus verlieren 
das leben. 

655- An d. ersten Buchstaben von hatten 
ist radiert. 

659. handt aus hant. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Der Offizial spendet das Sakrament der Ehe, der Bischof das der Priesterweihe. 17 


[22 r ] Und Pharaon recht und wol 

straffest 

Und yme sagest das er Gotte 

dienen laeße 
Dine lüde und sij nit mache yme 

dinstbere, 

Sij nit drenge noch beswere: 

665 So weres du ein guder Moyses 
Und mochtes auch gemessen des 
Und dienetest Gods Gnade da mit, 
Und das gefiele ir auch wol 
So dicke sij dich wappen sol.’ 

670 Da Verstentenisse also rette 
Zu Moysem und predigette, 

Der officiale sich umb gewant hait 
Und auch die salben mit yme 

bracht 

Und die gar wol in gehalt getan. 

[ 22 *] Und dar nach, als ich mich han 

duncken lan, 

676 Wie eine frauwe von der sonnen 

nidergang 

Und ein man von der selben 

sonnen uffgang 
Zu yme qwarnen, zu stunt sach 

ich sie 

Yeclichs eine hant reichen dar bij, 

680 Die. hende lachte er zu sammen 

bijeinander 

Und, als mich duchte, sprach er 

zu yn: 

‘Ir zweie sollent nit dan eins sin 


Und truwe under ein tragende fin 
Und in allem uwerme leben nit 

anderes sagen 

685 Daß dem anderen mißhage, 

Noch tuschen uch sin kein abe- 

scheiden, 

Is sij dan geware sache die daz 

solle bereiden, 

Und das durch den der da ist, 

Moysent. 

Un behalde* wol das sacrament 
690 Und habent uch einander lieb ge- 

truwelich! ’ 

Das hant sij beide gelobet gelich. 
Der officiale ist umbe gekert 
[23 r] Und ist gangen zu Moyse wert, 
Der noch an sinre predigen was, 
695 Da frauwe Recht Verstenteniß bij 

saß. 

Aber als sij bij ein waren 
Und wolden ire Sachen uffenbaren, 
Da quam ein hauff .lude zu stunt, 
Die zu der selben stunt 
700 Daden uffhoren und swigen das 

parlement. 

Da sij vor Moysen kommen sint 
Und ire begeronge yme verkündet 

hant 

Das er yn ettliche dinste gönnen 

solte 

Und yn die inn sime huse ver- 

lihen wolte, 


662. er üb. gestr. da. laeße üb. gestr. laßest. 686. kein übergeschr. 

663. yme übergeschr. 687. bereiden «. gestr. scheiden. 

674. in fehlt. 689. behalde. 

683. tragende fin aus tragen. 695. recht übergeschr. 

685 neben 684 o. R. zugefügt. 702. verkündet hant aus gekündet sint. 


vor 670 Bild (13) mit Nebenschrift rechts: Die heilige Ee. Der Offizial führt einen 
Mann und eine Frau zusammen. Die Frau hat Gestalt und Kleidung, auch die Krone von 
Rechtem Verständnis ( s. voriges Bild!). 

Deutsche Text* ile* Mittelalter*. XXV. 2 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



18 


Der Bischof schert den neuen Offinalen die Kopfplatte. 


705 Da nam er eine schere 

Und det bij sich kommen here 
[23»] Ettliche, die er balde hait ge- 

schorn fin, 

Und sprach Got solde sin 
Yre erbe und ire teyl, 

710 Das were ir grosses heyl, 

Da mide yn wol genügen solte, 
Obe sij wijse wesen wolten. 

Da Moyses daz hatte vollenbracht, 
Verstentenisse da bij sij trait, 

715 Zu yn zu reden hüb sij an: 
‘Horent, ir herren, ich sal uch 

san: 

Dis ist grosser synne, was iec- 

licher wil sagen, 
Sich ettwan mit dorheit verdra- 

gen. 

Sint ir geschoren mit der schere 
720 Uff dem heubt hin und here 
Als dore her und dare, 

Die dorheit ist grosser synne 

zware: 

Dar umb so erbieden ich mich 
[24 r J Das ich zu ewigen dagen uwer 

frunt wil sin sicherlich, 
725 Wem joch das leit mag gesin. 
Diese liebe sollet ir nit uß slande 

sin, 

Dan ir sollent sij vor allen an¬ 
dern han, 


Wo is nit belibet in uwer dorheit 

stan. 

Und wollent ir myn nit, so sij 

uch geseit: 

730 Die dage die ir gelebent, is wirt 

uch leit, 

So gude frundynne hantir inn 

keiner zijt, 

Des sollent ir inne werden zu 

rechter zijt. 

Ich bin die durch die ir sint 
Von andern dieren gescheiden, die 

sint blint. 

735 Als lange ir mich bij uch hant, 
Sint ir sonder lüde genant, 

Und wan ir aen mich wollent gän, 
So mogent ir uch wol rümen aen 

waen 

Das ir nit sint anders danne 

stomme diere, 

740 Die sich selber wollen zieren. 

[24 •] Aen mich hant ir keine ere nit, 
Wie wol das ir große herren sijt: 
Wo ir große gedichte dun wollent, 
Zwifaltige rede odir argument, 

745 Aen mich hant ir kein besloß, 

Is komme dan zu irrongen groß. 
Nu wil ich uch sagen, obe ir nit 

wissent, 

Wie ir myne liebe behalden 

müssent : 


717. wil übergeschr. 

718. mit üb. gestr. von. 

720. vor hin gestr. sr. 

721. dare aus dore. 

724. sicherlich tugeschr. 

726. vß slande sin aus vß slan. 


728. stan tugeschr. 

730. is Übergeschr. leit n. gestr. nit. 

731. hantir übergeschr. 

732. ir übergeschr. zu recht’ zijt hitU. 
gestr. ir. 

743. jngemens Orig., gericht h. 


vor 705 Bild (14) mit Nebenschrift rechts: wie der bischoff die platte schyrt vnd 
v’stenteniß die prediget jn dem alB er wj-het. Ein Mönch wird grade geschoren, ttoei andere 
stehen bei Seite. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Hechtes Verständnis gibt dazu Erklärungen und Ermahnungen . 


19 


Essen und drincken nüchterlich 
750 Ir sollent vor andern züchtenclich, 
Dan drünckenheit und leckerigen 
Dunt uch balde von dannen flie¬ 
gen. 

Zorn der über maße ist, 

Und boßheit die dont ußerwege zu 

aller frist, 

755 Die wanonge mich rumen dunt 
Da sij dan ir wesen hant 
Lipliche liebe mich verdribet des 
[* 5r ]Und dut mich zu male rumen das 

pletz: 

Das werdent ir sehen aen besloß 
760 In dem buche von der rose. 

Nu bijden ich uch das ir uch vor 

den wegen 

Hüdent alletzijt und pletzen, 

Obe ir mich lieb hant, 

Und vor allem bösen abelant; 

765 Dan ich die nit zu frunde han 
Die sich in laster ergeben lan 
Und sich von dem guden usserent. 
Noch sage ich uch kurtze wort: 
Beslossen in dem geschorn ende 

dort 

770 Mit eyme zierckel umb ront, 

Das ist ein dörlich bont, 

Als obe is were ein bürg odir 

thorn 

Odir ein gertelin besloßen mit 

murn. 


752. uch] l. mich ? H. (Orig.: me font tourner). 
754. dont übergeschr.; I. dot? oder zu 
Jonen ? (so H.). zu alle' frist hint. gestr. ist. 
Ä liest m.d. ursprüngl. Fassung, die dem Original 
folgte: ... boßheit die ußer wege ist. 

760. vgl. Le Roman de la Rose p. p. Michel 
S. 98—100. 142—44. 

762. pletzen üb. gestr. allewegen. 

764. abelant hint. gestr. zü hant. 

766. lan n. gestr. han ; doch ist 1 undeutl. 
774. ist streichen ?; Dye stat da bjnn5 ist 


Digitized by Google 


Die stadt ist bynnen bloß, 

775 Betzeichent eine gude groß, 

[25 p ] Das uwer hertze gegen Gotte 
Sal uffen sin aen spotte, 

Aen all mittel hinderonge. 

Der cierckel ist die besließonge, 
780 Das ir na dieser werlt nit sollen 

gedencken, 

Dan da von ir mussent wencken 
Und scheiden, wollent ir mit Got 

deil han: 

So mogent ir sij nit beide bestan. 
Da mit ir wol wissen moget 
785 Das ir auch selber hant gefoget: 
Ir habent Got ußerwelt 
Und vor uwer erbeteyle getzelt. 
Durch die wort versteen ich nit 
Das ir mit der werlt sollent dei- 

len icht; 

790 Dan wan einer deilen wilt, 

Das er is zu male haben solde, 

versten ich nit: 
Er muß eins nemen, das ander lan. 
Nu nement das ir erwelet hant, 

[26r ]Besser deile ir nit hant: 

795 Gnuge uch und gedenckent nit 

anders dan, 

Dan das deil ist eins gantzen 

Stuckes wert. 
Der besloß sal uch auch sin wert 
Der uch vermüret und beslüsset 

hert 


bloß Tnd bezeichet h; le lieu dedens tont des- 
couvert monstre Orig. 

781. da übergeschr., ir n. mussent gestr. 

783. bestan n. gestr. han. 

789. mit üb. gestr. In. 

794. mugent vor u. haben »». ir geslr., da¬ 
für hant n. nit eugefügt. 

795. Vor nit ist anders gestr. u. dahinter 
ande’s dan zugeschr. 

796. Stuckes übergeschr. 

798. hert zugeschr. 

2 * 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



20 


Der Bischof setzt auch Gehilfen für sich und die Offizialen ein. 


Und uch von der werlt nssert 

800 Und das uwer gütlich zn deilen 

lert. 

Von dem geschorn ende uch also 

sin sal: 

Dar an kennet man wol 
Das ir gude scheffelin sint 
Und sin ußerwelt kint, 

805 Und is auch recht das von sinem 

viehelin 

Neme der rechte scheffer die 

schäre sin. 

Ettwan mag uwer scheffer uch 
Vor sine arbeit scheren rüch 
Zu sinre notdurfft, und uch zu 

schinden 

810 Hait ir nit macht, als ichs finden, 
Umb das kein messer yme ge¬ 
geben ist, 

Dan alleine die schere yme be- 

folhen ist 

Uch zymmelich zu scheren da mit.’ 

[ 26 *] Da Verstentenisse also hatte 

geredt 

815 Zu den geschornen und yn ge- 

prediget 

Und den andern die da waren 
Und auch dinste fordern waren, 
Den Moyses willenclich geben" hait 
Und einfideils portener hait ge¬ 
macht 


820 An syme huse und eindeil hat ge- 

acht 

Kamerer, die ander knechte zü 

sin, 

Zu dienen und uß zu drijben 
Die fiende die da sint in der 

menschen lijben. 
Den andern bot er große ere, 

825 Und yn allen gap er Urlaub here 
[2? r ] In dem heiligen palas leser zu sin 
Und Gottes gesetze zu verkünden 

da in. 

Ettliche ander det er kertzen hal- 

den 

Und sij auch dienen balde 
880 Vor dem großen dische der da was 
Gedecket, da uff man as 
Und auch me essen solde. 

Den andern einen kop von golde, 
Da mit man den disch zieren 

wolde, 

835 Gap er, der was lere, 

Das der disch da mit geeret were 
Und yme auch dienette myt 
Ettliche ander det er zu der frist 
Dragen das joch Jhesu Crist 
840 Uff einre achssel, dar er is lachte, 
Als er das vor auch gedachte: 

Das mochte die lincke achssel sin, 
Die zu dragen die starckeste sal 

sin. 


800. lert zugeschr. 

804 neben 803 a. R. eugeschr. 

809. schinden hier a. Ende zugefügt u. 810 
a. Anf. gestr. 

810. als ichs finden zugeschr. 

812. die übergeschr. 

816. Nach dem Orig, müßte hier der Nach¬ 
satz beginnen: Und str. ? 




-^-- 


W 


Schl, des Verses gestr. mgschen üb. d. 'I 
zugeschr. u. der aus den korr. 

825. Vor gap ist vrlaub gestr. u. nach er 
ist vrlaub here zugefugt 

827. gesetze üb. gestr. lop. 

834 nachträgl. zwischengescltr. wolde w. 
gestr. solde. 


vor 814 Bild (15) mit Überschrift: Accolite episteler vnd ewangilier. Zwei Mönche 
am Altar. Rechts davon zwei Kerzenträger. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Er überreicht unter Beistand von Gottes Gnade den Offizialen ein Schwert. 


21 


[27 •] Das wolde er sonderlich 
845 Das sij yme und dem official 

gelich 

Dieneten und weren ir diener 
Zu dem dische und mithelffer. 

Da das alles geordent was, 
Als ich da las, 

850 Als vor stet, und was bestalt 

genug, 


Yeclicher da anehub 
Nach gehöre zu dienen 
Und sin ampt zu verdienen: 

Den dische sij da bereitten, 

855 Und ettliche die ducher dar uff 

spreitten, 

Die ander brachten das brot fin, 
Die ander langeten auch den win 
Und schenckten den in den kop 
Und da mit, als mich auch be- 

docht, 

860 Ein wenig wassers dar bij getaen 
[ 28 r ] Vort und in dem koppe gelan: 
Das geschag ee sich vermesse 
Moyses das er zu morgen esse. 
Ettliche beiten die da waren 
865 Und noch nit zu male ußgeracht 

waren, 

Die wolte er zu officialen machen 
Sins huses in sunderlichen Sachen 
Zu helffen dem andern official, 
Dan er sin wol bedorffte zu male, 
870 Wan er solich huß alleyne 

Nit gehanthaben konde noch ge- 

meyne. 


Nu wil ich uch sagen wie er 

hat getan: 

Zum ersten hait er geraffen an 
Gottes Gnade, mit luder stymmen 

das, 

875 Wie wol sij nit ferre dannen was, 
Und sij auch in yrem throne saß 
Und nam alles dez war das da 

was, 

[28 p ] Und ich saß zu iren fußen, 

Des ich sere frohe was, mit 

grueßen. 

880 Da sij sich horte raffen an, 

Aen hindern sij uffstan began 
Und ging zu Moysen dar 
Und furte mich mit ir dar. 

Da Moyses sij bij yme sach, 

885 Wart er gehertzet, und snelleclich 
Vollenbrachte er, a Is ich kurtzlich 
Uch her nach sagen, endelich. 

Zum ersten salbette er yn die 

hende, 

Da lachte er sij zu samen be¬ 
hende. 


890 Da nam er ein swert wol snidende, 
Schon gefoget und luchtende, 

[29 r ] Mit zweien snyden gefueclich, 
Biegende und beweglich: 

Is duchte mich wol das sin 
895 Das ich sach halden Cherubin, 

Es was dasselbe sicherlich, 

Wol gestalt und eygentlich. 

Das gab er, da ich bij was, 

Den luden und bot yn das 


846. dienerer. 896. in sicherlich n. dem ersten i ein e 

876. throne aus thorne (so noch h). getilgt. 

877. dez übergeschr. 898. vor da übergeschr. yn, nachher wieder 

886. als ich unglücklich in übergeschr. auch getilgt. 

verändert; als ich wieder einzusetzen. 

vor 888 Büd ( 16) mit Notenschrift rechts: priest’schafit. Der Bischof überreicht den 
neuen Offizialen ein großes Schwert. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


22 


Der Bischof überreicht auch Schlüssel und verleiht zuletzt Gottes Gnade selbst. 


900 Da mit einen slussel, den er hatte, 
Den Gottes Gnade yme befolhen 

hatte. 

Gots Gnade selbs, die da was 
Und yme halff vollenbrengen das, 
Die gab er yn und sprach da: 

905 ‘Hie ist Gottes Gnade, nement sij 

da! 

Ich geben sij uch zu geselleschafft, 
Das ir mit ir machent frunt- 

schafft’ 

[59"] Da ich die rede also han gehöret, 
Zornig wart ich und faste erferet. 
910 Ich sprach: ‘ach, was sal ich dun 
Odir auch was han ich getaen, 
Das ich Gnade Gots verlorn han? 
Er hait sij den gehorneten ge¬ 
geben 

Und den nuwen officialen eben: 

915 Ich wolde viel lieber dot sin 
Dann mir solich unrecht solde ge¬ 
schient 

Do Gottes Gnade mich also 

trurig sach, 
Sij lachete mich an und dar nach 

zu mir sprach: 

‘Dore, wes gest du also ver- 

dencken dich? 

920 Wenest du alleyne haben mich? 
Du salt wissen zu dieser frist: 

Das gemeyne gut das beste ist 
Und der nutze viel merer gekorne 
Ist von eyme gemeynen borne, 

[30r] Da ieclicher und iecliche mag 
926 Nach syme willen scheffen nacht 

und dag, 


Den zu haben hait is sinen 

willen, 

Baß dan über der besloßen 

quellen, 

Dar zu nit dan eynre kommen tar. 
930 Aber ich sagen dir vor war 
Das so nutzelich 
Odir auch so lustlich 
Das wasser nit ist alleyne 
Als das da dan holet die gemeyne. 
935 Alles gudes ich ein borne bin, 
Nummer mag ich beslossen sin: 
Allen luden bin ich nutzelich 
Und wil yeclichem wesen lieplich. 
Dar an ich nutschit verlieren mag, 
940 Dan alles gut da von wahssen 

mag, 

Wann alle die ich lieb han, 

[30«] Wil ich dir auch zu frunde lan: 

So gewynnestu viel guder frunde 
Und ist dir baß, als mich be- 

duncket 

945 Nu las dir nit leit sin 

Obe ich der ander frunt bin!’ 

Da ich also getrost wart 

Von Gottes Gnade, die mich auch 

hatte underracht, 
Zu stont sach ich gen 
950 Verstentenisse uff einen stul zu 

predigen. 

‘Ir herren’, sprach sij, ‘horent 

mich! 

Uwer nutze liget dar an, gleuben 

ich. 

Selient an das gut und große wol 

dat 


[924.] Kustode unten auf Bl. 29 p : da 927. Orig.: et avoir en son aisement. 
ieclicher. 928. qualleu. 

926. vor dag gestr. g. 


vor 951 Bild (17) mit Nebenschrift rechts: Verstenteuyße prediget. 


Digitized by Google 


Original from 

UMVERSITY OF MICHIGAN 



Rechtes Verständnis gibt Erklärungen zu den Gaben. 


23 


Und den nutz den da hait 
l 31 '] Gottes Gnade uch allen getaen 
956 Und uch geben aen argen wan: 

Sij ist hude her kommen 
Umb uwern willen und her abe 

geklommen. 

Gedenckent was gäbe durch sie 
960 Moyses uch geben hat und ge- 

deilet hie: 

Er hait uch geben das swert 
Das Got vor sich hatte gesmiedt, 
Zu hnden das kein sundere 
Qweme in das lant do er herre 

were. 

965 Nu verstent was swerts das ist, 
Das den doren sorglich ist, 

Wie wol das der der is bruchen 

sal, 

Daz fochten und sich dez erferen 

miß aen zal. 
Das swert zu drien Sachen dienet: 
970 Dan wann einre straffen verdienet, 
l 31 '} So siet man yn mit der spitzen 

odir snyden 

Und sin zu schonen mit der 

flachen sijtten. 
Die spitze betzeichen sal 
Das kein gerichte nit gescheen 

sal, 

975 Is sij dan große luteronge odir 

bescheidenheit 
Und auch dun da von underscheit 
Von der Sachen die ist unwissent¬ 
lich, 

968. dez übergeschr. 

970. D5 aus Da, wä aus von. 

976. von übergeschr. 

979 f. Orig .; Mont est dl de fol hardement, 
D'onltrecuidie apensement. 

986. das er vor kiesen übergeschr. 

992. deilig vor solle übergeschr. u. dahinter 
d eilen gestr. 


Verborgen und unbekentlich. 

Er ist gar von dorheiter frechi- 

keit 

980 Und über wenig in gedenckenheit 
Der durch zom sich wilt rechen 
Odir durch vorsmahonge urteil 

sprechen. 

Das swert gar übel versorget ist 
An dem manne der schele odir 

blint ist, 

985 Der von stunt da mit wilt slan 
Und das gud vor dem bösen nit 

erkiesen kan. 

[32 r ] Das swert sal dragen kein man 
Der nit wol underscheiden kan 
Thuschen siechtagen und gesont- 

heit, 

990 Tuschen der grossen ußsetzikeit, 
Der mittein und der deinen, 

Wie er die deillen solle den ge- 

meynen. 

Gar wit sal der richter verstan 
Die Sachen des der übel hat getan, 
995 Und die umb hangenden stucke 

der übel dait, 
Das kein gerichte da werde follen- 

bracht. 

Daz swert, als ich finden in der 

schrifft, 

Ist der deilende mont, als man 

dan gicht 

Von dem der ein recht deiler ist, 
1000 Als mann daz auch hat gefrist: 

Er mag wol den mont betrachten 

997 f. vgl. Isidorus Hisp., Etymol. XVIII, 
6.1 ( Migne, Patr. lat. LXXX1I, col. 644). 

997. Dz swert üb. gestr. gemacht. ich 
üb. gestr. m5. 

998 zxcischengeschr. 

1000 ewischengeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



24 


Rechtes Verständnis erklärt Bedeutung und Gebrauch des Schwertes. 


Und die rede undersclieidelich 

achten. 

Yeclicher richter, der da wil rich¬ 
ten, 

Der sal sin urteil slichten 
[3.2'J Als der wilt lingieren dun, 

1006 Und sal auch dem nit anders dun. 
Nu sage ich uch von den zweien 

snyden 

Da mit das swert dan muß sniden, 
Warumb eine snyde nit gnüglich 

ist 

1010 Und das mee lere da bij ist 
Ist uwer swert spitz, 

So sal is sin mit rechten under- 

scheiden spitz: 
Es ist gut und recht daz ir hant 

gerichte 

In uwerm lande über alle böse 

geschichte, 

1015 Das ir alle boßheit und übel dait 
In uwerme lande zu straffen 

habent macht 

Aen die Sachen die ußgenommen 

und behalten hat 
Der große der die horner hait. 
Umb das nu uwer lantdeyl 
1020 Gedeilet ist in zweie deil, 


Dar umb müß daz swert zwo sny¬ 
den han glich, 

Daz yeclichem deile eyne antwerte 

glich. 

Das eine deil dez mentschen lip 

ist 

[33 r ] Und der usserlich raentsche ge¬ 
nant ist; 

1025 Das ander deil, der geist, da inne 

liget 

Und doch nit alletzijt swiget 

Und der innerlich mentsche ist 

genant 

Also ist in zweie gedeilet uwer 

lant 

Und doch nuscht tuschen yn be- 

kant. 

1030 Die zweye als ein hohe richter 

Mogent ir, wan es zijt ist, 

richten: 

Dem libe geben mit fuge 

Umb sine sunde lidens und pyn 

genüge, 

Yme büße setzen und yn beladen 

1035 Und da mit die sunden ußjagen. 

Dem geiste umb manicher hande 

Sachen 

Sal man auch sine büße machen: 


1004. vor slichten gestr. sli. 

1009. eine aus ein. snyde üb. gestr. nicht 
mehr lesbarem Wort. 

1011. spitz n. gestr. stechende. 

1013. Es ist vor gut a. R zugefügt. dz 
ir hant üb. gestr. sal sin das geschr. 

1014. alle übergeschr. 

1017. die nach Sachen sowie vnd übergeschr. 

1019. lant übergeschr. 

1021/22 zurischengeschr. 

1022. in antwerte an dem r korr. 

1023. deil dez unter <L Z. zugefügt u. vor 
lip gestr. der. 

1025. deil der geist üb. gestr. die sele die. 


1029—31 (jetzt dem Original entsprechend ) 
zwischen gestr. Verse geschr. Zwischen 1029 u. 
1030 (Kreuzchen hint. 1029 «. vor 1030) hat 
gestanden vnd hait das swert zwoe snyden. 
Versehentlich sind hier nur die zwei ersten Worte 
durchstr. Zwischen 1030 u. 1031 ist eine Zeile, 
n. 1031 zwei Zetlen gestr. Jene scheint gelautet 
zu haben Das sal sin scharff zu beiden sijtten. 
Von den beiden andern hat die erste begonnen 
Als hohe richter, die zweite Als zijt ist. 

1032. gebent. 

1034. beladen hint. gestr. dryben. 

1035. vßjagen aus vßdriben korr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Rechtes Verständnis erklärt Bedeutung und Gebrauch des Schwertes. 


25 


Also wann er hart versteinet ist 

In sünden und sich nit wil 

bessern, 

1040 Umb daz man yn warnete gern, 
[33*] Mogent ir die ander snyde dar 

keren 

Und sin zu male nit schonen. 

Ir moget yn mit dotlichen wonden 

Ionen, 

Mit dem streiche des bannes: 

1045 Es ist keine wonde so grüselich, 

Dann aen büße ist sij dötlich. 

Dar umb er sich gar sere mag 

forten wol 

Der da weiß daz also ein streich 

uff yn fallen sol. 

Er sal sich auch bedencken wol 
1050 Der mit der sniden slahen sol: 

Es sieht keinre da mit billich 

zwor, 

Er enhabe dan zymlich vor 

Mit der flachen sijten geslagen 

Und sich vor bedacht wol 
1055 Nach dem dem der streich werden 

sol. 

Durch daz flache des swertes ver- 

steen ich 

[34 r ] Gut und getruwe vor versynnen 

sich, 

Gewerliche warnunge 

Und lebende predionge, 

1060 Die sleÄt die bösen und schonet ir 

doch 


Und sparet sij mit sere slahen 

noch: 

Das ist das wort Jhesu Crist, 

Da das ziel des dodes ligende ist. 

Des flachen sollet ir brachen mere 
1065 Wann ir uwer undertane sehent 

irren sere. 

Gottes wort dun und dicke pre¬ 
digen 

Dut dicke desta mynner sunde 

gescheen: 

Mogent ir sij also behalden und 

bewarn, 

So ist is besser dann mit der 

snyden slan. 

1070 Nu hant ir wie ir mogent 

Umb manicher hande sache und 

auch sollent 

Brachen das flache und auch die 

snyden 

Odir mit der spitzen wol richten: 
[34»] Dan ein male sollent ir richten, 
1075 Das ander male straffen, daz 

dritte mit predigen slichten. 

Dar umb ist gesprochen aen feie: 

Is sal sin biegende und helle, 

Das swert das uch gegeben ist, 

Das ir is habent zu aller frist 
1080 Bereit zu keren und zu wenden, 

Zu verwandeln und zu wegen in 

den henden 

Nach uwerm willen und die sache 

daz auch bedarff, 


1039. In sünden a. R. zugeßgt u. w. sich 
gestr. in keine frist 

1040 zwischengeschr. 

1042. zu schonen Hs. 

1043. Ir moget yn übergeschr. u. yme vor 
Ionen gestr. 

1046. vor ist gestr. so. 

1049. sal üb. gestr. mag. 


Digitized by Google 


1053. sijten ü6. gestr. swerte, dem in der 
tu ändern vergessen. 

1056. daz übergeschr. u. streich n. flache 
gestr. 

1057. vor übergeschr. 

1060. slhet. 

1081. ver in verwandeln w. zu vor wegen 
übergeschr. 

1082. auch übergeschr. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


26 


Rechtes Verständnis erklärt auch Bedeutung und Gebrauch der Schlüssel. 


Und auch nach geliche und rechte 

scharff. 

Dar umb ist is recht daz ir ha- 

bent den namen, 

1085 Von der dait als von dem namme, 

Cherubin, vol der kunstlicheit 

Und auch der gotlichen wijßheit; 

Dan werent ir nit Cherubin, 

Die boßheit mochte uch zu nahe 

sin, 

f35 r ] Und wann ir soldent slahen mit 

dem flachen, 

1091 So mochte is sich aen liegen wol 

machen 

Das ir uwer swert wurdent umb 

wenden 

Und slahen mit den snyden enden; 

Odir wann ir soldent richten, 

1095 So woldent ir vor straffen lichte 

Und das alles dun uff den wieder- 

synne: 

Dar an were nit gut gewynne. 

Dar umb in des unkundigen hant 

Ist das swert nit zu male wol be- 

want, 

1100 Und auch in des hant der 

zornisch ist, 

Das swert gar sorglich zu befelen 

ist, 

Dann is wart lütter schinende ge¬ 
geben 

Durch Gnade Gots und uch uber¬ 
geben. 

Wollent ir wissen die sache war 

umb? 

1105 Das ist, als ir daz kerent umb 

und umb, 


[•35 •] Is sij mit predigen odir zu rich¬ 
ten, 

Zu straffen odir zu slichten, 
Sollent ir is bewisen gar bespreit 
Mit gewarer liebe und gerechti- 

keit; 

1110 Dan liebe das burnende fuer ist 
Das an dem swerte schinet zu 

aller frist. 

Nu sage ich uch, obe ir nit 

hant ge wist, 
War umb uch daz swert befolhen 

ist: 

Ir sint portener, also duncket 

mich, 

1115 An des paradises konnigrich. 

Die slußel hant ir aen liegen 
Die düre uff und zu zu dun aen 

driegen: 

Aen uch mag niemans da vor gan, 
Ir hudent den weg dar in zu gan, 
1120 Uch gehöret zu zu besehen waz 

ieclicher drage da, 
Ee er kome bij die porte nahe. 
Allerhande getruesse, 

[36 r ] Groß und deine bürden und ge- 

muesse 

Vor uch muß man nider legen, 

1125 Uff dun und uß den felden legen: 
Is ist nit daz so wol beslossen sie, 
Is muß uffgetaen werden da bij 
Durch geware ußsprechonge 
Mit innenclicher bichtonge. 

1130 Nu lugent das ir wol genommen 

habt 

Das swert und die slußel wol be¬ 
dacht ! 


1084 ff. Orig.: Et pour ce’est droiz qu’aiez 1102. Dann, 

a non, Tant par effet qne par renon, Cherubin. 1108. is eingefügt mit h. 

1084. is übergeschr. 1111. an dem swerte schinet korr. aus 

1085. vor Von gestr. Als. nSme. wiederschin gibt. 

1089. sin Amt. gestr. ligen. 1123. an dem zweiten e in gemuesse korr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Der Bischof überreicht auch dem Pilger Schwert und Schlüssel. 


27 


Ir sollent keinen durch lassen gan 
Der sin fardel nit recht wil sehen 

lan, 

Die sünder sollet ir wol durch er- 

süchen 

1135 Und sij ir fardel vort nit lan 

brüchen: 

Ir sollent is alles wigen wiseclich 
Und urtelen underscheideclich 
Und wol hüden uwers nammen 
Verstentenisse alsammen, 

[36'] Das man uch möge Cherubin 
1141 Sprechen zu rechte und nennen 

fin. 

Und wann ir das alles gedan 

hant, 

Recht besehen und wol erkant 
Und von dem ubeln geurteilet 
1145 Und die büßen und pyne gedeilet 
Und yn zymmelich büßen gegeben 
Und ir die ruwen gesehent eben, 
Dan mogent ir die dure uff dun 
Und die ruwigen dar inne dun 

gan. 

1150 Das ist die bedutonge 

Des swerts und auch bewisonge 
Der slußel und underichtonge, 

Die lere und gedechtenisse: 

Das ist des ir uch gebruchen 

sollent 

1155 Mit underscheidener verstentenisse, 

als ir sollent’ 

Da Recht Verstentenisse also 


Gelangette mich mit grosser begir 
Das das glissende swert wurde 

mir 

1160 Mit den slußeln, das ich were 
An dem ende ein portenere. 

Aber zu welichem ende ich kom¬ 
men mochte, 

Hatte ich noch nit bedachte. 

Diese sache gar dicke geschiet, 
1165 Dan was der wille haben wilt, 
Bedencket man nit alletzijt das 

ende sin, 

Umb das blint ist Cherubin. 

Als ich das hatte gedacht, 

Zu Moysem bin ich gangen dracht 
1170 Und han yn sere gebeden das er 

mir 

Das hübsche swert wolte geben 
Und mir auch da mit erleuben 
Daz ich die slußel mochte dragen 
Und die hüde des passes mochte 

haben. 

[37'] Da Moyses mich also hatte ge¬ 
hört, 

1176 Da hait er zu stunt aen viel 

worte 

Das hübsche swert gescheidet 
Und die slussel gecleidet 
Und hait sij hart gebonden 
1180 Und auch wol bewonden 
Und alles besiegelt wißeclich 
Und hait mir ein und ander geben 

uffeclich, 

Mildeclich und mir erleubet, 

Und sprach daz ich wol huden 

wolde 


hatte geredt 

W r ] Und ich das alles gesehen und 

gehört hette, 


1132. lassen üb. gestr. dun. 1147. ruwen üb. gestr. ruwigg. 

1134. das er in ersfichen gleich übergeschr. 1156. recht übergeschr. 

1137. vrtelen aus vrteln. 1163. bedachte aus bedochte, das einen 

1139. rechte vor verstentenisse gestr. Reim ergab. 

vor 1175 Büd {18) mit Überschrift: ewangilier. Der Bischof (Moses) überreicht dem 
Pilger Schwert und Schlüssel. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



28 


Aber das Schwert steckt in der Scheide, die Schlüssel sind versiegelt. 


1185 Und die slnssel nit entbinden 

solde 

Und daz swert auch nit bewegete 
[38'J Bis das ich des Urlaub hette. 

Da er mir also gesaget das. 

Ich gar sere erschrocken was, 

1190 Umb das ich keynen da gesehen 

hatte 

Dem er solichs me gedan hette 
Mit den Worten odir wercken. 

Sere ich gedachte und begonde 

mercken 

Was ich dede odir dun mochte 
1195 Mit dem swerte, das is dockte, 
Umb das is also gescheidet was, 
Besiegelt und auch bewonden was, 
Und mit den slusseln, die er auch 

besiegelt hatte, 
Wol gebonden und mir die geben 

hatte. 

1200 Ich wände er hette mich betrogen 

gare, 

Bis das ich wart geware 
Gottes Gnade, die mich furte 
Zu Verstenteniße, die zu mir rette: 
[38 "] ‘Lieber frunt’, sprach Recht 

Verstenteniße, die wijse, 
1205 ‘Was gedenckestu in dinre wijse, 
Wo hastu zu schule gelert? 

Din gedencken ist zu male versert 
Und ist mit dorheit überlast. 

Ich sehen wol daz du nit gelernt 

hast 

1210 Zu ettlichen Sachen das predica- 

ment. 

Das predicament ist also gestalt 


Das is mit sinen Worten uff ander 

sach tzalt, 

Hait gebuwet sine wort 
Und gestalt uff einen scharffen 

ort. 

1215 Sinen buwe setzet is sere wißlich 
Uff andern gront lichteclich: 

[ 39 r] Was is hait, das hait is von 

andern 

Und dut doch kein unrecht dem 

andern. 

Weren anders nit, so were es 

nicht: 

1220 Von yme selbs mochte is wesen 

nit. 

Exemple wil ich dir geben, 

Das du magst gantz und eben 
Mit den äugen lütter sehen und 

verstan, 

Wol lernen und auch behalden. 

1225 Da Got die weit hatte geschaffen, 
Ee er des mentschen bilde wolde 

machen, 

Do waz er alleyne Got genant, 

Ist is anders war daz das buch 

der geschopde hait bekant 
Aber da der mentsche gebildet 

wart, 

1230 Zu stunt dar nach Got herre ge¬ 
nant wart 

Zu Zeichen: da er knechte gewann, 
Was er herre zu heischen dann. 

[39 B ] Da er diener hatte, da was er 

herre 

Und was doch nit großer noch 

mere 


1200. betrogen hier übergeschr. u. zu Anf. 1209. hast vor gelernt gestr. u. dahinter 
des folgenden Verses bedrogen gestr. zugeschr. 

1203. verftenteniße. 1212. tzalt aus getzalt. 

1204. recht übergeschr. 1219. I. Were? so h; Orig, estoit. 


vor 1204 Bild ( 19 ) mit Überschrift: Rechte verstenteniße ßdiget. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Rechtes Verständnis gibt auch dafür die Erklärung. 


29 


1235 Dan ee. Aber die hern von diesen 

landen 

Sint nit also mit yren banden 
Und sint auch nit also getan; 

Dan so sij me diener han, 

So sij merer hern wollen sin. 

1240 Das mag doch aen ubermöt nit 

gesin, 

Dan ire gesinde nnd knechtschafft 
Die machent yn die herschafft: 
Dan herschafft wart geftorn 
Den undertan und gekorn, 

1245 Und werent nit die undertan, 

Die herschafften müsten undergan, 
Eine mit der ander, uff ertliche 

sache, 

Die gesaget ist, wie sichs doch 

mache; 

[ 40 r] Dann ye eins hait sine gebürte 
1250 Von dem anderen und sin an¬ 
hangen : 

Wann eins ist, so ist daz ander 

aen verlangen, 
Und wenn eins nit enist, so mag 

daz ander nit sin, 
Und wann eins feiet, so hat daz 

ander keynen syn. 
Nu verstant wol diese letze, 

1255 Du undertaen, und auch setze 
In dich das du undertan sin must 
Eym andern und du keinen under¬ 
tan haist! 

Uber dich hait recht, 

Macht und herlicheit 
1260 Din oberster in syme kleit, 

Er sij wie er wolle, vor sich: 


Aber eine sache bedruget dich, 
Das du keinn undertan hast als er, 
Wann dar an hast du gef eiet sere 
1265 An dem schonen swerte zu ent¬ 
blößen, 

[*O f ] Zu entdecken und uß der scheiden 

zu dun, 

Und auch die slussel entsiegelt 

han, 

Die auch zu entwinden 
Und zu male uff zu bynden. 

1270 Mit dem swerte schüfes du nit 
Noch mit den slusseln, hettestu sij 

icht 

Entblößet, nutschit, als ich gesien, 
Dann dorheit und ungewien. 

Obe ich ein messer aen scheide 
1275 Druge und das entblößet heide 
Und hette nutschit zu hauwen da 

myde, 

So solden meynen die lüde 
Ich were dorichte 
Odir ich wolde yeman ichte 
1280 Da mit wonden odir dot slan. 

Und obe ich slussel wolde bloß 

dran 

Und ginge durch die gassen 

rechte, 

r ] Da ich wieder dure odir sloß 

hette, 

Mochte yemans gedencken lichtec- 

lich 

1285 Is weren falsche slußel die da 

drüge ich; 

Odir das ich gienge Stelen 
Und das wolde verhelen, 


1243. geborn mit h nach d. Orig., gekorn Hs. 
1247. entliehe hier fälschlich Hs. v. 1210 
richtig ettliche als Übers, des aristotelischen 
ad aliqnid. 

1249. eins aus eine, sine üb. yre. 


1250. dem aus der. ire in sin zu ändern 
vergessen. 

1252. vor ander gestr. d. 

1255. vndetaen. 

1260. obersten. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




30 


Rechtes Verständnis über Schwert und Schlüssel. 


Mochte yeman dencken, wan er 

sehe die slußel myn 
Eines andern slußel gelich sin, 

1290 Da mit sij yre duren entsließent. 
Sicher die slußel soliche hude hant 
So sij die fremden hant. 

Dar umb so sage ich dir das: 

Umb das du mit nit zu sliessen 

has 

1295 Noch zu entsließen odir zu 

hau wen, 

Zu snyden odir zu blauwen, 

So ist is besser in der scheiden 
Dan daz du is her uß duhes leiden, 
Und ist besser, sij sin gedecket, 
Di*] Die slussel die du haist, dan ent- 

plecket: 

1301 Is mag noch in zijt wol kommen 

dir 

Eins und ander zu entblößen 

schier. 

Also hait Moyses sij dir eben 
Zymmelich gedan und gegeben, 
1305 Uff das, wan din oberste wilt 
Und rechte zijt ist getzilt, 

Die slussel du moges entpinden 
Und daz swert uß der scheiden 

finden: 

Das ist wann er dir geben wilt 
1310 Von sinen undertanen yme zu 

helffen milt, 

Und wann er dir getzug geben 

wil 

Und libern da mit zu arbeiden an 

ein ziel. 

Anders kanst du nit gedun, 

Du wolies dan gheen yme misse¬ 
dun. 


1815 Dodes not dut alleine dich 
Dar uß kommen sicherlich, 

[42 r \ Dann mast du uß der scheiden 
Das swert dun und die slussel 

finden 

Und sij auch wol entbinden: 

1320 Notdurfft dir urlob gibet 

Und daz zu üben dir zu male er- 

leubet, 

Doch also das kein ander da sij 
Dem die datt zu gehörig sij. 

Der dem die Sache zu gehöret, 
1325 Das ist der der sin swert bloß 

foret, 

Es ist auch der der entsiegelt hait 
Die slussel und entblößet hait: 

Es ist der der da richtlich recht 
Hait über yn und da mit herschet 
1330 Und ist da vortme Sachen meldig, 
Umb das er yme ist undertenig. 
Hettes du auch also undertane, 

So mochtes du dem auch also han 

getane, 

[42*] So were dine macht über ettwas; 
1335 Aber du haist keine und duncket 

mich das. 

Dar umb sal dich nit wondem 
Noch erschrecken odir zornig sin 
Obe dir das swert gegeben ist 
In der scheiden und dar in ge¬ 
stoßen ist 

1340 Und die slußel besiegelt und ge- 

bonden 

Haist odir das die sint hart be¬ 
wenden.’ 

Da Recht Verstenteniße mir also 

gepredigt hait 

Und das hie vor also ußgeracht, 


1303. n. hait gestr. sij. 

[1316.] Kustode unten auf Bl. 41*: dan 
mast du vß. 


1320. vrlob üb. gestr. daz. 
1325. bloß übergeschr. 
1342. recht übergeschr . 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Das Altarsakrament: Der Bischof verwandelt Brot und Wein in Fleisch und Blut. 31 


Da wolte Moyses gan zu morgen 

essen 

1345 Und bereiden laßen sin essen 

Gelich anders dan is gestalt was, 

Dan nicht anders da was 

Dan brot und wyne alleine: 

Waz nit bereidt nach syme fuge, 

1350 Dan er wolde fleisch han genüge 

[43 r ]Zu syme essen und auch blut, 

Da mit zu underdun das aide ge- 

setze, 

Daz da hatte gesagt zu letze 

Das niemans kein blut essen solde. 

1355 Yme zu helffen rieff er Gots 

Gnade an, 

Die selbe auch gar balde zu yme 

qwam. 

Da sach ich zu male ein wonder 

groß, 

Das an keyme hait sinen genoß: 

Das brot er in lebende fleisch hait 

gekert, 

1360 Als Gots Gnade yn das hatte 

gelert; 

Den wine er wandelte in rosevar 

blut: 

Is schein wol sin von dem lemme- 

lin gut 


Da wolte er als dugentlichen 
[43»] Die officiale mit yme alle glichen, 
1365 Mit yme zu morgen dun essen 
Und auch da bij nit vergessen 
Sij zu lernen waz er gekonnet 

hat, 

Und yn auch geben sine macht 
Zu dun soliche verwandelonge, 

1370 Das doch kommet zu grosser won- 

deronge. 

Dar nach gab er yn allen zessen 
Von sinre nuwen spise aen ver¬ 
drossen, 

Und er as auch mit yn 

Und dranck das blut, sag ich mit 

den äugen myn. 

1375 Is wart nye me so kein essen, 

Das ich habe hören sagen aen 

vergessen, 

Noch keyne soliche verwandelonge, 
Davon man so groß wonder möge 

gesagt han. 

Und da ich das essen also gesehen 

han, 

1380 Han ich mich zu Recht Verstente- 

niß gewant 


1380. recht übergeschr. _ 

vor 1357 Bäd {20) mit Nebenschrift rechts: Das heilige Sacramgte. Am Altar stehend 
hält der Bischof mit der Linken den Kelch, mit der Rechten die Hostie. 6 Mönche schauen 
anbetend rum Altäre. 

Nach 1380 fehlen 2 Blätter. Die Partie lautet in h: 

[S. 35] ... da want ich mich zu vernunfft vnd bäte sie flifleclich daz sie mir wolde 
bredygen von dem eßen vnd mich daz leren. 

Vernunfft ist sere erfert. [Bild 21, auf eingeklebtem Blättchen, verloren gegangen .] 

[36] Aber alß ich mich vmb want, da sach ich sie gar sere erferte. ‘Frauwe’, sprach 
5 ich, ‘waz brist uch? Jr duncket mich gar sere erferten sin, wollent mich vnderwisen myt 
dießen eßen vnd enwenig dar von bredigen!’ ‘Siecher’, sprach sie, ‘neyn, dez dun ich nit, 
dan ich weiß hie von nicht: hie feiet mir myn verstenlicheit Vd my synne. Jch bin blint 
vnd sehen nicht, al myne gesiecht han ich zu mal verlorn. Jch wart in al myme leben noch 
nye so sere erferte: Obe der gehornet moysez vß eyme ey eyne hübsche fogel ader eyne 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





32 


Das kann Rechtes Verständnis nicht erklären. Natur gegen Gottes Gnade. 


[44 r ] Das deile das ir hant und uch 

werden sal 
Und uch des mynen nit under¬ 
nemen 

Odir auch der meisterschafft an- 

nemen. 

Des hiemels hant ir die herschafft 
1385 Aen daz yemans deil dar an hait: 
Die Sterne dunt ir umbgen 
Und die planeten sich verwan¬ 
dele^ 

Die zierckel, wann ir wollent, 
Balde odir gemache ir sij umb- 

wolbent. 

1390 Ungerne ir das liedent 

Und auch des nit enwoldent 
Das ich mich des icht underwonde. 
Dann wurde ich zu der selben 

stonde 

Gar muede obe ir uch myns deiles 
1395 Undertziehet und uch gedeiles 
Dar an zu haben vermessen 

woldet: 

1400. vnderecheids atu vnderacheit. 


[44'] Viel lieber ich sterben wolte 
Wann ich daz von uch lijden 

solte. 

Thuschen uch und mir waz ein 

guder satz, 

1400 Der uns wol underscheiden was, 
Das wir nit missegriffen 
Odir auch wieder striffen 
Eine wieder die ander: daz was 

das radt 

Da inne der maen zu zijden sinen 

lauff hait. 

1405 Das radt uns gescheidet 

Und iecliches uff eine sijtte deilet: 
Ussen dran ist uwer deile, 

Da ist die herschafft uwer deile, 
Da mogent ir, obe ir is wollent 

dun, 

1410 Uwern willen gar genug dun. 

Obe ir von Venus ein gehornet 

diere 

Odir von Mercurius eine kromme 

slange schiere 

1412. mercui9. 


io halm von eym geraten körn gemachte hette, daz hette ich gar cleyn geacht vnd were dez 
wol zu frieden verlieben, dan er hat mich mit dießen Sachen gar sere erfert gemacht daz er 
vö brode hat gemacht lebendig fleiß vnd nß wyn blut zu eyng drang: Daz ist wieder 
gewanheit vnd natnre; werlich, ich sal iß naturß sagen, so balde ich sie gesehen. Jch wil 
sie schiecken mit gotez gnaden zu reden, dan daz ist allez durch sie geschehen vnd gar 
16 dick wieder sie: sie muß dar durch Verliesen ir gewonheit vnd waz sie geübt hat.' Daz sie 
mir daz gesaget hat, Gar balde sie mich ließ vnd zog sich zu yrn torn: trurigke sie mich uf 
dem platz ließ, Auch trurig sie in irn torn ging. Alß ich nu also alleyn waz vnd gedacht 
nach den sagen, Eyn alt wip sach jch geyn dem torn körnen. Da sie nahe quam, da beducht 
mich daz ir gestalt nit frolich waz, dan sie waz gar zornich. Vnder yrn arme hatte sie ir 
so hende, jr äugen luchten alß die funckein. Jch gedacht wol, iß were nature, Alß mir ver- 
nUfft gesaget hatte, vnd iß waz sie auch siecherlych, [37] Alß ich daz am lesten erfure. 
Sye waz zu kriegen bereit vil me baß dan zu bredigen: sie ging zu gottez gnaden vnd 
fyngke jrre reden gar groplichen an :c. 

Nature argewieret wieder gottez gnaden [Bild 22.] 

25 ‘Frauwe’, sprach sie, ‘zu vch byn ich komen zu striden vnd daz myn zu behaldfi; 
wo kompt uch her myn ordenüge zu verändern? vch sol wol gnugen daz deil daz 
ir hant ... 


36. vrdenütfe Ut. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Natur redet gegen Gottes Gnade. 


33 


Machtent, dar za wolde ich wol 

swigen 

[45 r ] Und keine rede dar zn lijhen: 

1415 An dem ende ich nutschit clagen 

bin, 

Dann innentzu ist is alles myn. 
Ich bin der elemente meysterynne, 
Der influsse und der wynde, 

Zn machen veranderongen 
1420 Und manicher leye wandelongen. 
In fure, lufft, erden und wassern 
Ich keins in syme stade beliben 

lassen: 

Alles dun ich umbgan und treffen 

zu eime ende. 
Ich dun nuwe Sachen kommen be¬ 
hende 

1425 Und die alden dannen scheiden. 
Die erde in mynen cleidern ist 
Und in der nuwen zijt von mir 

gecleidet ist, 

Den bäumen gebe ich kleidonge 
Gheen dem sommer und grfinonge, 
[45"] Dar nach dun ich sij nacket uß, 
1431 Und daz alles nit umb suß, 

Yn ander cleit und rocke zu 

snyden. 

Desglichen ist kein bäum, is sij 

prymme odir wyden 
Noch ander bäume, daz sij nit 
kleider von mir gewynnen. 
1435 Salmon gedrug nye solich kleit 
Als eine kleine hecke deit 
Das ich machen, daz dun ich mit 

müssen, 

Dan ich nit ylen zu unmussen 
Und hassen alle anderongen 

sicherlich 

1431 ncischengeschr. 

1433. pryme üb. gestr. wijden und wyden 
hmt. gestr. prymen. 

1442. recht übergeschr. 

DaataotM Tat« dw Mltt«Ult«n. XXV. 


1440 Die da gescheent ylentlich: 

Des gibt myn werck viel de besser 

spise, 

Des gesteet mir Recht Verstente- 

niße die wijse. 

Ich slaffen nit und gan auch nit 

mhssig, 

Ich bin auch, was mir gebürt zu 

dun, nit verdrussig, 
1445 Alletzijt zu dun das ich dun sal, 

Nach myme synne und mynre 

möge wol. 

Manne und frauwen ich dun reden, 
[46 r ] Fogel fliehen, die diere treden, 

Fische swymmen, criechen slangen, 
1450 Und dun auch wahssen nach ver¬ 
langen 

Das körn und den weisse fin. 

Frauwe bin ich von dem allen und 

meisterynn. 

Aber mich duncket daz ir mich 

vor eine dinstmagt 

Halden wollet, so ir hant gemacht 
1455 Blut uß mynem wyne, 

Das das ein nuwer drang solle sin: 

Des ich gar nahe uß mynen syn- 

nen bin. 

Von dem brode han ich so grossen 

zorn nit, 

Dan ich krüste odir broßem ye nit 
1460 Zu machen mich nie underwonden 

han 

Noch auch arbeit dar an gelacht 

han. 

Is ist wol war das ich den getzug 

dar zu geben 

Und die materie dar zu liebem 

eben 

1450 ewischengeschr. 

1451. Vor vnd ist wahssen gestr. 

1463. liebern aus geliebere. 

3 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




34 


Natur redet gegen Gottes Gnade. 


Davon man das brot gemachet 

hait, 

1465 Das wissent wol ir! 

[46«-] Dar umb ist in dem hertzen der 

zorn mir 

Wann ir is in lebende fleisch ver- 

wandelent 

Und mich myns rechten beraubent 
Wo kommet uch her das ir dunt 

also? 

1470 Is gef eilet mir nit wol, daz sage 

ich uch do. 

Ich han uch verdragen zu viel 
Und von uch gelieden in mynre 

gegene ziel: 

Andermale hant ir verändert, 
Durch was macht ich nit weiß, 

und verhandelt 

1475 Myne gewonheit und myn orde- 

nongen, 

Myne wercke und erschynongen. 
Mir gedenckt von dem fure das ir 

zu einer zijt hant 
In mynen grünen boesch gelacht, 

der doch nit brant, 
Und dadent daz auch burnen nit: 
1480 Solichs ist aen mynen willen und 

wöllen geschiet. 
Mir gedencket auch wol schon 
[4? r ] Von den rüden Moyses und Aaron: 
Die eine dadent ir zu einer 

slangen werden, 

Die ander grünen uff der erden, 
1485 Laub dragen, frücht und blüme, 
Die dürre was und hatte keine 

füchtonge. 

Uß wasser machtent ir wyn 
Zu den brüden des fürsten fin 


Und viel me ordenongen sere, 

1490 Das davon zu sagen zu lange were. 
Der magt ich nit willen han 
Zu vergessen die ir dadent ent- 

phaen 

Aen man und sij magt daz kint 

dun geberen, 

Da mit ir mit grosser swere 
1495 Gheen mich missegriffen hant 

Und mir auch dar zu nit geruffen 

hant. 

Solich Sachen han ich lange ge¬ 
lieden, 

[47»] Das hait mich sere geruwet sieder: 

Noch nie han ich das geandet 
1500 Odir davon geredt, das mich nu 

andet. 

Zu viel mag man sich ettwan 

lijden, 

Zu viel slaffen und swigen: 

Umb das ich vor geswiegen han, 
So sint ir wieder kommen dran 
1505 Und wollent nuwerongen machen ; 
Dar umb ir mich dunt wachen 
Und ytze mit uch striden 
Durch mynen grossen zorn und 

lijden, 

Und sagen uch wol: werent ir nit 
1510 Als hohe frauwe als ir sijt, 

Balde müstent ir den krieg han, 
Und ich griffe uch selbs an 
Und uch dan also leren 
[48 r ]Das ir mir myn gewonheit nit 

soldent verkeren, 
1515 Und mich dar umb nit zu fordern 

odir zu fragen.’ 
Da Gots Gnade Nature hatte 

also hören sagen 



1472. an dem letzten Buchstaben in gegene 1480. I. wißen? so h; Orig.: oultre mon 

i orr . gre et mon vouloir. 

1478. der üb. gestr. dz. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gottes Gnade widerlegt Natur. 


35 


Und sij gehört hatte also clagen, 
Antwerte sij ir mit solicher fuge: 
‘Nature, ir sint zu scharff und zu 

ruwe, 

1520 Das ir also zu mir scherffeclich 
Redent und hofferteclich. 

Ich meyne wol das ir gedrencket 

sient 

Mit uwern guden wynen und 

droncken sient; 
Und usser synne schinent ir 
1525 Von dem zorne den ir wisent mir. 
Ich weiß nit obe ir sijt verdöret 
Nuwelingen odir verfochtet. 

Is ist nit lang daz ir hant gesagt 

mere 

Das uch nit ylende were, 

1530 Aber ich sehen an uch den wieder- 

synne, 

[^'1 Als mich duncket in myme synne: 
Ir redent zu mir unverdacht, 
Ylende und dorlichen bracht 
Und gnug unversehenlich. 

1535 Ich sagen uch wol, ich rette zu 

uch 

Hesselich und machte uch 
Fluchtig, Hesse ich das nit 
Umb myner eren willen hie, 

Umb den zorn den ich an uch 

siehe: 

1540 Dan zornigen luden mann ver- 

dragen sal, 

Umb das sij nit können erkennen 

wol 

Was sij dun odir lassen litterlich, 
Dann sij dan sint unverstentlich. 
Nu sagent mir, frauwe Nature, 
1545 Die umb große missedait dftre 
Mich begriffent und scheldent 
[^ r ] Und von guttem alter meldent 
Und sprechent daz ich vergriffen 

habe 


Da ich inn uwern garten gangen 

habe, 

1550 So uch Got hüde, von wem hant ir 
Odir wannen kommet uch daz da 

hant ir? 

Ir glichent dem wilden swine, 

Das da isset inn den weiden fine 
Die eichelen und hait keinen ge- 

danck 

1555 Wannen daz kommet odir von 

welchem geschrancke. 
Heubt und äugen hait es zu der 

erden 

Und sicht nit ubersich zu dem 

hymel werde, 
Da daz her kommet: allein an die 

eichel heldet es sich. 
Ich geleube das ir nit kennent 

mich 

1560 Und wollent mich auch nit kennen 

sin 

Umb das ich gutdedig bin 
Und kein schelderße nit enbin. 

[49»] Dunt uff ein wenig zuchteclich 
Uwer äugen wol verstentlich! 

1565 Dan dunt ir wol uff die brauwen, 
Uch kammermagt und mich 

frauwen 

Findent ir uffentlich: 

So werdent ir reden suesseclich 
Zu mir und dunt mir manneschafft 

1570 Von dem daz ir von mir hant be- 

hafft. 

Zu getzijden von myner grossen 

mildikeit 

Der werlde ein groß deil gemeit 
Ich uch gab, uch zu bekommem 

da mit 

Und getruwelich zu arbeiden da 

mit, 

1575 Uff das ir nit müssig werent 

Und das ir mir auch wiedergebent 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



36 


Gotte» Gnade widerlegt Natur. 


Getruwe rechenunge, als diene- 

rynne 

Alletzijt dun sal gheen irer 

meisterynne. 

Dar umb, werent ir wol wijse, 

[50 p ] So rettent ir nit also inn der 

wijse 

1581 Von der alden satzongen 

Die tuschen uch und mir ist her- 

kommen: 

Is ist uch besser dann mir, 

Is beslußet uch da vor und durch 

zu gan, 

1585 Umb daz ich is also zu stellen im 

synne han. 

Nit meynent daz ich is dar umb 

also stellen wolle 

Das ich dar inn nit gan ensolde! 

Ich mag dar inn gan wann ich 

wil, 

Und wil davon mit uch nit reden 

viel. 

1590 Und noch me, obe is mir gefüglich 

were, 

Soldet ir uch des nit kruden mere; 

Dann ich is alles dede allein wol, 

Wann ich wolde, waz man dun sol. 

Aber ich wil is nit dun, 

1595 Dann is ist recht das meisterynne 

Keine zijt solle sin aen eyne 

dienerynne. 

[50<-] Dar umb soldet ir wol han ge¬ 
dacht 

Das ir aen mich nit hant eyniche 

macht, 

Das ich wol zu erwisen han 

1600 Mit dem das ich uch vor han 

hören san. 

Ir erkennent wol das verwandeln 

1596. eyne übergeschr. 

1604. mir üb. gestr. nit. 


Ich die sterne dühe und ver¬ 
ändern: 

Des hymels lauff gemeyne 
Höret mir zu alleine. 

1605 Nu sagent, so uch behude Got, 
Obe ich mechte ein nuwe spiel 

aen spot 

Und dede die sonne von hymel 

abe 

Und verberge sij als wol dan abe 
Das man sij in hondert jaren nit 

gesehen 

1610 Odir finden konde odir auch ge- 

spehen 

War sij kommen odir worden 

were, waz hubscher Sachen 
Woldent ir dan machen, wie wol- 

dent ir den hecken 
Dann alle jare ire kleider dar 

strecken 

[5i r ] Und wie ir auch eben woldent dun 

geberen 

1615 Und das behalden uffrichteclich 

aen erferen 

Und auch aen verleyden? 
Aristoteles, der da was ein heiden. 
Der warheit durch argumente 
Gar wol hait erkennet: 

1620 Den ich mynen vorsprechen 

machen 

Wieder uch in diesen Sachen. 

Der sprichet und bewijset 
Durch gut verstenteniße, als man 

liset, 

Das gebürt is gemachet 

1625 Durch myne sonne, davon ich han 

geredt: 

Und dar umb, hette ich sij abege- 

tan, 

1617. Aristoteles, Degeneratione et corr.2,10. 

1625. vor sonne gestr. d. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Gotte8 Gnade widerlegt Natur. 


37 


Uwer macht müstent ir verlorn 

han 

Und kundent nutschit follen- 

brengen. 

Also ist is auch mit dem firma¬ 
mente 

1630 Und mit den planetten an dem 

ende: 

[•H*] Dann wolde ich is alles dun stille 

sten 

Odir das ich is alles dede abegen, 
So mochtent ir wol slaeffen gen 
Und mit guder müssen rügen: 

1635 Uwer macht die were verlorn, 
Umgängen und zumale verkorn. 
Dannoch mochte is nit gesin, 

Die herschafft muste dannoch myn 

sin 

Das alles zuverandern odir also 

zu hanthaben 

1640 Wie mir das dann zu willen 

qwem: 

Dar umb soldent ir nit grommen 

wieder mich 

Noch strijden gheenwerteclich; 
Dann als Ysayas sprächet, 

Is ist groß hoffart und nydt 

1645 Wann die axs sich uffrichtet 
Gheen yrem meister zymmerman 

[55 r] und wann so der haffen 
Den haffener straffen wil 
Und yme leit kosen wil 

1650 Und heißet yme sine gestalt 


Odir sich beclaget von der gestalt. 
Dar umb mochtent ir wol wissen, 
Were inn uch eynig wissen, 

Das ir mir groß wiederdrieß ge¬ 
tan hant 

1655 Da ir mich also gescholden hant 
Das ir mich umb myn werck 

straffent 

Und aen mich keine macht enhant 
Ir sint nit me dann alleine 
Myn geschirre und instrument ge¬ 
meine, 

1660 Das ich vor zijden gemachet han 
Mich da myde zu behelffen, so ich 

kan, 

Wie wol ich des nit bedorffte, 

Das ich mich nit alletzijt da mit 

zu behelffen döchte 
Und mich auch nit alltzijt da mit 

behelffen solde, 

[52<] Dan alleyne nit me wann ich 

wolde. 

1666 Und alletzijt wann mir eben ist, 
Machen ich viel Sachen inn der 

frist 

Dar zu uch zu rfiffen nummer not 

gedüt: 

Ich verändern den win inn blut 

1670 Und inn lebendige fleische das 

wißbrot 

Und auch das brune, obe is mich 

duchte gut: 

Anders were ich nit meysterynne 


1637 f. Orig.: Pour ce ne seroit il mie 
Qu’a moy ne fast (la) seigneurie. 

1643. Itaiae 10, 15 u. 29,16. 

[1646.] Kustode unten auf Bl. 51*: vnd 
wann so der haßen. 

1650. sinen. Orig.: Et sa facon li de- 
mandant. heiflet = heifchet 

1659. gemeine eugeschr. 

1660. gemachet han üb. gestr. han gemacht. 

1661. so ich kan eugeschr. 


1663. nit, zu u. döchte übergeschr., letzteres 
üb. gestr. solde. 

1664 eugeschr. 

1665. Dan alleyne übergeschr. und dann 
nach me gestr. 

1666. Vnd üb. gestr. dann. 

1667. Machen üb. gestr. dun. 

1668. tn Ruffen nachträgl. r üb. nicht gestr. 
R u. kleines o üb. das u geschr. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




38 


Natur vertritt nochmals ihren Standpunkt. 


Solde ich is nit machen nach 

myme synne. 

Dar umb solde is uch nit übel ge¬ 
fallen, 

1675 Wann ir nit dnnt das ir sollent 

dun, 

Obe ich uch das zu helffe dun, 

Als von dem boesche der da 

brante, 

Den ich hütte das er nit ver- 

brante, 

Wie wol das die flamme da was. 

1680 Nu soldent ir mir dancken das 

Ee dann striden und dar umb 

schrien. 

[53'-] Von den rüdden desglichen ich 

auch nit swigen, 

Von der maget und mutter auch 

Und vom wasser das ich inn win 

auch 

1685 Verändert, und was ich än uch 

getan han, 

Duncket mich daz ir des soldent 

freude han 

Mee dann dar umb trurig sin. 

Das duchte mich uch baß geraden 

sin; 

Dann von dem hübschen werck 

daz die meisterynne 

1690 Macht, sal sich frauwen die diene- 

rynne, 

Besonder wann is ir keinen 

schaden düt 


Und davon gebessert ist daz ge¬ 
meine gut. 

Nu machent dar uß was uch zu 

willen ist, 

Dann mir nutschit odir wenig dar 

umb ist. 

1695 Erfrauwent uch odir zurnent, 

Wie ir wollent, odir sere strident, 

Dann umb uwern willen ich nut¬ 
schit laßen wolde 

Des das ich gerne dun wolde I’ 

[53'1 Da Gnade also hatte geredt, 

1700 Gedisputieret unde gestraffet, 

Nature hait ir geantwert: 

‘Frauwe, ich han wol verstanden 

uwer wort 

Und sehen wol das ich mit uch 

nit gearguieren kan. 

Is ist besser das ich uch wese 

undertan 

1705 Und das ich nit wieder uch rede, 

Und doch, gedorste ich is dun, ich 

dede, 

So miste ich uch noch einwenig 

straffen.’ 

‘ Frischlichsprach Gods Gnade 

aen rüffen, 

‘Sagents alles, dann ich haldens 

vor schympe, 

1710 Alles das ir hude sagen wollent 

mit glympe, 

Und alles das ir gearguieren 

mogent, 


1675. dunt aus dun, darnach mogent geslr. 
dun zugeschr. 

1676. Obe üb. gestr. vnd. nit n. da* 
irrtüml. übergeschr. 

1684. han hier n. auch u. 1685 n. uch gestr. 
u. «. getan zugeschr. ' 

1686. uch vor de* gestr. u. freude han ü6. 
gestr. freuwen geschr. 


1692. ist vor gebessert gestr. u. dahinter 
ibergeschr. 

1703. kan üb. gestr. mochte. 

1706. ich dede unglückl. des Reimes wegen 
r ugeschr. Oder ist 1707 So müste ich zu 
itreichen vergessen? (H.) 

1708. aen räffen zugeschr. 

1710. mit glympe zugeschr. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Natur vertritt nochmals ihren Standpunkt. 


39 


Gedencken and gesagen mogent, 
Und laßent nuscht da hinden: 

Ir sollent nwer hertze wol ent¬ 
binden!’ 

1715 Nature sprach: ‘Dwijle ich Ur¬ 
laub han, 

So wil ich me reden und san 
Und wil uch uwer reden straffen 
Und auch dar umb nit zu lüde 

klaffen, 

[54 r l Umb das mir gröblich leit ist 
1720 Das ir mich mynre worte ge- 

straffet hant 

Und mich versmehet und ge¬ 
sprochen hant 
Das eine meisterynne 
Solle nit sin aen dienerynne, 

Und hant mich vor eine diene¬ 
rynne gehalden. 

1725 Dar nmb so wil ich arguieren 

balde: 

Sijt ir nu meysterynne sint ge¬ 
nant, 

So sal alletzijt ein dienerynne bij 

uch sin zehant, 

Und ir sollent keine geborne 

sache nit 

Verändern noch anders machen 

nit 

1712 zuhschengeschr. 

1718 zugeschr. 

1720. vmb vor Das gestr. 

1721. hant vor gesprochen gestr. u. dahinter 
zugefügt. 

1725. balde zugeschr. 

1726. genant zugeschr. 

1727. Nach Bai ist ich gestr., dabei roter 
Fleck entstanden. zehant aus genant. 

1729. nit sugeschr. 

1733. woldent daran zugeschr. u. zu Anf. 
von 1734 woldent gestr. 

1736. Vor solde ist Bin gestr. u. dahinter 
sin so genawe zugeschr. 


1730 Und sollent daz auch bestedigen 

von der axs, 

Da ir hant gesaget daz die axs 
Sich nit uffrichten noch wieder den 

zymmerman 
Nit stellen solle, eben als obe ir 

sagen woldent darau 
Odir aen sagen meyntent 
1735 Das ich wieder uch als wieder 

eine zymmerfrauwe 
[54*1 Nit also scharff solde sin, so ge¬ 
nawe. 

Durch die bestedionge duncket 

mich 

Und ist myne meynonge glich: 

Als der zymmerman nit gearbeiden 

kan 

1740 Odir kein gut huß gemachen kan 
Aen sine axs, also sollent ir auch 

keine 

Sache aen mich machen alleyne, 

Ir wollent dann unrecht dun. Zu 

allen zijden 
Sollent ir mich mit uch furen und 

nit myden 

1745 Und dar zu rüffen, und ist mir 

wol zu synne 
Is were besser daz ich alletzijt bij 

uch inne 

1738. glich Amt gestr. dan. 

1740. aen n. kan gestr. u. zu Anf. des fol¬ 
genden Verses zugefugt 

1742. alleyne üb. gestr. ir wollent, das vor 
1743 a. R. zugeschr. ist, ebenso wie sollent a. 
Schl, von 1743 gestr. u. an den Anf. von 1744 
versetzt ist. 

1743. vor zu dicker roter Strich. 

1744- nit myden üb. bzw. hint. gestr. Wort. 

1745. Vnd nachträgl. vorgeschr. synne 
hier zugeschr. u. am Anf. von 1746 gestr. 

1746. Inne zugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




40 


Gottes Gnade überwindet Natur völlig. 


Were dann diese nuwe officialen, 

Die mit uch hant allen yren 

willen zemale. 

Uwer macht gebent ir yn, 

1750 Und yn zu geben nement ir mir 

daz myn: 

Soliche macht konde mir von uch 

nie werden 

Oder mir von uch nye erleubet 

werden 

Das ich uß brode fleische machen 

möchte 

[55 r ] Und win inn blut verwandeln 

möchte, 

1755 Und han doch alletzijt gedan was 

ich solde, 

Nach mynre vermöge balde.’ 

‘Zwar’, sprach Gots Gnade, ‘ich 

beclagen mich nit 

Inn keinen weg von uwern dinste 

icht: 

Ich weiß das ir wol genug hant 

getaen. 

1760 Aber wollent ir nit ander Sachen 

san, 

So wil ich uch balde antwerten 

Und keinen andern beradt dar uff 

halten.’ 


‘Nein ich’, sprach sij. ‘So ant¬ 
werten ich’, 
Sprach Gots Gnade, ‘das daz uch 

versmehet glich, 

1765 Das ist daz ir myne reden nit 

recht verstent 
Und auch nit dar umb nach ge- 

denckent. 

Dann wann ich sprechen daz die 

meisterynne 
Zu aller tzijt solle haben diene- 

rynne, 

Is was wol gesagt, des bekennen 

ich. 

1770 Aber dar an gewynnent ir nuscht 

zu glich: 

[55»] Dann war umb ich han nit ge¬ 
sprochen “an allen enden”, 
Aber “zu aller zijt”, daz ist güt 

dütsch an den enden: 
Dann solte sij an allen enden 

dienerynne han, 
Das qweme ir zu uneren und 

grosser dinstberkeit 

1775 Me dan zu frijheit odir zu ir 

wirdickeit 

Aber sij sal sij zu allen zijden 

han, 


1748. willen irrtüml. (nur schwarz) gestr. 
vor eugeschr. zemale. 

1749. zu geben «. yn gestr. 

1750. Vnd yn zu gebe eugeschr. dz myn 
hint. gestr. vnd soliche. 

1751. hier Soliche eugeschr. 

1752 euhschengeschr. 

1753. konde vor machen gestr. u. dafür 
möchte dahinter eugeschr. 

1756. balde eugeschr. 

1757. nit hier eugeschr. u. eu Änf. von 1758 
gestr. 

1758. icht eugeschr. 

» 1759. p©r genug gestr. 1. 


Digitized by Google 


1761. vnd hier am Schl, gestr. u. an den 
Anf. von 1762 versetzt. 

1762. halten hint. gestr. suchen. 

1764. das v' in v’smehet eugeschr., ebenso 
glich. 

1765. ist dz übergeschr. 

1769. des üb. gestr. ich «. ich üb. gestr. des. 

1770. zu glich eugeschr. 

1771. alle enden hier eugeschr. u. zu Anf. 
von 1772 gestr. 

1772. güt aus nit. an de enden eugeschr. 

1775. wirdickeit Üb. gestr. eren. 

1776. han por zu gestr. u. an den Schl, des 
Verses gesetzt. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gottes Gnade überwindet Natur völlig. 


41 


Das ist ir ere, wer daz recht wilt 

verstan, 

Uff das sij die möge bescheiden 

Was sij die wilt heissen und yr 

gebieden. 

1780 Das hattent ir nit verstanden 

recht 

Als ir soldent, und verstundent 

auch nit siecht 

Von der axs die gelegenheit. 

Dan da ich rette von der axs 

Wesenheit, 

Das was nit dar uff geredt das ich 

1785 Mich mit uch behelffen solde zu 

aller zijt, 

Als der zymmerman sich mit siner 

axs 

Behilffet da mit zu h&uwen 

Und da mit auch zu büwen: 

[56'] Aber ich rette is siecher dar umb 

zehant 

1790 Das ich also scharffikeit inn uch 

fant 

Da nam ich daz gelichniß vor die 

handt 

Uch zu underwijsen uwern groben 

synne. 

Dann sal sich die axs nit uff- 

richten wieder yn, 


Den zymmerman, so sollent ir uch 

noch 

1795 Mynner stellen wieder mich. 

werent ir doch 

Nit von bösem gemechte; dann 

ich uch han 
Gemachet, gesamet und entwerffen 

lan 

Mich zu eren und mir zu dienen 
Wann is mir fuget und mir ist zu 

fügen: 

1800 Und dis kann der zymmerman nit 

gesagen 

Zu sinre axs, dann ein ander 

meister 

Hait sij gemacht, und er nit dan 
den gebruche da von hait, 
Und der me bedarff umb daz er 

brodes bresten hat 
Aber uwer bedarff ich zu male 

nit: 

[56»] Dar ümb sij uch uwer hertze so 

scharff nit; 

1806 Dann ich mag woler aen axs ar- 

beyden, 

Sniden, binden und zymmern 
Aen geschirre odir instrument, 

Mit allen Sachen mag ich dün waz 

ich wil behendt. 


1777. v’stan n. gestr. bedencken. 

1778. «. bescheiden gestr. des. 

1779 eingesetzt statt des ursprüngl. Verses 
Das sij ir gebieden vnd heißen wilt. Das sij 
ist trrtüml. nicht gestr. 

1780. Das aus Dis. recht vor verstanden 
gestr. u. dahinter eugeschr. 

1781. nit siecht hier sugeschr. u. zu Anf. 
des folgenden Verses nit recht gestr. 

1788. Wesenheit zugeschr. 

1784. was üb. gestr. das. 

1787. hafiwen hint. gestr. buwen. 

1788 sugeschr. 

1789. zehant eugeschr. 


Digitized by Google 


1792. Uch a. R. eugeschr. 

1793. yn wahrscheirü. zugeschr. 

1795. doch eugeschr. 

1799. mir ist zu fflgen korr. aus zu 
willen ist 

1802. und er etc. üb. gestr. dan der synne 
ir viel. dan noch wieder aus dem korr. 

1803. Vnd der übergeschr. me] l. ire ?, 
h hat ir. Vor bresten ist nit gestr. hat 
hier eugeschr. u. zu Anf. von 1804 habe gestr. 

1804. bedarff aus bedorffe. 

1805. so scharff nit üb. 2 gestr. Worten 
(nit bw ...?). 

1809. behendt eugeschr. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




42 


Gottes Gnade Überwindet Natur völlig. 


1810 Man sal mich nit glichen keinen 

zymmerman 

Noch keinen werckman, dan ich 

sunderliche han 

Macht alle ding zu machen nach 

myme willen. 

Dar umb sagen ich uch: swigent 

stille 

Und dunt daz kürtzelich, 

1815 Dan uwer argnieren hilffet wenig 

sicherlich! 

Is gilt auch wenig uwer grommen 

Und duncket mich auch nyergent 

Vorkommen 

Das ir von mynen gaben also 

gent treden 

Zu murmeln und davon zu reden; 
1820 Dan ich were zu male verbunt- 

lich, 

Solde ich von dem daz myn ist, 
eyme andern nit geben ich 
[57 r ] Als wol als uch: is ist nit 

Sache die zornis bedörffe icht, 

Is sal nch zu male nit müwen 


1825 Und soldent uch wol lassen ge- 

nu wen; 

Dan daz gut ist nit gut daz alle- 

tzijte 

Zemale get uff eyne sijte: 

Das wissent ir nu wol. 

Dar umb solde auch genügen wol 
1830 Die macht die ir von mir hant: 

König gewann so hübsche gäbe 

nye 

Noch kein here nye gewan umb 

gäbe hye 

Noch umb richtome. 

Obe ich nu umb mynen fromme 
1835 Sunderlich gaben mynen officialen 

geben, 

Das komet uch nit uneben; 

So sehen ich nit das ir dar umb 

icht verlierent: 

Is ist dorheit daz ir dar nmb 

zörnent’ 

[57 "j Da Gots Gnade hatte geredt die 

wort 

1840 Und Nature das hatte gehört, 


1811. han vor sunde’liche gestr. u. dahinter 
eingesetzt. 

1813. swiget stille n. gestr. kurtzlich. 

1814 zwischengeschr. 

1815. Dan üb. gestr. das. Vor wenig tat 
hilffet eingefugt (üb. gestr. sere), dahinter heißet 
gestr. «. sicherlich zugeschr. 

1817. nyerget vorkömB üb. bzw. hint. gestr. 
gar hesselich. 

1818. treden hint. gestr. Wort (grommen 7). 
1821. nit gebe ich hier zugeschr. u. zu 

Änf. von 1822 nit geben gestr. 

1823. bedörffe aus bedarff. icht zugeschr. 
1825 zwischengeschr. 

1826. das erste dz üb. gestr. das. 


1827 f. zwischengeschr. statt des gestr. Verses: 
Vff eine sijtte get das wissent. 

1829. Dar vmb a. R. für gestr. vch. 

1831. Vor König ist Dann kein gestr. ge- 
w5n übergcschr. 

1832. Noch o. R. zugeschr. here nye üb. 
gestr. könig. hye zugeschr. 

1838. n. richtome 3 Worte gestr. (obe ich ... 
vgl. 1834). 

1834 zwischengeschr. 

1835. Sunderlich a. R. zugeschr. 

1836 zwischengeschr. 

1837. ich üb. gestr. uch. 

1838. zörnet aus zorn hant. 

1839. die wort zugeschr., nachdem also vor 
hatte gestr. 


nach 1838 Bild (23) mit Nebenschrift rechts: Nature ist uberwvnden von gots gnade. 
Eine Frau mit umhülltem Haupte (Natur) fleht kniend zu Gottes Gnade um Vergebung. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Natur erbittet und erhält von Gottes Gnade Vergebung. 


43 


Sij viel ir zn fuße snelleclich 

Und neigette sich demötenclich. 

‘Frauwesprach sij, ‘ich wil uch 

biedend sin 

Das ir mir gnedig wollet sin: 

1845 Arguierent nit me wieder mich! 

Dan mynen gebrechen sehen ich 

follentlich, 

Das ich gehen uch gefelet han 

Und mich dörlich beweget han 

Wieder uch also scherfflich zu 

reden. 

1850 Ir sint myn meisterynne, daz 

sehen ich aen widereden: 

Uber alle sal ich uch undertenig 

sin, 

Und sal mir nuscht übel gefallen 

sin 

Von Sachen die ir dann dun 

wollent. 

Ich gedencken nummerme davon 

zu reden, 

1855 Das ir mir nit dan dis male 

wollent vergeben 

(^ r l Gutteclich und keinen bösen 

willen beheben.’ 


‘Sicher’, sprach Gots Gnade, ‘das 

wil ich auch halden; 

Aber hüdent uch wol bij uwerme 

augenbilde 

Das ir numme redent oder 

drauwent 

1860 Wieder myne schone wercke noch 

myden 

Myne dait, dann ich des numme 

von uch liden 

Und möchte des auch nit me ge- 

liden.’ 

Da diese rede ein ende hatte 

Und Moyses zu morgen gessen 

hatte, 

1865 Daz yme über beleip, daz wolte 

er deilen 

Und almuse geben und daz 

spreiden 

Den armen pilgerynen die geirret 

waren 

Und der viel da inne waren. 

[55*] Und ee er icht mochte enweg 

geben, 

1870 Zwo hübsche frauwen sag ich, die 

eben 


1843. wil uch biedend sin korr. aus bie- 
den uch. 

1845. Arguierent üb. gestr. findent. 

1846 zuhschengeschr. 

1847. Das aus Dan. in gehen der erste 
Buchstabe durch Korrektur hergesteüt. uch 
üb. gestr. dz ich. 

1848 eingesetzt statt Ich han.dörlich. 

1850. aen widereden üb. gestr. wol. 

1856. beheben hint. gestr. behalden. 

1857. halden sugeschr. 


1858. uwerme aus uwern. bilde sugeschr. 

1859. nüme aus nllmer. me wieder vor 
Redent gestr., dahinter oder drauwent sugeschr. 

1860. myden hint. gestr. wieder. 

1861. vor des gestr. lide. von uch liden 
sugeschr. 

1862. Vor Vnd ist so viel gestr. auch u. 
me ubergeschr. 

1868. Vnd ubergeschr. inne waren üb. 3 
gestr. Worten (was ...). 

1869. Vnd ee er a. R. sugeschr. 


vor 1863 Bild (24) mit Nebenschrifl rechts: Busse, Ruwe, bichte, genug dun vnd liebe. 
2 Frauen, die eine mit einem Pergamentblatt, die andere mit einem Schlägel in der Hand und 
«wem Besen zwischen den Zähnen (Wahre Liebe und Buße) vor dem Bischof. Hinter ihnen 
eine weibliche Gestalt als Vertreterin der Gemeinde. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




44 


Wahre Liebe und Buße kommen herbei. 


Hübsch waren von allem wandel, 
Wol getzieret aen bösen begriff, 
Die da uß einre kammer giengent 
Und sich gar zuchteclich umb- 

fingent 

1875 Und stalten sich tuschen Moysen 

nnd die lüde. 
Die eine hielt ein testamente von 

eyre hüde, 

Eine große karte und eine schrifft, 
Da inne stunt gar viel schrifft: 
Die hatte sij gar uff getaen zu 

lesen, 

1880 Also ir her nach werdent hören 

und sehen. 

Aber vor wil ich uch von der 

andern sagen, 
Von- der ich mich sere verwondert 

hau. 

Inn einer handt hatte sij einen 

Siegel güde 

Und inn der ander eine smyncke- 

lichte rüde: 

1885 Sij was smale, grüne und biegende. 

[59 r] Tuschen iren zenden in dem 

munde hatte sij ligende 
Einen besem, das mich aller 

meiste berüret; 
Sij hielt yn gar zuchteclich und 

schein 

Doch desta mynre nit wijse sin: 

1890 Hette ein ander den also gehalden, 


Man hette sij vor usser synnes 

gehalden. 

Die rette zum ersten zu den lüden 

Gar wißlich, nuscht hinderte sij 

der besem 

Zu reden odir zu predigen. 

1895 ‘Ir herren’, sprach sij, ‘ich weiß 

wol das 

Das ir sere besehent myne gestalt 

bas; 

Aber ich meynen wol daz ir nit 

wissent 

Was da myne gestalt bedudet 

So kommet her bij, ich wils uch 

sagen an 

1900 Und wil auch nit liegen dar an. 

Ich bin die hübsche die wenig ist 

liep gehabt, 

Die gütliche die sere geforten 

wart, 

[59'1 Die wenig geerete und die sere 

werde, 

Die milde und wenig wol gefellig 

uff der erde. 

1905 Busse bin ich genant, 

Hüderynne der Lilien verborgen 

bekant. 

Alle unreynikeit dun ich abe legen 

Ee das yemands dar inn kommen 

möge, 

Und dar umb dragen ich mit mir 

1910 Den Siegel, rüde und besem. 


1874. vmbfingent üb. gestr. staltent. 

1875. Vnd st&lte sich o. R. eugeschr. 

1876. von eyre hüde eugetchr. 

1879. gar übergeschr. 

1880. vnd sehen eugeschr. 

1883. güde eugeschr. 

1886. ligende eugeschr. 

1893. der besem hier eugeschr. u. 1894 hint. 
Reden gestr. 


1896. bestalt bas eugeschr. 


1897. meynen üb. gestr. sagen nch. 

1898. bedndet n. da gestr. u. a. Schl, tu- 


geschr. 

1899. an eugeschr. 

1902. die u. wart eugeschr. 

1903. vnd übergeschr. 

1904. vnd w. vff der erde eugeschr. 

1906. der lilien Mißverständnis von (de) 
l’ille. h richtig der verhelten ynseln. bekant 
eugeschr. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Buße erklärt ihre Ausstattung mit Schlägel, Ruten und Besen. 


45 


Mit dem Siegel ich brechen und 

qwetschen 

Mit ruwe und angest des 

mentschen 

Hertze, so das gefullet ist mit 

alden 

Sunden und unreynikeit: ich 
1915 Weichens und duns biegen sich, 

Clagen, schrien und sufftzen, 

Als die kint durch die streiche 

dunt, 

Dann daz liden yn duncket sin 

unkfint. 

Ich dün ußgan das saff und dün 

ußspringen 

[ 60 <-] Und erweichen das durch slagen, 
1921 Also dün ich durch myn slagen 

Die trehen ußgan und schrien uß- 

jagen: 

“Ach, amich, waz han ich misse- 

daen! 

Is ruwet mich: mochte ich lich- 

tonge han!” 

1925 Mit dem Siegel han ich zu zijden 

Geqwetschet Petern und ge- 

weichet, 


1915. dnns aus dun. sich vor biegen 
gestr. u. dahinter tugeschr. 

1918. yn statt gestr. hart eingesetzt u. vn- 
feünt a. Schl, tugeschr. Diese des Reimes wegen 
vorgenommenen Änderungen bedingten auch 
eine Korrektur des tu Anfang des Verses stehen¬ 
den Die (etwa in Dann), die aber in der Hs. 
unterblieben ist. 

1919. Ich d&n a. R. tugeschr. 

1921. d&n ich n. Also übergeschr .«. a. Schl, 
des Verses gestr. 

1922. vßgan aus vßgen. vßjagen tugeschr. 

1924. han hier tugeschr. u. a. Anf. von 1925 

gestr. 

1926. Petern Üb. gestr. steine. 


Der so hart was gewest das er 

sins meister 

Geleukent hatte vor dem her. 

Ich han yn so dicke und sere ge- 

slagen daz er milde 
1930 Und weiche wart, daz sal ich dir 

sagen: 

Ich det also viele mit myme slagen 

Das ich yme det ußgan daz 

wasser uß den hertzen 

Und schreye durch bitterkeit und 

smertzen. 

Der Magdalenen det ich auch also: 
1935 Wie wol daz sij gar verhärtet 

was do, 

[60»] Lange zijt in sunden verhärtet 

was, 

So det ich doch das 

Und mit siegen also viel das naß 

Trehen und wassere uß ir fliessen 
1940 Und det so viel und dicke von ir 

gießen 

Das sij bynnen zu male geweschen 

wart 

Und ich sij zu male reine ge¬ 
macht 


1927. Der aus Die, was aus sint, er aus 
ir. sins übergeschr. 

1928. vor Gelenkent gestr. Die (?) vor 
dem her hint. gestr. die han ich. 

1929. Ich han yn a. R. tugeschr. er üb. 
gestr. sij. 

1930. wart dz üb. gestr. worden wz. 

1932. yme übergeschr. Nach vßgan ist 

vß den angen (so Orig.) gestr., dafür a. Ende 
vß den hertzen tugeschr. dz übergeschr. 

1934. auch übergeschr. wye nach also 
gestr. u. vor 1935 wie tugeschr. 

1935. sij «. do tugeschr. 

1936. Jn aus Jr. sunden üb. gestr. hertze. 

1937. Am Anfang ist Jnn sunden gestr. 

1938. das naß tugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


46 


Buße erklärt ihre Ausstattung mit Schlägel, Ruten und Besen. 


Und wann so die trehen sint her 

uß kommen 

Und von ruwigem hertzen uff- 

geclommen, 

1945 So samen ich sij aen beiden 

Und dun sij zu häuf leiden 

Und machen dan dar uß einen 

buche, 

Alle unreynikeit da mit zu buchen 

•und zu weschen 

Und die sunde da mit zu ver¬ 
loschen. 

1950 Die lauwe ist auch so starck: 

Is ist keine sunde die da sij so 

arg, 

So snode, so alt noch so vergessen, 

Sij wirt da durch alle geweschen. 
[6i r lUmb daz ich wol buchen, swingen 

und weschen kan, 

1955 So hat mich Got gemacht die 

kammermagt fyn 

Und zu einer sundern wesche- 

rynnen. 

Nu versteent aber yr mit 

synnen 

War umb ich den Siegel dragen 

mit mir: 

Daz wordent yr nu hören von mir. 
i960 Des sunders hertze ist glich also 

hole 

Als ein groß duppen das ist erden 

vol 

Und einre fuchtikeit unreyne, ein 

übel smackende faß, 

Das man nit kan geleren umb das 

1948. vnd zu weschen zugeschr. 

1949 f. zugeschr. u. dazwischen gestr.: Vnd 
da mit zu weschen die lauwe ist so starg. 

1952. vergessen aus verloschen. 

1953. alle übergcschr. 

1955 verbessert aus So wil mich got zu 
eine 1 kSmer magt han. 


Das man is nit kan umb ge- 

wenden baß 

1965 Odir nach sinem willen bewegen, 
Das es umb sine hartikeit 
Und umb sine große versteynikeit 
Sich nit bessern wilt 
Noch keinen ruwen an sich zilt 
1970 Das vas slahen ich gar harteklich 
[6i »] Mit myme Siegel und scherfflich, 
Stucke ich dar uß machen und 

weschen die 
Und machen sij gar kleine da bie, 
Uff das da ußgeschudt werde 
1975 Die große unreynikeit und die 

erde 

Die da inne ist gewesen, 

Und muß is also underlesen; 

Dan wo ich sij nit also zurbreche 
Und sij nit also kleine mechte, 
1980 So mochte viel unreynikeit 

Da inne beliben aen underscheit. 

Nu versteent diese letze nuwe 
Ir die da gewerlichen ruwe 
Wollent umb uwer sunde han! 

1985 Ir sollent nit wenen odir uch be- 

duncken lan 
Das ir da mit genug habent getan 
Die sunden in groß und miteyn- 

ander zu bedencken, 
[62 r ]Dann die sunde also mit ein in 

gros zu gedencken 
Ist nit anders dann daz duppen 

gantz zu laßen 
1990 Und viel unreynikeit da inne zu 

lassen. 

1957. mit synnen zugeschr. 

1959 zwischengeschr. 

1962. ein Üb. gestr. die. 

1964. is über yn, das zu streichen vergessen, 
auch vmb übergeschr. 

1977 zwischengeschr. 

1989. zu übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Buße erklärt ihre Ausstattung mit Schlägel, Buten und Besen. 


47 


Und obe is wol wurde ein wenig 

geqwetschet, 

So were is doch da mit nit genug 

geletzet: 

Yeclich stucke beliebe zu groß; 

Wann is nit wurde gar bloß, 

1995 So beliebe dar inne unreynikeit 

viel. 

Zu kleinen stucken und inn kleine 

deU 

Ir den haffen brechen sollet und 

qwetschen 

Mit dieffen gedencken und grossen 

sufftzen 

Und gedencken: “da hastu also 

getaen 

2000 Uff den dag und des nit gelaen, 

Du haist auch uff den dag getan 

das, 

Das eine groß, das ander merer 

was; 

Also dicke hastu das getaen 

Und inn solicher massen misse- 

daen: 

[6-?'] Du wurde wenig besucht odir ge- 

drongen, 

2006 Du haist selbs dar nach ge- 

rongen.” 

Das ist der synne zu brechen 

Das unrein duppen und davon 

stucke zu machen, 

Den zerryssen und yme da mit 

ruwen zu machen 

2010 Durch soliche betrachtonge. 

Wisse das ich yme also dun 

Mit dem Siegel den ich in myner 

handt han! 

2009. Den meint den Sünder. 

2015. das 1 in klein nachträgl. eingefugt. 

2021- Orig.: C’est de conacience le ver. 

2022. Dem aus Der. 


Ich brechen is alles und nuscht 

lan, 

Ich qwetschens alles und sparren 

nicht. 

2015 Noch ich uch ein klein wort 

sagen sal 

Von dem wüsten duppen unreyni¬ 
keit vol, 

Das da bynnen umb sine grosse 

unreynikeit 
Eyme grossen worme sine spise 

dreit, 

Da inne erhaben und geborn, 

2020 Gespiset und erqwicket worden. 
Der warme recht bekenteniße ist, 

[63 r ] Dem gelichet wol zu aller frist 
Als yme schinent die zende von 

isen sin, 

Dann er muß frech und stechende 

sin, 

2025 So wiederbissende und druckende; 
Dann were nit einre der yn döte, 
Sere sluege und yn ermordete, 
Faste nagens er nit uffhorete 
Bis das er sinen meister gedodete. 

2030 Dar umb ich den Siegel drage 
Uff daz ich yme nit verdrage 
Und daz ich yn slage und kloppe 
Und yn döde und zemale ver- 

stoppe. 

Das ist wann daz duppen wol 

zurslagen ist 

2035 Und zurqwetschet, als vor gesagt 

ist: 

Dann were ez vor zurslagen nit, 
So mochte myn Siegel dar uff 

kloppen nit 

2023. Ala a. R. zugeschr. 

2026. dftte aus dot slage. 

2027 zwischengtschr. 

2036. er. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



48 


Buße erklärt ihre Ausstattung mit Schlägel, Ruten und Besen.. 


Noch auch dar an hafften nit, 

[63»] Yn dot slagen odir dun sterben. 
2040 Dar umb lident daz uwer duppen 

eben, 

Die wüste und vol unreynikeit 

sint, 

Wol zurslagen und geqwetschet sin 
Und das duppen altzumale zur- 

brochen: 

So moget ir uch an dem wurme 

rechen 

2045 Und yn vor uch slagen dot 
Das ist die geware ußrichtonge 
Und die rechte bedutonge 
Von myme Siegel, den ir sehent 
Und recht bekenteniße nennent 
2050 Nu wil ich uch aber von dem 

besem sagen 
Den ich tuschen mynen zenden in 

myme munde dragen. 
Ich han uch vor gesagt und sagen 

uch aber da bije 
Wie das ich kammermagt sie 
Gottes des vatters almechtigen. 

[64 »] Dar umb sollent ir alle parthien 
2056 Und moget wol wissen behende 
Das ein besem wol stet in der 

megde hende; 
Doch ist nit me dar an 
Dann uch mag beweget han 
2060 Den besem also zu halden: 

Dar umb sollet ir wissen balde, 
Dann da man unreynikeit uß 

werffen sal, 

Das man da hien keren und den 

besem wenden sal, 


Da wurde anders groß bedencken 

na 

2065 Das man in ettlichem winckel 

liesse da 

Verborgen unreynikeit 

Gehuffelt und verdecket. 

In der schrifft han ich gelesen 

An viel enden und auch gesehen 
2070 Von viel stucken manicherleye 

namen: 

Ein deil von den fischen kamen, 
[64*] Eins von hymel, das ander von 

der hellen her, 

Eins von isen, das ander von 

kupper 

Und viel ander der ich nu ge- 

swigen 

2075 Und sij uff dis male lassen ligen 

Umb das die rede davon wurde zu 

lanck. 

Aber under yn allen ist eine ane 

wang, 

Davon ist gesprochen in dem 

buche Neemia 

Das is sij eine porte der unreyni¬ 
keit da, 

2080 Umb daz man da durch feget alle 

unreynikeit 

Und stoßet sij da uß, und ist 

besser die sij unreyne 

Dann die ander alle gemeyne. 

Nu sollet ir alle wol verstendig 

sin: 

In dem huse da ich eine magt bin 
2085 Und Gnade Gots da ist meiste- 

rynne, 


2050. aber übergeschr. 2058 ff. heißen im Orig.: Hais tant (y) a 

2054. n. aimechtigen ein mit 8 beginnendes qae la maniere Da tenir voas puet esmoavoir. 

Wort gestr. Kustode unten auf Bl. 63 »: dar 2078. Nehemias 2,13 u. 12,31. 
vmb sollet ir. 2085. gots in schtcarser Einfassung über¬ 

geschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Buße erklärt ihre Ausstattung mit Schlägel, Ruten und Besen. 


49 


Sint sehs porten, der da funffe 

sint 

Dar durch die unreynikeit inn 

gande sint: 

[65»-] Die eine ist die porte des gerochs, 

Die ander des horens und 

horichens, 

2090 Die ander dez smackens und dez 

tastens, 

Die ander des gesehens vaste. 

Durch die funff porten get dicke 

inne 

Viel unreynikeit in des mentschen 

synne, 

Aber da durch kan sij nit wieder 

us kommen, 

2095 Die unreynikeit, in keinen 

frommen: 

Dar umb verlure ich myn arbeit 

Wo ich mynen besem da hien 

hette gekert. 

Die ander porte die die sehste 

ist, 

Die zu heyle notdürftig ist, 

2100 Das ist die porte der unreynikeit, 

Da durch sich iclichs ernert und 

reyniget 

Und da durch man ußstoßet zu 

allen zijden, 

Wilt er nit unreyne beliben. 

[65»] Dasselbe des sunders mont ist, 

2106 Die under den porten die beste ist; 

Dann er leget uß die missedait, 

Wie sij dann sint vollenbraicht, 

Und saget sinem bichter die 


Mit clagen und schrien hie. 

2110 Zu der porten han ich gekert 
Und gewant dar gegen wert 
Mynen besem das alles zu keren, 
Uß zu driben, zu reynigen und zu 

erneren: 

Dann so lange ich bin dienerynne 
2115 Gnade Gots, myner meisterynne, 
Yr huß wil ich rein halden 
Und kein unreynikeit da inn be- 

halden. 

Myn besem ist myne zonge, 

Myne geischel und myn reynionge, 
[66»] Da mit ich alle unreynikeit keren 

uß, 

2121 Stoßen und reynigen das huß. 
Nuschit ich da inne lassen oben 

odir nyden 

In winckel noch inn loche ligen 
Ich wolle is dann alles erwegen, 
2125 Uffladen, ußstossen und abelegen 
Durch gantze bichte aen liegen, 
Aen bedrug und aen bedriegen. 
Ich stossen is alles durch die un¬ 
reine porte uß, 

Ich lassen nicht da inne, ich 

werffens allez uß 

2130 Mit mynre zonge und myme 

besem, 

Umb das ich weiß eben 
Das is myner meisterynne, 

Gnade Gots, also ist zu synne, 

Die an keime ende wilt beliben 

han 

2135 Is sij dann vor gekeret schon 


2087. gsde sint aus gat verbessert. 

2088. porte des gerochs aus den geroch 

hnit 

2089. des horens aus das hören, horichen. 

2090. dez smackens vnd dez tastens aus 
smacken vnd tasten. 

Darnach« TnU du Mittelalter*. XXV. 


Digitized by Google 


2091. des gesehens aus von gesehen. 

2094. vs vor körnen gleich üb. d. Z. zu¬ 
gefugt, dahinter vß gestr. 

2097. gekert trotz des Reimes aus geleit. 
2135. das letzte e in gekeret Übergeschr. 

4 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



50 


Buße erklärt ihre Ausstattung mit Schlägel, Ruten und Besen. 


[66 »1 Und wol gestrichen und ge- 

reyniget; 

Das ist so viel das sij nit achtet 
Uff bekenteniße da inne benachtet 
Unreynikeit; wan recht bekente¬ 
niße ist daz huß, 

2140 Die kammer und wonunge 

Da inne sij hait ire wonunge und 

gewist 

Wann sij wol gekeret und ge- 

feget ist. 

Nu hant ir alle do 
War umb ich den besem also 

2145 In myme monde han 
Gehabt und auch gedran, 

Wie ich davon dun bichtonge 
Durch eigentliche underscheidonge. 

Nu wil ich uch aber sagen 

kurtzlich 

2150 Von mynen rüden underscheident- 

lich, 

War umb ich sij halden und waz 

ich da mit dun, 

[67 r J So werdent ir is nit vor schimp 

han: 

Der hohen schulen bin ich meiste- 

rynne 

Und der kinde strafferynne; 

2155 Die bösen ich straffen zware, 

Sij sien von xx odir -C- jaren: 
Dan übel dunde kint sint sij ge¬ 
nant 

Von der schrifft, die yn verfluchet 

zu hant. 

Wan nu yemans übel hait gedan, 


2160 Gerne ich mich dar bij machen 

kan 

Zu wissen obe er sij durchgangen 
Durch mynen Siegel, davon ich 

han gesagt lange, 
Und obe er under mynen besem 
Sich habe gelacht zu reynigen. 

2165 Und wann ich yn sehen also be- 

ruwet 

Und wol gebichtet, als vor ist 

geredt, 

Als dann yn recht zu straeffen 
Ich yn mit mynen rüden slagen 

lassen; 

[67'] Arbeit ich yme geben und 

straffonge 

2170 Umb sinen nütze und besseronge. 
Eine stunde ich yn bedencken 

dun aen spot 
Sine lebende sunden und sprechen: 

“ach Got, 

War umb han ich verhenget das, 
War umb bin dar inn gefallen, 

2175 Daz ich ytze dar umb müß 

straffen dölen?” 
Ein ander male ich yn sagen dun: 
“Lieber herre Got und milder 

herre myn, 

Ich verspreche uch inn besseronge 

zu sin, 

Daz ich so viel frechikeit nit 

haben solle 

2180 Das ich uch ertzurnen wolle 

Odir das ich vor uch durffe sun¬ 
den.” 


2148. TOderecheidongeÄmt. <7«<r. lutterunge. 

2162. lange vor han gestr. u. ». gesagt 
zugeschr. 

2163. vor vnder gestr. sich. 

2164. zu reynigen n. sich gestr. u. a. d. 
Schl, des Verses gesetzt. 


2174. War vor vmb a. R zugeschr. n. 
vmb ein kleines Wort gestr. 

2175 ziotschengetchr. 

2179. nit übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Sie ist gekommen ah Kanzlerin und Pförtnerin des Altarsakraments. 


51 


Eine stonde ich yn beden dün, 

Die ander sufftzen, die ander 

schrien dar tzu: 

Zum andern male dun ich yn 

geben 

2185 Den armen luden und den bede- 

lern 

[68 r ] Des das er hait yn zu deilen und 

almuse geben. 

Zum andern male dun ich yn 

biedefarte gan 

Odir einen ferren weg understan: 

Dan dün ich yn arbeiden und 

wandeln. 

2190 Das ander male ich yn fasten dün 

Odir ettliche ander abebrechonge 

dün 

Und sich von sunden ziehen dun. 

Also ich yn under der rüden hal- 

den, 

Yn kestigen und auch slahen 

balde, 

2195 Also das er nit gedencke wieder 

Zu wende und zu den sunden 

kommen wider 

Da er sich ußgeworffen hait und 

gereyniget, 

Und auch das da werde gestraffet 

Die aide sunde, die er getan hett; 

2200 Wan is ensal keine ubertredonge 

Nit beliben aen rechte straffonge. 

[68*] Er sal mit den rüden werden ge- 

slagen 

Der sich zu sunden hait getragen: 

Dar umb halden ich sij, das wis- 

sent 

2205 Und vor missedun uch hüdent! 


Wollent ir der rüden namen wis¬ 
sen, 

Genug dün sollent ir sij heißen, 

Dann genug dün ist also viel 

Odir dün genüg odir als viel 

2210 Als inn den sunden gebrechens ist 

gewest. 

Nu han ich uch gesagt und 

predige getan 

Von mynen wercken und von 

myme name; 

Aber war umb ich bin kommen 

her 

Tuschen Moyses dusch und uch 

alher, 

2215 Den ir hie beident umb daz yme 

über belibet, 

Und von dem uffhabe heischent, 

Das han ich uch noch nit ge- 

saget. 

Nu horent, so wil ichs uch sagen: 

[6.9 r ] Vor wäre sage ich uch das ich 

cancelerynne 

2220 Sins uffhabes bin und portene- 

rynne. 

Aen mich ir nit genehen sollet, 

Wo ir anders nit übel dun wollet. 

Es ist nit uffhab den knaben zu 

geben 

Noch doren odir fulen luden eben, 

2225 Es ist nit uffhab vor frauwen 

swanger, 

Is sij mit Gots gnade nit be¬ 
fangen : 

Es ist ein uffhab vor die siechen 

Und vor die krancken, notdürf¬ 
tigen. 


2189. Dan o. R. zugcschr. 2209. Odir] l. Als ? Orig.: Quar satisfaction 

2190. dün hmt. male gestr. u. a. d. Schl, vaut tant Com faire assez. 

des Verses gesetzt. 2215. Den üb. gestr. ynd. vmb übergeschr. 

2196. Zn üb. gestr. vnd. vnd übergeschr. 2226. nit vor mit gestr. u. hint. gnade 

2197. ußgeworffen aus uffgeworffen. übergeschr. 

4* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



52 


Wahre Liebe erklärt, teer sie ist und wozu sie dient . 


Wer des nützet zymlich odir 

billich, 

2230 Mag nit sin, er wirt gelicht. 

Es ist der uffhab der da über 

blieben waz 

An dem nachtmale da Got selbs 

aß, 

Der das brach und gedeilet hait 

Sinen frunden uff den grünen 

donrstag, 

[69*] Davon alle die weit ist gespiset, 
2236 Uffgehalden und beweget. 

Den uffhab wil ich hüden nauwe- 

lich 

Und yn bewaren getruwelich: 

Ich wil nit daz keinre dar gee, 
2240 Er sij dan mit mynen rüden ge- 

slagen ee, 

Is sij dann durch mynen Siegel 

recht 

Und habe sich mit mynem besem 

gereyniget. 

Nu hude sich ieclicher vor sich, 

Dann genug getaen han ich 
2245 Dem und der sache dar umb ich 

bin 

Und inn solicher maße herkommen 

bin.’ 

Da diese frauwe hatte also ge- 

redt 

Und ir wesen hatte ußgeleget, 

Die ander frauwe die da was 
2250 Und die schrifft in irer handt hat, 

Die wolde sagen ir wesen 
[T'ö'-J Und vor yn allen die schrifft 

lesen. 

‘Ir herren’, sprach sij, ‘is ist 

wol wäre 

2240. mynS aus mynne (?). 

2242. mit üb. gestr. durch. 

2246. n. maße gestr. ich. 


Aen liegen und aen unware 
2255 Das Buße uch hait gesaget 
Sin ampt und auch ußgelacht; 

Dar umb wil ich uch sagen sin 
War zu ich dienen odir wer ich 

bin. 

Ich bin die die hait versmahet 

keine 

2260 Noch nye, weder groß noch kleyne, 
Und die die alle lüde lieb hait 
Die eins guden hertzen sint und 
keinen bösen willen hant, 
Und die die keyne rache süchet, 
Nit siet, stosset odir fluchet, 

2265 Und die die daz urteil hat geben 
Von sinen f«enden zu lijden eben. 
Ich bin mutter der dugende, 

[70*] Die da kleidet die nackete lüde, 
Die sant Mertin sich det entclei- 

den, 

2270 Den armen da mit zu wiederclei- 

den; 

Ich bin der weisen spiserynne 
Und wirtynn der pilgerynn. 

Des andern ubels machen ich 

myn, 

Und allen muß myn gut gemeyne 

sin. 

2275 Minen name ob ir den wissen 

wollet, 

Geware Liebe ir mich nennen 

sollet! 

Dann liebe heldet die in lieplicheit 
Die die ander halden in snodikeit. 
Ich spisen die verhongerten 
2280 Und gesehen die versiecheten; 

Ich bin die die umb eins andern 

gut 

2260. weder gleich aus wieder. 

2266. freuden Hs., fynden h. 

2273. vbels üft. gestr. böse. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Liebe verliest Jesu Testament des Friedens, das sie m der Hand trägt. 


53 


Als frolich ist als umb myn eigen 

gut; 

Die die' alle dinck gfttteclich 
l~i r ] Alles lidet und ist da bij 

friedelich, 

2285 Die die zu keinen stnnden 
Mag hören abebrechen oder 

mürmelongen, 

Die die nie hait missesprochen 
Eyme andern noch auch misse- 

dan: 


Und doch han ich getaen 
2290 Ettliche ddn nbel dün aen misse- 

dait. 

Obe ir davon ich gehöret hait, 

Von dem konnige Jhesu, der wolte 

mentsche werden 

Und umb sine lüde gedödet wer¬ 
den, 

Ir sollet wissen das ich die bin 
2295 Die yn det soliche arbeit lyden: 

Dann ich det yn vom hymmel 

abe klymmen 

Und mentschlich nature an sich 

nemen; 

An die sule det ich yn binden • 

Und yn auch mit dornen krönen 
[7i*] Und sine armen an dem crutze 

hönen, 

2301 Die dar ane dun strecken, 

Nacket ußdun und in sine sijtte 

stechen, 

Die fuße und hende hefften an 

Mit großen nageln, löcher dar 

durch gan; 


2305 Das blut uß sime zarten libe gan 
Det ich und yn sinen geist dun 

uffgeben. 

Aber das we, wissent recht, 

Wart er wandeln in groß güt 

siecht: 

Dann umb das we det ich yn 

niderstigen 

2310 Inn die helle uch dar uß zu 

wigen, 

Uch zu werffen uß dem borne 

dieff 

Und uch zn füren in das paradiß, 
Uch zu geben und nch zu laßen 
Eine gäbe, die er usser massen 

2315 Hatte zumale gar lieb: 

[72 r ] Das was friede, dar uß der himel 

scheyn her 
Und da sich das paradiß erfrau- 

wet her. 

Wanne nu die forme als er die 

gäbe hat 

Gegeben und die gäbe verluwen 

hait, 

2320 Ist geschrieben inn diesem testa- 

mente, 

Das ich gheenwertig han in 

myner hendte, 
Testamente des frieden ist es ge¬ 
nant. 

Nu horent, ich lesen is zu hant: 
“Ich Jhesus Crist, son Marien, 

2325 Weg, warheit und das leben, 
Gegen myme dode, dem ich nahe 

bin 


2282. myn üb. gestr. ir. 

2284. alles o. R. sag es ehr. 

2290. das erste dün übergeschr. 
2295. lyden hint. gestr. han. 
2301. ane üb. gestr. Jnn. 

2307. we üb. gestr. böse. 

2309. we wieder üb. böse. 


2310. I. vrigen ? (R.); Orig.: reembre. 
2316. was friede üb. gestr. lant vor der 
gestr. git scheyn her hint. gestr. das licht 
2318. die gäbe hat rugeschr. u. die tu Be¬ 
ginn des folgenden Verses gestr. 

2321. hendte aus hende. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



54 


Vom Kleinod des Friedens, das Jesus im Testament hinterlassen. 


Und des ich auch zu male sicher 

bin, 

Machen ich myn leste testamente, 
Da inne ich laßen uf ein ende 
2330 Den die da sint in dem dale des 

eilendes 

Und uff der erden der arbeit, 

[7^»] Die gäbe dez frieden, das ist das 

kleinot myne, 

Das lieplichste und das fyne 
Das da ist in hiemel odir uff 

erden 

2335 Odir das man suchen mach noch 

funden werden. 
Es ist das kleynot da mit ich vor 

zijden 

Mich ergetzet han in dem para- 

dise 

Und das auch myn getzel was 
Da ich in myme lande was: 

2340 Aber ich han da mit nit gespielet 
Sijt das ich bin kommen in diese 

weit; 

Dann da ich zu eime kinde wart 
Und von hiemel waz kommen her 

abe 

In diese weit und is zijt was das 

ich spielen solde, 
2345 Und ich myn cleynot haben wolde, 
Uß dem paradise myne diener 
Brachten daz in dis lant her 
Und budent is den zu schanck 
[73 r ] Durch die ich solde haben liden 

lang. 

2350 Mit dem kleynot sij gespielet hant 
Sijt der zijt das ich geborn wart, 
Nit dar umb das is were ir 


Odir auch das is ir solde sin; 
Dann sij mochtens nit gegeben, 
2355 Myne knechte, die is huttent eben, 
Sij waren auch des zu entphaen 

nit wirdig 

Odir das zu haben nit richtig. 

Es ist yn geluwen alleyn, 

Das ichs nach myme willen 
2360 Wieder heischen mochte, 

Gegeben und auch nit geben solte, 
Dan aen mich is niemant mochte. 
Doch die grosse meisterynne 
Liebe, die da ist myn fuererynne, 
[73*] Die mich umb leidet als ein kint 
2866 Und mit mir iren willen vollen- 

bringet, 

Durch ir recht sij mich zu hat 

gefurt 

Das ich das hübsche kleinot han 

gegeben 

Und yn das noch geben. 

2370 Hübschere ich noch nye gegab, 

Da ich mich selbs nit engab: 

Es ist ein kleynot, daz wart ge¬ 
stalt, 

• Gesmiedt, gemacht und getzym- 

mert balt 

Von myme fader aen streiche dar 

zu d&n 

2375 Und aen bracht noch sich zu 

hören dün; 

Dann bracht odir streiche machent 

daz nit, 

Sonder sij zubrechent und rissent 

is mit. 

Were yemands der sine gestalt 
Wolde wissen, dem wolte ich balt 


2327. auch gleich aus mich (?). 2362. meniat. 

2330. eilende« Amt. gestr. sch .(?). 2367. dar vor an gestr. 

2332. dz übergeschr. 2375. sich u. d&n eugeschr. 

2335. mach übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Vom Kleinod des 


das Jesus im Testament hinterlassen. 


55 


2380 Sinen geschuff und patron geben, 

[74 r ] Den die da hant ein verstendig 

leben: 

Der eins zymmermans winckel 

maße 

Zum ersten uffrichtet den einen 

ort 

Und das ander unden uff den 

mittelort 

2385 Gelich lynien recht niderleget 

Und an den ort der die zwo 

lynien rüret, 

Machet ein a und das dar uff 

setzet, 

Und an die zweye ende p und x 

setzet, 

Also daz oben das x und nnden 

were das p, 

2390 Als diese figure dan bezeichent ee, 

Lichtlich mochte er sinen namen 

wissen 

Und sine gestalt da mit finden: 

Er hette sinen namen balde ge¬ 
schrieben 

[74•] Mit den drien bustaben hie vor 

gedrieben. 

2395 Die drij bustaben daz zu wissen 

dunt 

Das in drien Sachen sal er alle- 

stnnt 

Frieden han dem das gelassen ist. 

Das ist zu erste an dem obersten 

ende, 


Da daz -x- steht und wendet: 

2400 Dar durch kurtzlich 

Ich verstanden und betzeichent 

bin, 

Das da sal geware gantz friede 

sin 

In solicher maße das alle dait 
Die man umb mynen willen getan 

hait, 

2405 Geenget und gebessert sint. 

Dar nach an dem orte wol ge- 

satzt 

Da an gestrichen und ist gesatzt 
Das a, da durch verstanden ist 
Das die sele, die in des mentschen 

libe ist, 

[75'-] Sal auch guden frieden haben 
2411 Durch Störunge der missedait. 

Die sollen sin nydergelait 
Durch busse und abe gedaen; 
Dann der mag nit friedelich sin 
2415 Wen da kriegent die sunden sin, 
Und alle friede were yme nit 

wert 

Wurde der krieg nit ge wert 
Tuschen yme und sime bekente- 

niße 

Durch die geschirre der bussen. 
2420 Dar nach aber zu dem nehsten, 
Da das p stet, das ist an dem 

ende zu leste, 
Ist verstanden das yederman frie¬ 
den sal haben, 


2391. vor Lichtlich gestr. 8. [2534] Ce biau jouel et ottroie). h hat den 

2397. In der Hs., die dem da gelassen ist ganzen Relativsatz fortgelassen, 
liest, fehlt das Subjekt des Relativsatzes (etwa 2414. nit übergeschr. 
kleinot) infolge versehentlichen Übergehens von 2418. sime übergeschr. 

v. 2534 des Originals (. . . a qni est laissie 2421. an dem üb. gestr. das. zu übergeschr. 

2422. yederman eingesetzt nach h. 


vor 2391 Bild ( 25) mit Nebenschrift rechts: Das Zeichen des friedens, daz cleynodt. 
In blauem, rot eingefaßtem rechteckigen Felde ein Zimmermanns-Winkelmaß mit eingeschriebenen 
Buchstaben P — A — X. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


56 


Liebe ist die Almosnerin und Austeüerin des Sakraments. 


Und dar zu sal is sere bewegen 
Die selbe Staffel da is uff ist, 

2425 Dann is nit nider odir hoher ist: 
ich han sij bede inn ein höhe ge- 

satzt, 

Da ich die schrifft stalte und han 

gemacht. 

Sy sint alle dötlich, daz eine und 

daz ander: 

Worin ist eins, also ist auch daz 

ander. 

2430 Is hilffet nit böse hertze odir 

scharff 

Noch hoffart odir daz sich gut 

duncken darff, 

Sij müßent alle gan durch ein 

loch, 

Grosse und kleyne alle noch. 

Nu duhent alle als viel 
2435 Das sij an keynem ziel 
Verlieren nit myn kleynot 
Durch yren grossen hoffart! 

Wann ieclich mit sime nesten 

frieden hait, 

So wirt die gestalt und patron 

gemacht, 

2440 Das winckelmaße, da von ich han 

geredt 

Und da durch frieden han be- 

dudet. 

\7G r ] Die figure und der patron 
Ist ein Zeichen des tabellion, 

Mit dem sollent sin 
2445 Alle gude testamente getzeichent 

fin, 

Und mit den Zeichen uff entlieh 
Han ich getzeichent myn testa¬ 
mente sicherlich: 


Allen luden han ich frieden 

geben, 

Erleubet und bestediget eben. 

2450 Nu hude den yeclicher vor sich 
So liep als er wil haben mich; 
Dan als liep als man mich hait, 
Also auch yeclicher den behudt 

hait! ” ’ 

Da Liebe ußgelesen hatte 
2455 Das testamente und daz verkündet 

hatte, 

Da vieng sij yre reden wieder an 
Und soliche worte da sagen be- 

gan: 

‘Ir herren, nu hant ir gehört wie 
[7C»l Durch die schrifft ich han gelesen 

hie 

2460 Das Jhesus uch hait lieb gehabt 
Und uch sin kleynot geben hait, 
Und wie er is uch hait geben 
Durch myne bede und ubergeben. 
Nu wil ich uch aber kurtz sagen 
2465 War umb ich mich mit dem testa- 

ment habe 

Gestalt tuschen Moyses tabel und 

uch. 

Dar umb dun ich zu wissen uch 
Das ich almuserynne bin 
Des uffhabes und ußgeberynne; 
2470 Und also als uch hait gesagt 
Busse und auch geprediget 
Das ir aen sij nit dar sollent gan, 
Wo ir nit wollent missedan, 

Auch sage ich uch, das ir nit 

missedun, 

2475 Aen mich dar nit sollent gan: 
[~7 r ]Dar sollent ir uch nit keren aen 

mich, 


2428. alle aus als. Die figure und der patron ... Die neue Lage 

[2441.] Kustode unten auf Bl. 75” : Dz eeigt blässere Tinte, scheint also nicht gleich- 

zeichen vnd der patron, Bl. 76 r aber abweichend: zeitig geschrieben zu sein. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Viele Pilger begehren das Sakrament. 


57 


Wollent ir anders nit ertzornen 

mich. 

Das testamente der gäbe des frie¬ 
den 

Und das kleynot da mit syeder 

2480 Der milde Jhesus hait gemacht 

sinen strick 

Und hait das getaen vor syme 

dode, 

Dar nmb drage ich yn mit mir 

ingenode, 

Uff das ich uch mane und under- 

wijse 

Das ir inn keyne wijse 

2485 Uch des uffhabes nit genahent 

noch dar bij nit sollent kommen 

Wo ir das kleynot des frieden nit 
habent zu uch genommen: 

Dann in des kleynots ecken, 

Umb das is ist heymelich und 

hübsch gedecket, 

Dar in wolte der heilige uffhab 

gelacht sin, 

2490 Dar inne entfangen und gesammet 

fin; 

Und dar umb, wo ir- des nit 

hettent, 

Ir wol dar umb gestraffet werden 

mochtent. 

177*] Dar umb in guden truwen uch 

raden ich 

Das ir frieden dragent und durch 

mich 

2495 Geent: ich bin eine deylerynne 

Des uffhabes und eine geberynne; 


Dann wo ir durch mich nit kom- 

ment 

Und anderswo her durch giengent, 
Vor diepstal das geachtet würde, 

2500 Und viel böses davon kommen 

wurde. 

Nu hudent uch und zürnent nit, 
Dan das ich dem das ich dun sal, 

dun genug, 

Das ist die sache dar umb ich 

hude begert 

Uß mynre kammern zu kommen 

her!’ 

[78 r ] Da Liebe das alles hatte ge- 

sproch 

2506 Und geprediget aen wiedersproch, 
Da sag ich viel pilgeryn, 

Die geneiget waren underdenig zu 
' sin. 

Durch Liebe sij da siecht giengent 

2510 Und das kleynot des frieden dru- 

gent, 

Dar nach giengen sij durch Bässe 
Und hattent ir da keine föchte 

oder unmüsse: 
Under iren Siegel sij sich lachten 
Und mit dem besem sij sich reyne 

machten. 

2515 Ich sag daz sij mit den rüden 

wurden geslagen 
Und das yn des uffhabs dar wart 

ged ragen, 

Und Moyses gab yn 

Als das durch Liebe geordent 

was. 


2512. od’ vnmüsse zugeschr. 2516. das r in dar eugeschr. 

2514. Reyne machten aus Reyneten. 2517. Nach yn ist das gestr. 


vor 2505 Bild (26) mit Unterschrift: Viel pilgerin wollent das Cleynodt des frieden han. 
Liebe und Buße am Altar; hinter ihnen 3 Pilger. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



58 


Würdige und auch Unwürdige empfangen das Sakrament 


Dar nach sag ich ettliche un- 

glnckigen, 

2520 Die heymlich anderswo her qua- 

men sich rucken 
Und sich vor Liebe verburgent 
[78 r ] Und von der Büssen flügent: 

Ane schäme sij giengent 
Zu dem uffhab und den ent- 

fiengenL 

2525 Moyses keynen ußnam 

Und det auch keinen hinderstan: 
Den uffhab er yn geben hait 
Und yn züchteclich gedeilet hait. 
Aber ich wil uch sagen wie is da 

ergieng 

2530 Und wie is mit yn missegieng: 

Als sij den uffhab hatten genom¬ 
men 

Und dar nach her uß waren kom¬ 
men, 

Als von einem swartzen sacke 

mit kolen 

Odir von einre unreynen mists 

dolen 

2535 Wurden sij swartz und gemaset, 
Unreyne smackende, veraset und 

veraldet. 

Mee hungeriger kamen sij wieder 

balde 

2520. heymlich übergeschr. nicken üb. 
gestr. bucken. 

2521. sich n. Vnd sugesehr. u. n. liebe gestr. 

2522. der vor büssen übergeschr. 

2526. hinder- üb. gestr. abe-. 

2529. er vor gieng übergeschr. 

2536. vnd v’aldet zugeschr., nachdem vnd 
vor veraset gestr. 

2539 zwischengeschr. 

2540. da von üb. gestr. waren; dafür werent 
nach geflügen zugeschr. 

2541. gangen üb. gestr. Wort (g... gen). 

2542. mit v’langen zugeschr. 

2543. also vor nit gestr. u. dahinter geschr. 


Digitized by Google 


[79 r ]Und auch me durstiger; 

Sij waren da von nit me gesediget 
2540 Dan obe sij vor da von geflögen 

werent 

Odir vor eins obletters düre uff 

gangen, 

Und hattent zessen nicht mit ver¬ 
langen. 

Mit den andern was is nit also; 
Dan da sij alle den uffhab hatten 

entphangen do, 

2545 Die waren nit bit hunger be¬ 
fangen, 

Sondern sij waren alle so sadt 
Das sij ander Sachen nit behaget 

hait, 

Und in der werlt nit anders 

achten 

Und niergent anders an gedachten 
2550 (Dan an sich alleyne 

Und die ander lüde gemeyne,) 

Sij wurden so hübsch und zierlich 
Daz alle andern düchten mich 

geen yn sin hesselich, 
Beide paffen und leyen gelich. 

2555 Nu wil ich uch doch sagen aen 

liegen 

r79 e ] Das mich sere wonder nam aen 

driegen 

2548. in der werlt eng aneinander geschr. 
üb. gestr. auch. 

2552 zwischengeschr. Infolgedessen muß 
v. 2551, der bei der ursprüngl. Fassung der 
Stelle (vgl. Note zu v. 2553) das Subjekt zu 
düchten (2553) gebildet hatte, noch zu dem vor¬ 
hergehenden Satz gezogen werden, ohne einen 
glatten Sinn zu ergeben. Da das Orig. 2549 
bis 2551 überhaupt nicht hat, ist das störende 
Verspaar (2550—51) oben in Klammem gesetzt. 
Der Übersetzer von h hat von unseren 3 Versen 
auch nur den ersten (2549) übernommen. 

2553. Dz alle and’n a. R. zugefügt. geen 
yn übergeschr. 

2555. doch übergeschr. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Unser Pilger fragt Gotte» Gnade, wie das kleine Sakrament für »o viele genügen könne. 59 


Das eine kleyne sache 

Ein groß ding erfüllen mag: 

Aber is ist noch ein merer wonder 
2560 Das viel grosser Sachen und iec- 

liche besonder 

Von eyme kleynen mögen gelich 

Erfüllet werden genüglich. 

Alle der uffhab den ich sach da 

geben, 

Der was so kleine, duchte mich 

eben, 

2565 Hette ich zehen male so viel ge¬ 
habt 

Zu eyme essen, so enwere ich nit 

gesadt 

Und hette nit genug gehabt, 

Und wurden sij doch alle sadt 

Und davon gesediget und erfüllet: 
2570 Ir ieclichem mit einwenig gnüget, 

Und yeclicher mit wenig gnüg het. 
[ö 0 r ] Das det mich gar größlich ge- 

dencken 

Und auch myn verstentenisse 

krencken, 


Aber ich wiste nit zu wem reden, 
2575 Wo ich zu Gots Gnade nit möchte 

reden: 

Doch gedörste ich nit nach bij sij 

gan, 

Dann ich sag sij stan 

Zu ende des disches der da was 

bereidt, 

Da sag sij geben den uffhab den 

man deilt 

2580 Doch gehertzette ich 

Und nahe bij sij machte ich mich. 

Da sij mich sag, balde sij sich 

umbgekert hait 

Zu mir und süsseclich mir hait 


gesagt: 

‘Was suchest du hie? nu sehen 

ich wol 

[so»] Das dir aber icht bresten sal.’ 

2586 ‘Sicher’, sprach ich, ‘das ist war, 
Mir bristet genüg aen faer, 

Aber ich verstan nit 
Wie so viel luden gnügende ist 
2590 Der uffhab, der so gar deine ist, 


2557. a. R. als Merkwort wonder u. davor 
noch der Rest eines abgeschnittenen Buchstabens 
bzw. Wortes. 

2564. Vor dachte ist dz gestr. 

2565. ich n. Hette übergeschr. u. n. gehabt 
gestr. 

2566. nit gesadt hint. gestr. doch zugeschr. 

2567 lautete ursprüngl. Nit gesediget wor¬ 
den vnd hette noch; dann Noch vor Nit über¬ 
geschr. u. n. hette gestr. Der erste Teil Noch 
nit gesediget worden ist n. der Korrektur im 
vorigen Verse zu streichen vergessen. Der 2. Teil 
vnd hette bildet m. den Worten nit genug 
gehabt, die früher a. Anf. der folgenden Zeile 
standen, einen Vers, was durch ein Zeichen vor 
vnd u. nach gehabt markiert ist. 

2568. alle vor doch gestr. u. dahinter alle 
sadt zugeschr. 


2569. Vnd vor danon a. R. zugeschr. 

2571 ist ein wegen annähernder Wieder¬ 
holung von 2670 an sich nicht glücklicher, aber 
dem Original 2703/4 (Un peu a chascun soufisoit 
Et plain da peu chascun estoit) näher stehen¬ 
der u. auch von h übernommener Ersatz für 
den gestr. Vers: Wie wonderlich sich das ge- 
fugette. 

2572. grflßlich üb. gestr. sere. 

2575. Wo ich üb. gestr. dann, nit möchte 
über aber zu ir. 

2576. Doch a. R. zugeschr. nit noch Hs., 
noch nit h; Orig. 2710: N’osoie pas ne pres 
aler. 

2582. balde sij üb. d. Z. zugefügt, jedoch 
verwischt u. mehr rechts noch einmal übergeschr. 

2589. gnügende ist Amt. gestr. genuglich ist. 


vor 2582 Bild ( 27) mit Überschrift rechts oben: Gods gnade Eedt zu dem pilgerin. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



60 


Gottes Gnade erklärt das wunderbare Wesen des Sakraments. 


Dann ich da mit alleine nit hette 

genüg 

Were sin zehenmale so viel mit 

gefüg; 

Und bijden uch das ir mich dez 

underwijsen 

Und mir da von ein wenig pre¬ 
digen.’ 

2595 ‘Gude frunt’, sprach sij, ‘nu salt 

du verstan 

Und auch kein lang verdriessen 

han, 

Obe ich dich halden dich zu 

underwijsen; 

Dan is dunckt mich dir noit syn 
Und sehen wol das is dir not ist: 
2600 Der uffhab der da gegeben ist, 
Eine stunt ist er fleisch und blüt, 
Die ander zijt win und brot gut 
[8i r ] Das ist pilgeryn spise, 

Der sij nyessent in der wyse. 

2605 Fleisch und blut ist is in warheit 

balde, 

Aber als brot und win ist sine 

gestalde: 

Es ist war das is vor was 
Brot und win, aber du gesehe das 
Is inn fleische wart gewandert 
2610 Und auch inn blut verändert 
Durch Moysen, dem ich half! da, 
Da^r umb Nature mit mir kriegte 

da 

Und sich zurnette gar heiße. 

Und obe ich is nu win und brot 

heisse, 

2615 So underwijse ich dich da bij 

2591 steht zwischen 2589 u. 2590, doch ist 
durch Zeichen a. R. die richtige Ordnung an¬ 
gezeigt (a 4- neben 2589, b 4- neben 2590). 

2592. Vor Were ist vnd gestr. 

2597. Obe u. dich eugeschr. «. dafür dich 
nmb n. halden gestr. 


Das fleisch und blut da bij ver¬ 
standen sij 

Von dir, und das gentzlich ge- 

leuben. 

Und dis sal dich auch nit be¬ 
wegen 

Das mit dem tasten odir gesien 

[87'] Odir mit riechen odir dem ge- 

smacke sien 

2621 Dich duncket brode und wine ge¬ 
liehen ; 

Dann die viere synne sint da 

gliche 

Gantz bedrogen und werdent auch 

da 

Vor dorheit gehalden, dan sij da¬ 
von nit wissent 

2625 Und geblendet sint und nit 

sehent: 

Sij geen slaffen, sij sint verdoret. 

Aber der synne der da höret, 

alleyne 

Underwijset das verstenteniße ge- 

meyne, 

Der hait begriffe an dem ende. 

2630 Riechonge, gesmack und ge¬ 
sellende, 

Die erkennent viel subtileclich 

Und vernement da inne lutterlich. 

Es ist lang daz das betzeichent 

wart 

An Esau und Jacob: 

2635 Dann Ysaack wenen wolte 

[ 82 r ] Von Jacobe, der yn spisen solte, 

Das es sin son Esau were. 

Dar an die vier synne sere 

2598 zwischengeschr. 

2599. Vnd vor gestr. ich. 

2601. stunt üb. gestr. zijt 

2604 neben 2603 geschr. 

2606. sine über die. gestalde aus gestalt. 

2622. gliche zugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gottes Gnade erklärt das wunderbare Wesen des Sakraments. 


61 


Yn bedrügent sicherlich, 

2640 Als du wirst gesehen follenclich 
So du das buch Genesis gelesen 

haist; 

Aber an dem hören wart er nit 

bedrogen fast, 
Dan dar durch er erkante 
Das is Jacob sin son was, er da 

befant. 

2645 Also sage ich dir: wo du dich 

fidest 

Uff die viere synne und dich dar 

uff sturest, 

Gentzlich du bedrogen wirdest; 
Dann du dorlich dich verwenest 
Das das fleische sij wijßbrot 
2650 Odir das daz blut sie wyn. 

Die warheit davon kanstu nit er¬ 
finden 

(&?*] Noch durch die synne nit ge¬ 
wissen: 

An das hören must du dich hal- 

den, 

Gentzlich gleuben und dich ver¬ 
lassen, 

2655 Durch yn wirstu die warheit 

wissen 

Und dich durch yn underwijsen. 
Er lernet dich aen spot 
Das is nit me ist win odir brot; 
Dann is ist das fleisch daz ge- 

strecket wart 
2660 Durch dich an daz crutze und ge¬ 
hangen wart, 
Und ist das blut da mit bespreet 
Wart das crutze und gesweifliget. 
Und wiltu daz ye brot nennen, 
Wol wirdiclich saltu is kennen, 

2641. Genesis 27,1—29. 

2650. dz üb. d. Z. 

2670. die übergeschr 


2665 So sprich, is sij das brot des 

lebens, 

Davon alle weit hait das leben. 

Also han ich myne gewonheit 

Das zu nennen inn der sprech- 

licheit: 

[83 r ] Brot ichs nennen, brot ichs 

heissen, 

2670 Das von hymel qwam zu spisen 

die mentschen. 

Es ist das brot davon gespiset 

sint 

Alle engel die inn dem hymel 

sint; 

Es ist das brot das alle pilgerin 

eben 

Inn yren behalt sack sollen legen 

eben. 

2675 Hastu is in kleinre grosse ge¬ 
sehen, 

So han ich dich doch underwiesen 

Das du dich an din gesehen odir 

gesichte 

Salt verlassen nichte. 

Das hören lernet das alleyne 

2680 Und bringet die underwisonge ge- 

meyne, 

Und dar umb mastu lernen dar an 

Von dem das du mich hast hören 

san. 

Liebe, die du haist hören reden, 

Hait nit viel geredt odir predigen: 

[83»] Von dem brode die Sache gewest 

ist, 

2686 Die durch sij erdacht ist. 

Sij das körn dar zu braicht hait 

Vom hymmel und uff die erde daz 

gesait. 

2673. das fehlt. 

2674. sack übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



62 


Liebe hat das Brot ruber eit et, unterstützt von Weisheit. 


Die erde, dar inn is wart gesait, 
2690 Wart nie gearen odir gearbeit: 

Durch hitze der sonnen wus is 

viel 

Und durch den dauwe, der dar uff 

fiel. 

Liebe det is yn die schüre fegen 

Und das inn eine fremde schüre 

legen. 

2695 Viel drescher das da fondent, 

Die das drieschen und wannetent. 

So viel das gedroschen und ge¬ 
wännet wart 

Das is von der spriehe gescheiden 

wart: 

Sin kleit wart yme genommen, 

2700 Also das is bloß und nacket wart 

vernommen. 

Dar nach wart is zu der mulen 

getragen 

|84 r ]Und viel anders dan gewonlich 

waz genialen; 

Dann an den flugein der mulen 

was, 

Da ane kein lynen duche was, 

2705 Da wart gemalen und gebrosemet, 

Geqwetschet, betrübet und ge- 

pyniget. 

Die mule waz zu dem wynde ge¬ 
macht 

Und mit dem winde des nydes und 

hasses gemalen hait: 

Und wie wol die mule hatte steine, 
2710 Die nit weiche waren odir kleine, 


Steyne von hartem liden 
Und steine des lebens abesnyden, 
Mit den is vor wart zurbrochen 
Ee is inn die bynde wurde be¬ 
rochen. 

2715 Da is also gemalen wart, 

Liebe da her vor tradt 

Und wolte da syn obenerynne 

Das brot zu machen, und becker- 

ynne. 

[84«-] ir offen was lange gelich warm 

gewest, 

2720 Da inne sij das dan zu backen 

wyste; 

Doch was so viel daz sij das nit 

gewenden 

Konde odir zu brode brengen 
Und gestellen. Das was ir gar 

leit, 

Aber sij erferte sich des zu male 

nit; 

2725 Dan ich wil dir sagen waz da ge- 

schach: 

An eine ander meisterynne sij ge¬ 
dacht, 

Die waz die aller subtileste, 

Si was auch die beste 

Die in stadt odir in lande was. 

2730 Wijßheit sij genant was 

Uber alle da sij erkan* was: 

Was nutsch das mentsch hette in 

gedancke, 

Sij konde is balde gemachen aen 

wencke; 


2690. gearen aus gearet. 

2691. wus üb. gestr. wz. Vor viel ist 
zn gestr. 

2693. is fehlt, eingefügt aus h. 

2697. ». das gestr. wart. 

2708. nydes vnd übergeschr. 

2715. vor wart gestr. g. 

2720. zu übergeschr. 


2725. dir üb. gestr. nch. 

2728. n. auch gestr. Wort (g.he). 

2729. was üb. gestr. mochte sin. 

2730. was eugeschr., nachdem mochte vor 
sij w. sin n. genant gestr. 

2731. Vor sij ist man gestr. erkante. was 
zugeschr. 

2733. aen wencke hint. gestr. wol. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





Weisheit hat das Brot scheinbar klein gemacht und doch für alle ausreichend. 


63 


Lange hatte sij den synn gelernet 

wol 

2735 Inn den schulen inn irem lande 

wol. 

[85 r ] Sij konde is wol mit monde und 

hande 

Bas dan keyne in allem lande: 

Sij dede alle die weit, wann sij 

wolde, 

Inn eine buhsse, war sij solde, 

2740 Odir dede aen zaele 

Einen gantzen ohssen in eyn 

eigerschale. 

Und nmb die subtilikeit 

Gedachte Liebe an sij also gemeit; 

Dann das brot daz sij machen 

wolte 

2745 Von dem gemalen körn und be- 

reiden solte, 

Wolde sij das is also wiseclich 

Geroedet würde und so subtilec- 

lich 

Das is scheine kleine sin 

Und doch yeclichem genuglich 

möchte sin, 

2750 Das von einwenig mochte werden 

gespiset 

Yeclicher und wol da von ge- 

sediget. 

Da Liebe das hatte gedaicht, 

Balde, daz yr wille wurde follen- 

bracht, 

[55»] Ist sij zu Wijßheit gegangen 

2735. wol sugeschr. 

2737 zwischengeschr. 

2738. n. wolde erst zugefugtes, dann aber 
wieder getilgtes aen zale. 

2739—41. diese 3 Verse durch Korrektur 
aus folgenden 2 Versen: 

Inn eine buhsse odir jnn eine eigerschale 

Dede sij einen gantzen ohssen balde 


2755 Und hait so viel getan daz sij sie 

hait fonden: 

Sij hatte sich uff iren stule ge- 

satzt 

Und alle sache sie besehen hatte. 
Mit ir zu gan sie sij gebeden hait 
Das deig zu machen. 

2760 Wijßheit das brot hait 

Gemalen, gekneden und gemacht: 
Inn maße Liebe das bescheiden 

hait, 

Also hait sij is zemale gemacht 
Und noch me subtilenclicher 
2765 Sij das machte und wisseclicher; 
Dann sij machte is über maße 

groß, 

Yeclichem zu geben stucke gros, 
Daz si davon wurden gespiset 
Und auch davon wol gesediget. 
2770 Wie wol das is groß scheyne, 

[86 r ] So machte sij is doch kleine, 

Und inn einen kleynen besloß 
Det sij is haben sine maße. 

Und noch me subtileclich 
2775 Machte sij eine ander sache glich: 
Das von dem brode gebrochen 

wirt zu deyle, 

Und yeclich stucke und deyle, 

Sij sien kleyne odir groß, 

Das machte sij glich also groß 
2780 Als das brot zu male was. 

Nit wol gefiele ir das, 

Der die mit mir kriegende was; 

2747. Geroedet korr. aus geknedet; heißt 
das * gebräunt' oder ist in gerondet zu ändern ? 

2753. von daz an übergeschr. üb. gestr. hait 
sij sich vffgemacht. 

2754. Ist sij korr. aus vnd ist. 

2755. hait fehlt. 

2777. vor Vnd gestr. Is w. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




64 


Natur ruft ihren Schüler Aristoteles herbei mm Einspruch gegen Weisheit. 


Dan sij nit weiß odir kan dan 

scheiden mere, 
Und is verdroß sij sere, 

2785 Und alder der krencket sij sere. 
Die doch qwam nit dare, 

Umb das sij myn hatte genommen 

wäre, 

[86*] Dann sij föchte sich daz sij ge- 

scholden 

Und verstoßen wurde unvergolden. 

2790 Aber ich wil dir sagen was sij 

det: 

Eynen irer schuler sij suchen det 
Und schickete den zu ir zu reden, 
Sij zu scheiden und zu straffen 

mit reden. 

Da Aristotules kommen was, 

2795 Vor yr sagete er sinen grüß, 

Dar nach sprach er in solicher 

maße: 

‘Frauwe Wijßheit, zu uch hait 

Nature 

Mich gesant zu reden und uch zu 

sturen 

Und uch der ubergriffe zu under- 

wijsen. 

2800 Ir ist gar leit das ir also laßent 

risen 

[ 87r] Und brechent yre ordenungen 
Und machent da mit anderongen, 
Und auch gefellet es mir nit wol, 
Wie wol ich uwer frunt sin sal 

2805 Und ir auch sint myne frundynne. 
Doch dar umb wil ich is nit laßen 

sin, 

Ich sagen das ich davon weiß: 


2793. Yn Hs., Sie h. 


Ir wissent wol das is nit billich ist 
Das das vaß odir das huß deiner 

ist 

2810 Dann das das da inne sal sin. 

Das ander obe ich durch argu- 

mente 

Die lüde wolde dun verstan und 

wenen 

Das ein palast odir eyn mfinstere 
Eyn kleyn notstalle were, 

2815 Wenig solden sij myn rede 
Vor war achten und versteen, 

Die wijsen, und spottent dar zu 

myn 

[®7*lUnd hieident mich ein drieger sin. 

Diese Sachen hant ir hie getaen 

2820 Mit dem brode das ir verstalt 

han; 

Dann die spisen die da inne sint, 
Davon alle lüde gespiset sint, 

Die in der werlt nit sin enmochte 
Und der hymmel nit follenbringen 

mochte, 

2825 Hant ir nu getaen und beslossen 
Mit eynre verkerten massen 
In also kleynen besluß 
Und in ein cleynes huß, 

Und weren ir xiiij in myner 

handt, 

2830 Ich beliielde die wol zu hant 
Das mag ich nit wol gelyden, 

Noch Verstenteniße mag daz nit 

vermyden, 

Und ist auch nit groß wonder 
Obe Nature sich des auch ver- 

wonder: 


[2834.] Kustode unten auf Bl. 87*: Aber 
hettent ir also. 


vor 2794 Bild (28) mit Überschrift: Aristotules redt mit wiflheit. Aristoteles in 
blauem Gewände, mit braunem Barett, hat beide Hände zu seinem Vortrage erhoben . 




Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Aristoteles und Weisheit disputieren über das wunderbare Brot. 


65 


MAber hettent ir also viel getan 
2836 Und ir is hettent mögen dun 
Das die wonunge were so groß 
Als die spise da inne ist groß, 
Odir das die spise were als kleine 
2840 Als das huß ist in gemeyne, 

So wolde ich is wol lijden, 

So wolte is Nature auch ver- 

myden. 

Uff die ander sijtte were es uwer 

ere 

Das man aen bedrug wüste mere 
2845 Wie groß das die spise were, 

Das man nit dar an dorffte ent- 

raden mere. 
Noch mich daz auch sere mühet, 
Und Nature des auch nit geswiget, 
Sijt das ir an dem aller meysten 
2850 Daz beweret ist und erwysen, 

Feie hant und den verwiß 
Und daz hant wyderwyset. 

[^'ISo han ich auch nit gewist 
Noch nit anders me hören sagen 
2855 Und auch nit han gesehen bij 

mynen tagen 

Dann das eine gantze sache, 

welicherleye die were, 
Ye grosser were dan sinre deile 

eins were. 


Aber ir hant die deyle nu ge¬ 


macht 


Das sij als groß sint als daz gantz 

zu male waß: 


2860 Das ist nu ein grosser ubergriff 

Wieder Nature und auch wieder 

mich. 

Das ist dar umb ich bin kommen 

her 

Und dar umb ich bin geschicket 

her. 

Nu lugent was antwert gebent ir 

der 

2865 Die mich hait gesant her!’ 

Da Aristotules also geredt hatte, 

Wijßheit yn angelachet hait: 

‘Front’, sprach sij, ‘du mich 

nennest 

Frundynne umb daz du mich er¬ 
kennest, 

[89 »•]— Dar an hastu kein Verlust ge¬ 
nommen, 

2871 Dan dar durch ist dir din guts 

bekommen — 

Du soldes dich wol besynnen, 

Obe du woldes, und auch ge- 

dencken bynnen 

Das ich ettwan zwo schulen ge- 

halden han, 

2875 Da inne ich dich und Nature ge- 

lernet han; 

Dan Gnade Gots wolde is also han 

gehabt, 

Und sij mir das auch geordenieret 

hat. 

Inn der eynen lernte ich machen 

Und arbeiden manicherleye Sachen 


2846. man übergeschr. dorffte entraden 
mere üb. gestr. me were. 

2847. dz übergeschr. ' 

2848. Vnd üb. gestr. das. auch übergeschr. 

2849. an übergeschr. dem aus den. Orig.: 
ms maxime approuvee. 

2850 zwischengeschr. 

2852 ewischengeschr. 

2854. and’s übergeschr. 

DeaUrhe Text» de« Mittelalter«. XXV. 


2856. Dafi a. R. tugeschr. leye n. Ver¬ 
änderung von weliche m weliche’ übergeschr. 

2857. das erste we’ übergeschr. 

2866. hatte vor geredt gestr. u. dahinter 
tugeschr. 

2867. hait n. yn gestr. u. a. d. Schl, gesetzt. 

2869. erkgnest « 6 . gestr. lieb hest. 

2871 von dar an übergeschr. üb. gestr. du 
bist mir willekümen. 

2873. bynnen sugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


66 


Aristoteles und Weisheit disputieren über das minderbare Brot. 


2880 Und auch fromde Sachen üben, 

Die auch subtile und hubschlich 

prüben. 

Und da was die erste inne 
Nature, myne schulerynne. 

Da wijsette und lerte ich sij viele 
2885 Edel hantwerck und auch subtile, 
Als da zu machen floretten, 

[so•>] Hübsch gesmeltze, rosen und 

violetten 

Und ander züchtliche künste, 

Davon ytze zu sagen nit not ist 

2890 In der ander schule lernette ich 

Verstentenisse und underwijsette 

• • 
sij 

Arguieren und disputieren, 

Urteln und underscheiden schiere 
Das gude von dem bösen 
2895 Und die rechte und gesetze zu 

kosen; 

Dann dar zu was geschetzet 
Die schule und gesetzet. 

Da was myne wijse dochter 
Kunst, die ist also subtile 
2900 Das sij da das gespreche behende 

hielde 

Und schickete da die argumente. 
Umb der selben liebe willen du 

da were behende 
Inn der schulen und auch dar 

qweme sere; 

[90 r] Da machte du viell uff und nieder 

mere, 

2887. Vor rosen ist Ton gestr. 

2894. tu Anf. wieder gestr. von dem 
üb. gestr. vnd dz. bösen aus böse. 

2895. die üb. gestr. zu machen. rechte 
aus recht. vor gesetze gestr. s. zu kosen 
a. Schi, zugeschr. 

2896. ge in geschetzet übergeschr. 

2897. gesetzet üb. gestr. geordent. 

2901. schickete üb. gestr. f&gette. 

2902. behende rugeschr. 


2905 Das sij dir zu eygen wart sieden 
Dar nach qweme du dicke wyder. 
Inn der schule ich dich geleret 

habe, 

Und da were du myn lereknabe, 
Und da worde dir geöffent mit 

küntlicheit 

2910 Der nature alle heymelicheit; 

Dann was ich Nature lerete, 

Zu stunt dar na ich dir daz uffen- 

berte, 

Nit das du da mit icht dun 

möchtes 

Dan das du das wol zu urtelen 

wüstes. 

2915 Soliche ere und auch die frunt- 

schafft 

Bewijsetten wol das ich dine frun- 

dynne was. 
Und die wijle du nu und Nature 
Sint gewest under myner hüde 

stäre 

Und gelernet hant in mynen 

schälen 

2920 Und auch da inne wol füllen 
Hübsch wercke und schone wort 
Sehent ir mich irren nu vort, 
f90*]So soldent ir das von mir ver¬ 
tragen 

Und uch bedencken zu allen dagen 
2925 Und auch da bij gedencken sin 
An einen kempen der die kunst 

sin 

2904. mere zugeschr. 

2905. Eygen üb. gestr. Wort (d.). 

2906 zwischengeschr. 

2909. worde aus wart gebffeut mit 
übergeschr. 

2914. zu übergeschr. 

2916. dz hint. das schwarz gestr. 

2918. sture zugeschr. 

2920 zwischengeschr. 

2923. das üb. gestr. uch (?). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Aristoteles und Weisheit disputieren über das wunderbare Brot. 


67 


Einen armen gelernet hatte 
Und des sinen dar umb nit ge¬ 
nommen hatte. 

Dan da sij inn ein feit waren 

kommen 

2930 Von anbrengen zweier hertzogen 

frommen, 

Di da yn verbieden woldent 
Das ire, dar umb sij crieg haben 

soldent, 

Der meister, der da was 
Me wiser dan der lereknabe was, 

2935 Den lereknaben sprach er an, 

Zu yme zu reden fieng er an: 
“Waz ist daz”, sprach er, 
“komment uwer zwene gerneyne 
Wieder mich und bin ich alleine? 

(91 r ] Das geschag nie von grosser 

konheit 

2940 Noch von frommer manheit.” 

Da der nu hindersich gesach 
Wer der andere were, 

Da gap der meister yme solichen 

slag 

Das er uff der erden vor yme dot 

lag, 

2945 Und sprach: “ich noch nit gelert 

habe 

Alle myne synne myne lere¬ 
knaben : 

Es ist dir hude nit wol bekommen 
Das du bist her wieder mich 

kommen” 

Also sage ich uch, so uch behude 

Got: 

2950 Wenent ir dann aen spot 


Das ir mir alle myne kunst abe 


Und ich uch alle myne synn ge¬ 
lernt habe, 

Und das ich das myne alles enweg 

habe geben 

Und ich nuscht behalden habe 

eben? 

2955 So dedent ir mich übel zu 

kommen, 

[91’l Als ich siehen, hette ich nyt et¬ 
licher massen 

Behalden da mit ich zu guder 

masse 

Mich gheen uch mochte beschuden. 
Dan zu dem ir mir böses dunt, 

2960 Straffent ir mich mit böser künst, 
Mit bedruge und bedrugnisse 
Durch gebresten des verstente- 

nisse. 

Nu sage mir, were ich eine 

kremerynne 
Und wijsette dich einen hübschen 

seckel fin, 

2965 Den ich dir wolde geben, 

Und spreche dar nach zu dir 

eben: 

“Dis ist das ich dir gegeben han, 
Drag yn enweg, du dust mir liebe 

dar an!”, 

Were es also daz du yn enweg 

drüges 

2970 Und das is sich dar nach fuget 
Das du da inne fundest schiere 
Sehs gülden, funffe oder viere, 

[92r] Wolte dar umb beduncken dich, 
Obe des geswiege ich, 

2975 Daz ich dar umb eine driegerynne 

were?’ 


2942. Wer aus were. aus n korr. u. dann Rasur; i in ein zu streichen 

2964. dich übergeschr. vergessen. 

2968. einweg Hs., wohl aus einwenig: g 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



68 


Aristoteles und Weisheit disputieren über das wunderbare Brot. 


‘Nein sicher’, sprach Aristotules 

here, 

‘Aber mich duchte bas 
Das eine frijhe gäbe were das 
Von liebe und von grosser ere.’ 
2980 ‘Sicher’, sprach sij, ‘das ist 

auch also 

Mit dem brode, das ich also 
Subtile han dun machen 
Und so hübsch dun bachen: 

Dann ussen han ich nit schynende 

l&n 

2985 Den grossen schätz den ich da 

inne verborgen han. 
Ich han yme viel behelteniß 

geben, 

Das die armen desta richer leben; 
Dan were daz ussen bewijset, 
Niemans sich da mit spiset 
\ 92 '] Liebe hait das also geordenieret, 
2991 Die der armen lüde gar sere be- 

duret. 

Da inne ist kein bedrügnisse, 
Sonder ist gemacht von erberm- 

nisse. 

Aber hette ich yme ussen geben 
2995 Grossen schyn und da bynnen nit 

viel guts eben 
Were gewest, das man achten wil, 
So mochtes du mich straffen viel 
Und umb bedrügnisse scheiden 

sere, 

Das were mir eine kleyne mere. 
3000 Noch wil ich anders antwerten 


Das is nit ist bedrogenclich getan 
Obe der schyn vor den äugen 

klein ist 

Und is doch bynnen groß ist; 

Und ich wil das daz gantz glaubt 

• • 

81 ] 

3005 Und das auch davon kein ander 

gedang sij. 

[93«-] Wolde ich aber des nit 

Und das ich daz anders machte 

icht, 

So mochtest du viellychte 
Mich straffen umb ungeschichte. 

3010 Nu sage mir mee, des bijden 

ich dich, 

Der du hie umb myn werck 

straffes mich 

Und sprichest das is nit billich sij 

Das daz huß odir das vaß kleiner 

• • 
sij 

Dann das das da inne ist, 

3015 Hastu nie gesehen zu keiner frist 
Von des mentschen hertzen die 

grossen 

Ussen odir innen entbloeßen?’ 

‘Ja’, sprach er, ‘werlich, 

Ich han is wol gesehen sicher¬ 
lich.’ — 

8020 ‘Nu sage mir uff die truwe din: 
Wie groß duchte dich is sin?’ 

[93»]‘Sicherlich’, sprach er, ‘nit gerne 
Elin klein fogel, der einwenig 

hoingerich were, 
Mochte sich davon gesedigen sere; 


2978. vor eine geslr. is. 3005. and' gedang Üb. gestr. abegang. 

2984. han ich übergeschr. lin hint. gestr. 3007. ich dz üb. d. Z. tugeschr. 

ist u. erst tugeschr., dann wieder getilgtem dün. 3024 korr. aus: mochte danon gesedigen 

2985. Den aus Der, grossen aus grosse, sich; vor gesedigen in der neuen Fassung irr- 

den ich üb. der u. v’borgen han hint. gestr. ist. tüml. ein n. dem vorangegangenen nit gerne 

2989. Nach sich ist g’ne gestr. (v. 3022) tu streichendes nit eingefugt. 

8000. ich «. wil übergeschr. u. a. Schl, des 
Verses gestr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Aristoteles und Weisheit disputieren über das wunderbare Brot. 


69 


3025 Daun is ist kleyne und nit groß.’ 
Sij sprach: ‘ich frage dich aber 

baß: 

Weistu icht sine begriffelicheit, 
Wo myde is mochte vernüget sin 

und gemeyt 

Werden odir das is erfüllen 

möchte ?’ 

3030 ‘Sicher’, sprach er, ‘is nit döchte 
Das zu erfüllen oder zu sedigen, 
Zu spisen und auch zu vernügen: 
Die gantze werlet daz nit gedun 

möchte, 

Obe is das wol nach sinem willen 

hette.’ 

3035 ‘Nu muß doch’, sprach Wißheit, 
‘Erfüllen haben genüglicheit, 

Das findestu, odir aber is muste 

falsch sin 

[& r ] Als du haist gesprochen die rede 

din, 

Da du spreche das bewert sij 

3040 Das in der werlde nuscht leres sij, 
Dann is von ettlichen Sachen er- 
„ füllet muß sin, 

Odir aber is muste lere sin.’ 

‘Dar zu’, sprach er, ‘sagen ich 

myn wort 

Das ich gewenet han und meynen 

vort 

3045 Das ein gut daz das oberste ist, 
Das wol machen sal das is gelich 

fol ist.’ 


‘Sicher’, sprach sij, ‘du haist recht 

gesait 

Und da mit nit missegriffen 

gehait, 

Dann is muß sin daz is grosser 

sij, 

3050 Wie wol das die weit nit gros sij, 

Und ist also in der werlt be¬ 
sessen, 

Mag nit sin is sij auch ront ge- 

goßen.’ — 

‘Zware dar wieder siecherlich 

Zu male nit kan gereden ich.’ 

[94»]‘Und wye’, sprach sij, ‘wurde die 

weit dar in gelaicht, 

3056 Inn ein hertze das so kleynen be¬ 
griff hait? 

Da muß von rechte billich sin 

Das das huß mynner muß sin 

Dann das gut das dar inn ist ge¬ 
lacht, 

3060 Und also ist falsch daz du haist 

gesagt. 

Noch wil ich dis inn andern weg 

Uffentlich bewijsen siecht: 

Grecken und Athenis han ich ge- 

sien 

Und dicke da inne gelegen in 

myme synn. 

3065 Nu sage mir wäre, obe du is 

wissen macht, 

Wie wijt das ieclichs begriffen 

hait, 


3028. vnd üb erg es ehr. 3044. meynen üb. gestr. wen6. 

3033. nit vor gedun übergesehr. «. dahinter 3046. wol übergeschr. 
gestr. 3053. Zware üb. gestr. Sicher. Nach wieder 

3040. nuscht vor leres übergesehr. u. dahinter ist ich gestr. 

nit gestr. 3055. wye üb. gestr. w.. e. 

3041. is übergesehr. erfüllet muß sin üb. 3063. Grecken] Stüreinger liest mit 2 Hss. 

gestr. is w .... Romme, die meisten haben das wegen v. 3068 

3042. tu Anf. erfüllet gestr. muste lere w. 3082 (stede!) und überhaupt in dem Zu- 

sin üb. gestr. geleret wirt. sammenhange anstößige Grece. h auch: Grecken. 

3043. sprach er übergesehr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



70 


Aristoteles und Weisheit disputieren über das wunderbare Brot. 


Obe da viel Studenten sien 
Und wie groß dye stede sien!’ 
‘Sicher’, sprach er, ‘is gedencket 

mir wol 

3070 Das sij groß sint und genug 

kommen dar 

Studenten und ander schuler 
[95 »■] Und lüde von allen hantwercken 

sere.’ 

‘Nu sage mir’, sprach sij, ‘wo 

hastu hin gelacht 
Alle die grosse die du mir haist 

gesagt?’ — 

3075 ‘In myn gedechtenisse han ich sij 

gelacht’ — 
‘Sicher, is hait mir wol gedacht: 
Wiltu dar umb uff mich sliessen, 
Das solde mich verdriessen, 

Ist gedechtenisse in dem heubt din 
3080 Beslossen inn eyme ende kleinre 

dann da ist daz heubt din, 
Da inne du beslossen haist 
Zwo grosse stede mit der 

Studenten last. 

In dem appel des äugen myn 
Ich dich des auch wil lassen sien: 
3085 Sich dar wie kleine der Sterne ist, 
Da inne doch din angesichte zu • 

male schinende ist, 
Din angesicht zu male gentzlich, 
Als du das magst sehen uffentlich. 

3068. dye üb. gestr. bede. 

3070 korr. aus Das sij groß vnd genug 
dar körnen sint. 

3083. appel üb. gestr. steme. 

3085. Sterne übergeschr. 

3088. vffentlich hint. gestr. eigentlich. 

3094. bas gleich übergeschr. 

3096. habe zugeschr. 

3097. ich hint. das n. d. Korrektur im fol¬ 
genden Vers zu streichen vergessen. 


[95»] Gesiech auch inn einen Spiegel, 
8090 Da sistu din antlitz aen driegen, 
Und was auch dar umb ist, 

Das sichstu auch zu der selben 

frist; 

Und wiltu yme noch anders dun 
Und din argumente auch bas be¬ 
scheiden dun, 

3095 Das du sprichest daz ich dir ge- 

felschet habe 

Und auch widerwijset habe 
Da von das yeclich stucke daz da 

riset 

Von dem brode, als groß sich er- 

wyset 

Als das gantze brot zu male, 

3100 So brich du den Spiegel in viel 

stucke über al 
Und sich dar nach in ieclich 

stucke: 

So sistu din antlitz alzu male 
Als wol als in dem gantzen 

Spiegel über alle. 
Da doch auch nit me dan ein 

fmgesicht waz!’ 
3105 ‘Nu’, sprach er, ‘frauwe, sagent 

mir: 

[96'■j Was subtilen synnes hant ir? 
Versteent ir das weselich 
Odir anders dan dugentrich, 

Die Sachen die ir hie gesagt hant 

3098. »ich erwyset üb. gestr. machen vber 

alle. 

3100. vber al zugeschr. 

3107. n. das in der Hs. ein zweites das, 
welches zu streichen ist, falls nicht wie im Orig, 
ein Verbum zu das ... die Sachen eingesetzt 
wird. (Orig. 3223: Soient mises.) h: verateent 
ir daz, daz al die Bachen localiter, weselich ... 
an die ende getan vnd besloßen synt 

3109. hant ror gesagt gestr. u. dahinter 
zugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Aristoteles und Weisheit disputieren über das wunderbare Brot. 


71 


3110 Und mit Worten besloßen hant? 
Dar nach wolde ich uch ant- 

werten 

Odir auch dar nach ewigen.’ 
‘Sicher’, sprach sij, ‘wesenlich 

versten ichs nit, 
Dan anders: mit wesen der dugent 

verste ich die eine 
3115 Und gedencklich die ander 

meynen, 

Und eindeil bewijsentlich 
Versteen ich, ettliche flißeclich; 
Und das yetzont also gare 
Ist nit not zu wissen zware, 

3120 Dan alleine di bij Zeichen 

Ich dir geben han zu underwijsen 
Und dich das balde dun verstan 
[9«’] Und dich balde wijsen und ge- 

lernet han 

Wie under einre kleinen figure ist 
3125 Grosse spise in der selben gewist 
Gelich als in manicherhande wijse 

sint 

Diese Sachen und in kleinen enden 

behalden sint, 

Also ist auch in dem brode gut 
Siecherlich beslossen daz oberste 

gut, 

3130 Nit alleine nach geechtlicheit, 
Noch auch nit nach betzeichlicheit 


3114. v’ste ich die aus v’sten ich dz. 

3115. die üb.geslr. ich das. dz hint. ander 
übergesehr., aber besser wieder zu streichen. 

3117. ettliche übergesehr. 

3118. also übergesehr. 

3123. gelernet han w6. gestr. leren. 

3126. sint eugeschr. 

3127. vnd übergesehr. in kleinen das 1 
übergesehr. 

3129. lieh in Siecherlich übergesehr. be¬ 
slossen üb. gestr. behalden. 


Und auch nit alleyn nach wesen 

dügenclich, 

Sonder is ist da inne liplich 
Und auch da bij redelich, 

3135 Gheenwertig und gewerlich, 

Aen alle ander glichenisse 
Und aen bedrügnisse. 

Die Sache war umb daz also ist 
Begriffen, einßdeils nu vorerzallet 

ist. 

[ 97 r J Dann umb das daz hertze also 

dein was, 

3141 Han ich das brot auch also dein 

gelas, 

Und umb sine grosse begrifflicheit 
Das oberste gut da inne begriffen 

steit; 

Das große zu gros, das dein zu 

dein 

3145 Han ich recht gemacht, eins dem 

andern glich zu sin: 
Dann dar nach als das hertze ist, 
Also yme sine spise auch bestalt 

ist: 

Ist das dein, so hait is dein brot; 
Wilt is genug han, es is da inne 

findet 

3150 Das es gesedigen mag, 

Erfüllen und gespisen mag. 

Und da inne ist kein ubergriff 


3130. Orig.: imaginaument; h: achtunge. 

3131. Noch auch a. R. zugeschr. 

3132. Vnd auch a. R. zugeschr. alleyu 
übergesehr. 

3140. dz vor hertze übergesehr. u. dahinter 
das gestr. 

3147. auch übergesehr. 

3149. is vor es schwarz gestr. u. dahinter 
übergesehr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




72 


Aristoteles erkennt, daß sein Einspruch vergeblich, und erstattet Natur Bericht. 


Obe umb die Sache daz huß 

mynner und kleiner ist 

Dan das gut das dar inn begriffen 

ist. 

3155 Und obe ich, als du meynest, 

Hette eyniche ubelstende Sachen 

getan, 

[0“*1 Dar an du nit wöldest eyn gnügen 

han, 

Mit den reden die du mich haist 

hören san, 

So sagen ich dir daz ich nit sal, 
3160 Ich enwolle dann, dir dar umb 

antwerten zumale; 

Dann konde ich nit gemachen wol 

Odir das ich ettwan schöner sache 

mechte 

Dann andern die da weren 

hoffelich 

Odir auch die weren wunderlich, 
3165 So were ich nit meisterynne 

Der andern und lererynne: 

Also das du hörest myn antwert 

hie! 

Und wiltu, so verkünde die 

Naturen, der kamerynnen 
3170 Gots Gnaden, mynre schülerynnen! 

Dan umb iren willen wolde ich 

nit laßen 

Was ich dun wolde zu guder 

massen. 

Umb liebe willen wil ich alletzijt 

dun 


[99 r ] Was ir lieb ist das ich kan 

gedun: 

3175 Dar an ist mir nutscht zu viel, 

Ich dun is aen vertziehen viel’ 

Da Aristotules das hatte gehört. 

Gelich dötlich antwerte er mit 

worte: 

‘Werlich, ich entfinden wol 

3180 Das ich an uch nutsch gewynnen 

sol. 

Is ist besser das ich enweg ghee 

Dan daz ich tuschen uch arguiere 

me. 

Ich gan enweg; was ir wollent, 

daz dünt! 

Ir des guden Urlaub hant.’ 

3185 Also gienge er enweg 

Zu Nature und saget ir siecht 

Den synne den er in yr fonden 

hatte, 

Und wie er sich von dannen ge- 

scheiden hatte. 

Nature sich da sere leyt, 

3190 Sij mochte nit baß, daz was ir 

leit. 

[98»] Da Gnade mir hatte also ertzelt 

Yre schone reden von irer gutheit, 

Grossen willen und begirde gewan 

ich 

Des brodes zu haben und zuessen, 

duchte mich. 

3195 ‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich bijden 

uch von hertzen sere 


3153. Obe vmb die sache üb. gestr. wann 3168. die üb. gestr. sie. 

vmb solichs. 8170. vor mynre gestr. vnd. 

3154. begriffen üb. gestr. gelaicht. 3172. Was üb. gestr. das das. guder 

3157 üb. gestr. Das ich nit solde genug übergeschr. 

bewijset han. 3173. willg übergeschr. 

3160. dar vmb übergeschr. 3174. zu Anf. vnd gestr. 

3164. die übergeschr. 3187. in yr fonden üb. gestr. da gehört. 

3165. So üb. gestr. vmb... nit übergeschr. 3188. wie üb. gestr. war vmb. 

3106. Der aus vnder. 3192. Yre üb. gestr. Die. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Der Füger begehrt das Brot. Gnade rüstet ihn mit Sack und Stab. 


73 


Das ir von dem nffhabe Moyses 

ere 

Mir wollent dün geben 

Myn leres hertze zu erfüllen eben. 

Es ist lange zijt lere gewest 
3200 Und noch nie erfüllet gewest, 

Dann es noch nie wissen wolde 

Wo mit man is erfüllen solde.’ 

‘Sicher’, sprach sij, ‘dine 

begeronge 

Und auch dyne heysschonge 
3205 Halden ich nit vor unredelich: 

Das brot ist dir sere bedürffelich 

Zu dem wege den du haist zu 

dun, 

Umb daz du den mögest follen- 

brengen und gedün. 

Und ee du magst kommen an die 

stadt 

[W r ] Da din wille hien begeret hait, 
3211 Durch viel bösen landes du gan 

wirst 

Und manichen bösen wirt finden 

wirdest, 

Also das du dicke viel arbeit 

gewynnes 

Wo du des brodes nit bij dich 

nymmes: 

3215 Und dar umb mynen Urlaub haist 

dü 

Das zu nemen wann so dü wilt, 

nü. 

Aber doch so ist es recht, 

3196. ere Amt schwarz gestr. mir. 

3201. es üb. gestr. ich. 

3204. 3208 zwischengesclir. 

3209. Ynd üb. gestr. Dan. 

3214. bij dich üb. gestr. mit dir. 

3216. du aus do. nü aus du. 

3221. sack übergeschr. der aus den. 
stabe aus stab. 


Als ich das finde im gesetze recht, 
Das du vor habest alles das 
3220 Das du da vor geheischen has. 

Das ist din hornfessel sack und 

der stabe 

Davon ich dir vor gesagt habe 
Das ich dir daz in myme huse 
In zijt bestellen wolde, hettestu 

süß 

3225 Das ander in myme huse gesehen, 
Die hübsche Sachen die ich nit 

alle lassen sehen 
[oy®] Alle lüde und spehen. 

Nu han ich die Sachen gewijset 
Einßdeils und geuffenbaret: 

3230 Ich bin bereit aeif helen 
Dir zu halden aen feien 
Die glubde die ich dir vor han 

getan. 

Wallesacke und stab solt du han 
Wanne das du wilt: 

3235 So magstu dar inn dun, obe du 

wilt, 

Das brot din 

Und dar nach als gut pilgerin 
Dich machen uff dinen weg ferre.’ 
‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich dancken 

uch sere! 

3240 Das ist alles myn begir. 

Schaffent das solichs balde werde 

mir, 

Dann ich ylen sere zu gan! 

Is ist mir vaste spade nü zu gan 

3222. hau vor gesagt gestr. u. dahinter 
habe zugeschr. 

3226. alle übergeschr. 

3229. vnd zu Anf. gestr. u. n. Einßdeils 
übergeschr. 

3232. vor übergeschr. 

3243. ist üb. gestr. wirt. vaste übergeschr. 
[32-13.] Kustode unten auf Bl. 99*: Ee dz 
ich mich vff d6 weg. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



74 


An dem Sack (Glaube) hängen zwölf Schellen. 


[ioo Ee das ich mich uff den weg ge¬ 
lacht han; 

3245 Dan die hübsche stat ist gar 

ferre 

Da hin ich bin uffgewecket zu 

gene.’ 

Zu stunt an ein ende das sij 

hatte, 

Da sij viele hubscher kleynot 

hatte, 

Aen hindern sij mich furte 
3250 Und uß einre kisten, die ir uff 

zu dun gebürte, 

Hait sij getan den sack und den 

stab. 

Noch nye man noch frauwe hait 

So weidelichen sacke gesehen ge- 

dragen 

Noch sich an solichen stab ge- 

sturen noch gehalden, 
3255 Dar uff is sich dorste fyden 

balde. 

[ 100 >] Die schöne und gute von yn ych 

Besag gar eygenclich, 

Des ich uch auch nu nit ge- 

swigen, 

Das ich davon nit sagende sie. 
3260 Der sack von grüner syden was 

Und an ein grün weppe ge¬ 
hangen waz 

Und was behängen mildeclich 

Mit zwolff schellen silber glich. 

Der sij smiedete, ein gut meister 

was, 


3265 Und yecliche ußgekomet was, 
Und uff yeclicher ußkornunge 
Was sunderliche schribonge, 

Die ich uch nu sagen wil 
Als ich die mit mynen äugen sag 

uff daz ziel 

3270 An der ersten geschrieben was: 
Got der vatter (als mich duchte 

das) 

Den hiemel und die erde er ge- 

schuff 

[ioi'\ Uß nichte, dar nach er den 

mentschen beschuff. 
[Ich gleuben inn Got vatter, al- 
mechtigen schepper des hiemels und 
der erden,] 

An der zweitten: Got der son, 
[Und in Jhesum Cristum, einen eyni- 
gen eon, nneern hern,] 

3275 An der dritten: Got heiliger 

geist. 

Aber die drij wonderliche Sachen 
Dadent mich gar sere erschröck- 

lich machen, 

Dann sij sich so gar nahe zu 

sammen slossen 
Das sij schienent eins sin in einer 

massen, 

3280 Dan allein an den drien sag ich 
Einen mantel, der dienete den 

dreyen glich. 

[Der entphangen ist von dem hei¬ 
ligen geiete,] 

An der vierten schellen ge¬ 
schrieben ist: 


3256. ych aus ich (?). [3273 b - c -] des u. der übergeschr. 

[3273 ff.] Die einzelnen, im Text durch 3281. mantel] Der Übersetzer hat das Orig. 
Klammem und kleinere Schrift gekennzeichneten (un martel) nicht verstanden; h richtig: eynen 
Glaubenssätze (welche das Orig, überhaupt nicht, klnpel. 
h in lateinischer Fassung hat) sind in der Hs. 
rot eingefaßt. .— _ 

vor 3247 Bild (29) mit Nebenschrift rechts: gots gnade gibt dem weller den brotsack: 
dnrch den brotsack ist verstände der heilige glaube. Gottes Gnade überreicht dem Pilger 
den wunderbaren Stab und Sack. 


4 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Von den ScheUen am Sack (zwölf Glaubensartikel) und vom Stab (Hoffnung). 


75 


Gottes son, Jhesus Crist, 

[ioi»] Von hiemel uff die erde kommen 

ist 

3285 Und auch entphangen von dem 

heiligen geist, 

Mentsche worden und von der 

magt geborn ist. 

[Geborn uß Marien der jangfranwen, 
gelieden ander Poncio Pilato,] 

An der funfften: er gemartelt 

wart 

Vor die sunder und an das crutze 

gelaicht, 

Gewondet, gestorben und 

begraben. 

[Gecrntziget, gestorben und begra¬ 
ben,] 

3290 An der sehsten: nider gestiegen 

ist 

Abe in der hellen list 
Da uß zu nemen sine frunde 
Und die inn daz paradis zu 

fürende. 

[Abesteig zn der hellen,] 

An der siebenden: uff erstunt. 

[An dem dritten dage nfferstunt,] 
3295 An der achten: uffsteig in den 

hiemel, 

Zu der rechten handt des vatters 

gesessen 

[102 r) Zu richten die doden und die 

lebendigen. 

[Uffsteig zu den hymeln, sitzet zu 
der rechten hant Godes, des almech- 
tigen vaders, dannen zu künfftig ist 
zu orteiln die lebendigen und doden.j 

An der nunden was geschrieben: 
Die heilige cristen kirche eben 
3300 Mit den heiligen sacramenten, 

Die da inne sint geseneten. 

[Ich gleuben in den heiligen geist, 
in die heilige kristliche kirche,] 

3288. Vor üb. gestr. vm. an üb. vor. 


An der zehenden: die vereyni- 

schafft 

Der heiligen und die gemeyn- 

schafft 

Und der sunden ablaß 
3305 Durch den dauff und buhße. 

[Gemeynschafft der heiligen, ablaß 
der sunden,] 

An der eylfften: ufferstenteniße 
[ 102 •] Aller doden, die zu gerichte 
Mit libe und seien komment 

gliche 

Und da ir urteil horent slichte. 
[Ufferstenteniße des fleisches] 

3310 An der zwolfften: der Ion 

Der woldaet und auch straffonge 

don 

Die das übel hant getaen 
Und keinen ruwen dar umb ge¬ 
habt hant. 

Das ist von den schellen die ge¬ 
schrillt, 

3315 Die da an hait yren begrifft: 

Da an yre schone hubscheit 
Sehent, die dar an ist geleit! 

[Und das ewige leben. Amen.] 

Nu wil ich uch aber sagen von 

dem stabe, 

Wye der eine ander gestalt habe. 
3320 Er was licht, starck und siecht, 
Von eyme holtze gemacht recht 
[I03 r ] Das zu keinre zijt nit fulen mag 
Noch von füre nit vergan mag. 
An dem eude oben hait er einen 

knopp schon 

3325 Von eyme ronden Spiegel 

luchtende schon, 
Da inne man lutterlich gesag 
Ein landt, wie ferre das lag: 

Es was kein so verre landt, 

* 

3325. vor luchtende gestr. h ... 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



7G 


Vom Stab und noch mehr vom Sack. 


Man mochte is wol da inne sehen 

zu hant; 

3330 Und da gesag ich die stadt 

Da ich hin zu gan erwecket 

wart, 

Als ich die ander male nie hatte 

gesehen. 

Desta lieber hatte ich den stab 

an zu sehen, 

Und desta me lobette ich sine 

gestalt 

3335 Einwenig under dem knoppe er 

hatte balt 

Einen andern, was kleinre dan 

der erste was, 

Der gar hübsche mit einander 

was 

Von luchtendem karfunckel, 

[103 ’J Der da lütter was und nit 

dunckel. 

3340 Der yn dar an machte, waz nit 

uß diesem lande, 

Man muste yn süchen in andern 

lande. 

Is stunt gar wole an dem stabe 

und beqwemlich, 

Nuscht mir dar an was misse- 

fellich 

Dann das er unbeslagen was; 

3345 Zu stunt sij mich underwisette 

bas, 

Die die mir den stab also geben 

hait 

Da sij die kleynot hatte uß- 

getan, 

Gnade Gots mir da sagen began: 

‘Dis is der sack und der stab 

3335. balt zugeschr. 

3346. also gleich iibcrgeschr. 

3347. kleynot wieder üb. gestr. kleynot 

gcschr. 


3350 Die ich dir gegeben hab: 

Du wirst der wol bedürfen uff 

djnen wegen. 

Hüde sij wol, das kommet dir 

eben! 

Der sacke ist gelaube genant, 

Dan aen den dustu zumal nuscht 
3355 Noch keynen dag schaffest uscht 
[I04 r ] Das gut odir icht wert sij. 

Din brot und lebetzücht sal da 

inne sin 

Alletzijt. obe du dis wilt wissen, 

So wil ich dich des wijsen 
3360 Durch eine ander rede dan die 

myne bewijsen. 

Sant Paulus sal dich des wol 

underwisen, 

Der spricht das da geschrieben 

ist: 

Wer von dem sacke recht lebende 

ist 

(Das ist gesprochen: der is recht 

verstait), 

3365 Der des gelebet das er da inne 

hait 

Der sacke ist von grüner farwe: 

Dan gelich als die grüne farwe 

Stercket die äugen an dem ge¬ 
sichte, 

Also dut starcker glaube lichte, 
3370 Machet dem verstentenisse ge¬ 
sichte. 

Die sele enkan zu male nichte 

Nummer gesehen eygenclich 
[iu4*] Die grüne gebe ir dann follenc- 

lich 

Gentzlich macht und krafft. 

3348. n. gots gestr. sij. da iibcrgeschr. 

3361. Rom. 1,17. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Am Sack hängen auch drei kleine Schellen (Dreifaltigkeit). 


77 


3375 Dar umb so ist dir nothafft 

Dich inn dinen wegen zn wijsen, 
Und das du desta ferrer moges 

gesien 

In das lant da du woldes sin.’ 
‘Frauwe’, sprach ich, ‘durch 

Got, nu sagent mir 
3380 Von den kleynen schellen die yr 
Also kleyn hant angehangen 
An den sacke aen verlangen, 

Und von den dryen über den ist 
Ein mantel, der ir gemeyn ist!’ 
3385 ‘Sicher’, sprach sij, ‘is was eine 

zijt gelegen also 
Das ich den sack det machen also, 
Da gnug waz daz man gelich ein- 

falteclich 

Glaubte inn Got gentzelich; 

Da was aen klöcken und aen 

schellen 

3390 Dieser sacke und auch aen hellen. 
[205 r ] Aber ich sagen dir das sijt viel 

irrongen 

Und viel böses ist worden fonden: 
Yeclicher an Got geleuben wölte 
Als yme das dann eben fügen 

wölte. 

3395 Einre glaubte an yn inn eine 

wijse, 

Der ander glaubte in eine ander 

wijse, 

Als du das wol wissen möchtes 
Wann du die irrongen gesehen 

hettes. 

Und also was verlegen 
3400 Dieser sacke und veraldet eben. 


Aber umb sine schone zu wieder¬ 
machen 

Und alle irrongen zu verfachen, 
Und umb das ein glaube wurde 

gantz 

An allen enden aen irrongen 

glantz, 

3405 Die zwölf! apposteln die schellen, 

yren ring, 

Hant dar an gehangen, die da 

ane sint, 

Und an yecliche yre eygen 

schrifft, 

[105 r] Die eygenclich saget und spricht 
In welicher masse und wie 

3410 Das man an Got sal gleuben hie. 
Die zwölf! schellen sint die 
Zwölf! stucke des heiligen 

glauben hie, 

Die du salt geleuben gentzlich 
Und sij behalden in dime synne 

gedechteclich. 

3415 Du salt dich dicke erwachen dün 
Und sij an dime küssen luden 

dün: 

Nit umb suß in klocken wijse 
Odir auch die schellen lijse 
Sint dar an gehangen worden; 

3420 Dan obe du zu müde weres 

worden 


Die schrifft zu sehen, 

Zum mynnesten wan du die 

schellen wirdes hören 
Also nahe bij dinen oren, 

So möchtes du gedencken an ein 

deyl. 


3375. vor so schwärt gestr. ist. 

3378. In a. R. tugeschr. 

3387. Da gnug wz übergeschr. daz 
aus da. 

3389. vor aen gestr. er. aen Übergeschr. 
3406. die schellen üb. schwärt gestr. in. 


3406. vor dar gestr. sij. 

3407. yre übergeschr. hint. gestr. syne, das 
gestr. ire geschrieben war. 

3416. sij übergeschr. 

3418. Das undeutliche Odir auch fehlt in h; 
auch im Orig, scheint ein Fehler tu stecken. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




78 


Der Pilger bemerkt Blutetropfen am Sack. 


3425 Sant Paulus gesprochen hait vom 

andern deyle, 

[locr] Als er das den Rommern dann 

geschrieben hait; 
Dan von solichem dicke zu hören 
Gewynnet man den gantzen 

glauben hören, 

Also das solich schellen lüden 

3430 An dem sacke nit mag schaden 

düden, 

Sonder is erwecket gedechtenisse 

wol 

In welicher masse und wie man 

an Got gleuben sol; 
Nit das is da mit sij genüglich 
Das alleyn zu geleuben gentzlich 

3435 Als von dem wissen brode und 

wyn 

Die in fleisch und blut verwandelt 

sin: 

Von Gotte auch dye dryvaltikeit, 
Dry personen in eynikeit, 

Da von du das Zeichen haist ge¬ 
sehen 

3440 An den drien schellen, da du 

mich wolde fregen. 
Gelich als den dryen schellen wol 
Ein kluppel vor alle dienen mag 

und sol. 

[ 106 "] Also ist auch die dryvaltikeit 
Nit dan ein Got in gantzer war- 

heit. 

3445 Got alleyne inn den drien Per¬ 
sonen ist, 


Und yecliche der drier Got ist: 

Das saltu gleuben sicherlich und 

gentzlich 

Und viel ander gedone folleclich, 

Der ich zu dieser zijt wil ge- 

swigen 

3450 Und umb verdriesse willen lassen 

ligen; 

Dann is alles an den zwölften 

hencket, 

Wer is alles recht verstet und 

bedencket’ 

Als Gottes Gnade da hatte ge- 

redt 

Von yren schellen und daz uß 

geleget, 

3455 Ich der den sack angesach 

Und myn äuge zu male dar an 

lach, 

Da sach ich bluds troppen ge- 

spreit 

Dar uff, die hart waren an ge- 

leyt: 

Die selbe Sache mich sere ver¬ 
droß 

3460 Und braicht mir in dem müde 

kommer groß, 

[107 '] Umb das ich daz ander male nit 

hatte gesehen 

Und des auch nit war genommen 

hatte mit sehen. 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘nu bin ich 

nüwelich 

Gar sere erschrocken siecherlich: 


3425. Rom. 10,14. 

3427. von übergeschr. vor dicke gestr. 
dem (?). 

3432. vnd wie üb. gestr. dz. 

3437. dye aus drye. 

3438. p&rsonen. 


3440. Vor An hat die Hs. ein tu streichen¬ 
des vnd. 

3442. mag vnd übergeschr. 

3443. ist aus enist. 

3458. wäre Übergeschr. geleyt hmt. gestr. 
gelaicht. 

3462. mit sehen zugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



ie Blutstropfen, erklärt Gottes Gnade, rühren von den Märtyrern her. 


79 


3466 Ich sehen blnt uff dem sacke 

gespreidt, 

Das mir gar sere hait geleidet, 

Ich han des me gesehen nicht. 

Nu wollent mich uß dem blude 

richten 

Odir gebent mir eynen andern 

sack, 

3470 Das kan ich küm erbeiden nacht 

noch dag!’ 

‘0’, sprach sij, ‘erschrecken 

Saltu nit, sonder dich stercken; 

Dan wan du weist die sache war 

umb, 

So hastu den sack desta lieber 

dar umb. 

3475 Zu zijden was ein pilgeryn, 

Der auch wolde wandeln in der 

jugent sin; 

Wie wole das er den sacke mit 

drug, 

l ,()7 '\ An allen enden hatte er arbeit 

genug: 

Wo er hien gieng, wart er ver- 

spfget 

3480 Von schechern und andern die yn 

nit 

Lieb hattent inn keinen zijden, 

Umb sinen sack, der schone was. 

Und yme zu nemen und zu weren 

das, 

Arbeitten sij sich sere 
3485 Und dadent yn selbs desta viel 

arbeit mere. 

Aber er beschütte sich so wol 

Das er umb keyne sache lyden 

wolde 

3475. Das Orig, nennt den Namen ( Este - 
cemn), der in h auch fehlt. 

3482. sinen aus sin. sack der üb. gestr. 
wesen das. o. B. ein Kreuz neben dem Vers. 


Das man yme sinen sack neme: 
Yme was lieber daz man yme sin 

leben neme. 

3490 Doch so dottent sij yn, 

Versteynten und mortent yn, 

Und von syme blude also wart 

genetzet 

Der sack und bespreet. 

Aber er was zu der zijt hubscher 

viel 

3495 Umb das das blut waz frischer 

und roder viel; 

[/ 08 r ] Dan die farwe die brun rot ist, 
Uff eyme grünen felde gar hübsch 

ist; 

Da mit ist wol wisselichen schin 
Das der sack waz hübsch und ftn. 
3500 Dar nach ist er worden getragen 

me 

Dan er vor was getragen ee, 

Und viel me begert und zerrissen. 
Ettliche lüde mit grossen drücke 

qwament 

Und dadent als viel das sij yn 

nament; 

3505 Dar nach den zu beschirmen und 

zu behüden 

Liessen sij sich zerryssen und 

entlieden; 

Sij dadent sich lyden not 
Und pynigen bis inn den dot. 

Der marteier wölde erzelen 
3510 Die sich umb yn hant laßen doden 

und quelen, 
Keine zonge könde das ertzelen 
Noch hertze gedencken odir 

handt geschriben 

3491. V’steynten üb. gestr. mortent m. 
mortent üb. gestr. versteynten. 

3509. I. Der die m. ?; Orig.: Qui les martirs 
vourroit nombrer. 

3512. handt aus hant. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



80 


Gottes Gnade hängt dem Pilger den Sack an den Hals. 


[ 108 »] Noch nyemands za eyme ende 

gedriben. 

Also das der sacke wart be- 

dreuffet 

3515 Und mit dem blude besprewet, 

Das ist nit eyne sache sich zn 

verwondern, 

Dann is ist eine sache sere zu 

löben besonder; 

Und ist kein troppe so kleyne 

Er sij besser dan alle edel ge- 

steine 

3520 Und dar zu auch viel köstlicher 

Und auch zu male viel dügent- 

richer. 

Und sagen dir wol: weren sij 

frisch 

Die troppen, so hieldst du sij viel 

wirdisch; 

Aber is ist gar lange zijt 
3525 Das keinre hait geseget sins 

bludes nit. 

Die Zeichen sint vergangen 

Gantz und gar zu male aen ver¬ 
langen, 

Dar umb sint desta snöder nit 
[209 »■] Die troppen umb daz sij veraldet 

sint 

3530 Umb die Schönheit sij dir nit, 

Wann du halst die sache di is 

alles git, 

Also das den sack der also ist 

bedroffen 

Und mit dem blude also be- 

sproffen, 


Ich geben zu eyme Zeichen dir, 
3535 Obe yn yemands den wolde 

nemen dir 

Und dir den wolde abe drauwen, 

Das du dich ee ließest doden und 

verhauwen, 

Und das du ee lyddes den dot 

Ee du dir yn ließest nemen aen 

not. 

3540 Nu nym yn gar eben und balde 

zu hant, 

Wann er dir wol kommet zu 

handtl’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘mir wol 

genüget 

Von dem blude daz ir mir hant 

bedüdet, 

Aber is duncket mich gar swere 
[209*] Das ir mit underscheit sere 
3546 Mir gebent den sack; dan ich 

enweiß nit 

Wie ich den dar nach sal 

brachen zu yeder zijt. 

Doch gefellet er mir wol 

Und mir dar an nit myssefallen 

sal 

3550 Und wil yn nemen aen langem 

vertzog, 

Sijt das ich von uch han den 

follentzog.’ 

Da aen beiden nam sij den 

sack 

Und mir den an zu hencken ich 

sij badt, 

Und Gots Gnade halff mir da 


3518. Vnd üb. gestr. dann is. 3530. Ist wonder hinter dir einen fügen 

3523. hieldst aus hielt. da üb. gestr. ich. mit h ? 

3528. eu Anf. aber getilgt. 3535. Das überflüssige den fehlt in h, ließe 

sich aber aus Lesarten des Orig, stützen. 

vor 3552 Bild (30) mit Nebenschrift rechts: Gods gnade hencket dem weller den sack 
an den hals. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Die Spitze des Stabes zieren zwei Knöpfe (zu oberst Jesus, darunter Maria). 


81 


3555 Und hieng mir den an nach 

yrem rechten da. 

Ich was gar frolich da ich yn 

sach 

Und ich yn fülete, das er also 

nmb mich lag; 

[ 2 M r ] Dan is was lang daz ich des 

hatte gegert, 

Und umb das ich des was so wol 

gewert. 

3560 Nu wil ich uch aber sagen von 

dem stabe 

\ 

Als Gots Gnade mir vor hatte 

geprediget dan abe. 

‘Dar nach’, sprach sij, ‘als ich 

• dir han gesaget 

Von dem sacke, der dir gar wol 

anstat, 

Von dem stabe ich dir auch sage, 

3565 So ich dann aller kurtzeste mag. 

Der stab hoffenunge genant ist, 

Der auch zu jeder zijt gut ist; 

Dan er mag nit gefallen hin 

Der sich umb siecherheit stüret 

an yn. 

3570 Der stab von solichem holtze ge¬ 
macht ist 

Das er wol bewijset wie er ist. 

Uff yn du dich wol fyden magst 

In allen boesen wegen, wo du 

gast: 

[wo *] in boesen wegen halde yn gar 

uffricht 

3575 Und an den knoppen sij din 

gesicht, 

Dan die knoppe haldent dich 

Und lassent nit fallen dich. 


Der oberste knop ist Jhesus 

Crist, 

Der da ein gewarer Spiegel ist, 
3580 Aen flecken und aen alle mase 

ist, 

Als die schrifft uns das saget 

und bedütet, 

Da inne alle und yecliche lüde 

Mogent schauwen ire angesichte. 

Und auch da bij villichte 
3585 Alle weit sich da inne spiegeln 

mag, 

Wol erkennen und betrachten 

mag, 

Und wann alle weit da inne ge¬ 
spiegelt ist, 

Ist sij nit so gros als daz es an 

dem wurffei ist. 

In dem knoppe salt du dich 

spiegeln 

3590 Und dich da inne dicke besiehen 
[in *•] Und dich dar an wol halden hart 

Und dar an stören zu aller fart; 

Dan wan du dar in gesihst wol, 

Zu male nit dich missetrosten , 

sol, 

3595 Und so lange du dich dar an 

heldest, 

In keynem bösen wege du nit 

feilest. 

Nu gedencke dar an, bistu wijse, 

So magstu desta baß gan in pil- 

gerins wijse. 

Der ander knop das ist der 
3600 Davon das da qwam er, 

Dannen er was und wart geborn 

her: 


3563. sacke üb. gestr. stabe. 

3564. vor sage gestr. wil. sage aus sagen. 
3568. «. nit gestr. zu male. 

3575. das n in den auf Rasur. 


3577. vor nit gestr. zu male. 

3580. zu Anf. vnd gestr. 

3581. Sap. 7,26. 

3588. dz übergeschr. 


Deuteohe Texte de* Mittelalters. XXV. 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



82 


Noch von den beiden wunderbaren Knöpfen de» Stabes. 


Das was die magt Maria mutter, 
Die entphieng und drug yren 

vatter. 

Das ist der karfunckel füncke- 

lende, 

3605 Die vinsterniße der werlde er- 

luchtende, 

Dar durch wieder zu wege ge- 

kert sint 

Alle die von wege gekert und 

verirret sint; 

[in*] Durch die auch erluchtet sint 
Alle die die in vinsterniße ge¬ 
wesen sint; 

3610 Durch die wieder uffgehaben sint 
Alle die gestürtzet odir auch ge¬ 
fallen sint 
Und dar umb ist er angelaicht 
An diesen hübschen stab und be- 

hafft, 

Das sij des auch ein knoppe sij; 

3615 Dan vor nit dan ein knoppe da 

was, 

Da mit is nit zumale genug was, 
Umb das nit yederman dar bij 

kommen mochte 
Und yn auch nit alle wol be¬ 
griffen mochten. 

Aber durch den knoppe kommet 

dar an ein yecliche 

3620 Der sich an den knopp sturet 

redelich, 

Also das des notdurfftig ist 
Ein yeclicher der ein pilgerin ist. 
Dar umb rade ich daz du dich 

daran störest 


[ii3r] Und dich alletzijt dar an wol 

haldest; 

3625 Dan durch yn wirstu alletzijt 

uffgehalden 

In allen boesen wegen und uff- 

recht behalden, 

Und dar durch du wol kommen 

magst 

Zu dem knoppe den du dan obe 

der hant haist. 

Also wann du dich heldest 

3630 An die zwene knoppe, du nit 

feilest, 

Sagen ich dir, daz du wol 

siecherlich 

Und wol magst gan tröstlich. 

Dar umb magstu dich wol 

stören 

An den stab und dich dar uff 

fyden, 

3685 Dan die knoppe die dar an sint, 

Dich in allen boesen wegen uff- 

haldende sint. 

Es ist ein gut stab, hude yn 

wol! 

Ich han dir yn geben, daz er din 

sin soL* 

[H2*] Da gab sij mir den in die 

handt: 

3640 Grosse freude ich da an myme 

hertzen befant, 

Dan ich gesach wol daz ich zu 

male bereidt was 

Zu gan den weg dar umb ich da 

was. 

Doch gefiele mir nit wol das 


[3623.] Kustode unten auf Bl. 111»: vnd 3632. Vnd üb. gettr. das da. 
dich alletzijt. 3642. da aus dar. 

3626. be in behalden üb. gestr. ge. 3643. in der Hs. Absatz. 

3631. dz du übergeschr. _ 

vor 3639 auf geklebtes Bild (31) mit Überschrift: Gods gnade gibt dem pilgerin den stab. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Warum der Stab unten nicht beschlagen ist 


83 


Von dem stabe daz er nit be- 

slagen was. 

3645 * Frauwe ’, sprach ich zu Gots 

Gnade, ‘so mir Got, 
Ich mag nit verhalden aen spot 
Das ich uch nit sage waz myns 

gedenckens ist 

Von dem stabe, daz er unbe- 

slagen ist: 

Is gefellet mir nit wol, daz 

wissent, 

3650 Umb andern die alle beslagen 

sint. 

Obe ir nu wollent, so sagent mir 

[U3 r ] War umb das ir yn hant also 

geben mir!’ 

‘0’, sprach sij, ‘wie bistu so 

döricht! 

Du darfft keiner schellen an dem 

halse nicht. 

3655 Han ich dir nit yetzünt gesaget, 
Hette is dir einwenig gedacht, 
Das du dich oben an daz ende 

salt fijden 

Und an die knoppe dich salt 

stfiren ? 

Dan die knoppe dich nit lassen 

3660 Fallen, sonder haldent dich in 

rechter massen. 
Daz underste ende hilfft dich nit, 
Und auch weistu wol da mit 
Das beslagen stab wiget mee 
Dan der nit beslagen ist ee. 

3665 Unbeslagen ich dir den geben 

han, 

Das du yn desta lichtlicher 

moges gedran; 

3644. über dem a tn beslagen Tintenfleck. 

3646. verhalden üb. geetr. geswigen. 

3663. d6richt aus dörecht. 

3660. rechter übergeschr. 


Und auch vort ein beslagen stab 
[*#■1 Sich heldet me inn eime loche 

hart 

Odir in eime starcken ertrich 
3670 Dieffer sich stecket gelich 
Dan der unbeslagen ist: 

Und so er dieffer ist gestecket, 
So viel me ist er beflecket 
Und gehindert der yn dreit, 

3675 Me dan der den unbeslagen dreit. 
Dar umb han ich dir yn also 

gegeben, 

Das du ungehindert siest eben 
Inn löchern odir in puelen 
Und das du keine hinderonge 

moges fülen.’ 

3680 ‘Ha frauwe’, sprach ich, ‘noch 

ein wort! 

Mich düncket nit das ich sij 

verdort: 

Nit da von das ir hant gesaget, 
Dan dar umb des ir nit hant 

gedacht. 

Obe hunde mich ankomment odir 

mordere 

D^ r ]Und myn stab unbeslagen were, 
3686 Wenent ir das sij yn föchtent 

also sere 

Als obe er vor beslagen were? 
Umb die sache rede ich alleine 
Und nit umb anders keyne.’ 

3690 ‘Dar zu’, sprach sij zu mir, 
‘Wil ich zu stunt antwerten dir: 
Du enhast nit den stab 
Dan dar umb ich dir den gab: 
Du salt nit da mit slagen noch 

striden, 

3668. heldet übergeschr. 

3673. er übergeschr. das bef tn beflecket 
üb. gtstr. ge. 

3675. den üb. geslr. yn. 

0 * 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


84 


Gottes Gnade führt den Pilger rn ihre Waffenkammer. 


3695 Dan dn dich dar an stören salt 

zu zijden. 

Und obe du dich wilt beschüden 

und nit me 

Und auch nit wilt zurstoren oder 

ertzurnen ee, 

Die Waffen da mit du dich be- 

schuden magst 

Und dine vigende da mit uber¬ 
winden magst, 

3700 Balde genüg wil ich dir sij 

geben, 

Dan ich wol weiß wo ich sij 

finden eben.’ 

[U4•] ‘Ha frauwe’, sprach ich, ‘der 

stab 

Gefellet mir mit solichem under- 

hab 

Das ir mir wollet süchen 
3705 Die wappen und mir die ge¬ 
röchen ! ’ 

Da gieng Gods Gnade in iren 

umbhang 

Und rieff mir dar gar balde zu 

handt: 

‘Nu gesiech’, sprach sij, ‘über 

dich 

An die stange und luge ob ich 
3710 Wappen zu suchen ferre solle 

gan: 

Ich sehen ir genüg dich zu 

wappen an. 


Da sint helme und pantzer viel, 

Krege und beinharnesch an ein 

ziel, 

Schilde und des du bederffen 

magst 

3715 Odir eyner der sich wilt weren 

fast. 

[115'] Nu nym da das du wilt han, 

Und wappen dich wol, du haist 

Urlaub dran!’ 

Da ich die hübsche wappen 

also gesach, 

Von irer Schönheit freude mir 

geschach. 

3720 Doch künde ich nit wissen wol 

Mit welichem ich myn bestes 

schaffen sol; 

Dan ich der wapen nie me ge¬ 
bröchet hatte 

Und mich auch nit me gewappent 

hatte. 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘nu wisent 

mich, 

3725 Obe ir wollent, welich wappen 

sal ich 

Nemen und wie sal ich mich 

wappen ? 

Dan helffent ir mich nit wappen 

ön, 

So hettent ir zu male nöscht ge- 

taen.’ 

[115*] Da nam sij ein wammesch alt, 


3698. waffen aus wappen. dn übergeschr. 
3715. eyme Hs. Der Übers, hat sich in 
diesem Vers eng an das Orig, (et quanque faillir 
puet A eil qni deffendre se veut) gehalten u. 


sein bederffen (v. 3714) darüber aus dem Sinn 
verloren, h ist ihm gefolgt. 

3721. myn beetes schaffen üb. gestr. mich 
aller best behelffen. 

3722. wapen übergeschr. 


vor 3706 auf geklebtes Bild {32) mit Nebenschrift rechts: Godes gnade wilt den pilgern 
wappen. Gottes Gnade seigt auf Harnisch und Beinschienen, die an einer Stange hängen. 

unter 3728 auf geklebtes Bild (33) mit Unterschrift: Gods gnade gibt dt wameach dem 
pilgerin: dar durch ist verstanden gedolt. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Zuerst reicht sie ihm ein Wams von besonderer Art (Geduld). 


85 


3730 Das hatte eine verkerte gestalt: 

Ich solichs nie keins me gesehen 

han 

Noch auch davon nie gehört san; 

Dan gelich hinden an dem rucke 

was gemacht 

Und was auch hart dar an ge¬ 
lacht 

3735 Als ein anebuß was das getaen, 

Dar uff man hammer streiche 

solde entphaen. 

Das bodt sij mir zu dem ersten. 

‘Hie ist’, sprach sij, ‘das aller 

beste 

Wamesch das ie kein man ge- 

sach: 

3740 Und enhette einre nit füß noch 

handt 

Und were an einen pale gewant 

Und enhette nit me dan daz 

wammesch an, 

So würde er doch nit uber- 

wonden von yeman, 

Dan er wurde mit grossen eren 

3745 Sine vigende uberwinden werden. 
[ji6»-]Und auch sagen ich dir noch me, 

Und das sal dich nit wondern ee: 

Der dis kleit ane hait, 

Sinen nütz er wol da mit zu 

schaffen hait, 

3750 So andern da mit yren schaden 

dunt. 

Missewahs yme sin körn wahssen 

dunt 

Und ungewijder dut füllen sinen 

spicher 


Und böse wingart weder sinen 

keller; 

Von grossen nesseln hat er ein 

weich bette 

3755 Und von liden er viel wollust 

hette; 

Sine gaben machte er von armüt 
Und wiederwertikeit yme freude 

dut. 

Fasten dut yn feiste werden 
Und siechtagen dunt yn starck 

werden. 

3760 Stiche in anfechtongen 

Gebent yme underloschungen. 

[JJ6»1 So man is me stichet, so is 

harter ist; 

Dan gelich als is gemacht ist 
Von Stichen, das wammesch ge¬ 
want, 

3765 (Dar umb ist is auch durch 

stochen genant,) 
Glich also das ist gesteppet 
Mit Stichen und hart gekloppet, 
So saltu is desta lieber han 
Und daz auch an dyme lybe 

dran. 

3770 Umb der Stiche willen is sere 

gut ist, 

Und aen Stiche is nütscht wert 

ist. 

Wiltu wissen wie is ist genant: 
Gedolt ist sine name alle zu 

hant, 

Die ist gemacht umb zu lijden 

3775 Und da bij Stiche han zu zijden, 
Zu sin hart als ein anebüß, 


3757. vor wiederwertikeit übergeschriebenes, 
durch Korrektur am Anfang (f...on) jedoch 
unleserlich gewordenes Wörtchen (ursprünglich 
von?), das zu tilgen sein wird, da die mit 


• • 

dem von beabsichtigte Änderung der Stelle ( viel¬ 
leicht fiach dem Orig.: et son soulas d’advereite) 
nicht durchgeführt ist. 

3769 zioischengeschr. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



86 


Der Pilger beklagt eich, daß das Wams ihm zu eng ist. 


Der sich nit weget umb einer 

federn stoß, 

Zu liden aen murmelen, 

Alles mit gudem willen zu lijden. 
[W] Dis wammesch det Jhesus an 
3781 Da er vor dich an daz crutze 

wart geslan. 

Uff yn wart gestochen und ge- 

slagen, 

Das er alles leit und hait ver- 

dragen: 

Keine worte er nit sagete noch 

ludte. 

3785 Ein anebuß er was heimlich und 

uberlude 

Zu allen siegen, als er wart ge- 

slagen: 

Und dar umb wart uff yme ge- 

slagen 

Dine schetzonge und müntzen. 

Die böse smiede des smyedetent 
3790 Uff syme rucke und daz da 

müntzetent, 

Also das du wol gedencken 

magst: 

Wan sich der konnig wilt 

wappen fast 

Mit den wappen, die do gut sint 

Und die nit uß zu slahen sint. 
3795 Also nym sie und duhe dich an, 

So bistu viel ee bereidt dar an 
\U7<-] Die ander wappen auch an zu 

dun, 

Die da uff lygen sollen; 

Dan das wamsch sal unden sin, 
3800 Der anders recht wilt gewappent 

sin.’ 


3777. nit iibergeschr. 

3793. den üb. gestr. diesen. 


Da nam ich das kleit hie 
Und det is an; ich weiß nit wie: 
Swere is mich duchte und enge, 
Und daz zu dragen machte mir 

gros gedrenge. 

3805 ‘Frauwe’, sprach ich, ‘uwer 

hamesch mir nit ist 
Recht gesnyeden worden in 

keiner frist; 
Also mochte ich is nit gedragen 
Aen mich zu male sere da mit 

zu überladen.’ 

‘Sicher’, sprach sij, ‘daz wam¬ 
mesch hart 

3810 Dir gar gerecht gesnieden wart, 
[iiö r ] Werest du recht besnyeden; 

Dan der gebreste an dir ist be¬ 
lieben 

Und bist nit recht nach dem 

wammsch geriegen; 
Dan du bist zu groß und zu 

feisset viel 

3815 Und haist smaltz under den 

flugel zu viel, 

Zu viel sagende und zu förtig. 
Soliche Sachen machent dich so 

unlidig 

Und so groß das du daz wam¬ 
mesch fast 

Aen swerde uff dem rucke nit 

getragen magst; 
3820 Dan du must dich schicken nach 

yme 

Und es sich nit na dime synne, 
Abe zu dun des zu viel an dir 

ist, 

Und das du nu viel kleiner siest, 

3794. Vnd üb. gestr. das. 

3805. mir übergcschr. 


vor 3S05 aufgeklebtes Bild (34) mit Nebenschrift rechts: Der pilgerin der beclaget sich 
von dem wamesch das es yme za enge ist. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gotte» Gnade belehrt ihn aber eines Besseren. 


87 


Wiltu da mit wol angetan sin.’ 

3825 ‘Frauwe’, sprach ich, ‘na wysent 

mich den synn 
Wie das ir dis versteent: 

Obe man solle behanwen mich 

[7i8*l Odir wie ich solle lyden mich, 
Und wie ich nach syme gefuge 

mich fügen 

3830 Solle odir mich dun besnyden’. 
‘Sicher’, sprach sij, ‘du bist zu 

zijden 

Zu male sere kyfelecht 
Und auch da mit nydig recht. 

Du salt wissen daz das wam- 

mesch gelich 

3835 Dich 'machen wirt, obe du wilt 

hören mich, 

Und dich wirt recht schicken: 

Nu drage is aen ußricken, 

So darfft du keins andern zym- 

mermans. 

Is sal dich recht nach yme 

stellen 

3840 Und nach yme die knüchel abe 

feilen. 

Duncket is dich wol zum ersten 

swere sin, 

Das ist umb das du nit gewane 

bist sin; 

Aber wan du des gewanest, 

[119 r ] So is nit me böse noch swere 

ist. 

3845 Ist yemans der dir übel sprichet 
Odir durch boßheit sich an dir 

richet, 

Kere yme den rucken und nit 

sprich ein wort, 
Dan der hunde bellen dort 
Saltu zu male achten nit! 

3829- vor nach ein tu tilgendes mich. 

3834. vor salt gestr. s. 


3850 Kere yme den anebuß und rede 

nit 

Und laß yn na sinem willen dar 

uff slahen: 

Dar durch wirt daz wamesch 

dich recht dun dragen 
Und wirt dir recht an stan. 

Und sagen dir daz du also 

lichteclich 

3855 Wirdest gecronet sicherlich; 

Dan durch soliche siege und 

smyedonge 

Und durch soliche hameronge 
Gesmiedet wirdt die crone 
Die kein mentsche konde machen 

so schone. 

3860 Das ist die da mit gecronet 

sint 

[119 »] Die marteier, die mit dem wam- 

mesch gecleidet sint, 
Die uff dem anebuß gehemert 

wurden 

Gar sere und yn große siege 

wurden, 

Also das yn gesmiedet wart 

3865 Die kröne bereit und geben 

wart. 

Dar umb in guden truwen rade 

ich dir 

Das du daz wamesch dragst, 

folge mir; 

Dan du sin wol bedürffen wirdes 
Zu einer zijt die kommen wirt: 

3870 Das ist wann Anefechtonge 
Im felde, im wege, in husonge 
Dir zu kommet und dich flehtet 

an, 

Und sine diener dir schicket vor 

an, 

3873. vor an hint. gestr. son (?). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



88 


Gottet Gnade gibt dem Pilger einen Panzer (Stärke). 


Die so grosse streiche uff dich 

slahent 

3875 Und so viel uff dir gehemmerent, 
Also hettes du des wammesch 

nicht, 

So qwemestu in dodes plicht. 

[120 '■J Nu duhe da mit allen dinen 

willen, 

Dan ich han dir gesagt mynen 

willen! ’ 

3880 ‘Frauwe’, sprach ich, ‘is gefeilt 

mir wol 

Was ir gesaget hant, ich is nit 

versprechen sal 

Anders dan myn krafft nit ist 

so gros, 

Als ich meynen, das ich so blos 
Möge das bein hamesch gelyden 

3885 Odir das gedragen zu keinen 

zijden. 

Doch so wil ich mich stercken 
So faste ich mag, an mynen 

wercken. 

Brengent sij und besehent wes 

ich bedarff: 

Das brengent mir miteinander 

scharff! 

3890 Ich wil genöglich gewappent sin, 
Und solde ich dar umb zer- 

spalden sin.’ 

[120 •] Da hait sij her vor getaen 

Ein pantzer, das waz wol getaen, 
Von einre gar lieplichen gestalt; 

3895 Mich duchte nit daz is were alt. 
Sij sprach: ‘nu nym daz kleyt 
Das zu zijden wart bereidt 
Zu striden wieder den Dot 


Und wieder alle sine gebot 
3900 (Das ist: wieder arbeit und lijden 
Und alle yre erschrecken zu 

zijden). 

Dan der Dot ist so ein wildes 

dier: 

Der is sicht, der erschricket 

schier 

Und wirt als uß sinen synnen; 
3905 Er verluset ussen und innen 

Alle sine gedencke und geberden 
Und wenet er solle verlorn 

werden. 

Es ist yme hart und übel dran 
[ 12 l r ]Hait er diese wappen nit an; 

3910 Aber der dis pantzer hait an, 

Der fochtet sin nit umb ein 

knoppel dar an. 
Er get siecher inn allen kriegen 
Ere und pris da mit zerkriegen: 
Umb dodes not wolde er nit 
3915 Sich wenden odir abestelen icht. 
Das wappen smyedete zu zijden 
Der smiedt der von oberlant 

qwam rijden, 

Der da smiedete sonne und 

wasser 

Aen zange und auch aen 

hammer. 

3920 In der zijt was nit geschetzet 
Kein ander wappen noch be- 

weret, 

Und noch ist er nit gewappent 

wol 

Der des nit hait und haben sol. 

Dis pantzer ist stercke genant, 
[ 121 "] Das die kempen an getaen hant 


3923. vnd üb. gestr. odir. 


unter 3891 Bild (35) mit Unterschrift: Hie git sij yme das pantzer: das ist ge¬ 
heißen stercke. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Weiter Kragen, Helm, Schild, zwei Handschuhe und ein Schwert. 


89 


3926 Die Jhesum Crist zü hant gehört 
Und vor zijden in kriegen nit 

hant gefort 

Den dot und den geachtet nit; 
Das ist alles dar nmb geschiet 

3930 Das sij so stede waren und auch 

so starg 

Von des pantzers wegen, das da 

waz so hart 

Und auch so wol gemachet was 
Das kein geslieffen waffen das 
Noch nie gebrechen noch ver- 

snyden mochte, 

3935 Das doch nit zu verewigen 

döchte; 

Dan die nagel da is mit genegelt 

was, 

Der droit des smiedes wol ge¬ 
bortet was: 
Da mit waren die ringe alle ge¬ 
negelt 

Und auch gar wol gehörtet. 

3940 Das isen auch gehertet was 
In dem blude daz uß des smieds 

wonden waz 

U'^ r ] Ußgefloßen, davon is viel desta 

harter was, 

Das pantzer, und viel desta 

sicherer bas, 

Umb das alle die die is hattent 

an 

3945 Und das uff die zijt wolden 

dran, 

Das sij alle waren so starg 
Das nit was kein krieg so arg 
Noch keine pyne so freyßlich 
Das sij die fochtent eyme halme 

glich. 

3950. han hint. gestr. dun. 


3950 Dar umb salt du is ane han 

Uber daz wamesch und daz nit 

lan, 

Wiltu mir andere geleuben: 

So gesistu obe du yme siest 

eben.’ 

[l~2" 1 Da nam ich daz pantzer bij 

mich, 

3955 Und dar nach balde sprach ich: 

‘Frauwe, ich bijden uch gütlich, 

Ehe ich daz pantzer an duhe 

glich, 

Das ir mich wollet lassen sehen 

Alle die wappen die ir mir 

wollent geben, 

3960 Da mit ir mich wappen wollent; 

Dan dar nach daz ich gesehe 

eben, 

Wolde ich mich auch stellen zu 

leben 

Und die wappen an zu dun.’ 

Einen krag sij dar brachte, 

3965 Einen helme und targe sij dar 

achte, 

Zwene hentschoue und ein swert; 

Nit langer sij da beyte vort, 

Balde sij zu mir sprach: 

‘Mit den wappen die ich da sach 

alle, 

3970 Salt du dich zu mynnesten 

wappen balde; 

[123 r ] Dann is ist mit den wol genug, 

Kanstu dich mide erweren 

genüg, 

Wie wol ich dir auch ander 

wolde geben, 

Wiste ich große krafft in dir zu 

heben; 

3969. Vor die ist alle gestr. 


unter 3953 Bild (36) mit Nebenschrift rechts: Hie gibt sij yme die ander wappen. 
Sie überreicht Kragen, Helm und Armschienen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



90 


Von dem Helm (Mäßigkeit). 


3975 Aber ich wil sij andern sparen, 
Die ich me starcker dan dich er- 

farren. 

Von dem helme und dem krage, 
Din heubt zu male zu bewarn, 

ich dir sage: 

Zum ersten salt du daz pantzer 

an dun, 

3980 Und wann du daz haist wol an 

getaen, 

Dar nach saltu die hentschue 

nemen an 

Und dine hende dar in fugen 

eben; 

Dann wo du die dar inn nit ver¬ 
bergest, 

Nit wol du gewappent werest. 

3985 Den helme, als du daz wissen 

salt, 

Messykeit du yn nennen salt 
\123*\ Zu gesehen, zu hören und zu 

riechen 

Sachen die dir sint schedelichen. 
Dan gelich als der helme be¬ 
decket und beslußet 

3990 Die synne und einen da inne 

verdrftßet, 

Also dienet auch messykeit 
Zu huden daz äuge daz zu wit 

uffen steit, 

Und das zu viel ergeben ist 
Zu üppikeit und zu böser list; 

3995 Dann were daz harnesch nit 

enge beslossen, 
Is wurde dar inn geschoßen 
Ein pile, der zum hertzen treffe 
Und aen artzedie den dot 

brechte. 

3975. sij übergeschr. 

3996. geschoßen aus gegoßen. 

4002. nit fehlt, ist aber durch das Orig, 
geboten. 


Mürmelonge auch zu hören, 

4000 Hinderklaffen und reden von den 

dören 

Der helme stöppet den ingang, 

Also daz zu dem hertzen nit get 

der gedang. 

Kein solich pyle mag da nit 

schaden, 

[I24r] Wie wol man sere da mit über¬ 
laden 

4005 Und viel hart da mit schiessen 

mag. 

Bose nachberynne ir geschutze 

nacht und dag 

Und dar zu ire Stiche, die böse 

fliegen, 

Mogent dich hinden wol be- 

triegen 

Und mögen sij vor die hinder- 

düre werfen, 

4010 Aber in die stirne sij die nit 

legen dorffen. 

Von dem smacken ich dir auch 

sage 

Das der helme hie bedecket 

habe; 

Dan unordeclichen gesmag 

Dut dir kein gut nacht noch 

dag: 

4015 Dar umb so ist der heim also 

gut, 

Der dich dar vor wappen dut; 

Dan is ist der uff ein deyles 

Zu zijden waz genant der heim 

des heiles, 

Davon sant Paulus spricht das 
4020 Daz man den uff daz heubt 

setze de bas. 

[4003.] Kustode unten auf BL 123 •: wie 
wol man sere da mit. 

4019. Ephes. 6,17. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Von dem Kragen (Nüchternheit). 


91 


f 124*} Nu wil ich dir sagen von dem 

kragen 

War umb du yn salt nu tragen: 

Er beheldet dir dinen hals gantz. 

Nuchterkeit er sich nennet gantz 
4025 In diesem lande und auch über 

mer, 

Das ist von messykeit ein stucke 

her; . 

Und wart auch dar umb gemacht 

Fresserie da mit zu straffen dag 

und nacht, 

Umb das sij die lüde griffet 
4030 Mit dem halse und harte bisset. 

Aber du solt wissen daz dis 

Wappens list 

Mit zweyfeldigen ringen gemacht 

ist; 

Dan er were nit starg genug 

Were er nit von zweyfaldigen 

ringen gut. 

4035 Und die sache ist umb leckerie, 

Die da hait zweyfaldige scie: 

Daz ist die eine von versuchen 
[j25'-]Und die ander von uberigem 

bösen fluchen. 

Von versuchen die snyde sich er¬ 
hebet, 

4040 Davon er sich selber dodet: 

Durch die rede macht er den 

getzug 

Da mit sij dot slug iren nachbur 

gnug, 

Also du das wol wissen wirst 

Her nach, so du das sehen wirst, 


4045 Also das wieder soliche driege- 

rynne 

Gut zu haben ist des krages 

synne. 

Es ist eine sache die gar siecher 

ist, 

Wie wol das is ein dein wappen 

ist; 

Dar umb rade ich dir flysseclich 

4050 Daz du dich da mit wappes 

wiseclich. 

Mit dem essen und drincken din 

Saltu nit faste krudelich sin: 

Das dir wirt, daz habe zu 

dancke, 

[125*] Und von wenig saltu sere 

dancken! 

4055 Von der rede sage ich dir auch 

also viel: 

Hude dinen mont und nit sprich 

übel 

Von yemans; zu yederman rede 

Alletzijt mit guder rede! 

Mit dem krage gewappent was 

4060 Zu zijden der ein apt zu Chaalis 

was, 

Sant Wilhelm, din guder mag: 

Wan so er nit dan wasser und 

brot hatte, 

Das hatte er zu so großem 

dancke 

Also hette er alle ander Sachen 

genug gehabt; 

4065 Dan du wol an syme leben 

finden mast 


4083. er vor were übergetchr. u. dahinter 
schwarz gestr. 

4036. Dem unklaren scie entspricht im Orig. 
forsenerie, in h bedrog. 

4038. vor bösen dicker vertikaler Strich. 


4042. n. iren versehentlich noch ein zweites 

ire. 

4055. sage gleich übergeschr. 

4060 ff. vgl. Vita S. Gulielmi episc. Bituri- 
cen8i8 9 (Analecta Bollandiana 3 [2884], 283). 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITYOF MICHIGAN 




92 


Von den Handschuhen (Gute Gebärde). 


Das er wol mochte fasten 
Bij große gnügde und wol lyden 

durst. 

Du magst auch wol finden sust 
Daz er zu allen luden zu reden 
[l 2 G r ] Nit alleine bereit was und zu 

beden, 

4071 Sonder er was auch gemeyt 

Zu straffen die ubelredenden umb 

leit. 

Wann er sij horte, so sprach er: 
‘Redent zu dem der daz Aralde 

hait, daz er 

4075 Nit zieder dwijle er das hait, 

So sehent ir obe er daz lait! — 
Davon ir redent, horte er gerne 

uff, 

Sere gerne, obe er is gedun 

mochte.’ 

Also wappette sich der man 
4080 Mit dem krage und bereitte sich 

dan: 

Also salt du auch gerne Wappen 
Dinen hals da mit und stoppen. 

Von den hentschuen ich dir 

auch sage 

Das is gut ist das du sij träges, 
4085 Das du da mit siest bewart; 

Dan wurdest du geslagen hart 
[126 •] Uff die hende, daz were dir nit 

gut 

Und brechte dir an andern glid- 

dern keinen mut, 
Und dedes da mit nit viel 
4090 Die hende die da sollent ge- 

wappent sin 

Mit den hentschuwen an getan 

und behudt fin, 


Sint rüren und begriffonge, 

Tasten und fuelonge. 

Wie wol man an dem libe fyndt 
4095 Me glidder die auch fuelende 

sint, 

Doch wirdet durch die hende bas 

bekant 

Was man an rftret, zu hant; 

Und umb daz der lüde daz mere- 

teil 

Glaubt daz kein ander tasten sij 

so geile, 

4100 Dar umb sage ich daz gemeyn- 

lich 

Daz durch hende tasten sij ge- 

wisselich. 

Die hentschue du salt angriffen 

Und die an dine hende striffen 
[ 127 r] Und dich da mit wappen, 

4105 Die die ich dich han sehen lassen 

Und die da sint genant 

Das dritte deile der messikeit 

bekant 

Und heissent gude geberde, 

Die man wol an eynikeit 
4110 Sal glichen manichfaldikeit; 

Dan mit wercken und willen 

Sal man sinen namen stillen; 

Dan mit den wercken were nit 

gnug 

Wo der wille nit dar zu hait 

gefug. 

4115 Niemans mit eime hentschue 

hette genug 

Noch were da mit gewappent 

gnug; 

Dann is aen verbot zweye gelden 

muß, 


4068 ff. vgl. Acta SS. BoTland. Jan. 1637. 4099. das (auch in h) fehlende Verbum 

4074. aide IIs., fievre Orig., danach richtig Glaubt eingesetzt nach dem Orig, (croit). 
daz kalt h. 4117. Dann. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Von dem Schwert (Gericht). 


93 


Dann man werck und willen 

haben muß. 

Sij sint bede gut bij eynander 
4120 Und auch beqwemlich bede mit- 

eynander. 

[1.27 »] Soliche geberde, die getzweifel- 

diget ist, 

Von ettlichen wynnebrot genant 

ist; 

Dan dar durch gewonnen ist das 

brot 

Da mit des mentschen hertze er¬ 
füllet ist aen not 

4125 Das vor langer zijt betzeichent 

wart 

An dem brode daz David ge- 

heischen hait, 

Das Abymelech yme nie 

Geben wolte noch erleuben nye 

Ee er wiste das er an getan 

were 

4130 Mit dem wynnebrot und ge- 

wappent were. 

Und wiltu das studieren und 

lesen, 

In dem buche der konnige fin- 

destu daz wesen. 

Das wynnebrot zu einer zijt 

hatte 

Sant Bernhart, da sich hatte 
4135 Bij yn gelaicht ein wyp, 

By in nacket in sin bette: 

So balde er sij gerurt hette 
[I 28 r \ Und er yr wart ge war, 

Zu yr kerte er sich nye dar 
4140 Noch mit syme begriffe nie 

rurte; 

Sine hende also gewapent furte 

4132. I. Reg. 21,4 — 6. 

4133 ff. vgl. S. Bernardi Vita et res gestae, 
lib. I auctore Guillelmo 3, 7 (Miyne, Patr. 
lat. CLXXXV, col.230). 


Das sij waende er were ein isern 

man: 

Dar umb schiet sij aen schände 

von dann, 

Und aen schaden gieng sij druß. 

4145 Das dadent die wynnebrot in 

dem huß 

Da mit er sine hende gewappent 

hatte. 

Dar umb rade ich dir gütlich 

Das du dich da mit wappes 

glich; 

Dar umb han ich dir sij her 

bracht, 

4150 Dich die gewijset und dir vor 

gelacht. 

Von dem swerte saltu ein 

wissen han: 

Kein besser wappen du nit magst 

han; 

Dan kondest du dich da mit be¬ 
heben wol 

Und hettest kein ander wappen 

zu male, 

4155 So weres du geforten mee 

[ 128 *] Dan weres du mit den andern 

gewappent ee 

Und hettes des swertes nit 

Odir das du dich da mit be- 

helffen kondes nit. 

Das swerte gerichte genant ist 

4160 Und vor der andern me ußerwelt 

ist 

Und das beste das ye gefülete 

Konnig odir graffe noch gehielte. 

Noch nye was Ogirs swert 

Noch Rolans noch Oliviers so 

wert, 

4139. nyedar. 

4153. beheffen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


94 


Von dem Schwert (Gericht). 


4165 So gut noch so mechtig, 

Noch von gute so krefftig. 

Das ist dis: wan is zijt ist, 

So gibt is yederman das sin ist. 

Is ist ein swert des keysers, 

4170 Eins regierers odir eins richters, 
Durch den alle die geregieret 

sint 

Die von syme huse und unstreff- 

lich sint; 

Dann zu allen zijden drauwet es 
[129 r] Das keinre übel duhe, er ge- 

dencke an es. 
4175 Es verhüdet den lyp vor wieder¬ 
springen 

Und wilt Got liep zu haben das 

hertze dringen: 
Den gedancke dut es bekeren 
Und schalckeit und bedrog uß. 

eren. 

Den willen, die begirde, 

4180 Daz verstenteniße und die ge- 

hügde, 

Die sele mit allem yrme gesynde 
Sij richtet und straffet, 

Daz ir keins yme übel dar dun, 
Uff sine äugen uß zu stoßen dun; 
4185 Dan aen beiden und balde 
Wurde er gestraffet von dem 

swerte balde. 

Das bij Zeichen hastu an sant 

Benedictus, 

Der mit dem swerte gegürtet 

waz alsus; 

Da mit yn zu zijden gegurtet 

hait 

4190 Der konnig, da er yn meister 

gemacht hait 


[129*] Der gesetze; und da er quam als 

ein keiser, 

Als ein regierer und ein richter, 
Dem sin lip, der versüchet was, 
Nit wolde underdennig sin, umb 

das 

4195 Er yn mit dem swerte geslagen 

hait 

Und yn so harteclich gestraffet 

hait 

Also das er yn gar nahe gedodet 

hatte. 

Dar nach er yme nie enwart 
Ungehorsam; er were yme zu 

aller fart 

4200 Undertenig aen wiederstant: 

Der wart alletzijt gewar zu hant. 

Dis swert du dragen salt 
Und dich da mit beschüden salt 
Von den allen ich dir vor han 

gesagt, 

4205 Die dir sint heimlich odir wieder¬ 
sagt; 

Dan du keinen bosern vigent nit 

magst han 
Dan die dir heimlich sint ge- 

taen 

[I30 r ] Und die mit dir behafft sint: 

Die selben dir aller sorglichste 

sint. 

4210 Also wann du fülest iemans 

wieder dich streben 
Und wieder din heile leben, 

So slage yn also hart 

Das er nit me wieder dich sij so 

hart; 

Und wan du ettliche sijhest 

4215 Irren und des gewar wirst, 


4182. Sij irrtümlich statt Es. ( Migne, Patr. lat. LXVI, col. 132). 

4187 ff. vgl. Vita S. Benedicti (Ex libro II 4204. dem. 

Dialogorum S. Gregorii Magni excerpta) Cap. 2 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




l)er Pilger wünscht eu dem Schwert eine Scheide und einen Gürtel. 


95 


Wann du syhest din hertze 

wencken 

Odir böse gedencke dencken, 

So du sijhest den gedanck uß- 

gan 

Von guden wegen odir unredelich 

gan, 

4220 Wan du den synne geneiget 

sijhest 

Uff wercke das unredelich ist, 

Dan sal din swert geschudet sin 

Und balde her vor getzogen sin: 

[J30*]Dar durch sal ieclicher sin ge¬ 
richtet 

4225 Und wieder an sine ende ge- 

slichtet. 

Nu duhe is alse wisseclich, 

Dan ich gan dar durch kurtz- 

lich.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘is 

stunde wol 

Und gefiele mir auch in myme 

synne wol 

4230 Das mir ein fuder von uch 

werden mochte, 

Das swert dar inn zu dun wan 

is dochte; 

Dan is also alletzijt zu dragen 

Konde ich nit wol gedun aen 

schaden. 

Es ist auch me, sant Benedictus 

4235 Drug daz swert auch nit alsus; 

Dan er daz umb sich gegurtet 

hatte 

Als der konnig yn da mit ge¬ 
gürtet hatte: 


Und das hant ir mich gelemet; 

Dar umb duchte mich ebent 

[131 »•] Das das swert uff die zijt einen 

gurtel hette 

4241 Und ein fuder, dar in er is ge¬ 
stoßen hette. 

Das wolde ich auch gerne also 

han, 

Mochte is mit uwerm willen sin 

getan.’ 

‘Sicher’, sprach sij, ‘du redes 

recht, 

4245 Und gefellet mir wol daz du alse 

siecht 

Myne worte verstanden haist; 

Dar umb ich dir dinen willen 

fast 

Erfüllen wil und dich da mit 

gurten, 

Das man dich dan auch müße 

fürchten.’ 

4250 Da sach ich sij gan 

Zu der Stangen da an 

Die ander wappen waren und 

hiengen 

Und die Stange umbflengen. 

[131*] Von dannen sij das fuder abe- 

bandt 

4255 Und brachte das und sprach zu 

hant: 

‘Hie ist das fuder dar in sant 

Benedictus 

Das swert det und drug in und 

uß: 

Is hait einen guden gürtel wol 

zu gürten 


oben auf Bl. 131 » Bild (37). versifieierter Text datu (schwärt mit roter Umrandung): 

131 r unten: Gots gnade gibt dem pilgerin 

Dm fuder von dem awerte sin, 

Das ist genant demutikeit, 

131o oben: Der gurtel ubonge in stedikeit 

Und die tartscbe vorsichtikeit. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



96 


Von der Scheide des Schwerts (l)emut). 


Und eine gude rincke hart zu 

steicken. 

4260 Nu nym is und hude das wol, 

Dan man is umb nicht verlieren 

sol! 

Das fuder mit syme rechten 

namen genant 

Ist und den demüdigen wol be- 

kant, 

Da inne du din swert herbergen 

[132r] Salt und din gerichte verbergen; 

4266 Und erkennest du in dir gudes 

icht 

Und daz du habest getan dis 

odir daz villicht 

Verbergen salt du is under das 

fuder, 

Das ist gemacht von eime dot- 

lichen lüder, 

4270 Mit gedencken und ertzellen 

Zu aller zijt und her vor stellen 

Das du dotlich bist und durch 

dich 

Daz nit haist getaen, dan durch 

mich. 

Gedencke an den uffenen sunder 

4275 Und an den andern glissener, 

Die underscheideclich hattent 

Yre swerte und die also drugent! 

Dan der das swerte in dem fuder 

hatte 

Und das er ein sunder were, be- 

kant hatte, 

4280 Wart gelediget und erhöhet 

[ 132 ”J Und der ander genydert und ver- 

smahet, 


Umb das er daz swert hie uß 

hatte 

Und daz in dem fuder nit en- 

hatte. 

Is ist besser sich entschuldigen 

4285 In syme beslosse und verduldigen 

Und sin fuder innen zu besehen 

Dan sin gerichte uffeclich lassen 

sehen 

Odir sprechen: “sehent, das ist 

myn swert, 

Das ich han uß der scheiden 

wert!” 

4290 Also dunt die hochfertigen, 

Folie windes und die uber- 

müdigen, 

Die nit süchent dan üppige ere 

Und das von yn alletzijt sij 

nuwe mere. 

Also salt du nit dun: 

4295 Du salt din swert in din fuder 

dun, 

Das verbergen und dich nydern 

Aen bedrug und dich demütigen; 

[J33»-] Dan die sache wirstu wol be¬ 
finden 

Wann du dich besiest vorn und 

binden. 

4300 Wann du is also in gestossen 

haist 

Und is in das fuder also getaen 

haist, 

Mit dem gurtel salt du dich 

gürten 

Und dine wappen hart bij dich 

gürtten, 


4259. h: striecken, Orig.: eatraindre. 4269. Orig.: d’une morte pel, h: von dot- 

4262. Orig.: Ce fourrel ai est apele Par liehen hnden. 
son droit non Humilitö; h: Daz fuder ist mit 4274 ff. vgl. Jmc. 18,10—14. 
syme rechte namB demudikeit genant. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Vom Gürtel des Schwerts (Beständigkeit) und der Schnalle (Härte). 


97 


Uff das du me sicherlich 
4305 Dine wappen dragest und stoff¬ 
lich; 

Dan is ist keinre der so wol ge- 

wappent sij 

Wo er unden nit wol beslossen 


sij, 

Gegürtet odir suß versorget hart, 
Das er möge sprechen sich wol 

gewappent sin; 

4310 Also das der swert gürtel dir 

muß sin 

Eins andern starcken gurteis 

wert, 

Wan so er umb dich gegurtet 
Und in sine rincke beslossen 

wirdt. 

Der gurtel heisset stedikeit 

[ 133 *] Und die rincke hartikeit,. 

4316 Die sich alletzijt bij ein ander 

halden 

Sollent und aen scheiden bij ein 

behalden; 

Dann in sturmen und in noeden 
Mag eins aen daz ander wenig 

nutze sin. 

4320 Der swert gurtel umb sine lenge 
Behelt die wappen bij ein in ge- 

drenge. 

Er heldet sij bij ein stedeclich, 
Wie wol er das swert auch 

heldet gelich; 
Er heldet sij das sij alletzijt an 

getaen 

4325 Sint und nit uß getaen 
Werdent umb keine Sache 
In keinen zijden, wie sich das 

mache. 

Die rincke heldet und hüdet 

wol 

Den riemen, der alletzijt sal 

4330 Hart beslossen sin und halden 

Deutsch« Text« des Mittelalters. XXV. 


[I34 r ] Die ander stucke, daz sij nit 

balde 

Uffgent, und heldet sij stedeclich, 
Das sij bij ein belibent sicher¬ 
lich. 

Sij ist das rechte sloß 
4335 Der wappen und ir besloß; 

Dan als du gefraget haist 
Diese Sachen, das gefellet inh¬ 
alier bast; 

Dann da ist nit is sij dir nutze- 

lich 

Und dar zu auch faste beqweme- 

lich. 

4340 Nu brache das als du salt, 

Dan du dyne große ere da mit 

schaffen salt!’ 

Da ich die worte also gehörte, 
Faste gedenckig und erschrocken 

ich wart; 

Dan von der luteronge 
4345 Was wenig myne meynonge; 

Dan ich wände daz mir lichtec- 

lich 

[134*] Das fuder werden solte und nit 

so swerlich; 

Doch hette ich gewollet wol 
Das das wammesch swere wol 
4350 Das ich an hatte, were uß ge¬ 
west; 

Doch leit ich mich 

Uff die zijt und antwerte da nit 

ich. 

Da sij mir von dem fuder also 

hatte gesaget, 

Balde sij einer ander rede ge¬ 
dacht : 

4355 ‘Nu wil ich dir aber sagen bas 
Von der tarschen die da was. 

Aen tarsche ist keinre gewappent 

wol 

Noch bewart odir behüdet wol; 

7 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



98 


Von dem Schild (Vorsicht). 


Dan die tarsche vor argeronge 

4360 Die ander wappen behudet vor 

schonunge: 

Durch sij sint die ander wappen 

behüdt, 

Das sij nit gebrochen werden, sij 

das dut; 

[235 »■] Dan so ferre sij dar vor ist, 

Die ander bewart sint mit guder 

list. 

4365 Die tartsche heißet vorsichtikeit, 
Die konnig Salmon drug in ge- 

wonheit 

Zu dun recht und gerichte, 

Und das ließ er durch nichte. 

Die tarsche was yme besser 

4370 Dan zweye hondert cronen mer 
Und dru hondert tarschen von 

golde 

Die er machte und in sin nuwe 

huß hencken wolde; 
Dan durch die tarsche wart er 

geeret 

Bij siner zijt und sin lop ge¬ 
nieret, 

4375 Und da er die dar nach verloß, 
Da was er von sinen eren bloß. 
Alle die tarschen von golde 
Und alle die cronen die er haben 

wolde, 

Warent yme nit eins herings 

wert 

[235»] Und gülden yme auch nie so 

viel; 

4381 Dan sij alle verlorn wurden 
Und doch von der tarschen be- 

hudt wurden 
So lange als er die bij yme drug. 

[4395.] Kustode unten auf Bl. 135*: Sij 

sal dich da mit. 


Aber balde dar nach wart er 

verlorn 

4385 Als er die tarsche hatte verlorn, 

Also das du dar durch magst ge¬ 
sehen, 

Obe du wilt, und auch vernemen 

Von dieser tarschen den wert: 

Die ist besser dan fhnff hondert 

gülden wert 

4390 Dar umb rade ich dir daz du sij 

träges 

Und dich und dine wappen da 

mit bewares, 

Da mit zu schirmen und zu 

spielen 

Wan du dine fiende syst zu dir 

ylen. 

Kanstu nit spielen mit dem bou- 

celere 

4395 Odir dich da mit behelffen sere, 

[136 r] Sij sal dich da mit wol leren 

spielen: 

Du- darfft ander meister nit 

fiele. 

Nu nym sij wan du gewappent 

bist 

Mit den andern wappen in der 

frist! 

4400 Is were wol zijt, obe du woldes, 

Sij zu nemen, obe du sij haben 

woldes, 

Und dar umb han ich sij dir ge¬ 
geben 

Mit uffgetanen henden eben. 

Nym si balde, du sij an und 

wappe dich wol, 

4405 Dan dir anders nit so gut sin 

soll’ 

4404. du sij an übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Der Pilger klagt, daß die Rüstung ihm zu schwer sei. 


99 


Da ich die reden also ver¬ 
standen hatte 

Und mir myn hertze gar sere 

erferet hatte, 

Dan ich nit hatte gewonet das 

Das ich also harte gewappent 

was, 

4410 Und an dem andern ich mich 

sere leit 

Vom wammesch, das ich drüg 

daz harte kleit. 

[13G»\ Doch umb yren willen 

Zu dun und den zu erfüllen, 

Versuchte ich zu dun die wappen 

an, 

4415 Und also hub ich an dem pantzer 

an 

Und det is über das wammesch 

an: 

Obe is gut were, darre ich nit 

gesan. 

Da ich is also hatte an getaen, 

Den zweyfeltigen krag ich da 

nam 

4420 Und lachte den umb mynen hals, 

Und dar nach stieß ich myn 

heubt als 

In den heim und verbarg das; 

Da nam ich die wynnebrot bas 

Und daz swert, daz ich da umb 

mich gurte bas. 

4425 Da ich also gewappent gieng, 


Die tarsche ich an myne sijtte 

hieng; 

Ich det alles als sij mir gesaget 

hatte, 

Wie wol ich kein wol gefallen 

dar an hatte. 

[ 137 '] Da ich mich also gewappent 

sach 

4430 Und ich die wappen fftlete nach 

Uff mir so krudelich und swere 

Und sij mich drucketen sere, 

Da antwerte ich Gnaden Gots: 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich bijden 

uch gnade 

4435 Das uch nuscht übel gefallen 

wolle 

Das ich uch myn ungemach 

clagen solle. 

Diese wappen ligent mir so 

harte an 

Das ich von stat nit kan gegan: 

Ich muß alhie zu male beliben 

4440 Odir die wappen ußdun und sij 

laßen lygen. 

[137>] Der helme zu aller erste 

Dut mir groß uberleste, 

Das ich glich bin verdurmelt, 

Geblendet und gedeubet 

4445 Daz mir gefellet, sehen ich nit; 

Was ich gerne wolde, hören ich 

nit; 

Durch den geroch ich nit fuelen: 


4406. die reden u. hatte tugeschr., nachdem 
hatte n. also u. das n. verstanden gestr. waren. 

4407. Vnd mir u. erferet hatte zugeschr., 
nachdem erschrocken was hinter sere getilgt war. 
Der ursprünglich im Anschluß an das Original 
mit 4407 anhebende Nachsatz muß nunmehr, 
wenn kein Anakoluth angenommen oder m 


v. 4407 eine Änderung (etwa Ich oder Sij statt 
Vnd) angebracht werden soll, v. 4410 beginnen; 
zu dem Und vgl. das Wortverzeichnis, h (4407): 
da wart mir myn hertz gar sere erferte. 

4409. harte über gestr. sere. 

4427. hatte n. mir gestr. u. a. d. Schl, gesetzt. 


nach 4432 auf geklebtes Bild (38) mit Nebenschrift rechts: Hie ist der weller gewappent 
vnd claget das die wappe zu swere sin. 

7* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




100 


Er will die Rüstung niederlegen und beruft sich dabei auf David. 


Daz duncket mich ein groß 

quelen. 

Dar nach der böse krag 
4450 (Das yme werde ein großer 

slag!) 

An dem halse meistert mich, 

Das mich duncket er wolle er¬ 
würgen mich; 

Er drucket mich daz ich nit kan 

reden 

Als ich wil, noch vort getreden 
4455 Odir daz mich lüstet, geslinden 

Daz mir zum lybe möge nütz 

bringen. 

Dar nach von dem wynnebrot 

weis ich wol 

[138r] i c h m yn brot da mit nit ge- 

wynnen sal: 

Soliche hentschue nit gut sint 
4460 Den den die hende weich sint. 

Die hende sint mir weich, daz 

ist mir leit, 

Und sij sint hart und breit; 

Ich mag sij also nit lange ge- 

lyden 

Aen mir we zu dün da myde. 

4465 Also sage ich auch von dem 

uberigen, 

Mich kurtz da von zu ledigen: 

Is krudet mich alles so gar sere 

Das mit kurtzen Worten nit mere 

Ich es ertzelen nit en kann, 

4470 Ich hette dan me synne dan ich 

noch han. 

Ich bin undergangen als David 

geschach, 


Der auch mit syme grossen un- 

gemach 

Gewappent wart, aber ylentlich 

Det er sij us und snelleclich; 

[138*] Dar umb wil ich dun als er, 

4476 Dan sin byzeichen wol gefellet 

mir. 

Alle myne wappen wil ich nider- 

werffen 

Und mich mit myme stabe be- 

helffen: 

Es ist besser snelleclich gan 
4480 Dan also belyben hie zu stan. 

Vorbaß gan konde ich nit 

Wo ich die wappen lechte nider 

nit, 

Und also wurde ich bedrogen 

In die hübsche stat zu gen, 

4485 Und bijden uch daz is uch ver- 

driesse nit 

Und auch das is uch versmahe 

nit.’ 

‘Sicher’, hait sij geantwert 

mir, 

‘Nu sehen ich wol daz du von 

mir 

Nit behalten haist daz ich dir 

han gesagt, 

4490 Und haist sere wenig dar an ge- 

daicht. 

Odir du gedenckest vil lichte 
[139 r] Das ich sij so gar lichte 

Das myne reden meren sien 

Odir das sij sient vol driegerien? 
4495 Wenest du is? so dich Got be- 

hüde, 


4450. yme üb. gestr. ir. 4468. Vor mit ist ich schxcare gestr. 

4452. duncket aus dunckt. 4469. es übergeschr. 

4455. Odir aus die. 4495. so üb. gestr. dz. behüde sugeschr. 

4462 aus Vnd sij so hart sint vnd bo breit, hint. gestr. G... 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Unwillig hält ihm Gottes Gnade vor, daß er kein Herz habe. 


101 


Sage mir is, so ee, so besser, 

uberlüde! ’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘durch Got 

gnadent mir, 

Also sollent nit gedencken ir! 

Ich weiß wol das ir sagent nicht 
4500 Is sij dan alles zu güde gericht; 

Aber myne crafft reichet nit so 

ferre 

Das die wappen swere 

Von mir lange gedragen werden 

mögen, 

Und ich auch nit in keynen 

zögen 

4505 Also das ich vergessen habe 

Uwer wort, sonder ich wol ge¬ 
dacht habe, 

Als ir zum ersten hant gesaget, 

Das mich die wappen am ersten 

krüden 

Und sere bekommern wurden, 
[J39*]Das sij die lange nit endeten, 

4511 Wann so ich der gewönet hette. 

Aber ich sagen uch das ichs nit 

gelernen kan, 

Umb das ich an mir fonden han 

So gar grösse kranckheit 
4515 Und an yn so grosse hartikeit: 

Und das sint Sachen die ungelich 

sint 

Und größlich wieder ein ander 

sint.’ 

‘War umb’, sprach sij, ‘hastu 

mir angetan 


Arbeit und mich ersucht dar an 

4520 Die wappen zu han wan du sij 

nit gelijden magst 

Odir auch nit getragen wilt den 

last ? ’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich ge¬ 
dacht nit dran, 

Da ir mich da bij dadent gan: 

Ich uch nit me geheischen habe 

4525 Dann einen beslagenen stabe; 

Aber da ir von den wappen mit 

mir retent 

[iw] Und mich die dar nach wisetent, 

Da forderte ich sij, dan ich 

waente 

Das myne stercke die dragen 

mochte, 

4530 Das nü zumale anders ist, 

Wan an mir keyne stercke ist. 

Das sehen ich wol, dan ich un- 

krefftig bin 

Wo ich nit balde entwappent 

bin.’ 

Dar uff sprach sij: ‘du haist 

nit 

4535 In dir zu male kein hertze nit. 

Es ist nit daran daz du nit ge- 
schuldert oder gebeynet sijst 
genug: 

Du werest groß und starg genüg 

Were es das eynig gut hertze 

hettestu; 

Dan vom hertzen kommet stercke 

des mannes nu 


4496. uberlide eugeschr. 4521 korr. aus Sij gelyden odir getragen 

4499. Ich üb. gestr. Ich, an dem korrigiert war. magt. 

4503. üb. dem e in lange ein n, wohl An- 4530. Das aus dann, dahinter is schwarz 
satz zu nit mögen eugeschr. gestr. 

4504 zwischengeschr. u. unglücklicher Flick- 4536 zwischengeschr. 

ters, dem im Orig. u. in h nichts entspricht. 4537. Du werest z. Anf. a. R. eugeschr. u. 

ich] l. ist ? ( H .) nit üb. d. Z. zugeschr. u. zu a. Schl, weres du gestr. 

Anf. des folgenden Verses gestr. 4539. nu zugeschr. 

4520. sij «. gelijden übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




102 


Er werde der Rüstung noch sehr bedürfen. 


4540 Als der appel vom stamme des 

appelbaumes. 

Was mag ein dein man sagen 

des, 

Der sich eyme kempen glich wil 

sagen? 

Fortestu dich wappen zu dragen 

[140*] Und umb krangheit entschuldi¬ 
gest dich? 

4545 Mochtes du auch nit vor dich 

Als vor einen andern die wappen 

lyden ? 

So du sij dreist dich zu behüden, 

Nit magst du sij gedran, als du 

sagest! 

Nu bijden ich dich aber, was du 

dün magst 

4550 So du ungewappent den weg hyn 

gast 

Und dich dine Agende ankomment 

Und dich dot zu slahen from- 

ment, 

So wirstu sicher sprechen: 

“ ouwe, 

War umb hastu dich entwappent 

ee? 

4555 War umb han ich nit glaubt 

Gots Gnaden? 

Dann bist du alle zu male be- 

drogen, 

Dan weistu wol waz ungefelle 

ist, 

Und das is nit so gar swere ist 


Die wappen zu dragen 

4560 Als solich wee zu lyden und zu 

verdragen! 

[i4i r ] Nu werent sij mir eine große 

freude, 

Die wappen, obe ich sij hette; 

ach leyder 

Mag ich nummer widerkommen 

odir ich solle 

Zu Gots Gnade, daz sij mich 

wappen wolle!” 

4565 Wan du also haist geschrijen 

Und uff den dot bist wont ge- 

slagen, 

Wenes du dan, daz dich Got 

hnde, 

Das ich gerne da hin gan solte 

myde, 

Wann du mir vor nit glaubt 

haist 

4570 Umb din bestes und diner eren 

last? 

Und me, obe ich wol dar gienge, 

Was ich dann da begienge? 

Yetzont saltu viel starcker sin 

Dan du dan mochtes ummer sin; 

4575 Dan wirstu gekrencket vast 

Von den wunden die du dan 

haist, 

Dwijle du nit ytze gedragen 

Die wappen magst odir gelyden; 

[141*] Als dann umb nust dar gienge 

ich 


4541. des sugeschr. 

4542. vor Bagen Rasur. 

4543. Fortestu dich a. R. zugeschr. u. a. 
SM. fochtest du dich gestr. 

4544. vmb üb. gestr. von. 

4545. nit vor üb. gestr. als ich. Hinter 
dich ist bydden gestr. 

4546. Als a. R. sugeschr. 

4547. dreist üb. gestr. vor. 


4548. das t in Kit üb. Rasur. du sij nit 
übergeschr., hier das n i t jedoch zu streichen. 
4550. den weg hyn übergeschr. 

4556. Dan bist du aus Nu bin ich. 

4560. ly de vnd zu übergeschr. 

4567. hude aus behude. 

4579. I. mit h umb sust wie 4580? Orig, 
beidemal pour nient. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




An David solle er sieh in anderer Beziehung ein Beispid nehmen. 


103 


4580 Und umb snst bekümmerte mich. 
Es ist ytze zijt an zu kleyden 
Die Wappen und nit langer zu 

beyden. 

Wiltu mir gleuben, du beheldest 

• • 
sij 

Umb dich und bewarest sij, 

4585 Uff das du dich da mit behelffest 
Wann is dir not düt und zijt ist. 
Sint sij swere, so ganck gemache, 
Dan gemechelich sere ferre man 

gan mach. 

Es geschiet dicke das daz aide 

wip viel ee, 

4590 Wann sij yren weg siechte ghee, 
Ist zu sant Jacob odir sant Joste 
Dan der der sin phert faste 
Sticht und siet arglich 
Und ridet sere scharfQich; 

4595 Dan er fyndet balder hindernisse 

me 

[142'] Dan das aide wip duhe ee, 

Die siecht yren weg geet. 

Von dem als ir redent von 

Davidt, 

Der sine wappen niderlachte zu 

einer zijt, 

4600 So sage ich dir, wiltu an yme 

nemen 

By Zeichen, so wil ich dich nit 

straffen, 

Also das du nit dan versteest 

wie 

Du dinen gront salt machen hie: 
Zum ersten saltu gedencken an 

4595. das r i» balder übergeschr. 

4603. vor Du fälschl. ein zweites wie. 

4606. L Reg. 9,1—2. 17,38—40. 

4608. Sauls son irrtüml. Hs., von h über¬ 
nommen; v. 4616 richtig Saul. Die eingesetzte 
Lesart folgt dem Orig, (pour le fil Cis, Saul). 

4611. zu vor swe’ übergeschr. 


4605 Sine kintheit, dan er waz klein 

man, 

Als die hystoria das besaget 

Auch waren die wappen yme nit 

begadet, 

Sonder sij waren vor SauZ, Cis 

son, 

Der der groste was in dem lande 

schon. 

4610 So saltu gedencken das sij waren 

gros, 

Von viel getzuges und yme zm 

swere und zu gros. 
[142 •} Also wann du die zwo Sachen 

haist geacht 

Flyßlich und wol bedaicht, 

So lachte sij David nieder 

4615 Mit gudem rechte und det sij uß 

wieder: 

Vor Saul waren sij gar gut, 

Aber vor David waren sij zemale 

nit gut. 

Dan was niemans gut ist, 

Dasselbe auch mir nit gut ist: 

4620 Das ist das als Aristotules spricht 

In syme buche das Etike genant 

ist. 

Aber were David gewest als du 

bist, 

So groß als er sijther wart, 

Und hette dann die wappen nider 

gelaicht, 

4625 So mochtes du wol an yn han 

gedaicht, 

An yme exempel zu nemen 

4620. Aristoteles, De moribus 10,5. Das 
Original hält sich enger an Aristoteles: 

Quar ce qui eat bon a mulon, 

Si n’est pas bon a estalon. 
h folgt unserer. Übersetzung. 

4622. gewest übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


104 


Trotz aller Warnungen legt der Pilger die Rüstung wirklich nieder. 


Und auch zu dun als er eben. 

Aber er hait nit also getaen 

[;43 r ] Noch dich also zu dun gelernet 

han; 

4680 Dan da er zu manne wart, 

Zu allen kriegen er wol ge- 

wappent wart: 

Is was keinre der gedencken 

dorste 

Das er ungewappent in kriege 

kommen dorste; 

Dann were er also dar in 

kommen, 

4635 Er were nit lebende wieder heim 

kommen. 

Die gewappent er alletzijt lieb 

hatte, 

Und von der zijt das er sich 

entwapent hatte 

Von den wappen Saul, ander 

wappen er drug, 

Da mit er Golyam dot slug: 

4640 Die waren yme gefuglich 

Und auch dar na faste beqweme- 

lich. 

Weres du als er was, ein kint, 

So mochtes du dun als er det, 

sint: 

So liede ich wol daz du in diner 

jungheit 

4645 Nit hettes also grosse arbeit; 

[143"] Aber du bist gros genug zu 

dragen 

Die wappen, woldes du nit ver- 

tzagen 

4631. wol übergeschr. 

4633. körne übergeschr. 

4649 ff. Orig.: et honte avoir devroies Se 

porter les (tu) refusoies; h: so soltestu dich 


Und woldes dich wol bewijsen; 

So dorffestu nit schäme lyden 
4650 Obe du ußslugest die wappen zu 

dragen: 

Das mochte dich nit ruwen in 

keinen dagen.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich ge¬ 
sehen wol 

Das ich an uch nit viel ge- 

wynnen sal 

Uch zu wieder sin und zu reden 
4655 Odir uwer Sachen zu wieder¬ 
reden ; 

Aber ich sage uch das ich muß 

niderlegen 

Das alles und kan des nit langer 

geplegen. 

Is ist nit ich dun is alles abe; 

Dan da ist nutscht davon ich 

freude habe: 

4660 Sij hant mich alle sere gemüdi- 

get, 

Gedrucket und gelediget’ 

Da sloß ich die rincke uff, 

[144 *■] Da mit giengen auch die wappen 

uff; 

Dar nach lachte ich nyder gurtel 

und swert 

4665 Und die tarsche, die was mir nit 

gar wert. 

Da sij mich gesach dun also, 

Balde sij mich straffette und 

sprach do: 

‘Die wijle du dich entwappen 

wilt 

schämen die wapen versagen zu dragen: yß 
mocht dich yemer me ruwS. 

4658. ich. 


vor 4666 auf geklebtes Bild (39) mit Nebenschrift rechts: Hie leget der weller die 
wappE nieder vnd claget das er sij nit gedragE mag. Unter den nicdergelegten Waffen ist 
hier auch ein Schild mit weißem Kreuz. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Als er ihrer aber ledig ist, befäUt ihn Angst. 


105 


Und die Wappen alle niderlegen 

wilt, 

4670 Zum mynnesten du mich bijden 

soldes 

Das ich dir suchen wolde 

Einen der so starg mochte sin 

Der mochte gedragen die wappen 

din; 

Der sij uff sine achssel lüde 
4675 Und dir die nach trüge, 

[144 »] Uff das du sij mochtes bij dich 

nemen 

Wan sij dir eben qwemen.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich hatte 

uch so sere 

Ertzurnet das ich uch nit mere 
4680 Solichs an gesuchen, aber yetzont 

Bijden ich uch flehelich zu stont.’ 

‘Nu beide mir’, sprach sij, ‘ein¬ 
wenig ! 

Ich bringen dir eynen, obe ich 

mag, 

Der dir die wappen wol getragen 

mag, 

4685 Dir nach alletzijt nacht und dag.’ 

Da gieng Gots Gnade von mir 

hien, 

Ich weiß nit wol wo sij gieng 

hien; 

Und ich beleih da alleyne 

Bis das ich mich gantz ent- 

wappent gemeine. 
4690 Den krag det ich abe, daz 

pantzer uß, 

Den helme abe, daz beingewant 

auch uß, 


Und behielt nit mee dan den sack 

Und auch mynen pilgerin stab. 
[145 *-] Da ich mich also entwappent 

sach, 

4695 Da was gar groß myn ungemach. 

‘Guder milder Got’, sprach ich, 

‘was sal ich dun, 

Das ich so viel arbeit han dun 

dun 

Gods Gnade, myne meisterynne, 

Mynre guden schaffenerynne ? 

4700 Nun hatte sij mich reyneclich 

Bereidt und wol adelich: 

Als einen graffen sij mich ge- 

wappent hatte 

Odir einen hertzogen, dar an nit 

viel gebrost hette. 

Aber wieder ire underwisongen 
4705 Und ire milde underrichtongen 
[145”] Han ich alles nidergelacht und 

ußgetaen 

Und der zu male nicht behalden 

han. 

Lieber Got, war umb ich verlorn 

han 

Myne crafft, war han ich sij 

getaen ? 

4710 War umb bin ich nit me 

krefftiger, 

Me starcker, me harter und me 

hafftiger, 

Das ich mochte gehalden 

Die wapen und sij behalden? 

Sicher ich were viel desta besser 
4715 Und hette mich Gods Gnade de- 

lieber: 


4671. dir üb. gestr. dich, vor wolde schwarz 4713. behalden üb. gestr. gelyden. 
gestr. lassen. 

vor 4694 auf geklebtes Bild (40) mit Nebenschrift rechts: Hie ist der weller gar er¬ 
schrocken. Er steht traurig da, die Linke am Auge, mit der Rechten auf den Stab gestützt. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



106 


Do schafft Gottes Gnade wieder Hilfe. 


Alle andern ertent mich de me 
Und föchtent mich und hettent 

mich desta lieber me. 
Aber is dauget nit, dan ich 

möchte icht 
Die gelyden inn keinen weg nit 
4720 Ich wil mich Gots Gnaden be- 

felhen 

Und alle zumale an sij laßen; 

Ich meyne sij solle mir helffen 

und mich nit lassen: 
[146r] sij hait ytze der gelich getaen, 
Dar umb ich der mer hoffen zu 

ir han; 

4725 Und mich zu machen wegefertig 
Ist sij balde enweg gangen gelich 
Yemans zu suchen und zu be- 

gaden 

Der mir die Wappen helffe 

dragen.’ 

Als ich in dem wesen also was 
4730 Und ich alleyne gedachte das, 

Da sag ich Gots Gnade, die 

braichte 

Eine dierne die nit hatte 
Kein äuge, als mich beduchte 

das. 

Aber da sij so nahe bij mich 

waz kommen 

[I46 f ] Und ich sij wol hatte gesehen, 
4736 Hinden uff yrem nacke 

Sij ir gesichte zu male da hatte; 

4716. ertent üb. gestr. hettent 

4718. (langet ü6. gestr. ist. icht aus nit. 

4724. 12. schlägt de statt der vor. 

4726. vor sij angefangener Buchstabe (b ?). 

4729. dem aus der. wesen üb. gestr. 
m&ssen. 

4730. ich übergeschr. 


Ir äugen sij gedecket hatte 

Und sag vor sich zu male nit. 
4740 Das was gar eine leyde geschieht, 

Als mich duchte, und gar wider¬ 
machte, 

Und das wonderte mich 

Gruwelich, und ich wart sere ge- 

denckicL 

Als ich das also gedachte 
4745 Und mich zu grossem wonder 

brachte, 

Gots Gnade rette zu mir und 

sprach: 

‘Nfi gesehen ich wol, nu gesehen 

ich, ach, 

Das du bist ein frommer rittere: 

Da du salt stryden mere, 

4750 Da hastu die wappen nider- 

gelaicht 

Und bist uberwonden aen slag. 
[147 r ] Du must ein badt han dich zu 

baden 

Und ein weich bette dich dar uff 

zu laden, 

Einen artzet dich wieder zu 

heylen 

4755 Dine adern und dir die recht zu 

deilen.’ 

# 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘des 

sollent ir sin 

Eine artzerynne und eine 

sterckerynne; 

4734. wz Übergeschr. Nach koffien ist 
was schwarz gestr. 

4735. sij übergeschr. gesehen aus be¬ 
sehen, dahinter das schwärt gestr. 

4736. Vor Hinden ist sij gestr. 

4737. Sij o. 12. zugeschr. 

4743. sere übergeschr. 


vor 4734 auf geklebtes Bild (41) mit Nebenschrift rechts: Godes gnade brlget dem 
welle’ gedechteniß die wappg zu dragen. Eine Frau im blauen Kleide (Gedächtnis ) wird von 
Gottes Gnade am Arme zu dem Pilger geführt. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Sie bringt eine Frau herbei, die dem Pilger die Rüstung nachtragen soll. 


107 


Dan ich bin so müde werlich 

Das ich die wappen sicherlich 
4760 Zu male nit gedragen möchte 

Wo ich nit me stercke haben 

möchte. 

Das ir nit übel betzalt werdent, 

bijden ich uch, 

Und das ir nit zurnent uch; 

Dan ich noch groß hoffen zu uch 

han 

4765 Und zu uch einen gantzen ge- 

truwen han.’ 

‘Nu’, sprach sij, ‘ich han dir 

fonden 

Diese dierne und her gewonnen 

Uß einre gegen die ist ferre, 
[747»] Dir zu helffen in dieser noit; 

4770 Dan ich sehen wol, hulffe dut dir 

not, 

Das du qwemest balde zu böser 

geschiet. 

Diese dierne du mit dir füren 

salt 

Und dine wappen ir befelhen 

salt; 

So sal sie die mit dir dragen 
4775 Uff das, wann is not wirt be- 

gaden, 

Als ich dir sagette, das du sij 

findes bereidt 

Und sij an dühest vor ander 

cleit; 


Dan hettestu sij nit alletzijt bij 

dir 

Und sie nit andedes zu noden 

dir, 

4780 So weres du balde dot und er- 

slagen 

Und braicht zu viel bösen dagen.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘von dem 

gesien 

Das ir mich hant laßen gesien, 
Wolde ich gerne wissen den 

namen, 

4785 War umb daz is also ist getaen. 

[748'-] Es ist eine verstalte sache 
Gheen mir und ungewonliche, 

Und ich meynte sicherliche, 

Als ich das hatte von uch ver¬ 
standen, 

4790 Das ir mir brengen soldet von 

andern landen 

Einen knecht starck und lichte, 
Der mir viel lichte 
Sollte sere helffen dragen; 

Dan der dierne helffe nit kan 

bejagen 

4795 Me dann ein büttgin helffen 

dragen: 

Die dierne mochte nummer mee 
Keine wappen gedragen noch ge- 

liden ee.’ 

‘Da von’, sprach sij, ‘wil ich 

dir sagen 


4759. sicherlich hint. gestr. guteclich. 

nach 4764 der zweitfolgende Vers schon be¬ 
gonnen: Nu sprach sij; dann diese Worte durch¬ 
strichen u. die zweite Hälfte der Zeile mit einem 
Striche ausgefüUt. neben der Zeile links a. R. v.ü 

4769. noit hint. gestr. sere. 

4770. dut üb. gestr. ich. not aus niet. 

4771. Statt Das liest h Oder. balde hint. 
du gestr. und vor zu übergeschr. 

4772. mit dir übergeschr. 


4773. befelhen üb. gestr. geben. 

4774. dir üb. gestr. ir. 

4775. is und wirt übergeschr., letzteres üb. 
gestr. is. begaden aus begadet. 

[4785.] Kustode unten auf Bl. 147": Es ist 
eine y’stalte. 

4793. vor sere gestr. helffen. 

4795. die ersten Buchstaben von büttgin 
auf Rasur. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





108 


Von der herbeigeholten Frau (Gedächtnis). 


Und auch kürtz gnüg antwerten 

dar an: 

4800 Diese dierne ist bekant 

Und mit yrem rechten namen 

genant 

Gedechtenisse, die nutschit ver- 

nymmet 

[Wö®] Von zu körnender zijt und nit 

gesicht; 

Aber von der alden zijt kan sij 

wol 

4805 Und vergangen Sachen gereden 

wol. 

Na der vergangen zijt und da 

hinden 

Mag man ir äugen und gesichte 

finden. 

Es ist nit eine verwonderte 

sache, 

Als du wenest, odir verstalte 

sache, 

4810 Sonder ist eine sache die not¬ 
dürftig ist 

Allen den die da hant den list, 

Die sich wollent zu vorsichtikeit 

machen 

In guder konst und guden Sachen. 

Sy weren lange sere verarmet, 

4815 Die schuler, hetten sij die schüler 

nit bewarnet 

Und hütte sij yn nit ir anheben, 

Das sij wisseut und gelernet 

haben; 

Dan die gekaufte sache ist 

wenig wert 


Wo man sij na dem kaufe nit 

heldet wert 

4820 Also das sij die äugen da hinden 

hait, 

[149 r] Dar umb sij hait der huderynne 

stat 

Und ist eine schatzhelderynne 

der künste 

Und der wißheit große günste. 
Und dar nach saltu wissen 

4825 Das alle synne und wyssen 
Hüdet sij und dreyt die mit ir 
Und hait die an allen enden bij 

ir; 

Und dustu sij huden und dragen 
Und die Wappen also mit dir 

dragen, 

4830 So wirt sij is dun 

Und dar inn keinen wiederstant 

dun. 

Sij ist also starg die zu dragen 
Als sij mechtig ist die zu huden 

zu ewigen dagen. 
Und nit versmahe das, 

4835 Als du vor haist gesaget bas 
Und sij hast gehalden vor eine 

dierne an 

Die nit dan ein büttgin solde 

dran; 

[149’] Ee saltu dich selbs versmahen, 
Wann du na dir selbs woldes 

fragen; 

4840 Dan das du nit magst gedragen, 
Das dreit sij wol und ist nit 

überladen 


4799. gnüg übergeschr. 

4803. zijt vnd üb. gestr. sache. 

4808. nit übergeschr. 

4812. sich üb. gestr. da. zu übergeschr. 
4815. Die schuler üb. gestr. die schuler. 


I. mit h hette ? auch das zweite die schüler 
Übergeschr., dabei schüler etwas verwischt. 

4822. schätz üb. gestr. stat 

4823. der üb. gestr. von. 

4837. üb. dem b in büttgin Tintenfleck, 
desfuilb noch einmal ein b übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Nachdem ihr die Rüstung auf geladen, geht der Pilger Moses um sein Brot an. 109 


Und dut ir auch nit we. 

Es were irrongen und schänden 

viel me 

Und wurde din auch viel ge¬ 
spottet me 

4845 Dan das ein knecht sij gedragen 

hette 

Der starg und krefftig gewest 

hette; 

Und also vordechteclich 
Sij herbraicht han ich 
Uff das, wann sij die wappen 

hait 

4850 Geladen und gedragen hait, 

Das du dich auch zu dragen ver¬ 
suchest 

I 

Odir aber davon große schände 

lydest.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘dwijle 

is also ist, 

[ 15 ° r ] Sage ich zu uch nit und wider¬ 
sprechen icht 

4855 Konde ich nit wol: 

Nu sient alle uffgehaben wol 
Die wappen und uff sij geladen 

zu mal; 

So han ich gedacht vor zu gan, 
So wirt sij mir nachgan.’ 

4860 Da hüben ich und sij die uff 
Und luden sij Gedechteniße uff, 
Und die nam sij gewilliclich, 

Als das auch was not gelich. 

Da sij waren also uffgeladen, 

4865 Gots Gnade von yren gnaden 


Rette zu mir gar sußeclich 
[150»] Mit den Worten und sprach mil- 

declich: 

‘Nun’, sprach sij, ‘bistu bereydt 

Zu gan in die hübsche stat breit. 
4870 Du hast Gedechteniß, dine drege- 

rynne, 

Die dir nachgan sal von hynnen; 

Die sal dragen die wappen din 

Dich zu wappen wan is zijt sal 

sin. 

Du haist den sack und den stab, 
4875 Hubscher dan yeman hait ge¬ 
habt; 

Von allen stucken weres du wol 

ußgeracht, 

Hettestu Moyses brot bij dir ge¬ 
habt. 

Gang und nym des, du hast sin 

laubes, 

Wie wol du des nit verdienet 

habes, 

4880 Und hüde dich wol das du des 

Das du dun salt, nit ubertredes, 

Als du haist gesehen daz man 

dun sal, 

\l'>l r ] Und das auch da bij erkant wol!’ 

Aida gieng ich zu Moysen 
4885 Und hiesch yme sins brodes mir 

geben. 

Das was des uffhabes den er gab 

Den pilgerin und erleubet hait: 

Er gab mir is, und ich nam das 

Und lachte in mynen sack das. 


4843. Es were üb. gestr. So wirt. vnd 4844. wurde übergeschr. me nach viel 
schände übergeschr. gestr. u. a. d. Schl, gesetzt. 

vor 4860 Büd (42) mit Nebenschrift rechts: gotts gnade vnd der pilgerin ladent 
gedechtenisse [verschrieben: gededechtenisse] die wappB uff. 

nach 4889 Bild (43) mit Nebenschrift rechts: Hie fordert der pilgerin des uffhabes an 
Moysen. Moses erscheint hier nicht mit dem Bischofshut, sondern gehörnt. Mit der Rechten 
bietet er dem Pilger das Brot dar, in der Linken hält er ein Brotkörbchen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


110 


Gotte» Gnade mH von nun an unsichtbar um den Pilger »ein. 


4890 Dar nach ich mich zu Gots 

Gnade wante 
Und yr yres gudes sere danckete 
Und bat sij das sij mich nit 

laßen wolde 

Odir auch von mir nit scheiden 

wolte 

Und das sij in mynen noeden mir 

4895 Nit wolde ferre sin von mir; 

[151*] Dann, als sij sagete, wiste ich 

wol 

Das ich aen sij nit gedun odir 

schaffen sol. 

‘Sicher’, sprach sij, ‘gewerlich, 
Aen mich schaffest du nit sicher¬ 
lich 

4900 Und weres gar balde uberwonden, 
Hettest du nit hude an mir fon- 

den; 

Und dust wißlich das du forderst 
Solichs das dir dann not ist. 

Und umb das die begeronge din 

4905 Mich nit düncket unredelich sin, 
Dar umb bin ich in willen zu 

gan mit dir 

Uff dis male und nit scheiden 

von dir, 

Ich werde dan ertzornet von dir.’ 

[ir> 2 r] ‘Frauwe’, sprach ich, ‘grossen 

danck! 

4910 Nu han ich genug aen wanck.’ 

‘Nu verstant’, sprach sij, ‘wie 
Ich willen han mit dir zu gan 

hie: 

Is sint ettliche die hant getruwen 
In ire frunde und auch dar zu 

hoffen 

4915 Also groß daz sij des genug ent- 

geldent; 


Dan sij gedenckent daz sij sij 

behalden wollent 
Und uberhaben werdent durch 

sij zu stunt 
Obe sij eynich übel gedaen hant 

odir dunt: 

Also das du dich dar uff nit 

fydest 

4920 Zu male an mich odir dar an 

stur es t, 

Uff das du nit übel duhest 
In fidonge daz du von mir nit 

uberhaben siest 
Von dyme gesichte odir den 

äugen din 

Wil ich nit angesehen sin. 

4925 Ich han einen stein, der ist dar 

zu geachtet 

Das er die lüde, wan ich wil, 

unsichtlich machet 
Durch den verdrucken ich mich 
Vor dinen äugen und verbergen 

mich, 

Also daz du wenest ich sij bij 

dir, 

4930 So bin ich anderswo ferre von 

dir 

[152’'] Uff eime andern wege von dir 

gekert; 

Und das ist wann so du dich 

verkert 

Haist und anders dust dan du 

billich salt; 

Wann du nit fragest balt 

4935 Den weg da du hin gaen salt, 
Und wann du den guden weg 

lessest 

Und den bösen weg ußgest, 

Also das du wol wyseclich 


nach 4898 Bild (44) mit Nebenschrift rechts: der pilgeryn dancket gnaden gotts. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Der Pilger beschließt den 1. Teil seiner Traumerzählung. 


111 


Dich versynnest an zu gan itze 

gelich; 

4940 Dan ich ytze mit dem steine 

arbeiden wil 

Und mich des gheen dir ge¬ 
brachen wil, 

Und itze an scheiden ich mich 

Von dinen angen und dyme ge¬ 
sichte.’ 

Also balde sij das hatte gesagt, 
4945 Sag ich sij nit me, da waz mir 

lachen versagt; 

Myn hertze des sere trarig was, 

Es knnde aber dar zu geduu nit 

baß. 

[153 r] Doch mynen weg zu gan, 

Als ich den angeslagen han, 

4950 Wil ich nit underwegen lassen; 

Dan ich wil mich yetz dar an 

laßen. 

Zu Gedechtenisse sprach ich daz 

sij qweme 

Und myne wappen mit ir neme 

Und die brechte mit ir 
4955 Und der keins vergesse mir. 

Siecher sij det yme also, 

Sij bracht sij alle und ließ keins 

do, 

Und des was große not viel; 
[153»J Dann dar nach fant ich hinde- 

ronge so viel: 


4960 Were ich nit mit wappen bewart 

gewest, 

So were ich dicke dot gewest; 

Nit das ich sij alle male an 

dede 

Zu mynen noeden odir daz ich 

sij neme; 

Dann dicke durch myne trakeit 
4965 Leyde ich manichen schoß und 

leit 

Die ich nit gelieden hette 

Der mich wol gewappent hette. 

Nun han ich gesaget aen hin- 

derwan 

Ein deile des draumes den ich 

getreumet han; 
4970 Das uberige wil ich uch ertzelen 

lan 

Her nach so ich die müße han, 

Und ir werdent daz lieber hören 

Wann ir einwenig gerüwet 

weren. 

Aen underlaß alles verdrüßet, 

4975 Schon weder und auch so is 

gusset. 

[*54 r ] Ein ander male komment her 

wieder, 

Wollent ir is vort hören sieder; 

Da tuschen bedencken ich mich 

Recht zu sagen waz gedreümette 

ich. 


Hie hait das erste buch ein ende Und hebet sich das zweite an 

am ende. 


Oben auf Bl. 153 r , üb. dem Bilde, sind die Frauwe sprach ich grossen danck 

beiden ersten Verse von Bl. 152, welches zum Na han ich genug ane wanck. 

Nachholen eines vergessenen Passus eingelegt 4949. vor han gestr. gehabt. 

wurde, gestrichen: 4959. so übergeschr. 

vor 4948 auf geklebtes Büd ( 45) mit Nebenschrift rechts: Hie geet der pilgery hynweg 
ynd gedechtenisse die yme syne wappen dreit. rechts oben über dem Bilde xlv. Gedächtnis 
hält den voranschreitenden Pilger mit einer an das rechte Bein gebundenen Leine. 

unter der Unterschrift des 1. Buches angefangenes Bild, nur Federumrisse: Der Pilger 
steht mit erhobenen Händen vor Gottes Gnade. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




112 


Neue Erlebnisse des Pilgers: Ein Bauer (Grobes Verständnis) tritt ihm entgegen. 


4980 Nach dem das ich uch vor ge- 

saget han 

Von dem das ich sag und ge- 

dreumet han, 

Ander wonder, die ich sijther 

sach, 

Als ich daz zum ersten verjach, 
Uch wil ich verkünden und er- 

tzelen, 

[154*] Dan is were nit billich zuver- 

helen. 

4986 Als ich allerdinge gestalt was 
Mynen weg zu gan und bereit 

was, 

Ich fieng an sere zu gedencken 
War umb is were das ich aen 

wencken 

4990 Die wappen nit gedragen mochte 
Und das ich so große krafft nit 

han mochte 

Als dann die dierne hatte 
Die sij mir nach gedragen hatte. 
‘Nu bin ich’, sprach ich, ‘ein 

man 

4995 Der da ist eyme kemppen glich 

getaen, 

Und weiß mich nit bresthafft sin, 
Sonder an allen mynen gliedern 

gesont sin, 

Und bin gestalt zu dragen nu 
Die dirne und ire bürden dar zu. 

5000 Wo kommet daz her das ich so 

fellig bin 




Und von krafft so unmechtig bin 
Das ich das daz ich sij han ge- 

sien dragen, 

Eine stonde nit mag gedragen? 
Das ist eine große schände mir 
Das sij me stercke hait dan ich 

an mir.’ 


Also als ich gedachte das 
Und in gedencken gienge vorbaß. 
Ein großer gebure ungestalt, 
Gedreet und wiederstalt, 

5010 Der einen hagedornen stab 
Drug (als ein böse knab 
Schein er sin und ein böse pilge¬ 
rin), 

Der begegent mir in dem wege 

myn. 

‘Was ist dis’, sprach er, ‘war sal 

ich gan, 

[755*] Dieser pilgerin war wilt er gan? 
5016 Er ist nu wol bereidt, 

Als yn duncket, und gestalt, 

Aber er muß mir is lassen balt 
Und myner fragen antwerten.’ 
5020 Da ich yn also gehörte reden, 
Gröblich wart ich mich erferen; 
Dan ich wände das er mich an- 

lauffen solde 

Und des auch nit langer beiden 

wolde. 

Doch gar zuchtenclich 
5025 Rette ich zu yme und demütenc- 

lich: 


5008. Einen großen Hs. (auch h). Unser 
Übersetzer hat v. 5013 zuerst wahrscheinlich 
Begegenete ich oder ähnl. schreiben wollen im 
Anschluß an das Orig. (Un grant yillain ... 
Ai encontre). 


5010. hagedornen üb. gestr. wackolder. 

5014. ich versehentlich für er; Orig.: on 
ira ce pelerin, Diex, ou ira? 

5015. wilt gleich üb. gestr. sal geschr. 


vor 5006 auf geklebtes Bild (46) mit Nebenschrift rechts: grob v'stenteniase hindert 
vnd heldet den pilgeryfi vff. Ein Bauer (Grobes Verständnis) mit einer gelben Kapuze um den 
Kopf und einem Knittel in der Hand. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Indes kommt Rechtes Verständnis dem Pilger zu Hilfe . 


113 


‘Herresprach ich, ‘ich bijden 

uch 

Das ir mir nit schaden und mich 

hindernt noch 

An mynem wege und gange; 

Dan ich myne biedefarte ferre 

gange, 

ö030 Und einwenig hinderongen 

Moch mir großen unstaden 

brengen.’ 

[i56 r ] ‘Sicher’, sprach er, ‘die irronge 

Kommet von dinre uberwenonge. 

Wo kommet is dir her, das dich 

Got hfitte, 

5035 Und war umb bistu von uber- 

müte 

Das du tarst ubertreden die ge- 

setze 

Die der konnig nu hait wollen 

setzen ? 

Es ist lang das der konnig ver- 

bodt 

Das keinre sacke dragen solt 

5040 Und dar zu auch keinen stab; 

Und du wieder sin ordenonge 

Durch dine dorhette uberwenonge 

Eins und auch das ander 

Zu dragen haist understanden. 

5045 Wo kommet is dir odir wie ge- 

darstu her 

Kommen, wie bistu so kune? 

Übel queme du her, übel kom- 

mestu von hynnen, 

Und ist böse daz du sij haist 
herbraicht mit dinen synnen. 

[ /ö6 *l Besser were du hettes dich vor 

bedaicht: 


5050 Noch nye in allen dinen dagen 

Hast du nye großer dorheit be- 

jagen.’ 

Da ich die worte also verstunt, 

Me dann vor ich erschrocken 

stünt; 

Dan ich wiste ein antwert nit 

5055 Und konde yme auch geant- 

werten nit. 

Ich hette einen vorsprechen ge¬ 
wonnen 

Hette ich einen finden können; 

Dan ich sin wol hette bedorfft: 

Ich hette yn gesucht wo ich 

hette gemocht. 

5060 Doch da ich also gedachte 

Wie ich dannen kommen mochte, 

Hub ich die äugen uff und sach 

kommen 

Das das ich lange gern hette 

vernommen: 

Das was frauwe Recht Verstente- 

niße, die wijse, 

5065 Die man wol kennet an yrer 

wijse; 

[157*] Dann sij nit saget is sij dan ge- 

ordeniret, 

Wol gestalt und gepürrieret. 

Andermale hatte ich sij gesehen 

me, 

Dar umb erkante ich sij desta ee. 

5070 Ich was gar frohe da ich sij 

sach; 

Dann ich sach das durch sij 

groß ungemach 

Dem gebure geschee und wurde 

von ir begrienen 


5034. is «. her ubergeschr.; n. hätte ist liehe Fassung folgte dem Orig.: Et pour quoi 

her gestr. es et tex et quiex. 

5035. von vbermüte üb. gestr. der vnd; da- 5042. vor Durch gestr. durch. 

hinter der zu streichen vergessen. Die Ursprung- 5048. mit ding synng zugeschr. 

5051. Hast üb. gestr. mochte». 

Deutsche Texte des Mittelalter*. XXV. g 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



114 Rechtes Verst. tritt Grobem Verst. entgegen und weist einen Brief von Gnade vor. 


Der mich so hart hatte an- 

gegrienen, 

Als er auch zum lesten wart, 

5075 Und bijden uch das ir versteent 

wie daz geschach! 

Recht Verstenteniße gieng 

strag bij yn 
Und sprach: ‘gehöre, wie ist dyn 

synn, 

So dich Got hüde, war zu dienest 

du 

[IM*] Und schynest so wünderlich sin 

du? 

5080 Bistu kremer odir falckener 
Odir der die hie hyn geent, ein 

spyer ? 

Wie heißest du und wo hastu 

gehauwen 

Dinen stab, da mit du haist ge- 

drauwen, 

Odir wo hastu yn genommen sijt? 

5085 Dann is ist keyn gut stab nit, 
Der da sie bequemelich 
Eyme biedermanne odir erlich.’ 

Aida hait der gebure 
Genommen uff syme stabe eine 

sture 

5090 Und sprach: ‘sint ir meygerynue 
Odir eine nuwe ersücherynne ? 
Laßent sehen uwer befelhonge! 

So erfaren ich zum mynnesten 

uwer name 

Und obe ir habent so große 

macht 

5095 Als ir mir daz hant vorgelacht; 
Dan were ich des nit sicher, 

So gebe ich uch keine antwert 

sicher.’ 


[JoS*-] Da stieß Recht Verstentenisse 

yre hant 

Durch ein loch inn yren busem 

zu hant 

5100 Und hait dar uß eine buhße 

braichte, 

Dar uß sij einen brieff laichte; 

Und da hait sij zu yme also ge¬ 
sagt: 

‘Sicher ich sal dich myne macht 

Gar balde laßen sehen und hören. 

5105 Lese da, so magstu mynen namen 

hören 

Und myne macht, wer ich bin, 

War umb ich her kommen bin!’ 

‘Sicher’, sprach er, ‘ich bin kein 

schuler nit, 

Ich kann in uwern biedern 

nicht: 

[758*] Also ir wollent, also lesent, 

5111 Dann ich achten sij wenig, das 

wissent! ’ 

‘Lieber herre’, sprach sij, ‘iß ist 

nit yederman 

Der uwern synne wolle han; 

Sij sint von viel luden gut ge¬ 
achtet, 

5115 Lieb gehabt und wol bedrachtet; 

Nit de mynre mössent ir sij 

hören, 

Myn schuler wollen mich dan 

alle nit erhören. 

Uß argenwaen wil ich uch 

brengen 

Und was macht ich han, uch 

Vorbringen. 

5120 Komme her, schuler’, sprach sij 

zu mir, 


vor 5076 Bild (47) mit Nebenschrift rechts: Hechte v’atenteniaae Redet mit grobe 
Vstentenisse. 

vor 5098 Bild (48) mit Nebenschrift rechts: Rechte v’atenteniMe gibt brieffe grobe 
v’stentenisse. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Gnade läßt Grobes Verst. zur Niederlegung seines Stabes auffordem. 


115 


‘Und duhe den brieff uß den fel- 

den mir 

Und lese vor diesem knaben, 

Der wenet daz er macht solle 

haben! 

So er die hie höret lesen, 

5125 Wil Got, er sal mir antwert 

geben.’ 

1*59 r ] Da nam ich die und sij da laß, 
Da von dem gehöre nit wol was 
Genughafft, dan er alles grom- 

mete 

Und auch das kynne wegette; 

5130 Zu ieclichen wort das ich laß, 

Er sine zende beiß zu sammen 

baß. 

Von dem brieffe wollent ir hören, 
So mogent ir den inhalt also 

hören : 

‘Gots Gnade, durch die sich 

regieren 

5135 Sollen alle konnige und guber- 

nyeren, 

An Recht Verstenteniße, die uns 

lieb ist 

Und in allen guden Sachen be¬ 
wert ist, 

Unsern grüß und daz wir uch 

entbieden 

[ 7 p ] Begern eine gantze ußrichtonge! 

5140 Wir han verstanden nuwelicli, 
Das uns nit gut duncket odir 

hofelich, 

Das ein übel smackender gebäre, 
Kromp, unbeqweme und süre, 

Der sich dut erkennen 


5145 Und mit syme namen Grob Ver¬ 
stenteniße nennen, 
Hait sich gemacht ein spier der 

Straßen 

Und störer der pilgerin in alle 

maßen, 

Und wilt yn ir stebe nemen 
Und ire secke abenemen, 

5150 Sij zu erferen mit drauwe Worten 
Und mit erdachtenen Worten; 

Und umb daz er desta me ge¬ 
fallen sij. 

So hait er entlehent da bij 
Umb hoffart einen bösen wunder¬ 
lichen stab, 

5155 Der “ versteynonge ” den namen 

hab: 

[i 60 r]D er selbe uns in unserme mät 
Ubeler gefallet dan der gebäre 

dät: 

Umb weliche Sache wir dir ent¬ 
bieden 

Und dir auch da mit gebieden 

5160 Das du geest in die art 

Und warnest den selben coquart 
Das er den stab nider wolle 

legen 

Und das uberige laßen under- 

wegen. 

Und obe er sich icht dar wieder 

stellen wolte 

5165 Und dir nit gehorsam sin wolte, 
So saltu yme eyn gefueglich ziel 

setzen 

Und yme dann einen gelegen dag 

setzen 


5127. dem aus der. 5167. zu Anf. So saltu gestr. Vnd u. dau 

5166 zvoischengeschr. übergeschr. 

vor 5126 auf geklebtes Bild (49) mit Nebenschrift rechts: grobe v’stentenisae höret die 
brieffe die Bechte v’stenteniase bracht hait. Der Pilger liest Grobem Verständnis den Brief 
ror, Rechtes Verständnis steht hinter ihm. 

8 * 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



116 


Disputation zwischen Rechtem und Grobem Verständnis. 


Zu den dedingen des gerichtes, 
Und salt yme dez vergessen 

nychts. 

5170 Des geben wir dir gantze macht 
Und befelhonge in unser acht. 
Geben in unserm jare, das ieder- 

man 

Dusent drijhondert und xxxj 

nennen kan.’ 

Da das alles gelesen was, 

[160*] So horent wie Recht Verstente- 

niße das 

5176 Yren brieff wieder gehalten det 
Und dar nach zu dem gebure 

gesprochen hette 
Und sagette yme diese wort: 

‘Nu hant ir, lieber herre, gehört 
5180 Myne macht und war umb ich 

bin kommen her. 
> Wollent ir nu mir'antwerten mer 
Von dem daz ich uch gefraget 

han?’ 

Da sprach der gebure: ‘wer sint 

ir dann ? ’ — 

‘Wer ich sij? so mir sant Ger¬ 
man, 

5185 Han ich uch nit gehören lan 
Das man ytze hie gelesen hait? 
Gedacht ir icht an uwer liebe 
Odir daz uch bürg odir thorn zu 

machen geliebe ? ’ — 
[16D] ‘Jch han wol, so mir sant Symon, 

gehört 

5169 ewischengeschr. 

5187. Die Hs. hat unser; aber Orig, (vos) 
und h (uwer) erweisen den Fehler. 

[5188.] Kustode unten auf Bl. 160*: Ich 
han wol so mir sant. 


5190 Das ir sint Recht Verstentenisse 

genant wort; 

Aber umb das is ist ein ver- 

mereter name, 

Dar umb ich auch gefraget han 

Wer ir syent, und daz mit gudem 

recht.’ 

‘Vermeret name, so mir sant 

Rupprecht’, 

5195 Sprach Recht Verstenteniß, ‘wo 

hant ir daz fonden?’ — 

‘In der mülen da ich mich han 

fonden. 

Da irrent ir felscheclich 

Und stelent den luden ir körn 

boßlich.’ 

‘Lieber herre’, sprach sij, ‘nu 

horent baß 

5200 Zweie deine wort und verstent 

das! 

Ubelsprechen ist nit kunheit: 

Ir redent nit als der wijse deit 

In solicher mülen hant ir vil- 

lichte das 

Mas gesehen das also genant was 

5205 Rechtikeit, das auch dar umb ge- 

scheen was 

Sin ungerechtikeit da mit zu ver¬ 
bergen ; 

Dar umb was is nit Recht Ver- 

stenteniße genant, 

Sonder is ist zu bedrog und drü- 

gerie gewant; 

5194. sant Rupprecht statt Saint Benoit des 
Orig, (in h der Zwischenruf ganz fehlend). 

5195. verstenteniß verbessert aus vereten- 
stSteniß. 


vor 5189 auf geklebtes Bild (50) mit Nebenschrift rechts: grobe v’stentenme Redet 
wider Rechte v’atenteniase. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Disputation zwischen Rechtem und Grobem Verständnis. 


117 


Dan tuschen dem namen und 

dem rechten wesen 

5210 Mag wol groß underscheit wesen. 

Es ist ein ding Gelich Verstente- 

niße han 

Und daz ander nit dan den 

namen han. 

Mit myme namen sich decken 

Mag einre und sinen unrait da 

mit decken. 

5215 Diese sache ist gescheen zu 

massen 

Dicke und viel in manichen 

gassen: 

Das, der nit hübsch ist, sich 

zieret 

Und der böse ist, sich einfeldich 

formieret. 

[162 r] Alle schänden dunt gerne das 

5220 Und deckent sich dicke da mit 

debas, 

Mit eyme namen der wieder die 

dugent ist, 

Umb das sij den luden debas ge¬ 
fallen ist; 

Und ist doch dar umb die dogent 

nit desta böser 

Noch umb eynen halme desta 

snöder, 

5225 Sonder es ist ein Zeichen daz sij 

gut ist, 

Wann die undugent da mit ge- 
cleidet und getzieret ist, 

Also das du mit mynen namen 


Daz mas gut machen woldes und 

geliehen; 

Dar umb bin ich nit vermeret, 
5230 Aber ich sal des me geeret 

Und auch gewirdiget sin 

Von den die von gudem ver- 

stenteniße sin.’ 

‘Was ist dis’, sprach er, ‘daz 

Got walt! 

Hant ir den spiele stab umbe- 

gewant, 

5235 Das ir dez wollent gelobet sin 
[ 162 *] Des ein ander gescholden müste 

sin? 

Rente ich nit fliegen in der 

milch, 

So were myn rede nach uwerme 

sagen unbillich. 

Ir dorffent nit wenen, 

5240 Wann ich hören honde odir 

katzen nennen, 

Das das kuwe odir ochssen sin, 

Sonder is muß eine katze odir 

hont sin. 

An yrem namen kennen ich sij 

wol, 

Dan yre namen und sij eins sin 

sol; 

5245 Und obe ir Gelich Verstenteniße 

sint genant, 

So sage ich das ir also sint be- 

kant; 

Und wo gelich daz meß stylet 

das körn, 


5214. Vnrait üb. schwarz geslr. Vnflat. 
5223. nit gleich übergeschr. 

5225. ein aus eine. 

5226. gecleidet aus gecl&det. vnd ge¬ 
tzieret übergeschr. 

5230. vor me schwarz gestr. sin. 


5233. Initiale schwarz mit roter Füllung. 
got aus golt. 

5235. dez übergeschr. 

5241. vor kuwe schwarz gestr. eine. 

5244. yre aus yrö. 

5247. dz meß übergeschr.; vgl. 5203 ff.; 
Orig.: Raison, h: gerechtikeit 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




118 


Disputation zwischen Rechtem und Grobem Verständnis. 


So sage ich daz is von uch ist 

veretolen. 

Und das konde uch das wasser 

nit 

5250 Das die mule umbedrybet, abe 

geweschen nit. 

Durch uwer manigfeldige ver- 

stalte worte, 

Die ir so wol hant gerümet 

dorte, 

[163') Und dar umb zumale nit wenent 

Das ir mich daz anders verstan 

dun konnent!’ 

5255 Da zu male mit underlachen 

Glich Verstenteniße mit schympe 

verfachen 

Sprach: ‘nu gesehen ich wol 

Das ir sint von kunst gelert wol 

Und das ir mit uwerme geferte, 

5260 Daz ir vornement hohe und 

herte, 

Konnent wol hübsche exempel 

brengen 

Subtileclich und die nit ver¬ 
engen. 

Wer uch die pantze ettwas 

großer, 

So schfnent ir viele desta besser.’ 

5265 ‘0’, sprach er, ‘spottent ir myn?’ 

‘Daz dun ich’, sprach Verstente¬ 
niße, ‘und laßen daz sin 

Und wil uwer spotten noch mee, 


Bis das mir wol entstee 

Uwer name als uch ist der 

myne; 

5270 Und wissent das ir nit hant 
V 63 ’] Keine ere da mit den zu nennen 

mir; 

Ich weis nit waz ir habent den 

zu verewigen geen mir.’ 

‘Ere’, sprach er, ‘was sagent ir? 

Die unere die hant ir. 

5275 Mynen namen ir in uwern bie¬ 
dern hant, 

Und nu erste dar nach gefraget 

hant? 

Ir glichent dem der uff sime esel 

ridet 

Und yn auch süchen rydet 

Ich weiß nit was das bet&det, 
5280 Nit dan einen spot is bedudet.’ 

‘Ha’, sprach sij, ‘sint ir der 

Der in myne brieffe gestalt ist 

her? 

Den namen wiste ich da inne 

wol, 

Aber ich kante uch nit wol. 

5285 Ich hatte eine meynonge von 

myme name, 

Die ist nit als myn gedenckonge 

qwame; 

Dann mit myme namen mag sich 

verhelen 

Ein diep der da geet Stelen; 


5248. ich ror is u. v’lorn vnd vor ver- 
stolen gestr. 

5249. uch übergeschr. 

5251. v’stalte übergeschr. 

5253. Zu dem ßr uns pleonastischen und 
vgl. d. Wortverz. 

5256. verfachen = verfangen? 

5258. sint üb. gestr. hant. 

5260 zwischengeschr. 

5263. die aus der. pantze üb. gestr. buch. 


5271 aus Keine ere mit ir au b... den 
hant Ist nit nur zu zu ergänzen? Orig.: con- 
celer, h: uerhelen. 

5272 zwischengeschr. was statt weis 
(weiß h) Hs. 

5275. vor bled’n gestr. bed’n mit über¬ 
geschr. 1 nach dem b. 

5276. nu üb. gestr. ir. 

5278. auch üb. gestr. alzu. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Disputation zwischen Rechtem und Grobem Verständnis. 


119 


Und dar umb meynte ich auch 

also von uch, 

[164 r ] Umb das ich noch nit gelernet 

hatte genuch 

5291 Das ir und Grob Verstentenisse 

Eins sint mit eyme glichenisse. 

Aber ich sehen nu und bin ge- 

meit 

# 

Das ir zweye eins sint aen un- 

derscheit: 

5295 Uwer exemple mich des under- 

wijset hant 

Und uwer rede, die ir so subtile 

geredt hant; 

Durch uwer rede eygentlich 

Sint ir Grob Verstenteniße, daz 

weiß ich. 

Dar wieder mogent ir numme 

gereden nit 

5300 Das ir nu also genant sijt; 

Dann ir sint is durch erfindonge 

Und aen alle underscheidonge. 

Dar umb vertzijhe ich uch die 

grobekeit 

Die ir mir hant getaen durch 

uwer bitterkeit; 

5305 Dan ir wantent, das sehen ich 

wol, 

Das is were mit mir als is mit 

uch sin sol. 

IJW "1 Grobekeit hait is uch gelernet; 

Dann ir sint grob, als das er- 

kennent 

Yederman, und unverstentlich 

eben: 

5310 Dar umb ist uch der name also 

gegeben.’ 

Mit den Worten was der gebüre 

Troffen inn syn hertze s&re. 

5300. na (statt nan = newan, Orig.: seu- 

lement) üb. gestr. nit. 


Er sagte nuscht, dann er nit 

konde, 

Dann die zende zerbeis er in 

dem monde. 

5315 Aber Glich Verstentenisse ließ 

nit abe, 

Sonder sij sang ein hart liet dem 

knaben. 

‘Nu’, sprach sij, ‘die wijle ich 

weiß 

Dinen namen, so ist mir nit heiß 

Nach dem uberigen zu fragen 

mer; 

5320 Dann is ist in mynen brieffen 

dar 

Das du ein spier bist der wege 

Und storer der pilgerin alle 

wege: 

Du wilt yn yre stebe nemen 

Und yn ire secke auch dar zu 

nemen. 

[165 r ] War umb dustu das uff dine 

sele 

5326 Wieder alle myner frauwen 

willen ? ’ 

‘Umb’, sprach er, ‘daz sij daz 

ewangilie, 

Das ich hören in unserme dorff 

zelen, 

Ubergeent und das nit haldent 

5330 Und sij des boßlich waldent. 

Da ist iederman verboden, 

Als mir daz wol ist verkündet 

worden, 

Das ussen sins huses nieman sal 

dragen 

Odir gan mit sacke odir mit sta¬ 
ben; 

5335 Also wan ich sij die zu dagen 

5327. vgl. Luc. 9,3. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




120 


Disputation zwischen Rechtem und Grobem Verständnis. 


Wieder des konniges verbot 

sehen dragen, 
Und umb die gesetze zu halden, 
Wolde ich gerne mit arbeit dar 

zu walden 

Das ich sij die dede abelegen.’ 
5340 ‘0’, sprach Gelich Verstente- 

niße, ‘es ist anders gewegen; 
Das verbodt geschach, daz ist 

lange zijt, 

[I6ö*] Aber is ist sere geändert sijt 
Und uff den wiedersynne gestalt. 
Es ist wol wäre das is verboden 

was, 

5345 Aber is wart wider geboden und 

geändert das, 
Und dar nach is auch wieder er- 

leubet was. 
Und was beqwemeliche sache da 

bij, 

Dar umb auch veranderonge 

qwam dar by. 

Es ist dem konnige kyne unere 

nit 

5350 Obe in sinen gesetzen umb sache 

anderonge geschiet. 
Die sache dar umb das verändert 

wart, 

Wiltu sij wissen, sij wirt dir 

kürtz gesaget: 

Wer am ende sins weges ist, 

Dem ist nit not daz er pilgerin 

ist, 

5355 Und wann einre nit pilgerin 

were, 

5345 aus Aber is ist sere geändert sijt. 
5346. auch u. erleubet übsrgeschr., letzteres 
üb. gestr. gelobt. 

5349 aus Es ist des koniges vnere nit. 
I. keyne? 

5354. nit übergeschr. 


Sacks und stabs yme nit fast not 

were. 

Jhesus, der konnig, ist das ende 
Da alle gude pilgerin sollen 

wenden; 

[ 766 '-] das ende von dem gudem 

wege 

5360 Und von der follenkommen biede- 

farte. 

An die stat und an das ende uff 

der ferte 

Waren kommen die pilgerin 

durch sin senden 
Und auch durch sinen rüff be¬ 
hende, 

Da er yn verbodt daz sij nit 

drügent 

5365 Stab odir sack und lechten sij 

nyder. 

Er were rieh und mechtig genüg 
Yn zu geben yren gefüg 
Alles des das sij bedörfftent 
Und des keinen bresten hettent. 

5370 Zum andern male wolde er, 

Da er sij schickete predigen 

her, 

Das yre zughorer fundent yn 
Yre lebetzucht und die gebent 

y® » 

Dann ein yeclich arbeider begert 

5375 Sins lones und ist dez wol 

wert; 

[ 166 <-] Und ieclichem er so viel det, 

Wann er wiederwante, daz er yn 

nit clagen det. 


5361. vff der ferte zugeschr. 

5363. behende zugeschr. 

5370 ff. vgl. Luc. 10, 7. 

5374. üb. dem ersten Teil von yeclich 
Flecken. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Disputation zwischen Rechtem und Grobem Verständnis. 


121 


Er sprach: “Hait uch gebrasten 

icht, 

Als ich uch han her geschicket 
5380 Aen sacke hie zu predigen 

Und das Godes wort zu verkün¬ 
digen?” 

Und da antwerte sij yme: 
“Sicherlich, herre, neyn is, 

Genug han wir gehabt 
5385 Und uns nutscht gebrosten hait!” 
Dis ist die sache war umb da 

was 

Den heiligen apposteln verboden 

das 

Das sij keinen sacke drügent 
Und sich des Stabes auch nit 

krüdent. 

5390 Aber dar nach da er einwenig 

solde gen 

Und durch die föchte des dodes 

gen, 

[167 r ] Da er sach das er von yn schiet 
Der irs weges ein ende geriet, 

Da wolde er yn das gesetze 

andern, 

5395 Als ein milder süßer konnig ver¬ 
ändern, 

Und saget yn daz sij wieder- 

nement 

Yre secke und anhiengent. 

5378. icht aus nit. 

5378 ff. vgl. Luc. 22,35 ff. — Durch Über¬ 
gehen zweier Verse des Orig, hat Übers, die 
Stelle tn Unordnung gebracht. Orig. (5457 ff.): 
Dont ln as qn’il lenr demanda 
Une foia, quant bon lui sembla: 

“Vous a il, dist il, rien failli, 

Quant envoies vous ai ainsie .. 

In unserer Hs. fehlen v. 5378 die oben nach h 
eingesetzten Worte Er sprach, u. 5379 liest sie 
er ... hait statt ich ... han. Das er v. 5379 
zwänge uns, 5378-81 als eine Frage des Dichters 
an die Apostel aufzufassen, auf die er diese 
aber Christo (5382: yme) antworten ließe! 


Digitized by Google 


“Der nit ein klein seckel hait”, 
Sprach er, “der neme sinen rech¬ 
ten sack.” 

5400 Als er daz lutterlich 

Gesaget hait uffenberlich: 

“Das ist dar umb daz ir sint 
Uwer weges zu ende kommen 

sint, 

Ich hatte uch verboden daz ir 

nit hettent 

5405 Keinen sack und auch nit drü- 

gent; 

Yetzont, die wile ich mich von 

uch 

Muß scheiden und muß laßen uch, 
So wil ich das ir wieder nement 
[i67o} Als ir das vor gehabt liant; 

5410 Dan ich weiß wol, wann ir hant 
Von mir das gesehen verlorn, 

Das ir des sackes bedürffent wol 
Und dez Stabes, das ir uch dar 

an stürent; 

Dann ir pilgerin syn müssent 
5415 Und uch wieder uff mynen weg 

legen müssent: 
Mir anders nach gefolgen 
Enkondent ir nit odir zu mir 

kommen. 

Auch so findent ir nieman, 

Wan ich von uch kommen dann, 

5387. das aus was. 

5390. ein wenig verschrieben für enweg ? 
5398. Orig.: Qoi a point de sachet; unser 
Übersetzer hat das point mißverstanden und h 
ist ihm gefolgt. 

5409. hant vor gehabt zu tilgen vergessen 
u. a. Schl, zugeschr. 

5411. hant nach verlorn gestr. 

5412. wol zugeschr. 

5418. dez übergeschr. 

5414 aus Pilgerin müssent ir syn. 

5415 aus Vnd nch wiederlegen vff den 
weg myn. 

5416. gefolgen aus za folgen. 


Original from 

UNIVERSITYOF MICHIGAN 


122 


Disputation zwischen Rechtem und Grobem Verständnis. 


5420 Der uch so gerne gudes dühe 
Odir uch von hertzen wisen dühe. 
Zu uwerme sacke haldent uch, 
Bis das ich wiederkomme zu uch! 
Nu nements alles, ich erleubens 

uch 

5425 Umb die notdurfft die ich gesien 

an uch!” 

[768 p ] Also das hie geoffenet ist 

Und auch die Sache benüglich ist 
Von sacke und stabe zu dragen, 
Dar umb saltn dich nit under¬ 
nemen 

5430 Die zu hindern die sie hant 
Und sij dragent war sij gant: 

Sij hant Urlaub umb die sache 

die da ist, 

Bis das yeclicher kommen ist 
An sins weges ein ende 

5435 Und wo sine biedefarte wende.’ 

‘Was ist dis’, sprach der swere 

gebur, 

‘Wollent ir mir hude piffen für? 
Und wollent ir is halden vor 

eine mere, 

Das ewangilie, als obe is gelogen 

were? 

5440 Ir sagent is sij wiedertaen 

Das Got geordent hatte und ge- 

taen; 

Were das nu also, 

So solde is auch vor alle sin 

also; 

[768"] Von dem buche were ordenunge 

abe, 

5445 So solde is ußgetaen sin und ge- 

kratzet abe.’ 
‘Nit also’, sprach Glich Versten- 

teniße, ‘is ist recht 


Das man der vergangen zijt ge- 

dencke recht, 

Wie man hait getaen, wie man 

hait gesait, 
War umb das was und waz dar 

an lag, 

5450 War umb das verändert wart 
Und war umb des andern ge¬ 
dacht wart; 

Und dar umb so ist nit verkert 
Das ewangelie odir gefelschet, 
Sonder is ist den wol verständi¬ 
gen 

5455 Lieplicher und wol gefelliger. 

So me blumen in der wiesen ist, 
So das pletze desta lieplicher ist, 
Und so ir gestalt fremder ist, 

So man sij zu sehen me be- 

gerende ist’ 

[769 r ] Da rugette der gebure zu hant 

5461 Uff sinre groben und krommen 

hant 

‘Was ist dis’, er da sprach, 

‘Wolt ir mich zu eime kinde 

machen 

Odir wollet'ir mich vertzaubern? 

5465 Was ich sage, das wollet ir ver¬ 
ändern : 

Falscheit nennent ir gutheit, 

Und Schönheit nennent ir 

falscheit 

Das von dem konige verboden 

was, 

So sagent ir is were geboden das, 

5470 Das ewangelie zu verkeren 
Myt verkerten Worten und zu 

falschen sere; 

Ir sint nit dann eine segerynne 
Der lute und verwenerynne. 


5436. Initiale schwarz mit roter Ausfüllung. 5445. gekratiet auf Rasur. 
5444. odenunge. 5467. vor falscheit gestr. fas. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



swischen Rechtem und Grobem Verständnis. 


123 


Lassent mich noch drij maent 

beliben, 

5475 So achte ich nit uwer dat odir 

dryben. 

In myme Vorsätze ich mich hal- 

den 

[ 160 *] Wil und uch der uwern zumale 

nit gleuben.’ — 
‘Zum aller mynnesten saltu 

abedun 

Und nyderlegen dinen groben 

stab grüne; 

5480 Dan du weist wol das Gots 

Gnade geboden hait 

Und solichs auch bescheiden 

hait!’ — 

‘Gots Gnaden, was mag ir das 

Geschaden odir sij mögen das? 

Auch ist mir is not 

5485 Das ich mich dran störe in not, 

Wan ich des han zu dun; 

Und mich da mit zu beschirmen 

dun 

Und fochten desta mynre alles 

ubele 

Und achten de mynre alle lüde, 

5490 Und duncket mich daz man mich 

viel desta me 

Föchte und myn erschrecke me; 

Dann wo ich yn niderlechte, 

Vor einen großen dor und 

coquart man mich achte.’ 

[170'] 1 0’, sprach Glich Verstentenisse, 

‘du sagest nit wol: 

5495 Dir ist not das du dich anders 

bedencken solt 

Gots Gnade gewynnet yn num- 

mer liep 


Der solichen stab zu dragen hait 

lieb, 

Er gefiele ir noch nye wol, 

Sij hasset yn me dan geiße das 

messer hassen sol: 
5500 Also wo du yn nit niderlechtes, 
Mit wijßheit du dich nit wol be- 

dechtes.’ 

‘0’, sprach der gebure, ‘wie 

• dorecht 

Sint ir so ir diese wort redet! 
Irrette sij der stab nit, 

5505 War umb mochte der ir misse- 

fallen icht?’ 

‘Ich sagen dir’, sprach Gelich 

Verstenteniße da, 
‘Dir gröblich von dem stabe da; 
Dan ich sehen wol daz kein 

ander spise begert 
Din grober hals noch heldet 

wert. 

5510 Hettes du einen frunt lieb 
[170 «>J Dem einre dede widerdrieß 
Und dede yme arges viel, 

Das dich das nit irret viel, 

Wie wol das is dir nit wol ge¬ 
fiele! 

5515 Gods Gnade, die alle lüde lieb 

hait 

Und von yederman gerne ere 

hait, 

Und wann ir dar in geschiet 

missefal 

Odir man sij dar an hindern 

sal, 

Wie wol sij das nit vaste irret, 
5520 Und is ir doch myssefeilet. 

Der stab ist figent der 


5495. anders aus an dis. 5507. von üb. gestr. mit. 

5497. Der aus dem. 5510. lieb zugeschr. 

5504. das zweite r in Irrette übergeschr. 5511. widerdrieß üb. gestr. als ein vnfrunt. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



124 


Rechtet Verständnis hat Grobes Verständnis überwunden. 


Die sij zu frunden gerne hatte 

gehabt her 

Und noch haben wil. 

Were er nit, is qwemen zu ir 

viel 

5525 Der juden und bekertent sich, 

Und alle ketzer bedechtent sich, 

Die ire irrongen liessent 
[17l r ] Und sich dar nach besserten. 

Durch yn Nabel und Pharaon 
5580 Qwament zu schänden da von; 

Dan sij sich so hart dar an 

stürtent, 

Und yren dot sij da mit erwur- 

bent. 

Were er nit, so regnierte über 

alle 

Gehorsamkeit und gebudde auch 

über alle: 

5535 Yeclicher dede was er solde, 

Und zu male nit ungehorsam sin 

wolde; 

Were er nit, von dem groben 

synne 

Er demütigete sich und neigete 

sinen synne. 

Du selber der bist 
5540 Der Grob Verstenteniße genant 

ist: 

Störtest du dich nit also hart an 

yn, 

Gleubtest yme nit und liessest 

yn sin 

Und besserst dich einwenig baß, 

5522. g’ne u. gehabt übergeschr. Vor her 
ist biß gestr. 

5523. vor Vnd gestr. gehabt. 

5527. Die üb. gestr. vnd. 


Das du yn niderlechtest, ich 

riede dir das, 
[171') Und das du dich dar an numme 

hieldes 

5546 Und yn nit bij dir behieldes.’ 
‘Ach Got’, sprach er, ‘wie 

wenig achten ich 
Die worte die da sint solich! 

Ich wil uch nutscht underdennig 

sin 

5550 Und den stab auch nit lassen 

syn; 

Ich wil mich dar an halden and 

da mit leben, 

Wollent odir enwollent, daz 

wissent eben.’ 
‘Nu’, sprach Glich Verstentenisse, 

‘sehen ich wol 
Das ich numme mit dir reden sol, 
5555 Sonder ich sal dich laden 
An gerichte zu dem jüngsten 

dage: 

Ich laden dich dar aen lenger 

beiden. 

Komme dar, du salt nieman vor 

dich dar leiden!’ 

[172') Da kerte Glich Verstenteniße 

sich umb zu mir 
5560 Bij mich und sprach da zu mir: 
‘Gang’, sprach sij, ‘frischeclich, 
Du salt vor Grob Verstenteniße 

nit forten dich! 
Nutschit rede, gib yme kein ant- 

wert! 

5560. Durch ein kleines Loch im Blatt m- 
folge von Rasur auf der Rückseite ist ac von 
sprach verloren gegangen. 


nach 5558 Bild (51) mit Unterschrift: gliche v’stentenisse hat vberwonden grobe 
v’stentenisse. Sie stehen beide vor dem Pilger , der die Rechte erhoben 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Rechte* Verständnis geleitet den Pilger sicher vor Grobem Verständnis hinweg. 125 


Dann Salmon hait gelert 
5565 Das man ein wort nit antwerten 

sol 

Dem den man gesicht odir findet 

dorheit fol.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘dar nach 

Salmon auch viel anders sprach; 

Dan er sprach: man sal yme 

antwert geben 
5570 Und yn siner schäme underwijsen 

eben.’ 

‘Sicher’, sprach sij, ‘du sagest 

waer, 

Aber du salt verstan und wissen 

zwar 

Das ich das wort verhalden hatte 

Yme zu antwerten wan is zijt 

hatte; 

5575 Davon han ich daz myne getaen, 
[172*] Wie wol das ich myne arbeit 

han 

Verlorn; dan er sich dar an nit 

hat gekert 

Und auch zu male nit gebessert. 

Als balde in einen anebufi gienge 
5580 Eine weiche feder, die der wint 

ufffienge, 

Als myne worte inn ynn, 

Noch gebent yme keinen synn 

Und brechtent auch keinen nutz; 

Er ist harter dann eine want 
5585 Und harter dan ein dyamant. 

Was er zum ersten in sich 

nymmet, 

Umb keine sache man yme daz 

benymmet, 

Also das ich zu solichem gebure 

nit reden 


Enmag odir icht gewerben. 

5590 Gang enweg wieder sinen gefug 

Und laß yn grommen genug, 

Sinen zäum wegen und sinen 

kynne 

[mr] Und yn uff syme stabe vaste 

grynen!’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘uch 

dancken ich 

5595 Das ir also hant gelernet mich; 

Aber ich sagen uch siecherlich, 

Das ich solde gaen frischeclich, 

Das darre ich vor dem gebure 

nit dun 

Wo ir mir nit wollent geleide 

dun. 

5600 Da bijden ich uch daz ir mit mir 

koment 

Und mit mir yn vorkomment; 

Dan ich auch mit uch zu reden 

han 

Und wil uch auch fragen dann 

Ettwas das mir not ist 

5605 Und zu mynre Sachen gehörig 

ist.’ 

Da nam sij mich mit der hant 

aen beiden 

Mich vor dem gebure hin zu 

leyden 

Und wisete mich uff den weg 

myn, 

[173»] Da von ich frölich muste sin. 

5610 Der gebure beleih da grommende 

An syme stabe und grynende; 

Von syme uffhalden achte ich 

nit: 

Des Gelich Verstenteniße faste 

lachte sijt. 


5564. Proverb. 26, 4/5. 

5577. hint. an Rasur, die das 5560 Anm. er¬ 
wähnte Loch im Blatt verursacht hat. nit fehlt. 


[5592.] Kustode unten auf Bl. 172*: vnd 
yn vff syme. 

5609. frölich üb. gestr. selig. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




126 Der Pilger fragt Rechtes Verständnis, weshalb ihm die Rüstung tu schwer sei. 


Da ich gesag das ich also 

entgangen was 

5615 Und ferre vor yn gangen was, 
Da hub ich an Glich Verstente- 

niße zn fragen 

Da von ir mich vor hant hören 

sagen: 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich bin 

gewest und noch bin 
An grossen gedencken in dem 

synne myn 

5620 War umb ich die wappen nit 

gdragen mag, 

[i74r] Sij gehalden odir gelyden mag, 
Und ich sehen eyne dierne 
Die sij dreget gerne 
Und 1ydet mit yrer list; 

5625 Das mir eine grosse schände ist, 
Wann ich anderthalb stargker 
Dan sij sin solde aen arges, 
Hette ich icht hertzen in mir. 
Dar umb bijden ich uch das ir 
5630 Mich bescheiden wollent das 
War umb nu geschee das; 

Dann das zu wissen ist myn 

begir.’ 

Da antwerte Glich Verstente- 

niße mir: 

‘Was ist dis’, sprach sij, ‘da? 
5635 Hastu nit wol gesehen da 
Das huß Gottes Gnaden? 
fJ74 p ] Das was wol beraden; 

Es ist nit lang das du is gesehe 


Und du auch viel mit ir gehe. 
5640 Wie bistu so dorecht gewest 

Das du sij nit haist gefraget des? 
Doch dar umb meynen ich nit 
Das eyniche sache ycht 
Dich dar an gehindert habe 
5645 Das du nit moges vernommen 

haben 

Daz du begerest zu wissen.’ 
‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich dun 

uch zu wissen 
Das ich yrer rede viel han 

vergessen: 

Mir gedencket nicht so wol als 

das 

5650 Da sij sprach daz ich einwenig 

zu dicke was. 
Und obe ich mich mager mechte 
Odir mir hartikeit an lechte, 

Arg möchte man mich nennen, 
[175«-] Und auch konde ich nit wol 

gebrengen 

5655 Myne wappen noch nit gedragen 

so wol 

Als obe ich dicke und starck 

wesen sol. 

Soliche Sachen erferrent mich, 
Dan sij nit sint gewonlich. 

An Gots Gnade in warheit 
5660 Han ich des gefraget nyet; 

Dan ich sere forchte 
Das ich ir eynichen figent 

machen mochte 


5620. War vmb übergeschr. das g (statt 5646. tu Änf. gestr. das. 

ge) vor dragen nachträgl. eugefugt. 5654. gebrengg tugeschr. 

5626. stargker aus so starg. 5655. noch übergeschr. 

5627. Vor sin ist ich schwäre gestr. arges 5656. wesen sol aus we\ 

aus arg. 5662. mache übergeschr. mochte aus 

5643. vor ycht schwarz gestr. dich. machte. 

vor 5618 aufgeklebtes Bild (52) mit Nebenschrift rechts: der pilgerynne Rette zu 
geliche v’stentenisse. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Rechtes Verständnis schiebt das auf einen Feind, den er beständig mit sich führe. 127 


Odir das ich gheen ir missedette. 

So bijden ich uch das ir mich 

wollent lernen 

5665 Des und mich das verstaen dün 

gerne.’ 

‘Weist du’, sprach sij, ‘wer du 

bist, 

Obe du alleyne odir selbander 

sijst, 

Obe du niemans me habest dan 

dich allein 

Zu erneren und vermomparn 

gemein?’ 

5670 Da sprach ich gar erferet zu ir: 

[775*] ‘ Frauwe, siecher is ist mir 

Das ich niemans dan mich zu 

hanthaben habe 

Und auch an nieman anders zu 

gedencken habe. 

Ich bin gelich alleyne, daz sehent 

ir wol; 

5675 War umb ir das fragent, weiß 

ich nit wol.’ 

‘Nu lerne’, sprach sij, ‘und 

verstaut 

Und höre flißlich zu zu hant; 

Dan anders ich dir sagen wil 

Und ander Sache dich lernen 

vieL 

5680 Du solt wissen das du den 

spisest 

Der din grosser vigent ist; 

Von dir ist er alle dage gespiset, 

Gedrencket, geschuet und 

gecleidet. 

Es ist keine speise so adelich, 

5685 So kostbar noch so lustelich, 

Du wolies sij bereidt haben, 

Waz dich das gekostet habe. 

5666. Initiale schwarz mit roter Füüung. 

5667. selbander üb. gestr. zweifeldig. 


[776'lEr wart gegeben zu dienen dir, 
Und sin knecht bist du worden 

schier. 

5690 Mit dem lickholtze wiltu yn 

schuwen 

Und mit den edeln kleidern yn 

vernuwen, 

Yn zieren mit kleynot, 

Mit tafeln und mit messern, 

Mit smalen gurtein beslagen 

5695 Und mit seckelen, mit bockein 

übertragen, 

Mit syden snüren allerleye, 

Rot, grüne und manicherleye; 
Allewege sanfft spengein 
Wilt du yn und legen 

5700 Alle nacht so gar weich 

Und yme gemache an dun aen 

leich. 

Einen dag wermtest du yme daz 

bat, 

Den andern ist yme die bade- 

stobe warm gemacht; 
Du strelest und bleichest yn, 

[776*] Du spendeist und streichelst yn; 

5706 Du suchest yme freude und 

verdrag, 

So du magst, nacht und dag. 

Als er ist, hastu yn getzogen 
Und bist mit yme bekümmert und 

betrogen 

5710 Me dan eine frauwe mit yrem 

kinde, 

Das sij seuget und zuhet lynde. 
Es ist lang daz du angehaben 

haist, 

Und sijther nie da von gelaßen 

haist: 

Spreche ich sehs und drißig jare, 

1 ■ '■ ■ ■ 1 ■ ■ ■ — ^^1^—i ■ ■ • ^1— ■ ■ ■ — " — ■ ■ - ■ * 

5702. bat ( oder bad ?) aus bedde (bette ?). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




128 


Von dem Feind, den der Pilger mit sich führt (der Leib). 


5715 Ich geleube daz ich wenig miß- 

spreche zware. 
Und wie wol du yme nach syme 

willen 

Gedienet haist mit so großer 

stillen 

Und yn also hien hast braicht, 

So saltu wissen das is ist gedacht 

5720 Das er dich verredt also und 

bedrüget 

Und dich zu übel brenget und 

zöget. 

[177*] Es ist der der dich dine wappen 
Nit dragen lesset odir ly den; 

Es ist der alletzijt wieder dich 

möß stryden: 

5725 Wann du wol wilt dün, 

So kanstu is vor yme nit gedun.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, 

‘Ich han sere verwondert mich 
Von dem das ir mir hant gesagt 

hie. 

5730 Und wiste ich nit das ir ye 
So große synne in uch hettent 
Oder so rechte große wißheit 

hettent, 

Ich wente is werent draume 
Odir is were ein ungelaube; 

5735 Aber ich weiß in uch gudes so 

viel 

Das ir nit liegent zu keinem ziel. 
Da bijdden ich uch das ir mir 

sagent hie 

Wer der böse verreder sie. 

[177 •} Wie ist sin forme, wie ist sin 

gestalt, 

5740 Wo wart er geborn, wie ist er 

genant ? 

5719. is übergeschr. 

5721. vnd zöget eugeschr. 

5724. müfl übergeschr. 

5732. Oder üb. gestr. vnd nit. 


Uff das ich yn erkennen möge 

Und yme leids genug an gedun 

möge. 

Dan obe ich yn lebende entlie- 

dette, 

So were ich nit genug gerochen 

da mitte.’ 

5745 ‘Sicher’, sprach sij, ‘du sagest 

waer, 

Und dar zu saltu wissen zwar: 

Weres du nit, so were is nütschit 

mit yme 

Und were eine kleine sache von 

yme. 

Nyemans yn ansehen möchte 

5750 Der yn erte odir sich mit yme 

kruden möchte; 

Dan is ist eine sache der fulikeit 

Und eine gestalt gemacht von 

unreynikeit, 

Ein gemechtze von zeher erden 

Und ein schuwesal der werden. 

5755 Durch sich mag is sich nit 

bewegen 

Noch gearbeiden odir sich ge- 

regen; 

[irö'-JDann es ist unmechtig und ane 

crafft, 

Unreine, blint und wiedermacht. 

Es ist ein worin frech und 

wünderlich. 

5760 Der geborn wart in der worme 

ertrich; 

Ein worin in yme selber 

wormende 

Und die wurme in yme spisende; 

Ein worin der an dem lesten 

wirt 

5761. fulikeit Am*, gestr. selekeit (?). 

5753. zeher übergeschr. 

5757. Vor Es ist Dan a. R. tugeschr. 

5759. frech üb. gestr. I ... ch. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Von den schlechten Eigenschaften des Leibes. 


129 


Der wurme spise und fule wirt; 
5765 Und wie wol er ist also gestalt 

Und von wesen manigfalt, 

So dustu yn doch bij dich 

kommen 

Und an dyme bette bij dir lygen 

Und suchest alles daz yme gut 

ist, 

5770 Als dir daz vor gesaget ist. 

Und sagen dir noch me waz is 

ist: 

So er gessen hait und folle ist, 

So dregestu yn sinen buch zu 

leren 

In die heymeliche kammern 
[17S*] Odir auch uff das feit. 

5776 Dar umb han ich is vor ertzelt. 

Nü sich obe du yme must dinst- 

bar sin 

Größlich und undertenig sijn! 

Und von dem allen weiß er dir 

keinen dang, 

5780 Sonder erhebet sich me gheen dir 

aen wang, 

Und me ubeler er dir düt: 

Also ist er von bösem müt.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘war 

umb ir 

Nit sagent sinen namen mir? 

5785 Dan furderlich wolde ich mich 

rechen 

Und yn gaen dot erstechen.’ 

‘0’, sprach Recht Verstentenisse 

da, 

‘Den Urlaub hastu nit also 

Yn zu doeden, aber du haist 

Urlaub wol 

5767. doch übergeschr. 

5776. is übergeschr. 

5777. Nü sich obe üb. gestr. das. 

5782. bösem aus böser, müt hint. schwarz 
gestr. dait. 

Deutsche Text« d«3 Mittelalters. XXV. 


5790 Yn zu straffen und dar nach zu 

slahen wol, 

Yme liden und arbeit uff zu 

slahen 

[179'] Und yn dicke dun fasten 

Und sich legen in busse rasten. 

Aen das kanstu mit yme nit 

uberkommen 

5795 Zu keinre zijt aen dinen 

frommen; 

Du kanst dich anders nit 

gerechen 

Odir auch von yme gebrechen. 

Als du das vor langer zijt 

gesehen haist, 

Obe du anders recht verstanden 

haist, 

5800 Büsse ist syne meisterynne 

Und alleine sine kestigerynne: 

Es ist die die rechte straffonge 

nymmet 

Wann so die rechte zijt kommet; 

Und wann is recht und billich 

ist, 

5805 So straffet sij yn mit rechter 

list. 

Und sij straffet yn recht 

Mit yren rüden als einen guden 

knecht, 

Der sal sij sin nu vort me. 

[779»] Und das salt du begern me 

5810 Und auch baß wollen und 

werben; 

Dan sinen dot saltu nit werben, 

Dan er ist dir gegeben 

Das du yn salt zum leben 

Füren und auch brengen 

5789. doeden aus dreden (?). 

5790. wol eugeschr. 

5795. aen = ane, 4 an, zu’. 

5808. sij] Sinn u. Orig, verlangen er; so 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


130 


Der Leib ist jedoch nicht eins mit der Person. 


5815 Und yn zu gnaden drengen: 

Das ist der lip und daz fleisch 

din, 

Anders kann is nit genant sin.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘waz 

sagent ir? 

Han ich gedreumet odir dreument 

ir? 

5820 Myn lip und myn fleisch nennent 

ir 

Anders dan mich, und doch 

sehent ir 

Das ich alleine bin bij uch 

Und ist niemans me dan ir und 

ich. 

Ich weiß nit was is bedüte 

gelich, 

5825 Obe is bedrügenisse sij 
[iso r ] Odir wie is da mit gestalt sie.’ 

‘Nein’, sprach Glich Verstente- 

niße, ‘nit also! 

Uß myme monde is nie kommen 

also 

Kein bedrug odir erdachte mere 
5830 Noch icht das ein draum were. 

Nu sage mir uff die truwe du 

Got schuldig bist 

Werest du inn einer gewist 

Da du alletzijt wollust hettes, 

Wol zessen, weich bette und wiße 

ducher hettes 

5835 Freude, rüwe und guden lust, 

Allen dinen willen nacht und dag 

umb sust, 

Woldes du auch da beliben 

wanen ? ’ 

‘Ja’, sprach ich, ‘siecher aen 

waen! ’ 

‘Ja’, sprach sij, ‘waz hastu ge¬ 
sagt? 

5824. Ich aus Is. 


5840 So woldes du dine bidefarte ver¬ 
lassen 

Und dinen weg zumale under- 

wegen laßen?’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘des dede 

ich nit, 

[iso»] Alletzijt ginge ich hinden nach.’ 

‘In zijt?’ sprach sij, ‘unseliger! 

5845 Er ist in dieser werlt nit das er 

In zijt ytze mochte kommen, 

Wie balde er zu lauffen mochte 

kommen. 

Is sij das du wol in zijt 

Nach dinre wollust und dinre 

guden zijt 

5850 Mochtes gelich dar gaen 

Durch nodigen und arbeit han, 

Frage ich dich obe du dich auch 

uff den weg 

Machen woldes zu gan enweg 

Als lange du soliche freude 

fondes 

5855 Und auch soliche wollust hettes?’ 

‘Ach frauwe’, sprach ich, ‘ach 

frauwe, 

Dar zu antwerten kan ich nit 

genau we; 

Dan ich weiß wol daz ich belibe 

gerne 

Und daz ich auch enweg gienge 

gerne.’ 

5860 ‘So hastu’, sprach sij, ‘zwifaldi- 

gen willen 

[rsj'-jund auch zwivaldige gedencke in 

dinen willen. 

Der eine wil gaen, der ander be¬ 
liben, 

Einre rügen, der ander arbeyden; 

Das einre wilt, daz wil der ander 

nit lyden. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Der Leib ist nicht eins mit der Person , d. h. mit der Seele. 


131 


5865 Einre wieder den andern ist zu 

allen zijden.’ 

‘Franwe’, sprach ich, ‘siecherlich, 

Als ir sagent, das fuelen ich.’ 

‘Dar umb’, sprach sij, ‘bistu nit 

alleine, 

Aber dn und din lip sint zwey 

gemeyne; 

5870 Dan zwey wollen sint nit von 

einem man, 

Dan sij sint zwey, das weiß 

yederman.’ 

‘Franwe’, sprach ich, ‘nu bijde 
ich uch umb den synne 

Das ir mir sagent wer ich 

bynne: 

Dwijle das ich myn lip nit byn, 

5875 So sagent mir wannen ich bin! 

Ich wurde nummer gerügig 

Wo das nit wiste ich.’ 

\i8i ']‘Ha’, sprach sij, ‘was hastu ge- 

lert? 

Du kanst nit vil des du hast ge- 

lert, 

5880 Als mich duncket: besser ist er¬ 
kennen sich 

Dan wesen grave, konnig odir 

keiser rieh 

Odir können alle kunste 

Noch haben der werlt gut und 

gunste. 

Aber dwijle dn das nit gelernet 

haist, 

5885 Das zu fragen du dich recht be¬ 
dacht haist; 

Da von wil ich dir sagen kurtz 

genug 

Ettliche sache die ich versteen 

mit gefug: 

5895. dir üb. gestr. dar. 

5908. gylennüle aus gilenuille. 

5910. so schon zugcschr. 


Der beslossen lip, davon ich ge- 

redt han 

Und in viel stucken so ußge- 

scheiden von, 

5890 Du bist nach Gotte entworffen 

Und sin bilde und gemachet 

worden. 

Von nichte er dich machte und 

geschuff 

Yme gelich und zirckelt dich dar 

uff: 

Kein edeler masse er dir geben 

mochte 

5895 Noch gestalt dir an gedrücken 

mochte. 

[I 82 r] Er machte dich lütter und schon 

gesehende, 

Lichter viel dan fogel fliegende, 

Undötlich und nummer zu sterben 

Und zu beliben aen ende zu 

nemen. 

5900 Wiltu dich wol besehen und er¬ 
kennen, 

Also das du nit ubels habes ge- 

taen, 

Dan dime adel nit geliehen mag 

Hymel, erde noch das mere, 

Fogel noch ander creature here, 

5905 Ußgenommen nature der engel 

schon. 

Got ist din vatter und du sin 

son: 

Nit wene das du siest son 

Thomas von Gylenville; 

Dan er gewan nie dochter noch 

son 

5910 Der were von solichem wesen so 

schon 

Odir von so edeler gebürt, 

5911. edeler gebürt verändert aus edelem 

wesen. 

9* 


Digitized by 



f 

Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



132 


Vom Verhältnis zioischen Leib und Seele. 


Noch nummer wij yme geborn 

wijrt. 

Din lip, der din figent ist, 

[ 182 *] Der selbe dir von yme worden 

ist; 

5915 Von yme wart er dir da, 

Als Nature das ordent da. 

Es ist recht das der bäum drage 
Soliche frucht als Nature yme 

geben habe. 

Gelich als der dorne nit mag 
5920 Figen gedragen keinen dag, 

Also mag auch der irdenische lyp 
Nit gedragen in keiner zijt 
Keine frucht dan snoede und 

üppig, 

Unreyne und gebrechelich, 

5925 Fulende und stinckende ertrich. 
Aber solichs bistu nyet; 

Dan din kommen wesen hastu 

nyet 

Von eyme dötlichen mentschen; 

dan is ist kommen 
Und von Gotte dyme vatter her 

abe kommen. 

5930 Got gemachte nie mit siner 

handt 

In der werlt dan zweye men¬ 
tschen zu hant; 
U Ä?r ] Den zweien er befalh zü machen 
Die andern nach yrem geliehen 

zu machen; 
Aber der seien wissen 
5935 Hait er yme behalden mit rech¬ 
tem wissen. 
Er wolde daz sij alle wurden ge¬ 
macht von yme 
Und das niemans sich des krudte 

mit yme; 

5912 zwischengeschr. von statt wij h. 

5927. wesen iibergeschr. 


Er gap dir den geist den du 

haist, 

Und hait dir in den lip getan 

daz du da inne hast. 

5940 Er det dich dar an da in zu 

wanen 

Ettliche stucke und dich zu be- 

weren 

Und zu wissen obe du dugent- 

lich 

Woldes sin und da bij ritterlich; 

Obe du den lyp woldes uber- 

wynden 

5945 Odir obe du dich liesses yme 

dinstlich finden. 

Strit mit yme zu aller zijt du 

haist 

Wo du yme nit gibst den über¬ 
last; 

Mit klapperie sieht er dich 

nyder, 

[183*] Uberwindet dich und fehet dich 

sieder. 

5950 Under yme heit er dich, wo du 

yme geleubes. 

Wo du yn mit crefften nit er- 

deubes. 

Nummer mag er über dich macht 

gehan 

Wo du nit wilt willen dar zu 

han: 

Du bist Sampson, er ist Dalida; 

5955 Du haist die stercke da er keine 

enhait da. 

Er kan nit machen dan klaffen 

Und dich dinen figenden schaffen; 

Er sal dich wol bynden, obe du 

wilt, 

Und dir scheren din hare getzilt; 

5932. befalh üb. gestr. gerette. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Vom Verhältnis zwischen Leib und Seele. 


133 


5960 Und din heymelikeit, wan er die 

weiß, 

Verkondet er den ertzeten heiß: 

Das ist die frantschafft die er zu 

dir hait, 

Und die truwe und gelaube die 

er hait. 

Nu luge obe du dich yme wolles 

ergeben 

5965 Und aen streiche slahen yme 

leben, 

[is* r ] Wiltu bedrogen werden 

Als Sampson und vor einen dore 

gehalden werden.’ 

Ich sprach: ‘frauwe, ich hören 

wonder, 

Ich slaffen odir dreumen be¬ 
sonder ! 

5970 Einen geist nennent ir mich, 

Und in mynen lip gestoßen bin 

ich. 

Wie sagent ir daz ich lütter ge¬ 
sellende was, 

Und gesehen wieder dis noch 

das? 

Und von myme libe, der wol ge¬ 
sicht hie, 

5975 Hant ir gesaget das er blint sie, 

Und viel ander große wonder zu 

hören, 

Die mir sint flöhe in den oren. 

Da wil ich uch bijden daz ir 

mich wisent 

Me lutterlicher und mich lerent; 

5980 Dan ich is nit wol gefordem 

kan 

Umb die große hinderonge die 

ich han.’ 


[784"] Da hub Gelich Verstenteniße 

wieder an: 
‘Nu höre’, sprach sij, ‘und ver- 

stant eben dran! 
Wanne die sonne verborgen ist 
5985 Under einen wölken und gestoßen 

ist 

Umb den mittag, das man sij nit 

gesicht, 

Und man sij mag gesehen nicht, 
So frage ich dich in finer liebe 
Wo von man den dag kiese.’ 

5990 ‘Er kommet’, sprach ich, ‘als be- 

duncket mich, 

Von der sonne, wie wol sij be¬ 
decket sich, 

Das sij ir licht dut durch gaen 
Durch die wölken und her nyder- 

gan.’ 

‘Wie’, sprach Gelich Verstente¬ 
niße, ‘mag das gesin 
5995 Daz man durch den wölken mag 

daz licht gesien?’ 
‘Also’, sprechen ich, ‘wann man 

das sicht 

Durch ein glas und daz ver¬ 
nemen 

Odir als man mag gesehen 
[/Sä'-] Und das fure durch eine lanterne 

spehen.’ 

6000 ‘Sicher’, hait Gelich Verstente¬ 
niße geantwert, 
‘Das du gesaget haist, hastu das 

auch verstanden? 
Durch die sonne saltu verstaen 
Die sele die du magst in dime 

dötlichen lybe han. 
Der lip ist als ein wolcken 


5997. I. vemiint? so h; Orig.: apercoit. 5999. Vnd o. K. eugeschr. 

[5998.] Kustode unten auf Bl. 184•: das 6003. dötliche übergeschr. 

fure durch eine lttt’ne. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




134 


Vom Verhältnis stoischen Leib und Seele. 


6005 Odir eine lanteme, verrauchet 

donckel, 

Dar durch, wie is geschieht, 

Man den glast und licht gesicht. 
Die sele in dem libe ist breit; 

Ir licht sij dar durch spreydt 
6010 Und dut wenen die dorechte lüde 
Das das geluchte alle 
Von dem wölken falle 
Da mit die sele ist bedecket. 
Were aber der wolke davon ent- 

plecket, 

6015 So hette die sele so dar gesichte 
[185*] Das sij von uffgange bis under- 

gange hette ir gesichte; 
Sij gesehe und erkente nach ge- 

schichte 

Yren schepper und hette yn liep 
Und dede auch das yme were 

liep. 

6020 Die äugen des lybes nit äugen 

sint; 

Dan sij als andern finstern sint, 
Dar durch die sele gibt 
Dem libe daz er hait das usser- 

liche licht. 

Dar umb du nit wenen salt 
6025 Das die sele der äugen bedorffe 

balt, 

Der äugen odir der finstern icht; 
Dan sij hait vor und hinden ir 

gesicht. 

Aen finstern lyplich 
Gesicht sij ir gut geistlich, 

6030 Und sij gesehe is ettwan baß 


Hette der lip der äugen nit nmb 

das. 

Thobias was eine zijt blint 
[186 r ] An dem libe und waz doch sint 
An der seien nit geblendet; 

6035 Dan an syme sone wart geendet 
Sine lere und wart er gewijset 
Wie er sich halden solte, under- 

wiset 

Und welichen weg er halden 

solte. 

Er hette is yn nit mögen ge- 

lernen 

6040 Hette er is von der seien nit ge¬ 
sehen. 

Die sele gesag und erkante 
Lutterlich was er yme sagte und 

nante. 

So ich sagen daz du lütter solle« 

sehen, 

Das wil ich noch bas beweren 

eben 

6045 Das du gesist und der lyp nit; 
Dann er innen und ussen ist 

blint. 

Er gesehe nummer nicht 
Sehe er nit durch din licht 
Und als ich dir han gesagt von 

gesehen, 

[186*] Also sage ich dir auch von dime 

gehören 

6051 Und sust von allen dinen synnen. 
Beide ussen und innen; 

Dan is sint nit dan werggetzng, 
Dar durch er von dir zuget 


6016. hette ir gesichte zugeschr. «. dafür 6037. vnd’wiset sugeschr. 

der folgende Vers gestr.: Der sonnen hette ir 6044. eben zugeschr. 

gesichte. 6045. Das aus dan. 

6017. nach geschichte zugeschr. 6047. vor gesehe gestr. s. 

6026. icht auf Rasur. 6054. er war ursprüngl. geschr., wurde aber 

6032. Thobias üb. gestr. Thomas. gestr. u. durch übergeschr. sij ersetzt Dieses ist 

6033. vor sint gestr. nit. jedoch wieder getilgt u. das alte er danebengeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Vom Verhältnis zwischen Leib und Seele. 


135 


6055 Das er hait; dan er nit hört noch 

sicht, 

Is sij dan durch dich alleine, icht. 
Und ich sagen dir strack dar: 
Nemest du sin nit eben war 
Und yn nit hart hieldes, 

6060 Als einen huffen mistes du yn 

fieles, 

Und gerurte sich auch nit me.’ 
‘Frauwe’, sprach ich, ‘nu 

fragen ich uch 

Und auch dar zu bijden uch: 

Wie sol ich das verstaen 
6065 Das die sele muß den lip dran, 
Die innen ist und er ussen? 

Mich duncket bas gedragen sin 
[187*] Das das innewendig muß sin, 

Und duncket mich bas sin ein 

dreger 

6070 Das ussen ist, und ein helder; 
Dan der dreit der da heldet 
Und dreget das daz er inheldet.’ 
‘Nu verstant’, sprach sij, ‘ein¬ 
wenig ! 

Din rock und din kleit 
6075 Heldet dich und bist du dynne. 
Du werest nit wol by synne 
Wo du sprechest das sij dich 

trügen 

Odir dich in eynigen weg hiel- 

den.’ 

Ich sprach: ‘frauwe, ist das 

also?’ 

6080 ‘Ja zwaer’, sprach sij do, 

‘Ich sagens dir mit underscheit: 
Die sele dreget und ist gedragen. 
Sij dreit zum ersten, la dir 

sagen, 

6062. fragen üb. gestr. sage. 

6072. dz übergeschr. 


Den lip und er sij durch zu falle, 
6085 Umb das sij yme zu male 
[187 •] Ir dugent nit deilet und gibt. 
Hastu ye kein schiff gesien icht 
In eime wasser gesehen füren 

odir swymmen? 
Dar an saltu bijtzeichen nym- 

men 

6090 Obe sij aen dich möge missedun 
Wo du nit dar zu woldes dun. 
Als dut auch der in dem schiffe 

ist 

Und das fueret und auch von 

yme gefurt ist: 
Das schiff fuerte yn nit 
6095 Wo er das schiff fuerte nit 

Dine sele ist also eine fuererynne 
Dins libes und eine regiererynne: 
Sij yn füret, sij yn dreget 
Und also fürende sich selber 

dreget. 

6100 Der lip dreit sij nach sinem 

willen, 

Und dar nach sij dar zu dut 

yren willen; 

Der lip sij nit mochte gedragen 
Wo sij den lip nit wolde dragen. 
[/W] Und dar umb saltu dich mügen 
6105 Den lip so rechte zu regieren 
Dwijle du inne yme bist, und 

salt füren 

Das du an einen guden staden 
Yn nach dem dode mögest be- 

gaden.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘sicher¬ 
lich 

6110 Ich geleube das uwer worte 

wisseclich 

6080. vor apch gestr. frauwe. 

6090. sij] l. er ? (H.). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



136 


Hechtes Verständnis nimmt zur Probe dem Pilger seinen Leib. 


Nit notdurfftig werent 

Obe is uch umb mynen willen zn 

dun were 

Das ir mich von myme schiffe 

nement 

Und von dem libe mich dedent; 
6115 Das ir mich wisetent den ver¬ 
stauen, 

Den blynden und veralten, 

Der mir so viel ubels hait ge- 

taen, 

So dicke ir sagent, nnd zn mani- 

chem mal, 

Und mag sich des noch nit erlan, 
6120 Uff das ich möge befynden 
Das ir sagent, und das finden; 
[ 288 »] Nit also das ich icht föchte, 

Das ir mir sagent, das nit viel 

dochte, 

Aber ich verstaen nit sicherlich 
6125 Uwer worte lutterlich. 

Woldent ir mich einwenig lernen, 
So wolde ich is verstaen gar 

gerne.’ 

Da sprach Glich Verstenteniße 

zn dem mal: 

‘Zware ich geleuben rechte wol 
6130 Das du mich wenig verstest; 

weistu war umb? 
Daz dut der lip der dar vor ist 

und dar vor macht 
Ein groß hindernisse dag und 

nacht. 

Anders kann er nit me gedun 
Dan alletzijt wieder dich dun. 


6135 Aber umb daz du des haist be¬ 
wert, 

Du salt des, obe ich mag, sin 

gewert: 

Ich wil dir yn nemen, obe ich 

kann, 

Aber du must auch mit arbeit 

han, 

Mit mir auch mitliden han; 

6140 Dan ich gar wenig da dede 

[289 »■] Wo ich von dir nit helffe hette. 
Doch mustu yn wiedernemen 
Und yn wieder bij dich nemen; 
Dan myne macht reichet nit so 

ferre 

6145 Das ich yn von dir gescheide 

ferre 

Odir möge keine lange zijt; 
Dannoch is yme harte lijt 
Eine wijle sich von dannen zu 

scheiden. 

Des höret dem dode zu zu leiden, 

6150 Der dicke kommet so man nit 

nach yme schicket, 
Und sich hart dar inn stricket 
Nu nym da und ich hie 
Und verstant nit da noch hie!’ 

[289»] Da lachte Gelich Verstenteniße 

handt an mich 

6155 Und in yre gewalt lachte ich 

mich: 

Sij zoch und ich stieß, 

Ich det so viel, sij also det auch 

(ich daz sij mich hieß) 
Das der ungeschaffen niderlag 


6111. Nit] l. Mir mit h ?; Orig.: Je croy 6157. also übergeschr. vor auch gestr. 
que vostre parlement Me seroit mont necessaire. vnd. dz sij mich hieß zugeschr. 


nach 6153 aufgeklebtes Bild (53) mit Nebenschrift rechts: glich v’stentenisse nymet 
dem pilger? die aele vß dem libe. Der Pilger liegt auf dem Rücken , die Seele kommt in 
Gestalt eines Knableins aus seinem Munde. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Der Pilger befreit von seinem Leibe. 


137 


Von mir und ich sin entladen 

wart. 

6160 In den lufft hohe ich gefurt 

wart, 

Mich dachte wol ich flftge 
Und das mich keine swere zöge; 
Nach mynem willen über alle 

ich gienge 

Uff und nider, wo ich wolde, ge- 

rynge. 

6165 Mich dachte das in der werlde 

nftscht 

Vor mir verborgen odir verholen 

were Ätscht; 

Ich was frohe grossenclich, 

Mich verdroß nit me dan das ich 
Muste herbergen und beliben; 

6170 Dan wenig oder nütschit ich sag 
Dan hinderonge an myine wege. 

[loor] jch sag wol das is waer was, 
Alles das Gelich Verstenteniße 

mir gesagt hait: 
Ich sag mynen lip wol, der was 

mist, 

6175 Und daz man yn achte vor 

nüscht; 

Ich sag wol das er alletzijt be¬ 
leih 

An einre stat so man yn nit 

dannen hub. 

Uff der erden er gestrecket lag 
Und das er wieder horte noch 

sag; 

6180 Sine geberde bewijset hait 

Das er keine krafft in yme hait. 
Ich gieng umb und umb yn sere 
Zu erfaren obe er entslaeffen 

were; 

Den puls greif! ich yme: 

6185 Fahß, adern odir puls an yme 


Noch ahtem enfant ich zu male 

nicht; 

Ich gesag wol das er was nicht. 
Phy uff yn und uff sin wesen! 
Ich mochte numme bij yme 

wesen! 

[/so«-] Da ich das alles hatte bedacht, 

6191 Gelich Verstenteniße mich an ge- 

lachet hait. 

‘Hie ist’, sprach sij, ‘das systu 

wol, 

Din vigent: nu kenne yn wol! 

Eis ist der der dich dine wappen 

6195 Nit dragen lesset odir lyden, 

Der mit klaffen dich niderslet 
Und dich uberwinden get, 

Der dich hindert hohe zu stigen 
Zu dyme schepper und zu fliegen: 

6200 Ich han sin dir genug vor ge- 

saget, 

Da mit dir wol genügen mag. 

Du must wieder inn yn gaen, 
Wieder uffladen und yn by dir 

han 

Und in dragen in dinem wege, 

6205 In diner ferte über brücke und 

stege.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘myne 

meynonge 

[n>i r ] Was und auch myne begeronge 
Das ich mich wappette mit den 

wappen 

Und das ich also einwenig gienge 

stappen 

6210 Eine wijle zu versuchen 
Obe ich sij also mochte ge- 

ruchen; 

Dan mich duncket siecherlich 
Das sij ytze nuscht wigent ge¬ 
lich.’ 


6185. vor Fahß gestr. an. 


6187. Ich aus Is. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



138 


Rechtes Verständnis gibt dem Füger den Leib zurück. 


‘Sicher’, sprach sij, ‘du sagest 

war. 

6215 Sij wigent wenig, daz wisse vor¬ 
war! 

Aber du salt auch wissen da bij: 

Wo du also andedes sij, 

So hettestu kein verdienen noch 

Ion. 

Du salt sij andun, so du bij 

dich hast genommen 

6220 Und angetaen den blynden und 

stommen. 

Er sal sine burde wol dragen. 

Dan er an dem guden wilt deil 

haben; 

Dan du am lesten kein gut 

macht han 

[U)l’] Er wolle auch sin deile dar an 

han. 

6225 Nu hebe yn uff und nym yn 

wieder 

Und dan stelle dich zu wappen 

wider! ’ 

Da sij mir das hatte gesaget, 

Balde ich mich han umb gewant 

Den lip wieder uff zu heben da; 

6230 Alle die stercke die ich hatte da, 

Und das gut des ich mich er- 

frauwette ee, 

In eime blicke was alles ver¬ 
borgen als ee 

Vor mir und verholen 

Under dem drüben wölken, 

6235 Durch den nyemans gesehen wol 

kan. 


[192 r] D en wölken den ich so sere ge¬ 
ll asset hatte 

Vor und wenig geachtet hatte, 
Fing ich an wieder liep zu han. 
Zu bedrachten und zu gedencken 

dran 

6240 Das ich mich mit yme vereynete 
Und sinen willen dete. 

Aber da ich dar nach befant 
Das ich also würde bedrogen zu 

hant, 

Zu schrien und zu weynen 
6245 Hub ich an und zu sufftzen 
Und sprach: ‘ha Got, waz sal 

ich dun, 

Welichem sol ich sinen willen 

dun?’ 

Da sprach Gelich Verstente- 

niße: ‘was ist dir? 
War umb hastu untrost bij mir? 
6250 Schrien höret den frauwen zu, 
Den mannen is nit gehört zu.’ 

Da sprach ich: ‘ich schrien dar 

umb: 

Dann itze in dieser stonde, 

[ 192 r ] Ee ich wieder uffgehube 
6255 Den armen lyp und uff mich ge- 

luede, 

Da was ich so gar starcke aen 

wenen 

Das ich so viel wolte dun als 

zwenen. 

Ich über die wölken Hoch 
Hoher dann reiger odir kranch 

ie geflog; 


6232. als ee zugeschr. 6258. floch zugeschr., davor folch zu streichen 

vergessen. 


vor 6227 auf geklebtes Bild (54) mit Nebenschrift rechts: glich v’stentenisse gibt dem 
pilgery die sele wieder in den lip. Der Püger steht wieder auf seinen Stab gestutzt vor 
Rechtem Verständnis. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Im Anschluß daran weitere Belehrung über Leib und Seele. 


139 


6260 Ich sag und verstunt 

Und nit wiederwertikeit enfant. 
Nu ist das spiel also umbge- 

want 

Das ich mynen wiederwert fon- 

den han wider. 

Der lip drucket mich und siet 

mich nyder 

6265 Und heit mich under yme uber- 

wonden syder; 

Ich han nit krafft da mit ich 

yme wiederstan 
Möge odir wieder yn gedun; 

Myn wollen ich gantz verlorn 

han, 

Ich weiß nit war ichs han ge- 

taen; 

6270 Jtfine sterckede ist nit me dan 

des ist 

[I93r\ Der lebende in die erde begraben 

ist 

Als ein affe der gehefftet ist 
An ein ploch und gebonden ist, 
Der nit uffgestigen mag 

6275 Er falle dan balde wieder abe, 
Also ist mir der lip ein ploch 

swere 

Und eine zange, die da heldet 

sere. 

Er siet mich nider so ich wil 

fliegen, 

Und zuhet mich wieder so ich 

wil stigen. 

6280 Dar umb wart mir, als mich 

duncket, gesagt, 
Das ich vor zijden in der schrifft 

gesehen han gehabt, 
Das der lip, der vergenglich ist, 
Sere fule und swere ist 

6263. wider eugesehr. 

6270. Eine; Orig.: ma force. 


Die sele zu beladen und zu 

drucken, 

6285 Die yn in kestionge wilt drucken. 

Also bin ich unden gelacht, * 

Also gehalden und zu dinste 

braicht; 

[193•] Dar umb is nit wonder ist aen 

8pot 

Obe ich sprechen schriende: “ach 

Got! ” 

6290 Dan ich bin gar untröstlich. 

Und gar sere ungemüdich.’ 

Da sprach Gelich Verstente- 

niße: ‘nu magstu wol 
gesehen han 

Das ich dir nicht gelogen han 

Das der lip din wiederwert ist 

6295 An allem guden das dir zu 

dunde ist.’ 

‘Sicher’, sprach ich, ‘das ist also, 

Mit uwern gnaden han ichs ge¬ 
sehen do. 

Aber sagent mir noch ein wort: 

War umb ist er starcker dan ich 

wordt ? 

6300 Odir war umb ich nit also starg 

bin als er 

Odir ich mag werden: das ist nit 

gute mere.’ 

‘Me starcker’, sprach sij, ‘ist er 

nit, 

Aber du kanst yn uberwinden nit 

In syme lande, als du in dem 

dynen 

[J94 r ] Dedes, so du da weres; 

6306 Dan ieder ist starcker uff siner 

misten 

Und macht sich scharff uff dem 

sinen mit lysten. 

6281. vgl Sapient. 9,15. 

6304. syme aus Syme. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



140 


Weitere Belehrung über Leib und Seele. 


Er ist hie in syme lande, 

Und uff sine miste hait er lange 
6310 Synen mist nu faste gelaicht; 

Dar umb ist er wieder dich viel 

starg, 

Me scharffer und hat me großer 

arg. 

Aber fondes du yn anderswa, 

In dyme lande, viel starcker dan 

da 

6315 Weres, und konde dir nit wieder- 

staen 

Noch auch wieder dich gedun; 

Nyt das ich is dar umb sage 

Und dich da inne mit dorheit 

belade 

Das du yn nit solles matten 
6320 Odir auch zu male undertretten; 

Dan wiltu, uff sine misten, 

[!&*• ] Und das du in dem schachzabel 

icht wistes, 

So mochtestu zu yme sprechen 

schach und mat: 

So viel wieders er dir nit det. 
6325 Wenig zu essen, wenig zu 

drincken, 

Wenig rügen und sere in arbeit 

zu syncken, 

Straffongen und siege viel, 

Beden und ersufftzen spiel, 

Die Zeichen der bussen, 

6330 Haldent yn zu recht dun müssen: 

Die dunt dich yn uberwynden, 

Er wolle odir enwolle, und yn 

mit grosseren bynden. 

Wann er dan also wirt ge- 

bücket 

Under dich und gedrücket, 

6335 Dan macht du dich wol wappen 


Mit den wappen. la mich dir 

recht sagen: 

Du kanst nit ander hinderonge 

haben 

Als da von das er zu feysset ist. 

Zu viel redende und zu viel ge- 

spiset ist; 

[195 »•] Und das was das dir sagette 

6341 Gots Gnade, da sij mit dir rede 

hatte.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘siecher¬ 
lich 

Yetze erste versteen das ich. 

Aber ich verstunt sin nit da 

6345 Als sij mit mir rette vom übe 

da. 

Ich waende das er und ich 

Eins weren sicherlich. 

Aber is ist nit also. 

Durch uch han ich die warheit 

erfonden do: 

6350 Nach dem ich uch han gefraget, 

Dar nach hant ir mir auch ge- 

saget’ 

‘Sicher’, sprach sie, ‘die war¬ 
heit 

Were dir gewest durch sij bereit, 

Hettes du is an sij begert; 

6355 Dan ich han is alles von ir ge- 

lert. 

Ich konde nutscht were sij nit, 

Und were auch an mir nit: 

[195*] Was ich dir sagen, das ist durch 

sij. 

Obe ich sprechen daz din lip din 

vigent sij, 

6360 Das soltu her nach wol befinden: 

So du einen guden weg wilt gan 

und finden, 


6319. uit fehlt, steht aber in h. 


6332. Orig.: a grant honneur, h: mit 
großen eren. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Der Pilger dankt Rechtem Verständnis für seine Belehrung. 


141 


Das wirt er dir weren 

Und dich dun einen andern weg 

keren. 

Und obe er dich ettwan lesset 

gan 

6365 Den weg den du salt und wilt 

gan, 

So sage ich dir das du yn trege 

Findest und in slefferigem wege. 

Er wilt lange rügen 

Und sich wenden mit fügen. 

6370 Zu essen wan du yn haist ge¬ 
setzt, 

Spade und ungerne er sich hait 

entsatzt. 

Alles wilt er dun gemechelich, 

Das er dich mache hinderlich. 

Sine zijt kan er wol bestellen, 
6375 Wann er dich wilt mit reden 

feilen, 

1^1 Und so du dich nit hudes, 

. Bedrogen du dich dan findes. 

Aber das ich dir raden getruwe- 

lich 

Das du dich uff dinre huden 

sicherlich 

6380 Haides und dich uff yn nit fydest 

Noch uff sin wesen nit verlassest. 

Anders dustu yme sin wollen. 

Dar umb magstu wissen mit 

füllen 

Das du yn sterckes wieder dicli 
6385 Und yme lyhest flißeclich 

Den getzug da mit er dich 

krieget 

Und von dem rechten wege 

brenget. 

Als, obe du mich wol verstanden 

haist, 

6369. Orig.: Et sur l’antre coste tourner. 

6407. n. ich gestr. ic mit Ansatz zum h. 
werde zugeschr. 


Das du yn wol erkennen magst, 

6390 Du magst wol gesehen daz is 

der ist 

Der din dotlich figent ist, 

Der dich dine Wappen nit lesset 

dragen 

Odir sij dich auch nit lesset 

lyden.’ 

[ 106 ”] ‘Frauwe’, sprach ich, ‘großen 

danck! 

6395 Ich sehen wol das is also ist aen 

- wanck. 

Minen lip hant ir wol under- 

scheiden 

Von mir und clerlich gescheiden 
Wie er mir allen dag wieder ist 
In allem guden das mir zu dunde 

ist; 

6400 Also das ich uch wol erkennen 
Wyse und das ich bedurft ge- 

wynnen 

Uwer allen dag, das ich wol 

wolde 

Das ir den weg auch soldet 
Mit mir zu der stat da ich hien 

sal; 

6405 Dan ich geleube das mir wol 
Manich hinderonge kommen 

werde, 

Die ich in myme wege finden 

werde, 

Durch böse wege, die ich noch 

nit han können finden. 
Dar umb werent ir bij mir, 

6410 So brechtent ir großen trost mir, 
Also das ich uch bijde umb 

mynen frommen 

[107 r] D as i r m it willen wollent mit 

mir kommen.’ 

[6411.] Kustode unten auf Bl 196*: Das 

ir mit willen wollet. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



142 Nachdem Rechtes Verständnis sich verabschiedet, setzt der Pilger seinen Weg fort. 


‘Gots Gnade ist’, sprach sij, ‘bij 

dir, 

Da mit saltu laßen genügen dir. 

6415 Du gewynnest nummer bij dem 

leben din 

Geselleschafft die dir so nutzelich 

möge sin; 

Nit das ich mich wolle entschul¬ 
digen 

Das ich mit dir nit wolle geen: 
Ich geen die wijle du is wilt 

han; 

6420 Aber ich sagen dir daz du wirst 

han ettwan 
Thuschen uns zwein drube wöl¬ 
ken 

Odir ander fuchtikeit uff ge- 

wolken 

Odir aber nebel odir rauch, 

Dar umb ich dir verborgen bin 

auch. 

6425 Eine wijle kumerlich 

Du mych siest, die ander finster- 

lich, 

Ettwan wieder dis noch das. 

Du mich nit siehst klein noch 

groß, 

Und auch ettwan lutterlich 

[197’] Sihstu mich und uffenclich. 

6431 Nach dem du den weg heldest, 
Dar nach du mich auch findest; 
Aber doch, bedarfft du myn, 

So wil ich nahe bij dir sin, 

6435 Und suche mich umb dich! 

Dan suchestu mich flißeclich, 

Du findest mich bereitlich. 


6414 gleich exoischengeschr. 
6418. geen aus gaen. 


Nu gang alles vor dich, 

Is were dir anders hinderlich; 
6440 Nym guden weg und gleube nit 
Dem libe: er dut dir kein truwe 

nit!’ 

Da danckete ich ir sere 
Der woledait die sij mir mere 
Hatte getaen und bewijset, 

6445 Und sij mich vort gaen wijset. 

Da fieng ich aber an zu gaen 
[J98'-]Und wolde da kein beliben han: 
Dicke fant ich daz sij mir sagt, 
Und vernam waz sij mich glernet 

hait 

6450 Ich föchte das ich sie nit sehe 

me 

Wo ich dar zu nit arbeitte me. 
Der wolke verhelete sij mir da, 
Das det der lip, den ich hatte da. 
Nu behude mich Got vor hinder- 

niße! 

6455 Dan ich kan wieder weg noch • 

wise 

Da hien ich siecher möge gaen 
In die stat dar ich willen han. 
Ich dencke wol daz ich zu 

schaffen gewynne; 
Dan wan ich mynen wiederwert 

finde, 

6460 Den den ich süße ertzogen han, 
So wil ich mich duncken laen 
Das er mir me wiederdrieß solle 

dun 

Dan der den ich nie me gesehen 

han. 

[198 *] Als ich alles also gieng 


6422. vff gleich übergeschr. 
6452. sij fehlt. 


vor 6464 auf geklebtes Bild (55) mit Nebenschrift rechts: Hie hat der pilgerin zwene 
wege vnd weiß nit wellichö er sol gan. Links steht der Pilger. Rechts sind die Wege als 
zwei breite weiße Streifen auf grüner Flüche gemalt. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




An emem Scheideweg sitzt links eine Magd, rechts ein Altbüßer. 


143 


6465 Und in großen gedencken gieng, 

Einen weg sag ich der sich 

zweiete 

Und in zwene wege sich deylte: 

Nit das si verre von ein weren, 

Dachte mich, und nit zemale un- 

gelich werent, 

6470 Einre von dem andern; aber 

tuschen den zwein 

Sag ich eine wunderliche hecke, 

Die mich duchte sich gar ferre 

strecken. 

Da inne wuß aller hande viel, 

Holtz dorne, dar an dorne viel, 
6475 Gar dicke dar in gemenget 
I m r ] Und hertlich dar tuschen ge- 

drenget. 

Der ein weg uff die rechte handt, 

Der ander gieng uff die lincke 

handt: 

Es schein gar nahe ein weg sin, 
6480 Were die hecke da tuschen nit 

gesin. 

VfL die lincke hant waz ge¬ 
sessen 

Uff einer Stegen eine jungfrauwe 

vermessen 

Von adel und hatte sich geleynet 

da 

Und eine handt under yren seß 

gelacht da 


6474. das zweite dorne üb. gestr. k...ppe. 

6478. vor handt, das zugeschr. ist, ein ver¬ 
wischtet handt oder hant. 

6479. Es üb. gestr. Ein’. 

6481. Uvff. 


6485 Und einen hentschoe in der 

andern handt, 

Da mit sij die zijt verwante; 
Umb yren finger sij den swang 
Und yn umb und umbe wante. 
[799 r ] An yrer geberde sag ich wol 
6490 Das sij was ydelkeit vol, 

Das ir wenig was umb spynnen 
Odir ander arbeit zu gewynnen. 
Uff die rechte handt sag ich 

sitzen 

Einen altbüsser und wieder- 

macher 

6495 Alder socken und alder kleyder, 
Die er wiedermachte leyder. 

Noch verwondert ich mich me 
Daz ich gesag da noch me: 

Das er hatte gemacht wieder, 

6500 Zerreiß er zu male wider. 

Das sach ich da auch: 

[ 200 r] Mi c h duchte wol is were ein 

gauch, 

Und das er in yme nit viel 

synnes hette. 

Ich achte sin nit, dar umb ich 

dorheit synne hette, 
6505 Als ich des dar nach wart gewar. 
Doch tradt ich bij yn dar 
Und rette yme zum ersten zu 
Und sprach: ‘lieber frunt, sage 

mir nu, 


6484. handt aus hant. yrg seß üb. gestr. 

sich. 

6485. handt wieder aus hant. 

6493. handt aus hant. 

6504. synne hette üb. gestr. was. 


vor 6481 aufgeklebtes Büd (56) mit Nebenschrift rechts: flie ist die mussige maget. 
Eine Frau auf einer Treppe, in der Rechten einen Handschuh haltend etc. Darstellung genau 
nach Beschreibung. 

vor 6493 Bild (57) mit Nebenschrift rechts: der pilgeryn fraget vnmüsse wellicher 
weg der beste sij zu gan. Situation wie auf Bild 55. Geschäftigkeit in Gestalt eines Schuh- 
nnd Kleiderflickers hockt rechts unten in der Ecke. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



144 


Der Altbüßer (Geschäftigkeit) lädt den Pilger auf seine Seite ein. 


Welicher weg ist der beste? 

6510 Ich sehen zwene vor mynen 

äugen glesten: 

Ich bin nit me hie her gangen: 

Wijse mich welichen ich solle 

verfangen!’ — 

‘Wo wilt du gelich siecht hin 

gan?’ 

Ich sprach: ‘ich wil über mere 

gan 

6515 Gheen Jherusalem, in die stat, 

Da die magt einen bischoff ge- 

born hait.’ — 

‘Komme gelich zu mir her inn; 

Dan ich uff dem rechten wege 

gesessen bin. 

[ 200 <>] Durch mich der weg der un- 

bekentlicheit 

6520 Anhebet und dar nach rechte 

geit 

Es ist der weg da du mast hin 

gaen 

In die stat die du wilt han, 

Und die da liget über mere.’ — 

‘Ich wolde gerne wissen obe is 

war were 

6525 Das du mir nu haist gesagt; 

Dan din werck mich underwiset 

hait 

Das du haist kleynen synne. 

Das macht dins werckes schyn; 

Dan ich sehen das du ein alt- 

busser bist 

6530 Und das din hantwerck snoede 

ist; 


6512. weliche über wo geschr., das zu 
streichen vergessen ist. w. ich gestr. hinn. 
v’fangen üb. gestr. gaen. 

6532. is wider übergeschr. 

6536. das e in arme zu einer Schleife 
herauf gezogen u. ein kleines e über geschr. 

6538. I. myne ? (R.). 


Und gesehen daz du dicke ent- 

machest 

Das du gemacht haist, und is 

widermachest: 
Das en ist nit gar großer synne. 
Du sagst mir dan sache war umb 

daz muße sin; 
[201*] Da antwerte er mir mit liste: 
6536 ‘Abe myn hantwerck arme ist. 
Dar umb sal man mich nit schei¬ 
den 

Noch mynre dorheit melden. 

Es en ist nit iederman 
6540 Der gülden cronen smyeden kan, 
Odir das er möge golt wechseln. 
Einre hait eins und muß daz 

ander laßen; 

Weren sij alle von eins hant- 

wercks maßen, 

Gar übel sij sich erneren moch¬ 
ten r 

6545 Und auch nit zemal wol endöchte. 
Und sagen dir wol: daz hant¬ 
werck daz arm ist, 
Bedarff man wol zu aller frist. 
Und ist dicke me daz man sin 

bedarff 

Dan daz rieh, daz groß ist odir 

scharf!. 

6550 Das eine wirt mit dem andern 

uffgehalten, 
Gehanthabet, geregieret und be¬ 
halten. 

[ 20 i v ] Es enist keins das böse sij 
Wann getruwekeit da bij sij, 

6541. golt aus gelt. 

6543. eins hantwercka maßen aus einem 
hantwercke. 

6545 ewischengeschr. 

6547. man übergeschr. 

6549. das zweite dz übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Der Pilger erkundigt sich nach seinem Namen und seiner Herkunft. 


145 


Is schadet nit, wie is sij, 

6555 Daz der man echt nit müssig sij. 
Es ist besser getruwe hantwerck 
Dan von des konniges hoffe 

müssig werck. 

Obe ich zerryßen und wieder¬ 
machen 

Und das dün umb rechte Sachen, 
6560 Das ich nit müssig sij, 

Ich meyne das ich dar umb nit 

zu scheiden sij; 
Dan hette ich ander sache zu 

dun, 

Da mit muste ich mich bekom- 

mern nün 

Und das nit wieder zerryssen 
6565 Das ich hette gemacht, oder daz 

wieder zu machen. 
Du sist wol daz ich nit hette 

anders zu machen 
Wo ich myn werck nit zerbreche 
Und das wieder mechte: 

[5tt2 r ] Da mit solte dir wol genügen, 
6570 Woldes du dich anders mit 

myn re liebe vortfügen.’ 
‘Frunt’, sprach ich, ‘wer bist 

du 

Und wo her kommen bist du? 
Wo ist dir der gedanck her 

kommen ? 

Du haist mir getaen nie keinen 

frommen 

6575 Noch magst gedun, als ich in 

myme gedancke han: 
Wie solde ich dich lieb gehan? 
So solde man mich wol einen dor 

nennen 

6655. acht. 

6563. nün zugeschr. 

6565. oder dz übergeschr. 

Deutsch# Texte des Mittelalters. XXV. 


Solde ich dich in liebe erkennen, 

Kente ich dich anders nit. 

6580 So sehen ich doch an dir anders 

nit 

Dan dorheit, unkunst und kein 

wißheit nit, 

Das du me achtest die die arbeit 

hant, 

Dan die müssig gent und gut 

leben hant; 

Der me achtet die arbeydenden 

6585 Dan die müssig genden. 

[505»] ich weiß nit wer dich daz geleret 

habe 

Odir wer dich das dun sagen 

habe; 

Dan hette ich icht mit rügen, 

Were besser dann sere arbeyden 

zu unfügen; 

6590 Es ist besser sich müssig dragen 

Dan is sij hacken odir graben. 

Also lange du uff dem wieder-. 

synne bist, 

So lange du auch vor einen dor 

gehalden bist.’ 

‘0’, sprach er, ‘lieber milder 

frunt, 

6595 Du kennest mich nit, als mich 

dunckt, 

Und kennest wenig Müssikeit 

Und ir große sorglicheit 

Ich fragen dich nu, antwerte mir 

baß! 

Umb was sache odir war umb 

ist das 

6600 Das wiße isen das lütter gefeget 

ist, 


6570. myme. 

6582. das r in arbeit gleich übergeschr. 
6589. zu vnfügen zugeschr. 

10 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




146 


Schon ist der Pilger bereit, Geschäftigkeit tu folgen. 


Und lichter stahel der gelutert 

ist, 

Verrostet und wirt hesselich 

[203»-]Und sine schonede nit beheldet 

gelich?’ 

‘Ist das also’, han ich yme ge- 

saget, 

6605 ‘Daz du mir dan haist vorgelacht, 

So han ich unrecht dich zu 

straffen me; 

Dan mit den Worten haist du 

mich uberwonden ee.’ 

‘Sicher’, sprach er, ‘es ist also; 

Dan gelich als daz isen balde 

rostig wirt 

6610 Da mit man nit arbeit odir 

wirckt, 

Also dut der müssige man 

Der nutscht dut odir dun kan: 

Der ist balde verrostet in Sun¬ 
den 

Mit laster und bösen funden; 

6615 Aber wann er sich wilt be- 

kommern 

Mit arbeit und sich dar in üben 

ummer, 

Das hudet yn vor sunden 

Und vor manichew» bösen roste 

und fänden, 

[.?(«»] Das er desta mynre beflecket 

wirt 

6620 Und vaste mynre rostig wirt 

Das ist yme eins fegens wert 

Und eynre fylen und des fylers 

wert.’ 

‘Ich bijden dich’, sprach ich, 

‘daz du mir sages 


Wo du diese wort geschoppet 

habes, 

6625 Dinen namen und wer du bist, 

auch; 

Dan mich sere wondert auch 
Des das du mir so wol geantwert 

haist; 

Dann ich waende fast 

Das du werest ein dorheit man.’— 

6630 ‘Gots Gnade (dan ich nit han), 
Die du nit sihst, hat mit dir 

geredt 

Und hait mir das in myn ore 

geredt 

Alles das ich mich beraden han 

und geredt. 
Du salt dir is nit lassen wonder 

sin; 

6685 Du salt wissen das ich der bin 

[204 r] Der den luden hait brot geben, 
Aen den nit hette mögen lange 

leben 

Alle Adams gesiechte were lange 

hongers dot 

Und hette gelieden grosse not; 

6640 Noes arcke were auch nutschit 
Ich bin der der da dut alletzijt 

utschit, 

Und dun die zijt verdrijben, 
Kurtz vergaen aen verdrieß 

lijden; 

Der dar umb alle mentsche ge- 

born ist 

6645 Umb den scharffen dot der von 

dem appel kommen ist 
Ich bin mit myme rechten namen 

genant 


6601. gelutert üb. gestr. b- 6622. eynre aus eyne. vnd übergeschr. 

6616. Vmer eugeschr. 6633. vor vnd gestr. g. 

6618. roste vnd übergeschr.; malchen in 6642. verdrijben aus verdrieben. 
malcbem zu ändern vergessen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Da mischt sich sein Leib ein und rät zur Magd auf der linken Seite zu gehen. 147 


Arbeit und Unmüssikeit bekant: 

Doch nenne mich welichs du wilt 

Under den zweien, is mir geliche 

gilt 

6650 Durch mich gent die da wollent 

gaen 

Inn die stat da du von 

[ 2 (H*\ Zum ersten mit mir geredt haist. 

Nu duhe daz du in dyme synne 

haist! 

Gang durch mich odir anderswo 

hin; 

6655 Nu hnde dich wol und nym den 

weg din 

Das du dich nit duhest vor einen 

dor halden, 

Umb das du möchtest den 

argesten weg behalden!’ 

Da er mir also hatte gesagt 

wer er was, 

Der altbüsser, und wie sin name 

was, 

6660 Da dachte ich daz ich sinen weg 

wolde gaen 

Und den andern weg wolde laen. 

Aber zu stont hub an myn 

krommer lip 

Mit mir zu reden in stridt, 

Fieng an und sprach zu mir: 

6665 ‘Was gest du, dore, also ge- 

dencken dir? 

Gleubest du dem coquart und 

dore? 

Nit gleube yme, sonder gang en 

weg vore! 


Es ist nit dan ein umbdryber 

[205'] Der lüde und umbleyder. 

6670 Gang und rede mit der magt 

Die eine handt under dem sesse 

hait, 

Und frage sij den weg zu gaen, 

Als du diesen haist getaen! 

Villicht gibt sij dir solichen 

bescheit 

6675 Das du des weges zur rechten 

handt bedarfft nit, 

Sonder gest den zu der lyncken.’ 

‘0’, sprach ich, ‘ich laß mir 

dich nit wincken; 

Ich kennen dich wol, ich wil is 

nit dun; 

Dan solde ich nach dinem willen 

dun, 

6680 Balde gienge ich einen bösen 

weg.’ 

‘Sage ich dir dan waer’, sprach 

er, 

‘Gleubest du dan mir, waz ist dan 

der mere?’ 

‘Ja’, sprach ich, ‘so geleube ich 

dir.’ 

Er sprach: ‘der weg naher mir 

6685 Ist nit ferre von dem andern da; 

[205 •] Es ist als eins nit dan daz die 

hecke 

Da tuschen ist ein dorenhecke. 

Hecke ist nit eine mure zynne- 

lette, 

Thorn odir bürg dar in zu be- 

sliessen mitte; 


6651. da hier übergeschr. u. zu Beginn des 
folgenden Verses gestr. 

6655 übergeschr. ub. gestr. Vers: Nym dinen 
weg vnd hude wol dich. 

6657. behalden] be übergeschr. 

6666. vor coqaart gestr. C_(?). 

6667. vore zugeschr. 


6671. handt aus hant. sesse üb. gestr. 
arme. 

6675. handt aus hant. 

6686. nach hecke gestr. da. 

6687. ein übergeschr. 

6689. mitte zugeschr. 

10 * 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



148 Nur eine Hecke trenne die beiden Wege. Der Pilger tritt darauf an die Magd heran. 


6690 Es ist keine hecke, man mag da 

durch slieffen 

An ettlichen enden odir sie uff 

ryssen, 

Odir zum mynnesten man möge 

da durch gaen. 

Als obe du nit recht gangen 

weres 

Odir von dime rechten wege 

kommen weres, 

6695 Balde genug mochtes du durch 

die hecke kommen 

Und uff den andern weg wieder 

kommen 

Aen alle wieder sprechen. 

Dar umb, wiltu myne rede 

versten, 

So mag is dich nit sere gekrüden 

6700 Das du gest mit der hübschen 

reden, 

Die da sitzet uff dem huffen 

steyne; 

Dann sij ist alleyne.’ 

‘Wol an’, sprach ich, ‘wir wollen 

dar gaen! 

Ich sehen wol das ich nit frieden 

mochte han 

6705 Wo ich nit etlicher maßen 

gleubte dir; 

Dar umb gang vor, so geen ich 

mit dir!' 

Da quam ich zu der maget bas 

Die an dem ende des andern 

weges saß: 


Ich sagete ir mynen grüß mit 

müt. 

6710 Sij sprach: ‘Got grüße dich, frunt 

gfttP 

‘Jungfrauwe’, sprach ich, ‘bij 

myme eide, 

Ir brechtent mich wol von leyde 
Woltent ir mich den weg wysen, 
Obe ir den wissent in eynicher 

wijsen.’ — 

6715 ‘An dem wege kanstu nit gefelen 
Wilt du dich an mir nit helen 
[206 •] Und wilt durch mich hyen gaen; 
Dan ich die porten innehan 
Und bin eine portenerynne 
6720 An manichem hübschen wege und 

huderynne. 

Ich füren die lüde in den grünen 

walt, 

Beyde jungen und auch alt, 
Nüsse brechen und vyoletten 
Und auch zu wilen die ketten. 
6725 Ich furen sij an lustliche stadt, 
Da man frolich ist und freude 

hait; 

Da dun ich sij hören singen 

lieder, 

Sprüche, gedichte und gewyder 
Und dar zu manichen süßen don 
6730 Von harppen und ander seiten- 

spil schon, 

Von orgeln und andenn gedöne, 
Davon die rede wurde zu lang 

und zu schöne, 


6691. vff ryssen aus schwarz gestr. vffgetaen. 
6700. vor du gestr. g. reden vor mit 
gestr. u. a. Schl, zugcachr. 

6706. gang vor übergeschr. 


6708. saß üb. schwarz gestr. was. 

6709. mit mät zugeschr. 

6727. singen übergeschr. 


vor 6707 Bild (58) mit Nebenschrift rechts: Da Bette der pilgery zu Mussikeit links 
neben dem Bilde lviij. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Die Magd (Mäßigkeit) berichtet verlockend von ihrem Wege. 


149 


[207 r] ]) er is alles wolde ertzelen, 

So solde man dar an nicht ver- 

helen. 

6735 Da dun ich sij arbeit hören, 
Gauckel spiele bij andern doren; 
Da sehen sij das bredespiel 
Und auch schachzabel spiel, 

Die kegel und den nunden stein 
6740 Mit wurffein und ander spiel 

gemein 

Und viel ander trufferien. 

Wiltu dar gan daz zu gesiehen, 
Durch mich mustu dar gan. 

Nu luge obe du wolies dar gan: 
6745 Den rait mustu bij dir han.’ 

‘Ha’, sprach ich, ‘ach amich! 
Ich han rait, aber mich gelanget 

nit 

Zu beraden daz wieder den ist 
Der mich zu kriegen bereit ist: 
[207’] Er ist ein vorsprecher worden. 
6751 Ich bin wol bedrogen worden 
, Zu der zijt da ich mit yme eins 

wart 

Yme gulte zu geben zu der selben 

fart, 

Mich da mide zu kriegen 
6755 Und auch baß zu bedriegen; 

Dan allen dag wilt er die gulte 

han, 

Gestern, hude, und lat mich nit 

dar von, 

Und wann ichs yme geben, so 

verbirget er die. 
Ich weiß nit obe mir recht von 

yme geschie 


6735. arbeit] Orig.: laboure M, balonrs 
sonst. 

6745 korr. aus Dan dinen Rait du bij dir 
must han. du vor bij bei der Korrektur eu 
streichen vergessen. 

6746. Ha klein üb. großem, einen Absatz 


Digitized by Google 


6760 Odir abe ich werde gerochen hie.’ 

‘War umb’, sprach sij, ‘sagest 

du das? 

Du bist verdoret, und sehen doch 

nit das 

Er dir nit habe geben guden rait 

Das er dich zu mir gefüret hait.’ 

6765 ‘Sicher’, sprach ich, ‘das wolde 

ich wol, 

Aber ein crutze ich machen sol; 

[208 >■] Dan is were das erste mal 

Das er mir ye geriede wol.’ 

‘Nu sage mir’, sprach sie, ‘wie 

6770 Hait er dir geraden? und lug nit 

hie! 

Mit was Worten hait er dich 

Zu mir her dun kommen gelicli? 

So wil ich dir auch sagen hie 

Obe der rat gut und gewerlich 

sie.’ — 

6775 ‘Er hait mir gesaget ich mochte 

nit 

Lengen minen weg und auch 

irren nit 

Sere, gienge ich zu uch reden, 

So mochte ich balde wiedertreden 

Und wieder kommen uff mynen 

weg 

6780 Aen wiederrede und dan gan en- 

weg. 

Soliche worte hant mich zu uch 

braicht, 

Got gebe das is wol sij gerächt!’ 

‘Nu’, sprach sij, ‘magst du wol 

gesien 

[208 *] Das er dich nit wil bedriegen. 


bezeichnendem R, das nicht getilgt ist, wahrend 
die übrigen Buchstaben des anschließenden Wortes 
(Raidt) gestr. sind. 

6748. den üb. gestr. mich. 

6749. Der üb. gestr. vnd. 

6761. Initiale schwarz mit roter Füllung. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



I 


150 


Müßigkeit berichtet von ihrem Wege. 


6785 Umb dich wilt er lyden han, 

Dich zu erneren und uffrecht zu 

han. 

Wann so er redt von durch geen 
Durch die hecke, mit dir zu 

geen, 

So magstu sehen daz er suchet 

nit 

6790 Sinen lust und auch sinen wollust 

nit, 

Sonder ist eyniche arbeit da, 

Die wirt er alleine liden und du 

nit alda. 

Er wirt da mit berftret 
Mit den dornen und beblftdet 

6795 Gleube yme des sicherlich! 

Du kanst dar an verlieren nicht. 
Komme durch mich: is ist ein 

weg din! 

Du bist nit der erste pilgerin 
Der zu andern zijden da her 

gangen ist: 

6800 Der weg alzumal wol getreden 

ist!’ 

[209 r] ‘Frauwe’, sprach ich, ‘sit das 

ir wollent 

Das ich durch uch ghee, und daz 

also lobent, 

So sagent mir die gelegenheit 
Von uch und wie uwer name 

steit! 

6805 Dasselbe ich gerne wissen wolde 
Ee ich uwern weg gaen solde.’ 

‘Hie von’, sprach sij, ‘mochte 

dir nit 

Groß ungemach gescheen nit; 

Dan durch mich sint viel ge¬ 
gangen 


6810 Die dar nach zu fragen nit hatten 

gros verlangen; 

Ich gefiele yn auch so wol 

Das sij mich nit frageten war 

dis noch daz sol. 

Aber doch dwijle du wilt wissen 

Das, so saltu vorware wissen 

6815 Das ich der hoffart eine bin, 

Die zu zijden hait gestalt hien 

Frauwe Trägheit, die du her 

nach 

Sehen wirst, und auch wirt dir 

zu ir gach. 

[209»] Ire dochter bin ich und genant 

6820 Mfissikeit die weiche bekant 

Ich han lieber myn hentschoe an 

zu dun, 

Mich zu strelen und hübsch an 

zu dun, 

Mich in eyme Spiegel zu besehen 

Dan daz ich ander arbeit wolle 

plegen. 

6825 Mir dreument firetage und 

sondage, 

Das ich desta mynre swerde 

drage, 

Erdachte Sachen und meren zu 

sagen 

Und die lüde zu wenen das ich 

war sagen 

So ich ertzelen lugen und meren. 

6830 Bücher lesen und sagen erdachte 

meren. 

Ich bin dins lybes frundynne: 

Du slaeffes odir waches mit 

synne, 

Ich huden yn, daz er kein arbeit 

habe 


[6800.] Kustode unten auf Dl. 208»: Franwe 6818. wirt dir zu ir gach «5. gestr. fynden. 
spch ich sijt das. 6828. vor lüde schwarz gestr. z. 

6808. vor Groß gestr. kein. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Der Pilger betritt den Weg der Mäßigkeit. 


151 


Und zu kratzen an den henden 

habe. 

6835 Ich gebe yme dicke scheppel von 

grünem krude 

[2ior] Und dun yn gesehen zu siner 

hude, 

Obe sij hübsch und wol gestalt 

sie 

Und wol gecleydet und geschuwet 

sie. 

Ettwan dun ich yme suren 
wahssen an den henden, 

6840 Das er die muß graben und 

wenden, 

Sie zu stechen und uß zu graben, 

Zu arbeyden und keinen samen 

zu dragen. 

Nu siech was du dun wollest, 

Was du gedenckst, was rads du 

liest! 

6845 Wiltu dich durch mich leyden, 

So sage is aen langer beyden! 

Hebe dich uff und gang uff den 

weg 

Und stoß dine kleyder an dinen 

gurtel recht!’ 

Da sie mir daz gesagte, zu 

stunt sprach ich: 

6850 ‘Die wijle myn lip uch ist frunt- 

lich, 

Hettent ir yn dan getruwelich 

lieb icht, 

So soldent ir yn bedriegen nit; 

1210*] Dann ir wissent, were er den 

rechten weg geflogen, 

Das er sere were bedrogen; 

6855 Dann durch die hecke snelleclich 


Müste er gaen scherffeclich. 

Mit syme kosten machte ich 

solich loch 

Das ich mynen weg wiederfunde 

doch: 

Ich clagette wenig obe er ge- 

dornet 

6860 Were odir sere gestechet.’ 

‘Gang’, sprach sij, ‘und rede nit 

me! 

Er selber hait erwelet ee 

Den weg; er kan mich nit ge- 

schelden 

Noch von felscher liebe gemelden.’ 

6865 Da gienge ich durch Müssikeit 

Und in yren weg ich mich bereit; 

Des andern weges achte ich nit 

Und vergaß des altzumale. 

Den andern in dorheit nam ich 

zu wale, 

6870 Is mag kume sin er sie mir der 

argeste. 

[2ii r ] Ich bin geirret, daz weiß ich nit 

faste, 

Ich wil is balde genug ersehen. 

Nu gebe Got das ich also möge 

geen 

Und die bösen wege also schuwen 

6875 Das ich bynnen kurtzer zijt, 

Ee ich des boesen weges zu ende 

komme nit, 

Uff den andern weg kommen 

möge 

Und durch die hecke gaen möge! 

Da ich nu gieng also 

6880 Und die hecke ließ uff der sijtten 

do, 


6851. lieb icht hmt. gestr. ist 


vor 6879 Bild (59) mit Nebenschrift rechts: gottes gnade vnd der pilgeryn vnd die 
hecke tbuschen yne zweyen. links neben dem Bilde lix. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




152 Plötzlich ertönt von der andern Seite warnend die Stimme von Gottes Gnade. 


Eine stymme horte ich uff die 

ander sijtte, 

Die zu mir rieff sijt. 

Sij sprach: ‘cockart, was dust du, 
[.an*] War gestu, war wilt du? 

6885 War umb haist du gelaubt des 

rades 

Der glytterssen lugenerynne 

Müssikeit, der klapperynne? 

Den rat den sij dir geben dut, 

Brenget dich zu armüt; 

6890 Sij fftret dich glich in den dot, 

Wie wol der weg dich hat bracht 

in not. 

In kurtzer frist hat sij dich be- 

drogen 

Und von der dugent getzogen; 

Sant Bernhart sprach sij nit an, 
6895 Da er sij erkante und gieng sij 


an. 

Sij ist me hinderlich den pilgerin 

Dan der hare möge den h&nckeln 

sin. 

Ich gleube wol du solles is balde 

erfaren 

Und sij wol erkennen daz du 

bist verfarn, 

6900 Wo du nit balde geest her über 
[ 212 r] Und laß den weg der da get da 

über.’ 

Da wart ich zu male sere 

erfert 

Und bin altzumale zu dode er¬ 
schrecket; 

Dann der da rette, gesag ich nit, 
6905 Und wer das were, wiste ich nit. 


Doch so antwerte ich 

Und sprach: ‘bescheide mich! 

Was odir wer sint yr 

Die odir das da redet zu mir? 
6910 Ich werde recht nummer frohe 

Wiste ich nit wer nu were do.’ 

Das da hatte geredt, daz ant¬ 
werte mir lftde sere: 

‘Du soldes wol wissen wer ich 

were; 

Dan ich han dir viel gudes ge- 

taen, 

6915 Woldes du is icht behalden han. 

Ich bin die die dich furte in myn 

huß, 

Und drug dir myn kleynot her uß 
[ 212 »] Und ließ is dich sehen und det 

dir ein deil bekant: 

Gots Gnade bin ich genant.’ 

6920 Da ich is horte, da sprach ich 

zu ir: 

‘Zarte frauwe, sijt daz daz sint 

ir, 

Ich dancken uch; daz sal ich dun. 

Sijt das ir zu mir hant reden 

dun. 

Ich han lange guden willen gehat 
6925 Mit uch zu reden von diesem 

phat, 

Uch zu fragen waz da mechte 

hie 

Die hecke die da ist gewahssen 

hie; 

Und bijden uch das ir mich des 

underwijsent 

Der warheit und mich wijsent, 


6883. was dust aus war gest. 

6884. hier War gestu aus was dustu da. 
6888. I. Der? 

6894. vgl. Bemardus, De consideratione 2,13 
(Migne, Patr. lat. CLXXX1I, col. 756). 


6899. Hinter sij ist dar vor also schwarz 
gestr. u. dafa r <*• Schl, ds du bist v’f&rn rv- 
gefügt. 

6901. h: laßest. 

6912. lüde übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Aufklärung über die Hecke. Jenseits derselben erscheint Rechtes Verständnis. 153 


6930 Und dar nach na myme vermögen 
Durch zu gaen dun ich myn 

mögen. 

Hait myn lip da zu lyden, 

Ich gedencken des wol zu ver- 

myden: 

Er ist dar in myn rat gewesen, 

[• 2i3 r ] Es krudet mich nyt obe yme 

davon liden werde.’ 
6936 ‘Sicher’, sprach sij, ‘ee solde ich 
Durchgaen, were gehertzet ich; 
Dann so du vorter wirst gaen, 

So must du die hecke ie dicker 

han.’ 

6940 ‘Frauwe’, sprach ich, ‘des bin ich 

froe, 

Desta me wirt er gestochen also, 
Der lip, der mich hat wollen 

verraden 

Und mir hait uff diese sijte zu 

gaen geraden.’ 
‘Nu verstant’, sprach Gots 

Gnade, ‘waz is ist, 
6945 Die hecke die da tuschen ist 
Tuschen den zweien wegen: daz 
die hecke zu gehören sol 
Der frauwen die du gesehe wol 
Den Siegel dragen und die rüden 
Und den besem dragen tuschen 

den zenen. 

6950 Bfisse ist sij genant sere 

In hiemel, erde und in dem mere. 
\213 »] Sij hat die hecke geheiget da 
Umb den willen daz die den weg 

da 


Uff der sijtten gent, daz sij da 

her über nit kommen 

6955 Sij haben dan vor davon arbeit 

genommen. 

Sij hait sij auch dar umb geheget 

da 

Das sij neme besem und rüden da 

Und auch style in ire Siegel zu 

machen, 

So dicke ir das not dut zu yren 

Sachen; 

6960 Dan sij hait des an viel enden 

zu dun, 

Umb die Sünder bösen willen zu 

laßen dun. 

Die hecke an diesem ende 

Ist nit faste dicke, da wende, 

Das rade ich, balde her durch zu 

gende; 

6965 Dan du magst balde finden 

Ettliche sache die dich mochte 

hindern 

Und dich nit lesset durch gaen: 

Das sal dich nit gar fremde han.’ 

[214'] Da flenge ich an zu gesehen 

6970 Her und dar und zu gedencken, 

Zu wissen obe ich gesehen mochte 

Ein loch, dar durch ich gaen 

mochte. 

Aber in dem gesehen uff jhene 

sijtte sach ich 

Recht Verstenteniße, das won- 

derte mich; 

6975 Ich kante sij wol an yrem an- 

gesichte und wijse. 


6933. Orig.: je m’en pense bien a aonffrir; 6952. geheiget üb. gestr. gesatzt. 
h: ich gedencken michz wol zu verdragen. 6953. dz übergeschr. 

6936 f. h hat, dem Orig, entsprechend: e 
soltestu ... werestu icht geh. 


vor 6969 Bild (60) mit Nebenschrift rechts: Da Rette glich v’stentenisse zu dem 
weller. links neben dem Bilde lx. 


* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




154 Von Rechtem Verständnis angetrieben sucht der Pilger ein Loch in der Hecke. 


Ich sprach: ‘owe, frauwe die 

wyse, 

Hant ir mich uff dieser sijtte 

gelaßen ? 

Dann ich waende daz ir zu aller 

maßen 

Bij mir uff myme fuße sin soldent 

6980 Und mich in keyner zijt laßen 

woldent.’ 

[214 »] Sij sprach: ‘is stet an mir nit an 

min blieben, 

Du haist mich zu erste gemyeden. 

Weres du uff dieser sijtte her 

kommen, 

So hettest du mich doch bij dir 

funden. 

6985 Nit wene das ich wolle gaen 

Den weg da von ich schaden 

han! 

Ich wil mich uff dem guden wege 

halden, 

Da die guden pilgerin hien gent 

wallen. 

Komme dar und geleube Gots 

Gnaden; 

6990 Dann sij hait dir gar wol ge¬ 
raden 

Das aller beste, und byst ein 

dore 

Wo du volgest den weg uff die 

sijte vor.’ 

Da sij mir daz hatte gesagt, 

Fing ich an zu gedencken me 

dan ich vor hatte gedacht 


6995 Und gesehen wo die mynste dicke 
Were und das kleyneste gesticke 
An der hecken und daz mynneste 

stechen; 

[ 2 iör] Dann mich durte daz sich zur¬ 
brechen 

Solde der lyp me dann ich: 

7000 Das erbarmete me dann is solde, 

mich. 

Nu wolle mich Got behftden 
Durch sine große gfttten; 

Dann ich bin boesem marcket 

nahe. 

So lange der fogel sich mag regen 

7005 Her und dar und sich bewegen, 
So kommet is gar dicke 
Das er inn einen stricke 
Swerlich gefangen ist, 

Der yme in sinen weg gelacht 

ist, 

7010 Odir von eyme andern fogel ge- 

dodet. 

Er ist ein dore daz er so er 

mag, nit enubet; 
Dann wann er wilt, so mag er 

dun nit, 

Da von yme dicke leyde beschiet 

[.215»] Nu wil ich uch sagen wie is 

mir gieng, 

7015 Davon is mir größlich mysse- 

gieng. 

Als ich also in gedencken was 
Und in der hecken suchte loch, 

daz mir baß, 


6979. sin soldent hint. gestr. werent. 6982. gemyeden üb. gestr. gelaßen. 

6980. vor laßen gestr. nit. 7011. dz er hint. dore übergeschr. u. hint. 

6981. an min blieben üb. gestr. in solich mag gestr. vbet üb. gestr. dut 

m aasen (?). 7013 sugeschr. 


unter 7013 Büd (61) mit Nebenschrifl rechts: dracheit heldet den weller. links neben 
dem Bilde fign’e lxi. In der Rechten schwingt ein altes Weib (Trägheit) ein Beil, mit der Linken 
hält sie den Pilger an einem um sein rechtes Bein geschlungenen Seile fest. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Dabei verstrickt er sich in Seüe, die ein altes Weib (Trägheit) auf den Weg gelegt. 155 


In myme wege seile und stricke 

lag, 

Die ich wol fulete und nit gesag 
7020 Das ich dar inne verstricket was 
Snelle und mit den fftßen ge- 

hemmet was; 
Das mich wonderte sere 
Und erschrecke mich am hertzen 

mere. 

Zu Gelich Verstenteniße zu reden 

ließ ich sin, 

7025 Und da bynnen waz Gots Gnade 

mir uß dem synne. 
Nach der hecken gedacht ich nit 
Zu suchen sluff odir loche nit; 
Genug zu dun und zu gedencken 
Hatte ich wie ich solde lencken 
7030 Die knoden von den seylen 
Und die rechte zu deylen 
[ 2 i 6 r] Und zu entstricken 

Und sij uff knuppen zum glichen; 
Danne ich konde sij nit zer¬ 
brechen 

7035 Und wiste mich nit wie rechen; 
Dann ich nit als starg als 

Sampson was. 

Ein altwip, daz hesselich und 

ungestalt waz, 
Kromp und ungeschaffen, 

Sag ich, die wolde klaffen, 

7040 Und ich hatte ir vor nit gesehen: 
Die quam mir nachgeen 
Und sag sie die seyle han 


Mit einre handt begriffen han. 

Da ich mich wante und sij 

ersach, 

7045 Mee dan vor ich erschrag; 

Dann ich sag sie gar sere ver- 

stalt 

Und von wustikeit gar ungestalt, 
Unfledig, swartz, snode und gele, 
Der sij hette gesien dantzen 

snelle. 

{ 216 '] Eine metzigeraxs sie drug, 

7051 Da mit man die swine dot slug; 
Dar zu drug sie bewonden 
Ein fardel seyle zu hauff ge- 

bonden: 

An yrem halse drug sie die. 

7055 Da ich sie also sach hie 
Und nam war yrer geberde, 

Da waende ich nit anders dan 

sij were 

Eine otterfengerynne 
Odir aber eine wolffefengerynne. 
7060 Solich fardel han ich an den 

wolfffengem gesien, 
Die des konniges waren odir ir 

mochten syn, 

Und auch bij den otterfengem: 
Die drugen solich fardel gern. 
‘Was ist dis’, sprach ich, ‘du 

stinckendes altwip, 
7065 Das du mir also nachgest uff 

mynen lyp? 

Wer bistu odir mit was rechte 


7018. lag aus lagen. 

7019. wol fulete üb. gestr. nit gesag u. nit 
gesag üb. gestr. fulete wol. 

7023. I. erschreckte? 

7025. wz vor gots übergeschr. m. ». gnade 
gestr. 

7033. Nach uff ist zu schwärt gestr. zum 
glichen zugeschr. 

7049 in der vorliegenden Verbindung ganz 


Digitized by Google 


unglücklich und höchstens tu erklären: Unfledig 
etc. erscheinend einem, der sie hätte tanzen sehen. 
Orig. (7062/63): Laide chose fust en sale 

Qui li v8ist yenir dancier. 
h: ... gel, sye quam dort her springen vnd 
dantzC. 

7051. dot übergeschr. 

7064. Initiale schwarz mit roter Fällung. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



156 


Alles Wehren gegen Trägheit häft dem Pilger nicht*. 


Hinderst du hie mich armen 

knechte ? 

[217 r ) Ir soldent nit also kommen 

Aen reden odir uch hustens an¬ 
genommen. 

7070 Is schinet wol das ir nie kommen 

sint 

Von guden enden odir ußgangen 

sint. 

Fluch hynnen und laß mich, 

Duhe abe dinen strick umb mich 
Und von mynen füßen abe! 

7075 Dan ich nit blafuß odir falcke 
Byn und auch keynen han 
Odir auch keynen sperwer dran 
Noch ander fogel ziere, 

Das fogeiern zu gehöre 
7080 Mich also mit stricken zu bynden.’ 

Das aldewip begonde antwert 

fynden: 

‘So mir myn heubt’, sprach sij do, 
‘Du kommest nit von hynnen 

also; 

Übel bist du her kommen, übel 

muß es dir ergaen. 
7085 Stinckende altwip hastu mich 

genant: 

[217*] Alt bin ich, du haist mich aber 

myssenant 

Dar an das du stinckende haist 

gesprochen; 

Ich stincken nit und laß is nit 

ungerochen. 
Ich bin an viel hübschen enden 

gewest 

7090 In winter und sommers glest, 
Gelegen in des keysers kammer, 

7069. Hinter hustens ist han su ergänzen. 

7075. Nach falcke ( verändert in falcke) 
ist des Reims wegen habe zvgeschr., das jedoch 
nicht gehalten werden kann. 


Des konniges und ander herren 

samment, 

Geslaffen in vorhengen der 

bischöffen, 

Epten, prelaten und in geist¬ 
lichen höfen, 

7095 Das ich nie me stinckende wart 

Noch in keinre zijt also genant 

wart. 

Wo kommet is dir her, wie ge- 

dorste du 

Also reden daz du nu 

In myme stricke gefangen bist, 

7100 Gehindert und dar inne ver¬ 
stricket bist? 

Ich meynen das du sere scharff 

werest 

Und gar boßlich mit mir retdest, 

Werest du nit gefallen. 

[ 2 i 8 r ] Und dar umb, die wijle ich dich 

halden, 

7105 Ich geleube ich solle mich wol 

an dir rechen 

Und dich noch also zerbrechen 

Und dich noch brengen an die 

stat 

Das ich dich dun gleuben an 

mynen got’ 
‘Alt wip’, sprach ich, ‘wer sint 

ir, 

7110 Die das hertze so sere hait zu 

mir? 

Ir sollent uwern namen sagen, 

Dwijle ir mir also wollent 

drauwen! ’ 

‘Sicher’, sprach sij, ‘ich wil is 

wol, 

7094. in übergeschr. 

7098. daz aus da. 

7106 zwischcngtschr. 

7107. Vnd üb. gestr. ich wil. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Trägheit erklärt, teer sie ist und teoeu sie dient. 


157 


Das ich dir nit verhelen sol 
7115 Myn name, wer ich bin und war 

zu ich dienen welle. 
Frauwe bin ich des metzelers uß 

der helle, 

Die yme bringet mit seylen fyne, 
Als obe is alles werent swyne, 
Die pilgerin die ich hindern mag 
7120 Und sij mit den f&ßen binden 

mag. 

Ich han ir zu zijden viel dar 

bracht, 

Aen die ich noch wol dar 

brengen mag, 
[ 2 iQ>] Under den du must der erste sin, 
Wo du mir nit entgest uß den 

banden myn. 

7125 Und dar umb bin ich kommen 

dich zu binden) 
Dich heimlich an za kommen und 

zu finden; 

Ich were wol anders kommen 
Hette ich nit vernommen 
Das ich myn arbeit solde ver- 

lorn han; 

7130 Dan du wolde uff die ander sijte 

gaen. 

Ich bin das aide wip 

Das bij den kinden in yrem bette 

lygt 

Und sij dut uff die ander sijtte 

wenden 

Und sij nit leßet gerne uffsten 

odir sich wenden. 
7135 Ich bin geborn sie zu wigen, 

Das sij slaffen und swigen; 

Die yne yre äugen zu dut, 

Das sij nit sehen das lichte gut. 


Ich bin die die ane hacken 

7140 In dem garten dut disteln uß- 

racken, 

[2i9r] Qwecken und nesseln erheben 

Und al unkrut aen samen sehen. 

Dicke und viel is mir gescheen 

ist: 

Das balde zu dun bereit gewest 

ist, 

7145 Bis uff den andern dag ich das 

vertzog, 

Da mide ich das bedrog 

Und det is dar nach zu male nit. 

Der zukunfftigen zijt beiden ich 

gerne sijt, 

Dar umb durch mich dicke ge¬ 
scheen ist 

7150 Das manig gut werck versumet 

worden ist. 

Ich heißen Drakeit, die süchtige, 

Die hynckende und krempige, 

Die lame und die müde, 

Die versmeltzen, die erfrorne 

hüde, 

7155 Und wiltu mich anders nennen, 

So magstu Trurikeit wol er¬ 
kennen ; 

Dann waz ich sehen, daz ver- 

drußet mich. 

Als der mulenstein der ydel get, 

dun ich, 

[2i9 f ] Der nit zu malen hat und von 

yme gibt staub und mele; 

7160 Also zurbrechen ich mich viel 

und snel: 

Durch verdrieß ich is alles bre¬ 
chen, 

Da mit ich mich sere rechen. 


7136. swigen üb. gestr. nit schrien. 
7138. m bebte das e a. Schl, eugeschr. 


7142. alynkrnt 

7152. Vor krempige ist die gestr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


158 


Von der Ausrüstung der Trägheit mit Beil und Seilen. 


Mir gefellet nutschit wol 
Is sij dan nach mynem willen 

gemacht wol. 

7165 Und umb das mich also verdrußet 

das, 

So dragen ich diese myne axs. 
Verdroß von gudem heißet sie: 

Sij ist swere als ein groß blie, 

Sij kloppet und erslecht die lüde. 
7170 Es ist die axs eigenclich 

Da mit ich zu zijden gewerlich 
Helyam under dem weckolder 

slug dot 

Und ich yn braicht in dodes not : 
Were der nit gewest der hoch 

gehangen wart, 

7175 Durch den er zweie male er¬ 
wecket wart» 
Umb die macht die er hatte sere» 
[ 220 r ] Er mir also nit entgangen were’ 
Mit der axs slahen ich dot 
Die gelerten in der kirchen und 

brengen sij in not; 
7180 Also besweret und gebliet ma¬ 
chen ich sij, 
Solde man sie verkeuffen als blij, 
So mochte man sie mit gewichte 

verkeuffen. 

Ir einre wigette so viel als ander 

drij; 

Ich sparen keynen, wer der sij, 
7185 Ich slahen sij dot, wann ich sij 

also finden hie. 
Diese stricke und die seyle hie, 
Da mit du gebonden bist hie, 

Sint gemacht also gar starck: 
Zuhes du sere, sij halden hart, 


7190 Wann sie enbrechent nit balde; 

Dann sij sint nu gar veraldet 

Eis sint nit seyle von Lichtem 

dal, 

Sonder sij sint gemacht zu Swar- 

tzen dal; 

[ 220 *] Sij sint gelich swartz und ge- 

swertzet 

7195 Und uß mynem buche geertzet 

Wiltu wissen wie sij heißent alle: 

Die eine versumeniß man nennen 

sal, 

Die ander verlessikeit genant, 

Die dritte lassikeit ist bekanL 
7200 Sie sint weiche und lichts geferte, 

Fluckig und gestanden herte; 

Also han ich sij gemacht wol zu 

verstricken 

Und gar wol zu verwicken 

Und dun die lüde zu hindern 
7205 Und ir kleit doch nit zerryssen. 

Sage ich waer, so weistu is wol; 

Dann durch sij zwo ich dich 

halden sal. 

Die ich an myme halse han 

Und also dar an gebonden dra¬ 
gen, 

7210 Des ich uff dis male wil geswigen 
[ 22 ir] Und die zum andern male dir wil 

lyhen; 

Da inne du dich in tzijt fynden 

salt 

Verstricket und auch wol fuelen 

salt. 

Nit me ich dir sagen wil, 

7215 Umb daz ich mich dar zu stellen 

und stercken wil 


7164. vor gemacht angefangenes w schwarz 7198. swartzen dal üb. gestr. haldB sm&L 
gestr. [7210.] Kustode unten auf Bl. 220•: Ynd 

7172. vor slug gestr. dot die zum and’n. hier n. vnd schwarz gestr. dir. 

7185. hie zugeschr. 7212. in tzijt übergcschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Trägheit schlägt den Pilger mit dem Beüe nieder. 


159 


Dich da myde zu seylen 

Und zu hindern aen feylen. 

Das seyle vertzwifelonge ist ge¬ 
nant: 

Das ist das da Judas an gehan¬ 
gen wart, 

7220 Da er den konnig Jhesus ver- 

raden hatte. 

Es ist das seil des henckers von 

der hellen, 

Das da mit er sleuffet und 

hencket 

An sinen galgen die er also er¬ 
kennet. 

Ich dragen is affter lande; 

7225 Dan is der hencker mir befolhen 

hat mit schände, 

Uff das, obe ich einen dore fynde, 

Das ich yme daz umb den hals 

bynde, 

Das ich yn fure und sleuffe 

[221*] Und yme eine böse woche an 

streuffe. 

7230 Nu siech abe dich an ein gut 

ende 

Dich gefurt hant des dodes 

wynde 

Und obe dir wol gedienet hait 

Müssikeit, die dir gesaget hait 

Das sie myn dochter sij! 

7235 Hie zu sij dich hait dun kom¬ 
men: 

Du must hie sterben, wo ich nit 

stirbe.’ 

Da das altwip also hatte ge- 

redt 


Mit großem versmahen sprach ich 

wieder: 

7240 ‘Rostig altwip, mich duncket 

sieder 

Das uwer bekenteniße nicht wert 

sij. 

Laßent mich gen, dan ir hant 

mich gehindert hie 
Und bin von uch gehindert wor¬ 
den!’ 

Da hait sij die axs her vor ge- 

tzogen, 

7245 Uff die achsel sij mich slug 

So sere das sie mich nider slug. 
[222 r ] Hette ich myn pantzer gehabt, 
Das were mir uff die zijt wol be¬ 
haget; 

Dann der streiche der mir wart, 
7250 Was dotlich, hette ich nit gehabt 
Da selbs in myme hudt 
Der schonen salbeyen gut, 

Die der konig hatte gemacht: 

Das ist die salbe geystliche, 

7255 Die nit machet den mentschen 

dotlich. 

Der hatte mir in mynen sacke 

getaen 

Gots Gnade, da ich sij genommen 

han; 

Sij wyste wol das ich y r be¬ 
dürfen wurde, 
[222'] Dar umb hatte sij mir sie uffge- 

laden zu burde. 
7260 ‘0 we’, sprach ich, da ich mich 

sach 

Also in großem ungemach, 
‘Gnade’, sprach ich, ‘konnig Jhe¬ 
sus! 


Von yrem hantwercke und ge- 

prediget, 


7258. yn bedorfften. 


oben auf Bl. 222r Bild (62) mit Nebenschrift rechts: dracheit wilt den weüer doden. 
links neben dem Bilde lxij. Trägheit schlägt den Pilger mit dem Beil auf die Schulter. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



160 An seinem Stab richtet sich der Pilger auf, aber Trägheit läßt ihn nicht entkommen. 


Das alt wip hait mich dot gesla- 

gen sus 

Und mich ermordet mit der axs. 
7265 Han ich nieman bij uch nahe, 

So han ich kein beliben nahe. 

Helffent mir und komment zu 

helfe mir 

Und werffent mich uß diesem 

leide viel!’ 

Als ich mich also clagette 
7270 Und mich beclagende also nider- 

lachte, 

Da lachte das altwip ir bnrden 

nyeder 

[223 r \ Und wolde, daz mir nit wol ge¬ 
fiele sieder, 

Die seyle dem hencker uff dun, 

Mir die umb den hals zu dun. 
7275 ‘Wenes du’, sprach sij, ‘mir ent¬ 
wichen 

Mit dyme clagen odir mit dyme 

schryen ? 

Des henckers seyle wil ich dir 

wynden 

Umb den hals und is wol byn- 

den; 

Dar nach werden ich sleufferynne 
7280 Din und auch henckerynne, 

Und die daet sal wol loben 

Der hencker und yme wol hofen.’ 

Da ich horte solich drauwe 

Worte 

Und sag die botschafft und borte, 
7285 An mynen stab ich da gedachte 


Und mir daz böse hertze wieder¬ 
brachte. 

Mit beyden henden ich den greift 

und hielt 

Und behalff mich da mit so viel 
[223*] Das ich wieder uff qwam 
7290 Und mich uffrachte und uff die 

fuße qwam. 

Zu der hecken wolde ich fliehen, 

Aber das altwip mir nach zn 

ziehen 

Was nit drege noch entslaffen; 

Sij qwam mir nach mit irer axs 
7295 Und hielt mich in dem stricke 
* baß, 

Davon ich noch nit gelediget 

was. 

‘Beide, beide!’ hait sij da ge¬ 
sprochen, 

‘Du kommest nit also enweg, ich 

sij dan gerochen! 

Is hilffet dich nit also enweg 

stessen: 

7800 Du must die hecke vergessen; 

[224 r] Zu myner axs und mynen seilen 

Mustu dich zu male lan verey- 

nen.’ 

Also sij mich wiedertzoch 

Mit der axs und jagete mich 

doch 

7305 Mit den stricken, die ich nach 

mir zoch 

Und auch einßdeils an mir 

drug. 


7283. hint. drauwe Rasur (n getilgt?). 7299. stessen] vgl. Glossar. 

7284. borte = burde. 


" vor 7269 Bild (63) mit Ntbenschrifl rechts: Hie liget der weller den dracheit hait 
geslagen. Gottes Gnade steht neben ihm. links neben dem Bilde lxiij. 

nach 7294 Btld (64) mit Nebenschrift rechts: Der weller finget vnd dracheit die jaget 
yne. links neben dem Bilde lxiiij. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Da erscheinen noch zwei andere alte Weiber, das eine auf dem Rücken des andern. 161 


Ich was großlich trurig, gar 

grosseclicli, 

Ich föchte dar zu gar sere mich 
Das sij mit des falschen Judas 

seyle 

7310 Mich nit brechte zu großem un- 

heyle 

Und mir das umb mynen hals nit 

lechte 

Und mich in kommer brechte. 
Doch umb das ich mit alle 
lr gantz wolde wol gefallen, 

7315 Das seyle sij da lachte 

Uff yren hals und sich bedachte 
Und erließe mich des; 

Die ander sij bij sich stieß 
[224*] Und ließ yr ein deile auch hen- 

cken 

7320 Und nebent ir sleuffen und sen- 

cken 

Und sprach, wie wenig ich mich 

zuche zu der hecken, 
So wolde sie die seyle wieder¬ 
strecken. 

Das det sij auch als sij is sagete, 
Und hielt das sij mir zu gesaget 

hatte: 

7325 Alle male so ich geen wolde 
Zu der hecken und mich dar 

keren solde, 

Mit drauwen erschreckete sij 

mich 

Und wegete die axs über mich; 
Die seyle sij nam und zoch mich 
7330 Von der hecken vaste her abe. 


7331. Also. 


Als ich also gieng mich strecken 
Und mich femete von der hecken, 
Als mich das altwip det gan 
Wo sij mich dan hien wolde han, 

7335 Uff eime halse eins hesselichen 

dales, 

\22ür] j)er dieff, ungeschaffen und vin- 

sterniße vol was, 
Zweie ander aldewibe hesselich 
Sag ich, die warent wonderlich. 

Die qwarnen gelich her zu mir: 

7340 Eine drug die ander uff dem 

halse gheen mir, 
Und die die da gedragen was, 

So große, so dicke und geswollen 

was 

Das ire groeße was Übermasse; 
Dan sij von nature nit also was, 

7345 Als ire gestalt bewijsete das. 

Uff yrem halse drug sij einen 

stab, 

An yrer stirne sij ein spitz horne 

hadt, 

[225 'J Da mit sij sich wol scharff 

macht. 

In irer hant hatte sij ein ander 

horn 

7350 Und in yrem sacke einen bla߬ 
balg vorn, 

Und was auch bewonden 
Und in einem wißem mantel ge- 

wonden. 

Sij hatte an zwene sporn 
Mit langen kregen vil gespitzet 

vorn. 


vor 7339 Bild (65) mit Nebenschrift rechts : Hoffart, scharffekeit, vppige ere, Rümonge, 
vngehoreamkeit, wideratellonge, v’steynonge, glissenerie vnd klapperie. ein altes Weib auf 
dem Rücken eines andern. Erster es hat in der Rechten einen Stab, in der Linken ein Horn 
(sonstige Einzelheiten der Beschreibung außer den Sporen nicht dargestellt). Die Trägerin hält 
ihm einen Spiegel vor. links neben dem Bilde lxv. 

DaoUohe Tat« de« XXV. 11 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



162 Erschreckt ruß der Pilger Qottcs Gnade an. die ihn jedoch an die beiden Weiber verweist. 


7355 Es scheine wol daz sij meiste- 

rynne was 

Uber die die sij dragen was; 

Sij det die gan war sij wölde; 

Eynen großen Spiegel sij ir hal- 

den solde, 

Da inne sij sich besach, 

7360 Yre gestalt und angesicht sij 

sach. 

Da ich die zweie aide wiber 

also gesach, 

‘Was ist dis, Gnade Got?’ ich 

selber sprach, 

‘In diesem lande ist nit dan aide 

wybe 

Hie und da an myme lybe! 

[226 r \ Ich weiß nit obe ich sij in der 

frauwen lant, 

7366 Da die frauwen dan die erbe¬ 
schafft hant. 

Werde ich durch sij gedodet, 

Were mir besser daz man mich 

dot geborn hette; 

So were ich doch viel leydiger 

me 

7370 Dan were ich in dotlichem kriege 

erslagen ee!’ 

Da qwam eine stymme zu mir, 

Die was von Gots Gnade, also 

was mir; 

Die sprach da zu mir uberludt: 

•Missetrosten ist dir nit nutze 

hüte. 

7375 Mit den alden 'wyben must du 

strit han 

Odir must dich ungestrieden 

fahen laen. 

Du bist yn in yre lant gegangen; 

Is kommet keinre drin er wirt 

angangen 

Von yn und gecrieget uß, 

7380 Er sij zu pherde odir zu fuß. 


Umb zwo odir drij nit erschrick: 
[226 '\ Du findest her nach andern ge¬ 
nug, 

Die dich werdent hart halden. 

Und sagen dir wol: wiltu dich 

nit bas gehabten 

7385 Odir das du nit bist gewapent 

odir anders angetan, 

Sy werdent is grob mit dir an- 

fahen, 

So wol du dich nit gehuden 

magst.’ 

Da sprach ich: ‘ich bijden uch 

hie 

Das ir mir sagent wer sint die 
7390 Die ich sehen gelich kommen her. 

Die mich hant erschrecket so 

sere!’ 

Sij sprach: ‘wanne du sij nahe 

sijst, 

Sy werdent dich wol fragen wer 

du bist. 

Als die die dich fueret 
7395 Mit den seylen und umbfueret. 

Dir hait gesaget wer sij Ist, 

Also werdent sij auch dun ge- 

wist 

Und sagent is dir aen liegen 
[227 r ] Wer sij sint, und aen driegen 
7400 Und wer sij dar zu geordent hait 

Odir wer is yn geboden hait.’ 

Als ich also horchte 

Der stymme, die ich über mir 

horte, 

Die aide die das hom hatte 
7405 Und uff der andern zu ryden 

hatte, 

Kam zu mir gelich stechende, 

Uff der andern sporn slahende. 

Ir hom sij nam und bließ da 

Und sprach zu mir: ‘beide myn 

da! 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Zuerst gibt sich das auf dein andern reitende Weib (Hoffart) zu erkennen. 


163 


7410 Du bist übel her kommen, sicher 

balde 

Odir mit eyme slage bistu dot 

balde!’ 

‘Wer sint ir?’, sprach ich zu ir, 
‘Wem sal ich also sichern? daz 

sagent mir! 

Wiste ich uwern namen nit, 

7415 So engesicherte ich uch nummer 

nit.’ 

\227>] ‘Ich wil dichs lernen’, sprach sij, 
‘Wisse das ich bin die 
Die da genant ist 
Die aldeste under den alden ist. 

7420 Es ist keine so alt als ich bin: 
Ich rüme mich des und leucke 

nit sin. 

Ee die werlet gemacht wurde 
Und ee der hymmel vollenbracht 

wurde, 

In dem nyste hiemels wart ich 

gehecket, 

7425 Entphangen und erqwicket 
Und dar zu auch geborn 
Und von vielen ußerkorn. 

Ein fogel, was Lucifer genant, 
Der mich da heckete al zu hant. 

7430 Da wart so böse heckonge nye 
Von keime fogel gehecket hie; 
Dann so balde ich ingesloßen 

wart 

i'^IUnd das ich das vernam und ge¬ 
sagt 

Myn fader bließ so gar hart 

7435 Mit diesem blaßbalge, den ich bij 

mir han, 

Das er yn von dem hohen nyste 

her abe 

Det fallen in der hellen grabe. 
Er was vor ein wißer fogel, 


Schon luchtende und edel; 

7440 Er luchte schöner und gut 
Dann die sonne zu hohem mit- 

tage dut. 

Er ist aber ytze worden swartz, 
Unfledig smackende me dan beche 

odir hartz, 

Viel hesselicher dann der dot, 

7445 Dar umb bringet er viel yn not. 
Er ist ein fischer uff dem mere, 
Der fogel und diere fenger. 

Her nach wirdestu is wol ge¬ 
sehen, 

Wan du wirdest uff dem mere- 

gen. 

[228»JNu sage ich dir, da ich yn also 

hatte 

7451 Uß dem nyste geworffen und 

verstoßen hatte, 
Mit yme viel ich her abe 
Und beleih auch nit me in des 

hymmels habe. 
Ich qwam uff das ertrich, 

7455 Das da was gemachet nuwelich; 
Da sach ich, das gefiele mir nit 

wol, 

Ein werg da mit man stygen sol 
Hohe wider zu dem nyste, 

Davon ich gefallen was mit liste 
7460 Und davon ich mynen vatter 

hatte dun bürtzen 
Und in abgrunt der hellen stür- 

tzen. 

Da ich sach daz er nit zurnete 

über mich, 

Uff stunt dar nach gedachte ich 
Obe ich yn mochte aen beyden 
7465 Den mentschen auch also verley- 

den, 

Und das ich yn mochte gehindern 


7431. keime aus keinre. 


11 * 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



164 


Hoffart berichtet von ihren Taten und ihrem Wesen. 


[ 220 >\ Das er nit mochte stigen odir 

klymmen. 

Als ich gedachte, also det ich: 
Ich qwam zu yme, mynen bla߬ 
balg nam ich, 
7470 Ich bliese yme in synen gedanck 
Und machte yme sinen buche 

groß und lanck, 
Das yn duchte das, 

Mochte er geessen der frucht die 

yme verboden was t 
So wüste er dan böse und gut, 
7475 Als Got sin oberster dut, 

Und were auch aller konste vol. 
Da mit bedrog ich yn wol; 

Dar umb wart er gedrieben uß 
Dem paradise und gestoßen druß; 
7480 Sin vorteil er alda hait verlorn 
Uff zu stigen zu dem niste ent- 

born. 

Da ich die zwoe dorheit hatte 

gedan, 

In der zijt da ich die milch zende 

hatte 

[^»"lUnd noch die jugent an mir 

hatte, 

7485 Gedacht ich das ich noch wolde 

dun 

Böses genug, der ich viel getaen 

han 

Und dun allen dag und noch dun 

wil. 

Ich machen und driben die krie¬ 
ge aen ziel 

Und dun die herren uff erden 
7490 Under sich uneyns werden; 
Zweyedracht und versmehonge, 
Einre dem andern Widersagonge, 


7479. das stoß in gestoßen uuf Jiasur 
(Ursprung], gedrieben). 


Und sich an zu kommen mit 

bösem willen 

Uberludt und uberstyllen, 

7495 Des bin ich frauwe und anfue- 

rerynne, 

Heubtfrauwe und meisterynne 

Von allen anslegen und ryden 

allen, 

Da man sicht uffen banner unge- 

falden, 

Da da sint helme und hüben, 

7500 Helme gedecke und gefuderten 

kleider nnwe. 

\ 2 W >■} Mit golde beslagen und mit 

Silber 

Und mit ander Zierde viel. 

Nuwerongen machent sich durch 

mich; 

Ich machen ir me dan der konnig 

rieh. 

7505 Ich machen kogeln mit sijden be¬ 
stochen 

Und einßdeils mit golde gebro¬ 
chen, 

Hüde, hufen und große rantzen, 

Krentze, dünne sleiger mit langen 

swentzen 

Und auch uffgesetzet mit großen 

locken; 

7510 Enge rocke, die die sijtten drü¬ 
cken, 

Armen mit hangenden lappen 

Und zyppen an großen kappen 

Und an eime wißen underrocke 

rode ermel 

Und am halse brüsten wiß als ein 

hermel; 

7515 Kleider kürtze und ettwan lang. 

7504. vor Ich rotes I. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Hoffart berichtet von ihren Taten und ihrem Wesen. 


165 


Lederhosen kleine und enge mit 

bedräng 

Odir so groß daz man dry macht 

dar uß; 

Smale gürtel lang biß uff den fuß, 

Da mit sich der hinckende zieret, 

7520 Der schele, der hoberechte, der 

ungeformieret: 

Solichs mache ich umb daz ich 

wil 

Das mich ieclicher besehe vyel 

Und das ich vor iederman habe 

den pris 

Und das mir nyemans sij gelich; 

7525 Dan mit myme gelich odir ge¬ 
sellen 

Mag ich mich keyne zijt gehei¬ 
len, 

Und mir solde balde myn hertze 

brechen 

Das ein ander sich mir solde ge¬ 
lich rechen. 

Was ich sagen, das wil ich hant- 

haben, 

7530 18 sij gut odir böse, nit laßen 

abe; 

Und wolde auch noede wieder¬ 
sprechen 

Solichs ich dan böses zu unrecht 

rette. 

Ich wil nyemans der mich 

straeffe, 

[vj/'j Keinen meister der mich zu un- 

derwijsen schaffen 

7535 Odir der mich wolle leren 

Odir underwijsen mere; 

Dann als das gryndige diere 

Hasset die scherre schiere 

Und das grynte heubt den strel, 

7532. I Swelichs? 


7540 Also hasse ich lere snel 

Odir auch radt und underwi- 

songe. 

Eins andern synn ich vor nicht 

achten don; 

Mich duncket das der myn besser 

• • 

Sl] 

Und das ich me wisse dan ander 

drij, 

7545 Und das niemans me wol duhe 

dan ich: 

Das bedüncket alles mich. 

Ist iemans der mynner weiß dan 

ich, 

Den selben balde versmahen ich; 

Ich sprechen zu stunt daz is 

nicht sij 

7550 Odir aber das er ein esel sij. 
[231*] Höre ich einen der mich lobet 

icht, 

So dun ich als obe ichs horte 

nicht, 

Odir ich sprechen zu yme: “du 

spottes myn, 

Also sal nit zu yme gesaget sin; 

7555 Ich weiß das ich nit also gut 

bin 

Als ir dann ytze von mir sagende 

syn: 

Mynen gebresten weiß ich wol 

und sehen, 

Ich kann nicht, das mag ich 

jehen.” 

Und weistu war umb ich sagen 

das 

7560 Und war umb ich mich also de¬ 
mütige baß? 

Nit wene das ich is dar umb 

sage 

7554. Statt yme erwartet man mir oder 
iemen; h: du soltest nit also sagen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


166 


Hoffart berichtet von ihren Taten und ihrem Wesen. 


Das man mir antwerte und 

widersage: 

“Ir sagent waer, ir konnent 

nicht; 

Dann ir uch selber wol kennent 

villicht.” 

7565 Und spreche man also zu mir, 

Von kommer breche das hertze 

mir; 

Von dem swerte das ich gesmie- 

det hette, 

[ 232 rj Balde ich den dot genommen 

hette. 

Ich sage is dar umb das be- 

stediget 

7570 Werde myn lop und desta me 

gesaget 

Und daz man spreche: “frauwe, 

mit uwerm laube, 

Ich enhan des keynen glaube; 

Is ist keinre noch keine die da 

konde 

Gedun als ir gedun kondent. 

7575 Uwer synn ist sunderlich zu 

loben und zu prisen 

Und gelichet gar wol den wijsen: 

Das sage ich uch aen allen spot 

Und aen schymp, so mir Got” 

Und wann ich hören soliche 

loberie 

7580 Und soliche rümen klapperie, 

Von freuden mir daz hertze 

springet 

Und sich frauwet und nach freu¬ 
den ringet, 


Und werden da mit groß und 

b reit, 

Und ist myn wandel gar aen leit. 
7585 Ich muß desta wyder stat han, 
[ 232 *] Großem sessel und breyder 

bancke han, 

Alleine sytzen als eine furstynne, 

Vorgaen als eine hertzogynne, 

Mit viel luden sin umbfangen 
7590 Von ferrem, daz mich sij n it be¬ 
drängen ; 

Dann ich gar balde zornig würde 

Wo ich von yemans gedrucket 

würde. 

Und bin gruwelich als der leo- 

part, 

Und über ort ist myn gesichte 

starg. 

7595 Mit undergesichte besehen ich die 

lüde, 

Und mit scharffikeit streck ich 

den hals gheen die lüde; 

Die augebraen hebe ich uff und 

das kynne 

Und machen da mit ein radt als 

die lererynne. 

Mit den achssein gaen ich wagen 
7600 Und mit dem halse gan auch 

ragen; 

Alle myn gelieder dun ich sich 

regen 

Und alle myne adern sich be¬ 
wegen. 

[233 > \ ln mir ist nit me dan wint und 

rauch; 


7598. Die Stelle ist schon «'« den meisten 
Hss. des Orig, (darunter auch M) verderbt, 
welche lesen: en faisant roe de lion statt roe 
de paon, tcie 3 Hss. richtig haben. Als Über¬ 
setzung von lion hätte man erwarten sollen 
lewynne, womit aber eben auch nichts anzu¬ 


fangen ist. Was mag sich der Übersetzer bei 
lererynne gedacht haben ? Ob das ein Schreib¬ 
fehler für lewynne ist? h überträgt frei: alfi 
were ich eyn konig vnder den lewen. 

[7602.] Kustode unten auf Bl. 232•: In 
mir ist me dan wint (wint korr. aus rauch). 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Hoffart gibt Auskunft über ihr Horn vor der Stirn und ihre Ausrüstung. 


167 


Da bin ich als eine uffgeblasen 

blase auch, 

7605 Die nit dann gesmag in ir hait, 
So man sie brichet odir uffge- 

bonden hait. 
Durch myne bleonge und groeße 
Kann ich nit gesehen myne füße; 
Ungefelle werde ich nit ge wäre 

noch befinden nit 

7610 Eynigen gebrechen der an mir 

sij icht. 

Ander lüde gebrechen sehen ich 

wol, 

Aber irs gudes ich nit sehen sol; 
Und dar umb ich bin spötterynne 
Ander lüde und gylerynne; 

7615 Keine söliche man nit fynden 

konde, 

Die künde soliche spottige funde. 
Von alder ich gekronet bin 
Und geheißen eine konnygynne. 
Aber da Ysayas mich gesach, 
r ] Balde er mir die kröne brach: 
7621 Er was leydig das ich sie drug 
Und das man mich konnigynne 

nante dar zu. 

Ich heißen Hoffart, die ge¬ 
schickte, 

Ein wonderlich dier gehornete, 
7625 Die die lüde zu stoßen ich ge¬ 
nommen hau 

Ein horn und mitten in myner 

stirne stau. 

Es ist ein horn, ist scharffikeit 

7601. Vor auch ist ist gestr. 

7605. gesmag üb. gestr., aber besserem 
geatang ( ()rig.: punaise, h: wüst gesmag). 
in aus inn. 

7606. das b in nffgebonden auf Rasur. 
7609. zu Anf. noch gestr. 

7619. Jsaias 28,1. 

7625. ich übergeschr. 


Digitized by Google 


Genant und bitterkeit; 

Ein horn von eyme einhorn, 

7630 Das ist so scharff als is mag sin 

gebom. 

Myn horn ist scharffer dan der 

nege bor 

Des zymmermans odir ein ander 

horn; 

In der weit ist keine so scharffe 

spitze, 

Sij sie gehertet odir geslyffen 

spitze, 

7635 Die des mentschen hertz mochte 

durchgaen 

Odir da durch kommen aen 

wiederstaen, 

[234 r ] Hulffe dis horne nit dar zu 

Und das is mechte den weg dar 

zu. 

Ich machen den weg an der 

spitzen, 

7640 An den swerten und den senssen 

Und an allem andern gesmyede 

Die gemacht sint die lüde zu 

doden mide. 

Ich stoßen zur rechten und zur 

lyncken 

Und schuwen nit gyr noch fyn- 

cken, 

7645 Noch schuler odir paffen, 

Und laßen das dar zu klaffen. 

Ich stoßen da mit scherffeclich 

Me dan ein wilder faer frechec- 

lich. 

7626. vnd übergeschr. 

7631. Myn horn üb. gestr. Es. 

7633. scharffe übergeschr. 

7634. spitze zugeschr. 

7642. vor mide gleich schwarz gestr. da. 

7648. wilder faer frecheclich üb. gestr. groß 
dier wildeclich. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Y'om Blasebalg der Hoffart (Eitelkeit). 



Und wissent das: die da sint 
7650 Und nach vermögen von yren 

sunden gereyniget sint, 

Die stoßen ich faste harter 

Und da mit auch viel scharfer. 

Mit mir drage ich blaßbalg, 

[•234*1 Sporn, horn und auch stab balt 
7655 Und han einen mantel an, 

Das man mich hübsch sal sehen 

an. 

Myn blaßbalg üppige ere ist ge¬ 
nant, 

Er ist gemacht das kolen da mit 

werden entbrant. 

Die dore die geswertzet sint 
7660 Von mynen Sünden und ver¬ 
blichen sint, 

Dun wenen das sij lüchtende 

sient 

Und vor andern die besten sient. 

Hette blaßbalg in siner smytten 

gehabt 

Nabugodonosor, der da hait ge¬ 
sagt 

[235 r ] Das er Babilonie gestiftet hette 

gehabt 

7666 Mit siner stercke und Schönheit, 

Die foncken die er uß dreyp, 


Bewijsetent wol und scharf 

Das er inn yme hatte hart 

7670 Der kolen eine große klatte, 

Die da waren gemacht mit 

werg getzüge. 

Als der wynt wirffet abe mit ge- 

büge 

Die frucht von bäumen und siet 

sij abe, 

Also dut der wint von diesem 

blaßbalge : 

7675 Alle dugent sieht er abe balde. 

Er bleset alles nyeder waz er 

triffet, 

Kein güds vor yme nit belifet; 

Er siet die hohen fogel uß yren 

nysten abe 

Und nymmet yn ire spise abe; 

7680 Er dut sij verlieren durch yre 

•dörheit 

[235*] Den uff halt yres lebens und lebe- 

licheit. 

Hastu nie by dinen dagen 

Von dem raben hören sagen 

Der hatte in sinem monde einen 

kese, 

7685 Zu dem der fuhß sprach mit dem 

geblese: 


7650. Vnd übergeschr. 

7654. balt zugeschr. 

7656. sal übergeschr. 

7658. werden übergeschr. 

7663 ff. Im Orig., dem h folgt, lautet die 
Stelle: Ce souflet en sa forge avoit 

Nabugodonosor qui disoit etc. 

Unser Übersetzer hat aus diesem Hauptsatz, 
indem er Ce als Se las oder verstand, einen 
Vordersatz gemacht, zu dem nur v. 7667 ff. (Die 
foncken etc.) den Hauptsatz bilden können. 

7664 ff. vgl. Dan. 4,27. 


7665. gestifftet üb. gestr. erhaben, gehabt 
zugeschr. 

7667. dreyp hint. gestr. warff. 

7669. hart zugeschr. 

7670. klatte = glete ‘ Glätte, Glanz ' Y 
Orig.: avivement 

7672. mit geböge zugeschr. 

7674. blaß übergeschr. 

7678. vß yre nyste übergeschr. 

7681. licheit üb. gestr. zncht. 

7685. dem vor geblese übergeschr. 


mich 7658 Bild (00) mit Nebenschrift rechts: vppige Ere. ein Blasebalg. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Vom Blasebulg der Hoffart. 


169 


“O rabe, das dich Got hüde, 

Ich bijt dich, sienge mir ein liet 

durch dine güde! 
Dan mir sere zu gehören liebt 

schon 

Den rechten süßen don 
7690 Von dinre glissenden kelen, 

Der besser ist dan seytengedone 

sonder helen. 
Ich hören sij lieber dan den done 
Von orgeln odir psalterien; 
Versage mirs nit, des bijden ich 

dich; 

7695 Dann dar umb bin her kommen 

ich.” 

Da der rabe vernam solichen 

wint 

[äh»»-] Und solich hart blasen befynt, 
Den kese moechte er nit me ge- 

halden, 

Sonder er ließ yn balde fallen 
7700 Und fleng an zu singen aen 

beyden, 

Als der das hertze hait vol 

freyden; 

Dann er waende das der fohs 
In ernst hette gesaget das. 

Neyn, yme was umb das singen 

nit; 

7705 Dann umb den kese rette er 

sijt. 

Er nam yn und yn enweg drüg, 
Also bedrog er den raben clug. 

Durch dis exemple luterlich 
Magstu wol verstaen clerlich 
'7io Das der wint von dem blaßbalge 

7687. durch dine güde zugeschr. 

7688. schon sugeschr. 

7690. Nach kelen ist schon gestr. 

7691. sonder helen zugeschr. 

7696. rabe übergeschr. 


Der den geäderten gemacht ist 

balde, 

Besser ist geswiegen lange 
Dann das sij also mit bedränge 
[■£36»] Müsten das yre niderlegen. 

7715 Das ist so viel gesprochen: wann 

ich gesehen 

An yemans dogent odir die 

spehen, 

Das er die inn yme habe 
Odir das er ettlich gelucke habe, 
Uff das ich umb eynen ziehe 
7720 Und yn wol bedriege, 

Und das ich yme nemen sinen 

nünten stein, 
So blase ich yn mit dem winde 

gemein 

Und blasen uff das er hait, 

Das er das verluret und nider- 

lait. 

7725 Den wint von dem balge konden 

nit leschen 

Kein mülle, polver odir eschen 
Und soldent sin auch nit er- 

beyden; 

Dann yn geschee von yme gar 

leyde. 

Das ist der dötliche mentsche, 

davon gesagt ist, 
7730 Der da esche und rauch ist 
[237>■] Und mulle. wann daz geblasen 

ist, 

Mit kleinen winde nider ge- 

worffen ist, 

Balde gestalt in zurteylonge 
Nider gelacht in verlieronge. 


7704. Neyn übergeschr. 

7705. zu Änf. er'enwolde gestr. vmb u. 
rette er sijt übergeschr., letzteres üb. gestr. nit. 

7707. clng üb. gestr. mit fug. 

7721. nünten übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



170 


Vom Blasebalg der Hoffart. 


7735 Der balg dut erschreyen 
Trompen, piffen, schalmeyen, 

Das sint die die lere sint in yn 
Des gnden und keinen synne 

liant in yn. 
Den blase ich solichen wynt inn. 
7740 Dem der sine sele fyn 

Wil dem dnfel zu gaste machen. 
Noch wil ich dir sagen von me 

' Sachen: 
Welicher der licht in sinem 

busem hait, 
Ich yme daz ußblasen mit diesem 

balg. 

7745 Iß sij körn odir sprie 

Odir icht das wert odir nit wert 

sie, 

Ich bewijsens zu blasen das körn: 
\237 v \ ist is sprie, die hebe ich entborn, 
Aber were es körn, das dede is 

nit 

7750 Umb mynen balg noch umb daz 

blasen nit. 

Durch den balg kan ich wol 

ziehen wint 
In mich und den behalden sint; 
Dann wann mir yemans get 

blasen 

In die oren odir in die nasen 
7755 Und mich bit winde beweget, 

Daz man sprychet ich sij hübsch 

gereget, 

f 

7745. vor sij, das übergeschr., gestr. Iß, r er- 
bessert aus Ist, hinter sij gestr. is. Eins der 
beiden Pronomina mußte stehen bleiben. 

7750. nit üb. gestr. my. 

7756. sprychet aus sprechet, gereget aus 
geoeget (?). 

7760. ein über-, n&rae zugeschr. 

7764. dz übergeschr. 

7770. spehen zugeschr. 

7772. vnd u. blint übergeschr. 


Digitized by Google 


Odir das ich hübsch kleider 

habe, 

Das ich edel sij und groß macht 

habe, 

Wijse, züchtig odir ersamme, 

7760 Gut odir ein weydelich namme. 
Den wint neme ich in mich 
Und gebe yme stat in mynem 

buche: 

Ich werde davon dicke, als du 

gestehst 

Ich han dis me gesagt so verre. 

daz du is wijstes. 
[■£W r JDer wint dut mich ein radt 

machen 

7766 Als der pawe in sinen Sachen: 

Er dut mich uff erheben 
Mynen zagel und erheben, 

Uff das man möge sehen 
7770 Myne schände und schäme 

spehen, 

Und das ich mit der Sache 
Den mit gesehenden henden und 

augent blint mache. 
Die mynen swantz vor nit hant 

gesehen. 

Ich geleuben bas und iren 

Worten swerlich 

7775 Dann den mynen, davon ich 

sichtenclich 

Mich sehen mit dem winde ge- 

blehet.; 

7772 ff. Ich vermag in die Stelle keinen 
Sinn tu bringen. Das völlig mißverstandene 
Orig. ( 7775—78) lautet: 

Ans non voians • c • iex Argus 
Qui sont en ma qnene espandns 
Miex croi et a lenr jngement 
Qn’ans miens dont me voi clerement 
h: Also ernnwe ich hunderfelge sach die an 
mynen zagel gehangen sint Ich gleiben baz 
an ire vrteile dan an die myne ... 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Vom großen Horn der Hoffart (Ruhmredigkeit). 


171 


Und würde ich davon nit also 

geleret, 

Balde so würde ich spalden 
Odir aen spalden zu dem dode 

fallen. 

[238*] Und dar nmb an dem blasen¬ 
den ende 

7781 Han ich ein sonder horn behende, 
Da durch ich den wint den ich 

im libe han, 

Ußdribe und laßen ußgaen. 

Das horn sal heißen rümonge 

7785 Odir aber des buchs ein leronge. 
Es ist das dar durch ich erferren 
Alle diere die in dem lande 

weren; 

Da mit ich sij dun uffheben wil 
Ire heubt, so ichs hart blasen 

wil. 

7790 Ich blase da mit manichen uff- 

fang 

[£?.9r]Und han doch in felde odir 

boesche nit gefang; 
Dann ich rümen mich dicke des 
Des ich nit han dis noch ges, 

Und sagen ich habe dun durch- 

gaen 

7795 Den ich in myme synne nie ge¬ 
sehen noch gekant han. 
Ich sprechen mit großem ge¬ 
brechte 

Das ich sij von großem gesiechte, 
Von hoher und edeler gebürt, 

Von hohen husern und habe viel 

gudes gefurt; 

7800 Und das ich wol könne machen 

dis und das, 


Und das der kounig mich er¬ 
kenne bas, 

Und viel me andern blasens, 

Das nit anders ist dan lügen 

lösens; 

Und die dore wenent is sij also, 
7805 Die nit verstent odir wissent wie 

noch wo. 

Ich blase auch mit wann ich ge¬ 
fangen han 

[239 *] Odir etwas nach mynem willen 

getan han, 

Das der arbeit wert möge sin; 

Umb das ich des geeret wolle 

sin, 

7810 Nummer wolde ich das verhelen 

Und des nit verewigen umb 

sterben. 

Als das hun das da hat gelacht, 

Yederman han ichs balde ge¬ 
sagt: 

“Gack gack gack gack gack!” 

han ich gejehen, 
7815 “Hant ir gehört und hant ir ge¬ 
sehen 

Wie ich han gesagt, wie ich han 

getaen ? 

Was sagent ir, han ich wol ge¬ 
taen? 

Duncket uch das ich eigenclich 

Habe getaen und subtilenclich ? 
7820 Wenent ir das ein ander do 

Der odir die hetten ettwas getan 

also ? ” 

Wann ich ein wenig studieren wil 
\2iü r } Und nach einre Sachen gedencken 



7787. dem übergeschr. onqnea en pense. kant üb. gestr. dacht. 

7795. Den aus der; Orig.: Ce que n’o 7820. I. a. ai do? 


vor 7780 Büd (67) mit Nebenschrifi rechts: Rümonge. ein großes Horn, links neben 
dem Bilde lxyij. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


172 


Vom großen Horn der Hoffart. 


So föchte ich nit daz is yemans 

konde 

7825 Dann ich odir baß gemachen 

konde. 

Von diesem hom get achtem 

gros; 

Dan is wirt geblasen von eyme 

buche, ist gros. 

Truriger ist der is bleset unge- 

storet, 

Dan der der is nit hait gehöret; 
7830 Doch nit nach allem blasen 

Wolde ich also geen losen; 

Dann ein solich cokart, 

Der von klaffen ist verhart, 

Wolde das man yn alletzijt hörte 

reden 

7835 Und das keinre me solde dar zu 

reden; 

Dann er wolde alletzijt daz man 

sine dedinge 

Von yme horte und entfienge. 

Er gelichet dem honde der nit 

me kan 

[ 240 "] Dann von yme einen andern 

bellen an. 

7840 Ein solich cokart und blesere, 

Der mit syme wynde sich rinnet 

sere, 

Sprichet das er wol könne und 

verstee 

Was die lüde mögen gesagen ee. 

Er brichet yn ire wort abe 
7845 Und verachtet is alles vor dorheit 

habe; 

Er antwert allen aen fragen 

Und dut sin urteyl bagen. 

7838 f lauten im Orig.: Le cucu semble 
qai ch&nter Ne set fore de li et gangler. M 
liest statt cucu: cuen; durch dieses cuen (= chien) 
ist unsere sinnlose Übersetzung veranlaßt. 


Digitized by Google 


Er arguiert alleine und besl&ßet 
Und solichs yn dicke verdrüßet, 

7850 Der da spreche: “das dfiche ist 

der farwe nit”, 
So were er balde bereit zum strit 
Zu scheiden und zu grommen 
Als ein weder das wil kommen; 
Balde dede er das ertrich bieben 

[241 •■] Und vor dem donre erschuden. 

7856 Der mentscke kann wol schänden 

scheiden 

Und die vaste gemeren, 

Loben dugent, büssen und gude 

dait, 

Wie wol er is wenig in syme 

libe hait. 

7860 Er hait nutschit dan blasonge 

und wynt 

Und das die lüde yme zu zu 

lugen stent. 

Das hom machet boesen jager. 
Dann da von kommet seiden gut 

f enger: 

Mit syme blasen verjaget er sij 

alle 

7865 Und dut als die atzel balde, 

Die alle vögele beschriet 
Und lesset keinen by ir nysten 
Und dribet sij ußer irer gewysten 
Und machet daz sij die fogel 

hassen: 

7870 Das kan sij mit yrem gecksen 

geschaffen. 

[ 241 "] Also get jederman von yme und 

fluget 

Wann er höret von dem gecksen 

daz geruchte; 


7848. das t in arguiert auf Rasur. 

7864. er aus es. 

7872. in geckflE das 8 nachträgl. eingefügt. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Von den Sporen der Hoffart (Ungehorsam und Widersetzlichkeit). 


Keinre wilt sich by yn nisten 

odir setzen 

Umb sin klaffen und sin gecktzen. 

7875 Das horn ist nit Rolans horn, 

Das er bliese als er solde sin ge¬ 
storben ; 

Es ist nit von ochssen horn ge¬ 
macht 

Und ist lang das es wart nuwe 

gemacht: 

Es wart gemacht da ich wart 

geboro, 

7880 Und wart mir zu hantgifft ge- 

korn. 

So lange ich leben, laße ich es 

nit 

Und laßen is zu blasen nit; 

Durch es mag man mich alletzijt 

erkennen, 

Obe man wilt, und auch wol ge- 

nennen. 

[ 242 r ] Von den sporn ich dir sagen, 

7886 Durch die bin ich erkant wan ich 

sij dragen. 

Sij bewijsent das ich hübsche 

zelder 

Manich male und dicke riden 

ger; 

Dan ich wolde ungern zu fuße 

gaen, 

7890 Wo ich nit alletzijt phert bij 

mir han. 

Hinden uff zu werffen und kommer 

zu machen 

Und myn phert hindersich gan 

machen, 

Myne ferssen des faste frihe sint. 


17 ,°» 

Ich sage dir wie sy beide genant 

sint: 

7895 Die eine heyßet ungehorsamkeit, 

Die ander wiederstellikeit. 

[242*] Die erste det Adam an 

Da er die verboden frucht essen 

began; 

Er mochte sij angerüren nit 

7900 Wolde er hindersich gaen nit; 

Er mochte auch nit hindersich 

gan 

Er enhette dann vor den sporn 

an. 

Der weg was nit sere gegangen; 

Dann Eva hatte den gangen 

7905 Und nach yre er auch gienge, 

Davon sij und er vaste böses ent- 

fi engen. 

Übels davon geschag und noch 

geschiet. 

Der sporn sij des beschiet 

Und machte sij des sere küne 

7910 Und brachte sij zu dem dode 

schöne. 

In boeser stunde wart er edel- 

man, 

Das er umb essen det die sporn 

an; 

Und in böser stunde wart yme 

zelder, 

[243 *] £) a umb sinen willen det die 

sporn an er; 

7915 Dan were der zelder nit gewest, 

Der von siner rechten hant ist 

gebildet gewest, 

So hette er den sporn nit an ge¬ 
tan 


7878. er. 7912. det die üb. gestr. hatte. 

vor 7885 Bild (68) mit Nebcnschriß rechts: vngeliorsamkeit vnd widerstellonge. ein 
großer Sporn, links neben dem Bilde lxviij. 

t 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



174 


Vom Stab der Hoffart (Hartnäckigkeit). 


Und hette sich auch des essens 

erlan. 

Den andern sporn det an konnig 

Pharaon 

7920 Zu zijden da der oberste konnig 

schon 

Mit siner macht und mit siner 

handt 

Wolde füren daz folk uß syme 

landt 

Und is furen durch das rode mer. 

Da wolde konnig Pharaon sere 

7925 Wieder einen der starcker waz 

dan er, 

Wolde er dryben mit sporn sere. 

Da er das also anefieng, 

Yme daz zu großem leide er- 

gieng: 

Zu leste er so sere hinden uff- 

sprang 

7930 Und wolde dem konnige dun 

wiederstant 

[243*] Das er in dem roden mere beleih. 

Manicher wenet den andern an¬ 
kommen 

Der sich mit syme streiche dut 

ersfommen. 

Man sprichet er sij nit faste 

wijse odir starg 

7935 Der sich stellet wieder eine 

spitze hart; 

Wer yme aber sal zu kommen, 

Aen hoffart mag yme nit sin be¬ 
nommen, 


Uff sinen sporn er sich fydet, 

Das er zu leste das leben dar 

umb gibet. 

7940 Nu wil ich dir me sagen von 

dem stabe 

Den ich vor einen pilgerin stab 

habe. 

Ich sturen mich dran und halde 

mich 

[244 r ] Wann yemans wil wiedertriben 

mich 

Und mich yemans wilt feilen 

7945 Mit synen predigen und Worten 

hellen, 

So beschirmen ich und beschude 

mich mit 

Wann yemans mynen willen nit 

Dun wilt odir ist wieder mich 

Odir wieder geiich wilt ankom¬ 
men mich 

7950 Und mir myne bürden wil nemen. 

Ich verbieden da mit schände and 

sunden: 

Es enhait keinre so nuwe noch 

so alden 

Der sich uberwonden möge geben 

balde 

So ich yme wil helffen eben. 

7955 Es ist der stab den da hatte in 

siner hant 

Grob Verstenteniße, der gebüre, 

als du sehe zuhant, 

Da Recht Verstenteniße mit ym 

rette. 


7921. handt aus hant. 

7922. dz folk übergeschr. landt aus lant. 
7933. erftrömen. 

7936. h hat statt Wer besseres Waz. 

7951. verbieden] Orig.: J’en deffent vice« 


et pechiez. Unser Ubersetter hat das deffenl 
mißverstanden; h richtig: jch beschirmen. 

7953. balde tugeschr. 

7957. Da recht aneinander geschr., aber 
durch Längsstrich getrennt 


vor 7940 Bild (69) mit Nebenschrift rechts: verhertonge. in einer Hand ein Knoten¬ 
stock. link8 neben dem Bride liix. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Vom weißen Mantel der Hoffart (Gleißnerei). 


175 


Verhertonge er sich genant hette, 
[244 *] Als dir das vor ertzelet ist. 

7960 Es ist der dar an Saul sich stu- 

rete sere, 

Dar um yn Samuel straffete sere 
Von der nähme die er brachte 
Von Amalech und behalden hatte. 
Es ist ein stab vor den kuwe 

hierten. 

7965 Den man nit kan biegen als 

gerten; 

Dann er ist hart und geestiget, 
Gewonden und gefestiget. 

In dem walde zu Egipten yn fant 
Myn fader, der mir yn brachte 

zu hant; 

7970 In böser stunde wart er funden 
Der hie mit wirt befonden. 

Ich slage und striche mit begir 
Der buren hertzen zu herten 

zwir; 

Ich dun mich hassen von der 

mentschen kint 
7975 Die von gudem verstenteniße sint. 
[tiiö r \ Ich dun fliehen und driben uß 
Gotes Gnade an allen enden uß, 
Umb zu legen und an hencken 

den strick 


Von Trakeit, bas uff zu halden 

mit 

7980 Die die ich mag nach mynem 

willen. 

Nu sich obe du nach dinem 

willen 

Nun solles schrien fast, 

Dwijle du mich also nii fonden 

haist! 

Nu wil ich dich balde wijsen 

7985 Das spiele nach myner wysen, 

Da mide ich nu spielen kann. 

Aber ee ich dir me sagen dan 

ich gesagt han, 

Wil ich dir sagen von myme 

kleide, 

Davon manichem geschiet gar 

leyde. 

[245*] Dieser mantel, da mit ich ge- 

cleydet bin, 

7991 Als du gesiehst, und getzieret 

fyn, 

Es ist lange zijt das er mir ge¬ 
macht wart 

Da mit zu decken myn missedat 

hart 

Und myn gebrechen da mit zu 

becleiden 


7971. h im Anschluß an das Orig.: dem 
der mit geslagen wirt. 

[7975.] Kustode unten auf Bl. 244»: ich 
dan fliehe vnd. 

Nach 7977 sind (absichtlich ?) 5 Verse des 
Orig, übergangen, so daß die Verbindung nun¬ 
mehr etwas gewaltsam wird, h übersetzt die 
fehlenden Verse: vnd verstriecken die wieder 
kern wollen za der hecken der büßen, vf daz 
sie geyrren mögen. Ich geben in me gnugange 


der sunden vf daz ich sie verstrieck vnd in 
an dun möge die strieg drackeit, die do kan 
wol ufhalden die die mynen willen dnnt. 

7979. Von gestr. u. vnd übergeschr., aber 
ersteres ist beizubehalten. 

7980. mag fehlt; oder ist wil im Anschluß 
an das Orig, vorzuziehen trote des nachfolgen¬ 
den willen ? Orig.: Ceus que je vneil a mon 
plaisir. 

7983. nti auf Rasur. 


cor 7990 Bild (70) mit Nebenschrift rechts: glissenerige. ein Mantel wie er im Text 
beschrieben, links neben dem Bilde lxx. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



176 


Vom weißen Mantel der Hoffart. 


7995 Und myn undait zu verbergen. 
Als der sne der wiß ist, 

Und machet ussen hübsch ein 
rauchloch daz innen swartz ist, 
Odir als gemeltze erluchtet ein 

grabe 

Ussen und innen ist vol stincken- 

der habe, 

8000 Also kleidet dieser mantel mich 
[246'] Und bedudet das ich sij suberlich 
Und das ich sij eine gude sache. 
Were icA aber uß dem dache 
Und das ich entdecket und byn- 

nen besehen were, 
8005 Von niemans ich geeret were. 
Hastu ye keinen gauckeler ge- 

sien, 

Der mit dem hfttgin dribet daz 

spiel sin, 

Das er hait uff die erde gesatzt 

nieder, 

Und dut die lüde verstaen wyder 
8010 Das ettwas dar under sij 

Und ist zum dicken male nicht 

dar bij? 

Also macht du wol verstaen 
Wie ich diesen mantel an han 
Und ussen bin getzieret wol. 

8015 Und der mich bynnen besehe wol, 
Er spreche: “blase her inne! hie 

ist nicht.” 

[246 v ] Ein fogel hait solich geschieht: 
Der selbe ist ein struße genant; 
Der gibt die bedutonge zu hant 
8020 Von dem mantel den ich han, 

und von mir. 


Flügel und federn hait er umb 

sich viel 

Und mag doch nit fliegen an ein 

ziel 

Und kann auch zu berge ge¬ 
diehen nit. 

Eynre der yn erkente nit, 

8025 Mochte wenen das er solde 

fliegen. 

Als die lüde wenent mit driegen 

Das ich ein fogel sij 

Der oben her abe kommen sie, 

Und das ich geistliche sache sij, 
8030 Und das ich zu hymmel solle 

fliehen, 

Und belibe doch uff der erden 

mit driegen, 

Und da han ich mynen lost. 

Ich mag nit fliehen und kan nit 

fliegen umb sust, 

Mantel und flugel han ich umb 

sust 

8035 Glissenerie han ich diesen mantel 

Vor zijden lange genanten: 

Er ist gefudert mit filhßhuden 

Die lenge und breite geen den 

luden 

Und ist ussen geweben und ge¬ 
schaffen 

8040 Uß wisser wollen von schaffen. 

Ich drage yn dicke in daz mu- 

nistere 

Und dun yn an wann ich Got 

wil bijden sere. 

Und slagen yn umb wann ich 

förten 


7996. der sne der üb. gestr. die nus die 8004. bynne üb. gestr. wol. 

vssen. 8030. Vnd das aneinander geschr., aber 

7997. machet etc. bis Seid. üb. gestr. bynnen durch Längsstrich getrennt. 

g... and fule ist. 8040. wisser übergeschr. von üb. gestr 

8003. is. wissen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Vom weißen Mantel der Hoffart. 


177 


Das ich von yemands werde ge¬ 
störten 

# 

8045 Odir verstossen von myme stade 

und wirdikeit, 
Da mit ich eine wijle bin gewest 

bereit. 

Ich dun als der fuhs det 

Der sich dot an den weg geleget 

het, 

Urab daz der karren umb ge- 

worffen wurde 

[247 «•] Und daz yme der heringe auch 

würde. 

8051 Durch den mantel bin ich dicke 

gewest 

In großem stade und hohen eren 

gewest, 

Als eine effynne hohe gestiegen 
Und als eyne gödynne angesehen. 

8055 Effynne ich bin und affen sij 

sint 

Die mit dem mantel an getan 

sint: 

Dann er dut dun und wiederdun 
Anderwercke dann er kann ge- 

dun; 

Also ist er nit dann ein dant 

8060 Der die lüde dut kaffen zu hant. 
Der glißener affe was, 

Der sich ussen angetan hatte 

umb das 

Das er schyene gut sin, 

Und det daz uff den widersynne 

8065 Daz er gerecht und wol fastende 

were, 

[248 r ] Zwirnent fastende in der wochen, 
Als er sagette, und das er nit 

were 


Als der uffenbare sundere, 

Der Got bewijsete sine clage. 

8070 Der affe der sich zu zijden hatte 

gemacht 

Ein schumecher, yn betzeichent 

hait; 

Dann er undernam sich des hant- 

wercks so viel 

Das er yme selber die kele 

Abesneyt; dar umb ist dorheit 

daz man sich annymmet 

8075 Sache die man nit gelert hait und 

yme nit entzymmet. 

Der mantel ist nit alleine myn 

Odir mir allein gemacht; dan er 

ist auch gesin 

Der andern alden wibe alle: 

Sij entlehent yn zu ringe umb 

alle, 

8080 Das sij sien desta schöner ge- 

tzieret. 

Drakeit sich da mit stellet uff 

hubscheit, 

[248»] Und ich stellen mich da mit zu 

demütikeit. 

Der ander yecliche auch also 

Bedecket ire snödikeit also. 

8085 So sij me da mit gecleidet und 

gedecket ist, 

So sij starcker und mynner ge- 

bruchet ist. 

Balde genug wil ich yn dir dun 

an 

Und dir den dun versuchen an; 

Und dar nach, obe ich die müsse 

han, 

8090 So wil ich mit dir mynen willen 

han.’ 


8060. baffen aus koffen (?). 8080. das h in schöner gleich übergeschr. 

8075. yme übergeschr. 8087. dir übergeschr. 

D.uUcb« Text« d« MlttaUlten. XXV. 12 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


178 Auf Befragen nennt auch die Trägerin der Hoffart ihren Namen (Schmeichelei). 


Da Hoffart mir hatte ertzalt 

also 

Von yrem wesen, doch waz mir 

noch so 

Das ich gerne hette gewist 
[ 249 >■] \v er die ander were gewest 
8095 Die sij drug und hielt. 

‘Altwip’, sprach ich, ‘wer sint ir, 

Daz ir dragent Hoffart her zu 

mir 

Und haldent sij uff uch, so böses 

diere, 

Daz ist gesessen uff uwerm heubt 

schiere ? 

8100 Ich meyne das ir nit zumale gut 

sient 

Odir das ir nit zu male nutscht 

wert sient, 

Das ir sij also uff uch dragent.’ 

Da antwerte mir sij: 

‘Die wijle du wissen wilt wer 

ich sij, 

8105 Ich wil dirs sagen aen beyden 

frij. 

Das du sagest wol wann du 

sprichest also 

Daz aen mich klaffen nit en- 

gelde, daz ist also: 

Ich bin die dorheit aide, die iec- 

lichem saget 

Daz schoneste daz er dan gerne 

höret; 

8110 Die understet zu behalden 
[249 "]Die hem mit feder lesen balde: 

Ich lesen sij yn abe, das sij nit 

hant. 


Ich loben sij so sie recht odir 

unrecht hant, 

Yn zu dienen mit wol gefallen: 

8115 Ich sagen nit das yn möge ubel- 

gefallen, 

Dann ich han wol gelernet lie¬ 
gen. 

Zu den doren sprechen ich daz 

sij wijse sien, 

Den gesonden das sij sient siech, 

Den tregen sij sien snel genug, 

8120 Und den scharffen sij sien milde 

gnug. 

Unglich platz kann ich wol ge- 

strecken 

Und mit hüben grintheubt decken 

Und kann auch mit smere wol 

smeren 

Das böse radt das da karret 

sere, 

8125 Das is dar nach noch ludet me 

Und das is boeser ist dann ee. 

[ 2 :jO r ] In der fürsten hoffen bin ich wol 

kommen . 

Zu allerztijt und wol entphangen 

mit wilkommen: 

Es enist kein spieleresse odir 

spielman 

8130 Der me freude machen kann 

Dan ich; aber is sint alles döre 

Die mir wollen zu gehören; 

Dan ich bedriegen sij mit myner 

piffen. 

Ich kann als die Serene in dem 

mere slyffen, 

8135 Die mit yrem süßen syngen 


8105. frij zugeschr. 8121. strecken üb. gestr. schicken. 

8107. Orig.: Bien diz, quant diz, sans moi 8124. sere zugeschr . 

flater, Que rien ne vail. 8128. mit wilkömen zugeschr. 

_i 

vor 8091 Platz für ein Büd. Die Nebenschrift rechts ist schon angebracht: hoffart 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Weshalb Schmeichelei Hoffart einen Spiegel (Beifall) vorhält. 


179 


Die lüde wol kann bij sich 

bringen. 

Die mynen gesanck wollent 

hören, 

Die dun ich dicke verdören, 

Das sie erdrincken und in arbeit 

kommen. 

8140 Myn name ist Smeichelongen, 
Nifftel bin ich Verrederigen, 

Die edelste dochter der Fal- 

scherien, 

[ 250 ”] Die spiserynne der Boßheit 
Und stifften manich leyt. 

8145 Alle die aide wijbe die du ge- 

siest 

Odir die du dann vor gesehen 

best, 

Von mynen brüsten sint sij ge- 

seuget, 

Ertzogen unde gespiset; 

Wie wol das ich ir aller ainme 

bin, 

8150 Durch myne boßheit ich doch bin 
Der Hoffart sunderliche spise¬ 
rynne 

Und auch yre uffhelderynne. 

Ich dragen sij und halden, 

Als du gesiest, und sij behalden. 

8155 Were ich nit, sij viel balde: 

Das sij nit kann zu fuße gan, 
Dar umb so muß ich sij dran.’ 

‘Nu sagent mir’, sprach ich, 

‘war zu 

[ 25 1<-] Dienet der Spiegel den ich sehen 

nu?’ 

8160 ‘Hastu nie gehört’, sprach sij, 

‘sagen 

Von dem einhorne und sime 

jagen, 


Wie das es in eyme Spiegel ver¬ 
löret 

Alle sine wildekeyt, die es hait 

geleret, 

Und wie stille das es stat 
8165 So is sin heubt da inne gesehen 

hait?’ — 

‘Ich han wol davon hören sagen.’ 
Sij sprach: ‘Hoffart wil ich yme 

gelich sagen; 

Ich wil das mit rechte dun: 

Dann solde sij sich nit dicke 

spiegeln dun, 

8170 Sie stieß yeclichen al umb 
Und dede nutschit umb keyne 

liebe. 

Dann wann sie sich wol hait be- 

siehen 

Und ir angesicht wol besehen, 

So wirt sij viel gütig angesehen 
8175 Und wirt milder gheen dem 
[251”] Der den Spiegel heldet eben. 

Der Spiegel ist zuhellonge 
Zu dem daz man saget, aen 

mishellonge; 

Dann wann der hoffertige icht 

saget, 

8180 So wilt er daz man spreche: “ir 

hant wol gesaget, 
Ir sagent waer, es ist also, 

Ich bin gut Spiegel, besehent uch 

do!” 

Aber sehe es den Spiegel nit, 

Sine wildikeit ließ es nit; 

8185 Balde hette sij daz gehörnte 

heubt uffgehaben in zorn 
Und balde gestossen als das eyn- 

horn. 

Und umb das ich des über sie 


8163. es aus er. das zweite e in geleret 
übergeschr. 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


180 


Plötzlich kommt ein altes Weib gekrochen , mit zwei andern auf dem Rücken. 


Und auch nit gestoßen sie, 

So drage ich den Spiegel und 

allez das erleuben 
8190 Das ich dann hören odir gesehen. 
Ich bin zu half der hohen worte: 
Zu jederman durch myn dorhete 
[252r] Antwerte ich und sagen waz ich 

hören sagen, 
Wie wol das is solle helffen odir 

schaden.’ 

8195 Da mich also mit reden hielt 
Smeichelonge und mich die rede 

befielt, 

Ein ander altwip dar zu qwam, 
Davon ich großen schrecken am 

hertzen nam. 
Zwo gleven hatte sij angeslahen 
8200 In yren zweien äugen also ge- 

dragen. 

Uff der erden gieng sij mit fieren, 
Als der slange sich get zieren; 
Sij so mager und drocken ivas 
[252*] Das fleisch noch blut an ir nit 

was. 

8205 Alle ire geleiche und auch ir 

fahs 

Schienent bloß sin als ein glas. 
Uff yr und yrem rucke sassen 
Zweie ander aldewip, die usser- 

massen 

Auch so fochtsam warent, 

8210 Zu viel hesselich und erschrock- 

lich gebaren. 

Die eine hatte sich verstalt 
Mit eyme antlitz, was gemalt, 
Und sich dar hinder verborgen, 

8191. halt Hs. ( auch h). 


Das man ire gestalt und formen 
8215 Nit mochte gesehen. 

Einen spitzen stab hatte sij in 

der rechten hant. 

Und eine büsse in der lyncken 

hant 

Hieldt sij bij ir, 

Aber den spitzen stab verbarg 

sij hinder ir. 

[253 *■] Die ander aide hielt in irer hant 
8221 Einen spieß, der wol was zu hant 

Mit lüde oren gefudert durch, 

Die da mit waren gestochen 

durch. 

Das eine ende hielt sij gheen mir. 
8225 Daz ander tuschen iren zenden 

hielt sij is 

Und da bij ein rot bein bludig: 

Als ein nagender hont qwam sij 

bij mich. 

Das isen an der gleven waz 

sinckelecht 

Mit eyme krappen da tuschen 

recht; 

8230 Daz was gemacht die pilgerin zu 

durchstechen 

Und mit dem krappen wieder bij 

sich rechen. 

Die aide machte sich da mit gar 

breit: 

Groß lyden müße ir werden 

bereit! 

Da ich die aldewibe wol hatte 

gesehen 

8235 Und ire gestalt und wandel be¬ 
sehen, 

8228. sinckelecht] das 1 zu Anfang hier 
völlig einem i gleichend. 


vor 8195 Bild (71) mit Nebenschrift rechts: v’gonnonge, v’rederige, abebiechonge 
vnd zonge. vor dem Pilger drei alte Weiber: eins am Boden liegend, auf seinem Rücken zwei 
andere, alle Einzelheiten der Beschreibung im Bilde nicht wiedei gegeben; von den beiden 
Lanzen in den Augen des ersten Weibes z. B. ist nichts zu sehen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Das Weib, das die andern trägt, nennt zuerst seinen Namen (Neid). 


181 


[2ö3 r ] Ich gedachte das ich wissen 

wolde, 

Obe ich mochte, wie ich yec- 

lichen nennen solde. 

‘Altwip’, sprach ich zu der 

ersten, 

Die die ander drug mit lesten, 
8240 ‘Sagent mir war zu ir sollent, 

Und uwern namen, obe ir 

wollent! 

Groß leyt und gros schrecken ir 

mir dunt, 

Yr und die ander aldewibe zu 

aller stont.’ 

Da antwerte sij mir und sprach: 
8246 ‘Hastn nu so groß ungemach, 

Das ist nit wonder; dann gar 

balde 

Wil ich dich zu dem dode schal- 

den. 

Ich bin Haß und Nidt, die zu 

hellet 

Hoffart, zu der sich gesellet 
8250 Der Sathanas, des dochter ich 

bin. 

' In der werlde ist kein bürg noch 

stat so fin 

Da inne ich nit gedodet habe 
l*5J r ] Maniche frauwe, man und knabe. 

Ich bin das dier daz da hait ge¬ 
dodet 

8255 Zu zijden Joseph, davon sprach 

Jacob 

Das wilde dier hette yn ver- 

slonden: 

Er sagte waer, es wart erfon- 

den. 

Ich bin das aller wildeste dier, 


8237. yeclichB j l. yecliche? 
8255. Gen. 37,33. 

8267. swerde aus swerge. 


Des sich niemans mag frauwen 

schier 

8260 Noch keinen phenning dar umb 

geben. 

Von großer bitterkeit ich leben: 
Ich wurde nummerme frolich 
Solde süße spise essen ich. 
Anderlude magerheit spiset mich, 

8265 Anderlude zorn erfrauwet mich, 
Eins andern leit locket mich, 
Eins andern swerde seuget mich: 
Hette ich solicher spise genüg, 

So were ich balde groß und 

feisset gnüg. 

[254 r ] Aber umb daz mir solichs nit 

werden mag 

8271 Und mir nach myme willen nit 

gedigen mag, 
Dar umb bin ich mager und also 

verdorret, 

Also bleiche und ungeferwet. 

Eins andern glucke dodet mich, 

8275 Machet mich mager und ver¬ 
bleichet mich; 

Ander lüde gut rayn blut isset 
Und als ein egel das uß suhet. 
Ich gleube wol, were ich in dem 

paradise, 

Das ich von leide stürbe nach 

myner wise, 

8280 Das gut das da ist, döte mich. 
Dann ich suß nit gesterben mag; 
Wann der dot mir gelobet hait 
Und mir auch da mit versprochen 

hait 

Das ich nit ersterben kann odir 

mag, 

8285 Und daz ich nit vergaen vor 


8270. in dem großen verschnörkelten A von 
Aber ein kleines rotes a. 

8280. da üb. gestr. hie. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



182 Aus den Augen des Neids ragen zwei Lanzen hervor (Zorn und Schadenfreude). 


Die werlet sij dann vergangen 

vor; 

[~55 r ] Und dannoch gleube ich nit 

Das ich solle verlieren das leben 

icht. 

Der dot hait mir das geredt; 

8290 Dann er sich durch mich in die 

werlt det. 

Durch mich ist er dar kommen 

und ingangen 

Und regniert durch mich, und 

noch lange 

Wirt er regnieren also. 

Ich bin die hübsche slengynne, 

8295 Die aller boßheit ist nachberynne, 

Die hasset alle lüde die wol 

dunt, 

Und yn nach myme vermögen 

kein gnt dun. 

Es ist nicht das ich lieb möge 

han, 

In hiemel, in erde noch in meres 

bann. 

8300 Ich dun Götlicher Liebe großes 

leyt, 

Ich kriegen den heiligen geist. 

Mit den zweien gleven die du 

sichst 

Und uß mynen äugen ghen ge- 

sihst, 

Yeclichen kriege ich mit macht: 

[■2,3.5 Die ein zorn, die ander freude 

bracht 

8306 Und ist auch also genant, 

Freude von ander lüde wider- 

wertikeit bekant. 

Mit der ersten sterckete sich 

Saul 


8300. götlicher übergeschr. 

8301. vor den gestr. wider. 


Da er David wolde han geslan. 

8310 Umb das er die harppe hatte ge¬ 
slan; 

Grossen nit und zorn er hatte 

umb das 

Das er nit vor David me geeret 

was. 

Mit der andern wart dem kon- 

nige Jhesus 

In sine sijtte gestochen und nff- 

getan: 

8315 Yme det weeher an allen waen 

Der spot den die Juden hattent, 

me 

Dann die gleve yme dede wee 

Die Longinus yme in die sijtte 

stieß, 

Davon er blut und wasser ließ. 

8320 Die gleven sint verwurtzelt 

Dieff in myn hertze und ge- 

stricket; 

[2.')6 r ] Aber durch myn äugen hant sij 

yren ußgang, 

Ich schine ein diere mit hörnen 

lang, 

Und mich dun vergifft ußwerffen 

8325 Durch myne äugen zu vergiff- 

tigen 

Myne nachbur mit myme ange¬ 
sehen 

Und auch yme nit zu lassen, 

An zehenden odir in felde deil 

zu lassen. 

Myn äugen sint äugen von basi- 

liscus, 

8330 Die dödent wen sie aneblickent 

sus, 

Odir die nahe bij mir wanent, 

8330. SU8 zugeschr. 

8331. wanent aus wonent. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die vordere der beiden Reiterinnen (Verräterei) trägt ein gemaltes Antlitz. 


183 


Die sint dot so balde ich sij be- 

schawen 

Odir so balde ich sij angesehen. 

Desglichen und ander dun ich 

viel genüge, 

8335 Als myn döchter dir sagen sollen 

mit füge, 

Wiltu sij dar nach fragen; 

Sij mogents dir bas gesagen, 

Die ryden uff myme rucken; 

[256 r ] Dann ich bin die sich muß 

bücken, 

8340 Und von yn keine rüge han: 

Die sagent dir wol davon. 

Wann du sij wirst förschen und 

fragen 

Wer sij sint, und auch gehören 

Was sij dir sagent, magstu wol 

wissen 

8345 Wer ich dann sie, mit gantzem 

wissen. 

Ich sagen dir aen allen vertzog: 

Du mast sij gerne fragen aen 

gebot.’ — 

‘Wer bist du, die erste, die da 

sitzet vor 

Uff Ny dt, die so scharff vor 

8350 Hie zu mir hait geredt, 

Das du din gestalt und gesichte 

Also haist verdecket mit dem ge¬ 
malten angesichte, 


Die da dreget bühsse und salbeye 
Und messer getzogen verborgen 

allerleye ? 

8355 Von dir mag ich nit gudes ge- 

dencken 

[257 r] Wiltu mir nit anders mit Worten 

sencken.’ 

Da antwerte sij mir mit synn: 
‘Wiste yederman wer ich bin, 
Keinre keme nit bij mich 

8360 Noch zu mir geliebete sich. 

Ich bin eine ußrichterynne 
Und auch eine follenbrengerynne 
Des willen myner mutter Nidt; 
Dan dar umb sij enkan jeder- 

man nyt 

8365 Genodigen als sij gerne wolde 

dann, 

Sij hait mich zu zijden in die 

schule getan 
Und bat mich das ich wolde leren 

mit wyllen 

Falscheit und üppiger boßheit 

vyele, 

Da durch ich yre böse begirde 

und lößheit ußrechte 

8370 Und daz auch also follenbrechte 
Daz ich mich nit werte sere. 

Nu sage ich dir daz in eine 

schule gieng ich ee, 
Und da inne fant ich 


8332. bescbawenen Hs., aus bewanen, indem 
scha ü bergeschr. und a in e verwandelt wurde, 
während an tu streichen gewesen wäre. 

8335- Als üb. gestr. dz. dichter aus 
doechter. 

8348. Initiale schwarz m. roter Füllung. 

8353. das h in bühsse übergeschr. 

[8355.] Kustode unten auf Bl. 256 •: wiltu 
mir nit and’s. 

8361. a. R. links ein Doppelstrich (=). 

8364. Vor jedermS ist nit gestr. u. dahinter 
njt tugefügt. 


Digitized by Google 


8365. das a in dann aus anderni Buch¬ 
staben korr. 

8366. getan hinter zijden zu streichen ver¬ 
gessen u. a. Schl, zugeschr. 

8368. das r in üppiger übergeschr. vyele 
zugeschr. 

8369. Da u. ich zugefügt. vßrechte zu¬ 
geschr. 

8370 f. zugeschr . u. dafür gestr.: Entschul- 
digette ich mich nit sere. 

8372. ee zugeschr. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




184 


Vom gemalten Antlitz der Verräterei. 


Mynen vader, der da inne meister 

was sicherlich 

[ 557 »] Und auch myne swester lernte 

ußmessen 

8376 Wie mentschen fleische roe zu 

essen, 

Als du mich dann gesihst an 

diesem beine essen. 
Da er mich sach, er sprach: 

“dochter, komme her! 
Ich sehen wol din beger: 

8380 Das du gerne ettwas von mir ' 

hettes 

Und von mir gerne lertes 
Ettwas, das du die lüde be- 

drieges: 

Ich wil des din lerer sin 
Und des auch zu male frohe sin.” 

8385 Da sloß myn vader uff eine kiste 
Und nam da uß, da er wiste, 
Diese buhsse und dis gemalte 

angesicht 

Und gab mir auch zu hantgifft 
Dies messer, das ich verborgen 

drage 

8390 Und verholen bij mir habe. 
“Dochter”, sprach er, “wer da 

wilt bedriegen 

[558 r ] Fogel aen liegen, 

Der sal die boppen nit in die 

erbeiß setzen 

Odir auch in den hanff garten 

setzen; 

8395 Dann wo sij schuwesal da inne 

gesehent, 


Balde aen beyden sij dannen 

fliegent. 

Dar umb, min dochter, rade ich 

dir: 

Wiltu jemans ankommen mit 

begir, 

So daug is nit das du ghen yme 

icht 

8400 Schuwesal maches mit dime 

hesselichen angesicht, 

Die alle gesicht machet verker- 

lich, 

Ungestalt, finster und hesselich; 

Dann du verlurest dar an 

Die arbeit die du lechtest dran. 

8405 Aber sich gebürt, liebe dochter 

werde, 

Das du habest subtile geberde 

Und du yme gut glicheniß 

dfihest 

Und hübsche geberde under 

äugen vor fügest 

[558»] Und duhest als der scorpion, 

8410 Der mit smeichelonge dut schon 

Zum ersten gut glichniß und 

guden müt 

Und stiebet mit dem swantze da 

hynden daz blüt 

Als er stiebet da hinden, 

Da wirt sich truwe fynden, 

8415 Und umb das du das auch also 

moges dün 

Aen feien und auch konnes 

gedün, 

Messer, buhsse und salbe 


8374. sicherlich zugeschr. 

8375. vflmessen hint. gestr. das. 

8376. Wie üb. gestr. vnd. röe. I. fl. si roe ? 

8377. mich iibergeschr. 

8405. werde zugesrhr. 

8410. schon zugeschr. 


8411. gut üb. gestr. schon. 

8412. dz blüt zugeschr. 

8413 zwischengeschr.; v. 8413 f. fehlen im 
Orig, und in h. 

8415. also iibergeschr. 

8417. das h in buhsse wieder iibergeschr. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Offen führt sie eine Salbenbüchse bei sich, verborgen aber ein Messer. 


185 


Und gemalte antlitz ich dir gebe 

balde. 

Das ist getzug der dar za ge¬ 
höret, 

8420 Da durch ettwie viel sint ver- 

döret 

Joab, da er Amasam dot slüg, 

Und Abner behalff sich da myde 

genüg; 

Jndas was nit zu male dar one 

Da er verkaufte den konnig 

Jhesus schone; 

8425 Triphon und auch ander viel 

Hant nit gefelet des zu haben 

viel. 

[259 >■] Ich rade dir is, dochter, zu dra- 

gen, 

Dinre mutter da mit zu brengen 

staden, 

Yre zu helfen zu follenbrengen 

8430 Das sij alleine nit kan follen¬ 
brengen. 

Mit der salbe saltu salben die 

Die du mit dem messer wilt 

slahen hie, 

Und mit dem felschen gemalten 

gesichte 

Saltu decken din angesychte. 

8435 Das ist so viel zu mercken: 

Dine gedencke saltu mit falscheit 

decken 

Und salt dich ussen lassen ge- 

sien 


Anders dann dü innen moges ge- 

sin. 

Dann soltu mit reden fin 

8440 Smerende und auch weich sin: 

Es ist die salbe da mit sint 

Die konnige und prelaten dicke 

gesalbet sint 

Es ist kein herre odir greffe me 

[559«•] Er wolle da mit sin gesalbet me: 

8445 Sij wollent alletzijt das man yn 

solle sagen 

Sachen davon sij keynen verdrieß 

haben. 

Also, dochter, frischelich 

Saltu sij salben redelich 

Mit der süßen salben, so du sij 

magst han, 

8450 Und nach dem smeren saltu sij 

slaen 

Also das sij des keine büsse 

mögen han!” 

Nu sage ich dir: Da er mir 

also hatte gesagt, 

Myn vatter uß der schulen tradt. 

Uff myne müder bin ich da ge¬ 
sessen, 

8455 Als du gesihst, in dieser massen. 

Ich bin meisterynne, duncket 

mich wol; 

Was ich gelernet han, das kan 

ich wol: 

Ich kan myn gemalte gesune wol 

verstellen 



8422. da gleich übergeschr. sage ich dir. Von dem nicht ausgezeichneten N 

8423. one aus ane. ist infolge zu starken Beschneidens der größte 

8424. schone üb. gestr. vane. Teil verloren gegangen. er üb. gestr. sij. 

8426. an des ( undeutl .) korr. hint. gesagt gestr. spch sij geringe. 

8427. vor dragen angefangenes s schwarz 8453 übergeschr. als Ersatz für den gestr. 

gestr. Vers: Da ich vfl der schulen gienge (dem Orig. 

8438. dti aus din(?). folgend, von h übernommen). 

8452. Vor Da, dessen D als Abschnitts- 8454. da übergeschr. 

initiale gestaltet ist, wurde a. R. zugefügt Nu 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



186 


Von dem betrügerischen Wirken der Verräterei. 


Und mich zu allen bösen Sachen 

wol gestellen 

8460 Mit der büssen und der salben 

[sßO'-jUnd lachen mit den zenen hal¬ 
ber. 

Ich kann wol bissen aen bellen 

Und myn gestalt einfeltig stellen, 

Uff eine sijtte krauwen und 

smeren 

8465 Und die ander stechen und 

slahen sere. 

Ich bin der slange der sich 

heldet 

Under dem krude und nit meldet 

Bis das yemans bij mich kommen 

ist 

Und nyder gelacht odir gesessen 

ist, 

8470 Das ich yn dann döde in kurtzer 

frist. 

Sehen ich mich ussen getzieret 

icht, 

Mich zu sehen kennen ich mich 

nicht. 

Man kennet die lüde nit an dem 

kleide 

Noch den wine an in dem becher 

in zu leiden. 

8475 Maniche wyde ist dicke wol ge- 

laubet 

Und auch gar wol gecleidet 

Die doch bynnen zu male hole ist 

[2W»]0dir bynnen vol wurme ist. 

Ich bin eine wurmessige wide, 


8459. mich übergeschr. 

8462. bellen üb. gestr. erschrecken. 

8463. stellen üb. gestr. entblecken. 

8465. die üb. gestr. mit der. 

8469. gesessen üb. gestr. gestossen. 

8471 f. Das mißverstandene Orig. (8453/4) 
lautet: Se dehors paree me rois, 

Pour ce, voir, pas ne me connois. 


8480 Ein bret gar balde gespalden in 

zyde. 

Er ist verlorn der sich an mich 

sturet, 

Und wie wol das sich niemans 

an mich sture, 

So kan mir doch niemans ent- 

gaen 

Noch keinre vor mir hüde han. 

8485 Stercke von luden odir viel lüde 

Noch yre synne prisen odir 

achten ich nit 

So viel als umb ein stuppe ge¬ 
schieht. 

Wann ich myn gemalte antlitz 

vor han 

Und han ein falsch lachen ge- 

taen, 

8490 So sint sij alle verdorben und 

bedrogen 

Und alle an myne gnade ge¬ 
bogen. 

Ich bin Verrederige, die da hait 

getaen 

Dicke und vil manichen bösen 

zog getan han. 

Ich han des nünden steins nie 

getzielt 

\2Gi r ] Noch des schachzabels nie ge¬ 
spielt, 

8496 Ich neme dannoch mit myner 

konst 

Welichen stein zu dem ich hatte 

gonst. 


h richtig: Abe da mich gesiest vn$l obe ge- 
zieret, so kennestu doch myn nit. 

8474. in vor za übergeschr. 

8475. wyde aus wide. 

8482. wie üb. schwärt gestr. sij. 

8484. vor aus von. 

8486. ich schwärt gestr. u. sij übergeschr., 
jedoch ersteres wieder cintusetsen (so auch h). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Schon will sie den Pilger nieder schlagen, als sich ihre Schicester (Ehrabschneidung) einmischt. 187 


Es enist kein rach odir konig 

hyr, 

Wann ich wil, ich ziehen yn zu 

mir. 

8500 Und umb das dins lebens lange 

hat verdroßen mich, 
So hait myn müder Nydt be¬ 
scheiden mich, 

Und ist lang daz sij mich badt 
Und mjT hait geboden und gesait 
Das ich dich zu mir ziehe ane 

not, 

8505 Das ich dich zu ir brenge dot, 
Also das ich ytze über dich 

schrien mort. 

Das sage ich dir als über sant 

Niclas, 

Der die schuler wieder det uff- 

stan umb das: 
Du kanst mir uß myner hant nit 

entgan, 

8510 Das ich dir wol gesagen kan.’ 

Da sij nu also nahe bij mich 

kam 

Und wolde mich dot han geslaen, 
[ 26 it] Die ander die bij yr saß, 

Lachte sij an und sprach das: 
8515 ‘Swester, nit sient also ylende! 
Ich bide dich, lyde das er lebe 
So lange biß er mynen namen 

weiß: 

So wollen wir yme beide machen 

heiß. 

Von leyde und zorn ich stürbe 

8500. lange hat übergeschr. v’droßen aus 
v’drußet mich hint. schwarz gestr. dich. 

8501 f. zugeschr. statt des gestr. Verses: Ei 
iat lang das myn müder nit. 

8503. Vnd zugeschr. 

8504. not hint. gestr. bait. 

8505. zn übergeschr. 

8508 bezieht sich auf die bekannte Legende 


8520 Das er von dir allein verdürbe 

Und das ich yme nit als leide 

dede als du.’ — 

‘Ich sagen dir, ich wil wol bei¬ 
den nu; 

Dann ich bijden dich ernstlich 

Das du sere wolies zauwen dich. 
8525 Ich wil das wir die ere haben 

Und yme viel unere balde getaen 

haben.’ 

Da was die paltenerynne fro- 

lich, 

Die groß liden bestee kurtzlich, 

Und lachte mich an spottende 
8530 Und an dem beyne also nagende. 
[^'■j'Wie bistu so gedorstig’, sij 

sprach, 

‘Das du einen stab hast her 

bracht? 

Stebe siecht und kromp hassen 

ich 

Und die an dem ende sint 

spitzich; 

8535 Ich han sij nit lieb die sij dra- 

gen; 

Aber wann is mir eben ist, 

So spotten ich ir hinden mit 

lvsten 

Und bissen sij, wie wol myn 

swester 

Yn vor zu gut glicheniße dut, 
8540 Das wiedermachen ich in mynem 

mut. 

Und umb das du haist einen stab, 

von der Auferweckung dreier von einem gott¬ 
losen Wirt getöteten und den Gästen als Speise 
Vorgesetzten Knaben durch den hl. Nikolaus. 

8526. Vnd u. balde zugeschr. 

8534. das ich in spitzich zugeschr. 

8536. ist vor eben schwarz gestr. u. dahinter 
zugeschr. 

8537. lysten aus listen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



188 


Ehrabschneidung droht den Pilger bei lebendigem Leibe zu verzehren. 


Wie wol er nit kromme ende 

hab, 

Und auch umb daz Nidt, myn 

müder, 

Dich nye lieb gewan noch dynen 

vader, 

8545 So mustu mir yn hie lassen. 

Du bist übel her kommen in 

dieser maßen: 

Ich wil dich zu hant lebende 

essen. 

[ 262 *] Bis uff das bein wil ich dich 

veressen 

Und dir die hüt vom rucke abe 

ziehen. 

8550 Du gesehe alle dine tage nye 

Under den fleisch bencken keinen 

hont 

Der so gerne esse rohe fleische 

zestont 

Also ich dun; der mont mir blu- 

dig ist 

Als dem wolffe in manicher frist 

8555 Der schaeffe in der stygen er¬ 
würget hait 

Und sinen güm da mit gesmeret 

hait. 

Des raben gesiechte ich bin 

Der in der hellen hait daz nist 

sin. 

Mir liebet Schelmen zu essen: 

8560 So sij me smackent, so ich sij 

lieber essen. 

Ich geesse nummer guden montfol 

8544. Dich u. noch zugeschr. 

8548. bein zugeschr. 

8549. vom rucke üb. gestr. alle. 

8552. rohe üb. gestr. das. zestont üb. 
gestr. rohe. 

8555. Der üb. gestr. Die (?). 

8500. ich übergeschr. 

8501. eines der beiden ersteti e in geesse 
übergeschr. 


Digitized by Google 


Da ich die bösen mochte haben 

wol; 

Und hette ich viel eppel zu 

hüdden, 

Der enwolde ich nummer ver¬ 
suchen 

[263 r] Ee ich eine fulekeit 
8566 Dar an gesehe odir unreynikeit. 

Aber wann ich fulekeit dar an 

gesehe, 

So bisse ich von stunt dar inn 

ghee; 

Balde wolde ich das versüchen 
8570 Das zu kuwen und zu riechen. 

Es ist myne spise, es ist myn 

leben 

Gelich als Ny dt, myner mutter, 

eben.’ 

Da sij mir das ertzalte also, 

Wie wol ich was gar unfrohe, 
8575 Einwenig begonde ich under- 

lachen. 

‘Altwip, ir werent gut’, han ich 

gesprochen, 

‘Myn eppel zu erlesen und zu 

hüden. 

Woldent ir uch des gehüden 

Das ir mich byssent nit, 

8580 Der fulen wil ich uch geben 

genug eyne zijt 

Und der unreynen auch uwern 

gefug. 

[263*] Und hant ir der da mit nit 

_gnüg,_ 

8562. die üb. gestr . den. 

8575. vor begonde schwarz gestr. sij. ich 
übergeschr. 

8576. han übergeschr. gesprochen aus sprach. 

8577. am 4. Buchstaben in erlesen karr. 

8580. eyne zijt zugeschr. 

8582. der übergeschr. nit genug vor da 
mit gestr. u. dahinter nit gnüg zugefugt. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ehrabschneidung erzählt von ihren Werken. 


189 


So weiß ich wol wo viel un- 

reynes lit, 

Dez ich geben eyne zijt. 

8585 Ich wil uch wol dez ee finden 

genüg 

Ee ir mich also begrynent mit 

ungefug.’ 

Zu stunt sij yre worte wider be¬ 
griffen hait 

Und also zu mir gesaget hait: 

‘Ich darff nit zu male ferre gaen 

8590 Wil ich unreynikeit genüg han. 

In mynem monde han ich den 

getzug 

Da mit ist gemacht der smyde 

getzug; 

Und were in der werlde kein, 

Tuschen mynen zenden machte 

ich ein, 

8595 Als myn vader mich das geleret 

hait 

Und myn suster das auch be¬ 
griffen hait.’ 

‘Ich geleube wol’, sprach ich, 

‘ hettestu 

Materie da von du 

Mochtes gemachen icht, 

[ 264 r]j) a fettes balde genug gesmyedt; 

8601 Aber aen materie kann niemans 

smyeden, 

Wie wol das er wol könne 

smyeden. 

Ein smyedt aen isen und stahel 

8584 zwischengeschr. hint. ich 2 oder 
3 Worte gestr., deren letztes uch gelautet zu 
haben scheint und dann besser stehen geblieben 
wäre. 

8585. uch unter gestr. uch, über welches 
zunächst ein nachher wieder getilgtes dir dez 
geschrieben war. dez hint. wol übergeschr. 

8586. ir üb. d. Z. hint. gestr. das, das zu¬ 
erst üb. getilgtes ir geschr. war. 

8594. machte üb. gestr. mache. 


Digitized by Google 


Kann nit gemachen axs odir 

hahel.’ 

8605 ‘Materie’, sprach sij, ‘finde ich 

genüg; 

Dann alles gut daz du finden 

macht mit füg, 

Ich wol in böses gekeren kan 

Und mit falscheit underscheiden 

kan. 

Ich kann wol wyne zu wasser 

machen 

8610 Und driackel zu vergißt machen; 

Ich kann die guden appel ver¬ 
derben 

Und biderbe lüde sere balde ver- 

meren, 

Und dar nach als rohe fleisch 

Ich sij verslynden und essen 

heiß.’ 

8615 ‘Wie heissest du?’ sprach ich 

zu ir. — 

‘Abesnydongen, das sage ich dir; 
[264 »] ich bin die abesnydet und abe- 

bisset 

Den luden ere und gut und sich 

flißet 

Sij zu verdrücken und zu ver¬ 
derben, 

8620 Das sij dünne und zu nichte 

werden, 

Das ich myne mütter da mit 

möge spisen, 

Die faste siech ist in yrer wijsen. 

8606. du üb. gestr. ich. macht mit füg 
üb. gestr. mag. 

8607. kan üb. gestr. mag. 

8608. kan zugeschr. 

8609. machen üb. gestr. leyden. zwischen 
8609 «. 8610 gestr.: Vnd win zu wasser machen. 

8612. balde übergeschr. 

8615. Initiale schwarz mit roter Füllung. 

8619. das zweite zu übergeschr. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



190 


Ihre spitze Zunge dient Ehrabschneidung als Spieß. 


Ich bin yre spyserynne 

Und yre meister kochynne. 

8625 Ich dienen yr mit gefuderten 

oren, 

Die da steckent und henckent an 

myner gleven vorn 

Durch myne gleve mit dem 

spitzen isen 

Gelich in eins kleinen spisses 

wisen. 

Myne zonge ich myne gleve 

heiße, 

8630 Umb das sij snydt scharf! won- 

den heiß: 

Sij stichet und siet me scherffec- 

lich 

Dann keine gleve odir snyde 

sicherlich 

Odir kein phile mit wieder¬ 
hacken, 

[265 r] wie hart er vom bogen werde 

geschossen. 

8635 Es sint die oren der die da hö¬ 
ren t 

Das ich sagen, das sij gehorent. 

Alle die da gerne horent 

Myn sagen, yre oren sij dar 

kerent 

In myne gleve myner mutter zu 

dienen, 

8640 Die sij sehent so sere siech 

ligen.’ 

‘War umb hait er krapen?’, 

sprach ich. 

Sij antwerte mir und beschiede 

mich: 


‘Wann ich ein ore also durch 

stochen han 

Mit myner gleven und gehefftet 

han 

8645 Und is nach mynem willen ge- 

fasset han, 

So belibe ich hangen dran 

Und slahen mynen krappen dar 

an. 

Ich Stelen lieber eime sinen gut- 

ten name 

Dann kein diep ie keinen schätz 

genamme.’ 

8650 Da sprach ich: ‘so bistu eine 

diebynne? 

[565»] Dann ein gut wort ist besser 

dan goldes mynne 

Odir dann richtom möge gesyn.’ 

‘Sicher’, sprach sij, ‘du sagst 

waer recht, 

Aber Salrnon hait dich das gelert 

8655 Das du mir haist myne worte 

verkert : 

Ich bin eine diebynne ertzuget 

Und von allen guden Worten 

zuget. 

Kein schöner ding in diesem 

lande 

Kann ich nit gestelen aen 

schände; 

8660 Dann ich keine keronge davon 

dun: 

Dann ich keronge node dun 

wolde 

Umb schände die ich davon 

haben solde. 


8629 f. rechts a. R. in der Schrift der Korrek- gleven hie gespitzet siehest, daz sint die oren... 
turen zonge. 8653. du sagst waer recht üb. gestr. is 

Nach 8634 fehlen 4 Verse des Orig. (8609 mag war sin. 

—12), die in h Übersetzung gefunden haben: 8657. zuget] entwiset h; im Orig, ent- 

so moget sie nyt so groß, noch so sorclich spricht nichts. 

wonden gemachen. Die oren die du in dießer 8661. keronge üb. gestr. sij. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die beiden Schwestern fallen vereint über den Pilger her. 


191 


Auch wann Hoffart des gewar 

würde, 

Nummer sij myn frunt würde.’ 

8665 ‘Was dustu’, sprach ich zu ir, 

‘Wanne du das ore das hat ge¬ 
höret zu dir, 

Also haist gekrappet 

[•266'-] Und sinen guden namen becloppet 

Und ettlichen biderben man da 

mit beraubet haist?’ 

8670 ‘Sicher’, sprach sij da, ‘du ge¬ 
höret haist, 

Da han ich dir davon gesagt die 

mere 

Und das in vergifft verkert sere 

Und auch da mit gespiset gar 

sere 

Myn müder.’ da sprach ich: 

8675 ‘Zwaer is duncket mich 

Das ich in diesem jare nit habe 

gesien 

Böser diere dann du macht gesin.’ 

‘Sicher’, sprach sij, ‘ich gleube 

dir wol. 

Ich bin böser dan die helle sin 

sol; 

8680 Dan den mage die helle gescha- 

den nit 

Die in yrem beslosse sint nit 

Odir die da sint eins heiligen 

lebens. 

Dann were sant Johans in der 

helle eben, 

So geschee yme doch kein leyt: 

8685 Durch sine große heilikeyt 


[2G6»] Schede gebe yme der heilige 

geist. 

Aber ich sagen dir das ich die 

ußwesenden 

Als wol irren als die geenwerti- 

gen. 

Es krudet mich nit mere 

8690 Myne gleve zu werffen über mere 

Als uff eine myle odir zwoe. 

Ich sagen dir auch da bij genode: 

Ich schedigen die eins heiligen 

lebens sint, 

Als wol als die des nit ensint. 

8695 Were sant Johans noch uff erden, 

Noch muste yme myn gleve wer¬ 
den. 

In dem hymmel auch, obe ich 

wolde, 

Ich yn auch wol treffen solde. 

Zu andern malen han ich me 

versucht 

8700 Ettliche andern und die auch da 

gesucht, 

Geslagen und noch slagen wil, 

Und nit langer ich beyden wil 

Dich zu slahen und zu fallen 

dun.’ 

[267r] Da antwerte Verederye yr: 

8705 ‘Swester, beide, so wollen wir 

Is mit ein ander dun! 

Slag yn uff eine sijtte, so wil ich 

yn smeren 

Und yn uff die ander sijtte sla¬ 
gen sere: 

Also mag er uns nit engaen 


8666. Wane üb. gestr. Daa. zu über- 
geschr. 

8687. Das vor ußwesenden eingesetzte die 
war schon üb er geschr., wurde aber, nachdem 
am 2. u. 3. Buchstaben korr. war (dy...?), 
wieder durchstrichen. 


8692. genode aus genoe. 

8700. vnd Übergeschr. gesucht hint. 
gestr. sint. 

8708. nach yn gestr. dun. das lag in 
slagen auf Rasur . 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



192 


Zuerst gelte es ihn vom ‘Pferd’ zu werfen, auf dem er sitze. 


8710 Er müße dan einen guden artzet 

han.’ 

‘Es ist mir lieb’, sprach sij, 

‘Aber ich bijden dich daz vor 

geschie 

Das wir yn von syme sadel 

stürtzen 

Und das wir yme den weg 

kürtzen, 

8715 Das er nit me könne geryden 

Und solichen hoenmut gemyden.’ 

Da ich die worte hatte gehört, 

Da wart ich gedencken und er¬ 
schrecket vort; 

Dann ich waende nit das ich 

hette 

8720 Ein phert, und dar an nit ge¬ 
dacht hette. 

[267*] ‘Wie’, sprach ich zu Verrederi- 

gen, 

‘Han ich ein phert? Abebreche- 

rige, 

War umb hait sij das gesagt? 

Weistu is, so wolles mir daz 

sagen!’ 

8725 Sij sprach: ‘Recht Verstenteniße 

hait mich gelert 

Und sagete mir, da ich mit ir 

redt, 

Das der zu pherde gestiegen sij 

Dem ein gut wort gegeben sij. 

Das phert sal vier fuße han, 


Dann hette is nit me dann eynen, 
Zwene odir drye, 

So müste is vast hincken da bij. 
Des were keinre wol geeret 
8735 Der were uff daz phert gesessen 

recht. 

[ 268 *] Der eine fuß an dem pherde ist 
Daz an eyme mentschen nit böses 

ist, 

Do an er vermeronge fülle. 

Der ander ist der gelegenheit 
8740 Das er nit sij in verbüntlicheit. 
Der dritte ist das er elich ge- 

born sij, 

Der vierte das er nit rasende sij 
Odir ungeberikeit habe da bij 
Odir gehabt habe bij syme leben: 
8745 Das sint die viere füße eben 

Den die getzügniße sollent geben. 
Und umb das du bist uff gesessen 
[2GS’]Uff das phert und haist vergessen 
Mit myner suster vor zu reden, 
8750 So hait sij dich abe geworfen 

zur erden, 

Und ich sal yr helffer werden.’ 
Da rieff sij yrer swester balde 

wieder 

Und sprach: ‘swester, sage mir 

sieder, 

An welichem ende sollen wir yn 

zu erste angriffen?’ 
8755 Sij sprach: ‘kanst du das liet 

begriffen 

Das Israhel von Dan sang: 


8730 Als ieclicher das in wissen mag 

han; 


8710. gudS übergeschr. 8756 ff. vgl. Genesis 49,17. 

8735. Du. 8756. Statt Dan, das der Übers, nicht ver- 

8741. Amt. elich ein wegradiertes, jedoch standen hat (vgl. auch das Dann statt Dan im 
noch schwach durchschimmemdes sij. folg. Vers), liest die Hs. (auch h): Adam! 


vor 8736 Bild (72) mit Nebenschrift rechts: gude wort, ledikeit, Elicheit, gesuntheit 
[verschrieben: gesmytheit]. über dem Bilde in der Schrift der Korrekturen: Eyn gut wort / 
ledickeit / Elicheit / gesäntheit ein weißes Pferd. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



An den Angriffen der Schicestern beteiligt sich auch ihre Mutter Neid, 


193 


Da» werde eine slange in dem 

wege? 

Ich bin Sorastes, die gehornete, 
Und Dan, der slange gedrehete, 
8760 Der nyt get den rechten weg 
Und bisset die lüde hinderwert. 
Gelich heymlich wil ich gan 
Und wil hynden bissen an 
Die horn des pherdes daz er hait, 
8765 Also meyne ich daz er felegetrat: 
[269 r ] Das ist zu wissen das er an dem 

ende 

Myn zu male nit war neme. 

Ich wil yn bissen heymelich 
Und yn machen hynderlich; 

8770 Dan ließ ich yn myn gewar wer¬ 
den 

Und das ich yn uffenberlich 

bissen solde, 

So mochte is mir gar balde 
Mit synera beslagen fuße eins 

geben 

Under myn äugen und mich 

treffen eben. 

8775 Die horne sint unfüeleber 

Und werdent nit balde gewar sere 
Das myne zene sij hinden bissen, 
Bis das er sich wirt hinden 

niderlaßen, 

Das er sich nit möge wider uff- 

geheben, 


8780 Und das das phert wirt hincken 

eben.’ 

Da antwerte Yerrederye: 

*Wol an balde, machen wir uns 

balde hyn bye! 

[269 »] is gefellet mir wol daz du also 

haist uß gelacht 

Jacobs sage und das geglosieret.’ 

8785 Da warff Abebrechonge uff mich 

Yre gleve und verwonte mich 

Und lieff da vorter zu mir 

Mit uffenem monde, als hette sij 

yr 

Synne gantz verlorn. 

8790 Und myn phert greiff sij mit 

dem horn 

Und sparete mich nit mit 

syncken, 

Und mit yren zenden machte sij 

myn phert hincken. 

Mit den zenden sij mich auch 

greiff und bewisete wol 

Das sij der slangen gesiechte sin 

sal, 

8795 Und warff mich her abe: das det 

mir we. 

[270 r ] Aber dar umb enwiste ich nit: 

Gelich zu mir kam gegangen 

Nydt, 

Mit yren zweien gleven stach sij 

mich, 


8757. Dann. 

8765. fallegetrat Hs.; in h bloßes falle. 
[8765.] Kustode unten auf Bl. 268*: Dz 

ist za wissen dz. 

8766. zwei hint. dem zweiten das üb. d. Z. 
zugeschr. Worte, deren erstes vielleicht er gelautet 
hat , wieder durchstrichen; man erwartet is (so h) 


wie auch 8765, aber entsprechend dem yn in den 
folgenden Versen (dazwischen freilich 8772: is) 
mußte er eingesetzt werden . 

8781. das letzte e in yerrederye auf Rasur. 

8782. hyn übergeschr. hint. bye gestr. yn. 
8788. yr hier zugeschr. u. zu Anf. des folg . 

Verses yre gestr . 


nach 8796 Bild (73) mit Neben - bzw. Unterschrift: Da wart der weller geslagen von 
nyde, von v’hertonge, von v’rederien, von abebrechonge vnd von den and’n dufelynnS. Der 
Pilger ist unter den Angriffen der Frauen zusammengebrochen. 

Deutoohe Toste dea Mittetaltor«. XXV. 13 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




194 


Der Pilger hält seinen Stab hoch, sieht plötzlich aber noch ein neues Weib. 


Und in mynen lip sing sij mich. 
8800 Verrederige sümete nit sich; 
Dann als lange als ir swester 

mich beyß 

Und mir an den sijtten nagette 

heiß, 


Ire salbe sij hielt 

Und uff eyne sijtte mich salbete 

da mit; 

8805 In die ander sytte sij mir stieß 

ir messer 

Und auch da bij yren süechel. 

Das aide wip auch mit dem 

großen stabe, 

Sie ließen von mir nit abe; 

Mit yrem getzuge qwamen sij 

bij mich 

8810 Und sprachen ich solde geben 

gefangen mich: 

‘Du 8ist wol das du nit mast 

entgaen! ’ 

Da hüben sij mich an zu stoßen 

und zu slaen 

[270'] Und dadent mir lydens genug an. 

Da ich sach daz ich also be¬ 
kümmert was 

8815 Und so gar ungetrost was, 

Da ließ ich nit abe zu fragen. 

Ich hette wol mögen schrien und 

sagen! 

Trahekeit hatte ziel sich zu 

pynigen 

Und auch mich zu hindern; 

8820 Dann ich was in allen weg ge¬ 
hindert 


Und mochte mich in keynen 

wege geregen. 

Doch ich mynen stab hielt 

Uffricht und was mir entfallen 

nit 

Und hatte dar an groß hoffen 

8825 Das ich noch da mit solde ent- 

loffen, 

Mochte ich wieder uffkommen 

sin. 

[271'] Als ich in solichem wesen was 

Und her und dar umb mich ge- 

sach, 

Von eyme reche ich kommen 

sach 

8830 Ein ander altwip hub an zu 

lauffen. 

‘Haldent yn wol, haldent yn 

wol! 

Sprach sij zu den andern, ‘ich 

auch kommen saL 

Sehent das er uch nit entrynne 

Mit symbe stabe, den er zu 

nemen begynne!” 

8835 Das aide wip was sere verstellet. 

Mit spitzen priemen umbheldet, 

Ruch umb und umb als eyn ygel. 

Sij hatte umb gehangen ein 

sensse dar bie. 

* 

[271 -] Und yn yren henden zwene 

wacken wys 

8840 Hatte sij, als mich duchte, mit 

flyß. 

Das füre uß yrem gesichte 

sprang; 


8802. mir « 6 . gestr. mich. 8834. za nemB begynne üb. gettr. njmet 

8804. da übergeschr. 8837. Ruch übergeschr. 

8810. aprachEich durch Längsstrich getrennt. 8838. vmb ü&. gestr. an. 


vor 8827 Bild (74) mit Nebenschrift rechts: Nit Berure mich, *om, T’amehonge, driegen 
vnd doit8lag vnd haß. altes Weib mit Sense, 2 großen Feuersteinen und Säge (nach Be¬ 
schreibung). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Das Weib (Zorn) ist ausgerüstet mit Sense, Feuersteinen und Säge. 


195 


Das sij unsinnig were, waz myn 

gedang. 

In yrem monde hatte sij eine 

s ege: 

Ich wiste nit was sij da mit 

dede, 

8845 Ich hette sij dann vor gefraget. 

‘Altwip’, sprach ich, da sij 

mir nahet, 

‘War umb hastu solich geberde? 

Odir war umb dreystu solich ge- 

werde ? 

Wie ist din name? nit lug mir! 
8850 Ich wolte is gerne wissen von 

dir; 

Wie wol ich genug zu lyden han, 

So saltu mir is doch san.’ 

Da slug sij die wacken zu sam- 

men, 

Das sij det die flammen 
8855 Mir under myn äugen slagen. 

‘Sicher’, sprach sij, ‘ich sal dich 

balde dun verstan 
[27 2 *] Was hantwercks ich wol machen 

kan, 

Und dir mynen namen nit ver- 

swigen: 

Ich bin die aide ygelynne, 

8860 Die übel gestrelete ketzerynne 

Und auch die übel gelikette nü, 

Die dochter des ygels herü, 

Der sich umb dugent machet 

ruwe. 

Mit synen spitzen er mich ge- 

wapent hait, 


8854. vor det gestr. mir. 

8859. ygelynne zugeschr. hint. gestr. ketzerige. 

8860. ketzerynne zugeschr. 

8861. nü zugeschr. 

8863. vmb üb. gestr. nn. 

8884. vor sage gestr. s... (?)• 


8865 Umb daz man vor mir föchte 

hait 

Und auch umb daz, obe yemans 

qweme nahe bij mich, 
Das er in die spitzen steche sich. 
Rache ich süchen und wil sij han 
Von allen den die ich wissen 

kan; 

8870 Die mir icht hant getaen odir 

wieder mich 

Geredt hant, an den reche ich 

mich, 

Odir die ir handt gheen mir hant 

uffgehaben, 

Den sal ich is nit verdragen. 
[272”] Ich bin stechende und hessyg, 
8875 Unlydig und unverdregelich, 

Viel scharffer dann hagedorne, 
Spitzer und krommer dan krossel- 

dorne. 

Der sinen garten wol besließen 

wolde 

Mit hecken die subtile sin solde, 
8880 Der dede mich dar; dan keine 

hecke 

Nit konde gedun das ich dete. 

Ich heißen “Nit rure mich!”; 

Dan balde han verkeret ich 
Eine siechte sage in eynen 

krommen worm, 
8885 Das dun ich umb ein klein ocke- 

saldorn, 

Und dun eynen Sprung, 

Wan ich gestochen bin genug 
Von dem des frunt ich vor was. 


8885. Ich habe durch eingefugtes dun eine 
Heilung der Stelle versucht; dem Orig, würde 
man am nächsten kommen durch Streichen von 
Das ich (Qui ai tantost carmen en ve Mue 
a petite achoison). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




196 


Von dm beiden Feuersteinen des Zorns (Verschmähung und Anfechtung). 


Ich machen uß den luden ölen 

has 

8890 Zu schönem mitdage und nit ge¬ 
sellende 

[273 r ] Und die blinden zu dieren, 

Das sij vertzagen schiere. 

Ich dienen mit essig und versaiß 
Und auch mit grünem krude 

naß; 

8895 Ich geben des den coleriken 
Lieber dan den fleckmatiken. 

Ich machen mit den mentschen 

in dem firmamente 
Als viel wonders als in der 

werlte; 

Ich dun uffstaen die wynde 

8900 Und machen donner fynden 
Und uffstan allerleye lyden 
Und an gutem verstenteniße 

zwifeln. 

Ich heißen Zorn, die verkerte, 
Die kredynne, die vergifftigete, 

8905 Die begryenen müder von den 

honden, 

In der keine sußikeit ist fonden, 
Viel scharffer dan alle distelen, 

x Sicherer dan blafuß in syme 

nyste. 

[273»] Ich bin ramnus, der berg uß dem 

daz fure springet, 

8910 Wie wenig das yemans mich an 

springet: 

Es mag so wenig wider mich 

wynt regen, 

So muß ich hitze odir rauch 

geben, 


8889. has zugeschr. 

8902. an übergeschr. 

8908 gänzlich abweichend vom Orig. (Et 
plus sure que absintium), aber von h über¬ 
nommen. 


Ußstoßen myne stacheln und 

slagen 

Und die flamme dun ußslahen. 

8915 Hette ich grünen holtzes genug, 

Balde wolde ich machen füres 

genüg. 

Der eine wacke versmehonge ist 

genant, 

Der ander krieg auch bekant: 

Daz sint die zwene wacken da 

mitte 

8920 Sich die dorheiten dicke bekom¬ 
mernt mit. 

Es sint die die die zwo frauwen 

hattent bij yn 

Die qwamen zu konnig Salmon 

und frageten yn, 

Das er yn wolde urteyl geben 

Weliche solde han das kint mit 

dem leben. 

8925 Mit den wacken ich zu zijden 

gesmiedet han 

[274r] Die sege die ich in mynem 

monde han. 

Da was der hammer den man 

nennet krieg, 

Und versmehonge den anebuß 

lieg. 

Ungedolt waz das isen, ir geselle, 

8930 Das da geholet wart in der helle. 

So man is me siet, so is mynner 

dünne wirt; 

So man is ine hitzet, so is harter 

wirt 

Zu zijden machte ich is zenen 

subtilenclich, 


8909. eu ramnus vgl. Judices 9, 14115. 
d’ berg übergeschr. 

8928. deu war ursprünglich richtig geschr., 
wurde aber (ohne Rücksicht auf das lieg) »«• 
der verwandelt. 

8933. aenen üb. gestr. weich. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Von der Säge des Zorns (Haß). 


197 


Nu höre und verstant wie det 

ich! 

8935 Frauwe Gerechtikeit, die fyle- 

rynne 

Mit der dugende krafft und smye- 

dynne, 

Hat eine fyle, die ist genant 

Straffonge und vielen wol be- 

kant. 

Das ist die fyle die ussen fylet 
8940 Sunde und zu den wurtzeln 

ylet; 

Sij mag nit lyden rost odir un- 

reynikeit 

Sij wolle es durchfylen, daz is 

schone sij bereit. 
[ 274 *] Und nmb das sij mich zu zijden 

filen wolde 

Und mich zu male dannen dun 

wolde, 

8945 Mit myme roste det ich ir großen 

widerstant 

Und mit dem bösen isen davon 

ich vor sagt. 

Da sij mich waende von dannen 

fylen, 

Da machte sij viel zende an dem 

bösen isen, 

Davon han ich die sege gemacht, 

als du sist. 

8950 Die zende sint groß als dem 

honde der da bisset. 

Die sege hasse ist genant, 

Da mit wart geteilet und zer- 

trant 

Die eynionge der bruderlicheit 

8936. Mit der dogende üb. gestr. mit yrer. 

8937. Mit einre fylen Hs., ohne Verbum im 
Satze! l)as wieder mißverstandene Original 
hat A nne lime = hat eine Feile, h: verkant 
wie frauwe gericht ... hatte eyn fyle. 


Und die verbindonge der ver- 

eynikeit. 

8955 Tuschen Jacob und Esau 

Hastu die figure gesehen nü. 

Ich sneidt sij und machte sij un¬ 
eins 

Und schickte sij beide ferre von 

ein. 

Also han ich ettwie vielen me 

getaen, 

[ 275 r ] Davon zu lange were viel zu 

san. 

8961 Mit den zenden drage ich die 

sege, 

Uff das, obe ich myn patter 

noster sage, 

Das is da mit werde versnieden 

Und das ich von Got dem vatter 

werde verschieden. 

8965 Dann wann ich bijde daz er sich 

erbarme 

Uber mich und auch vergebe mir 

armen 

Myne missedat, als ich vergeben, 

Und ich des nicht vergeben, 

So weiß ich daz ich bijden wie¬ 
der mich 

8970 Und daz zu mir die sege keren 

ich. 

An der sege han ich gar lutzel 

Eren, lobes odir nutzes; 

Dann der sij heldet und ir 

meister ist 

Uber den der dar under ist, 

8975 Das ist der da unden ist in der 

grüben 

8945. Mit myme roste üb. gestr. vnd ich ir. 

ich ir hint. det übergeschr. 

8946. Vnd zugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




198 Von der Sense des Zorns (Totschlag). Gedächtnis bietet dem Füger die Rüstung an. 


Da wonet Sathanas mit sinen 

büben. 

[27ö*] Ich dencken du is versuchen 

solles, 

Also das du der segen meister 

beliben moges, 

Und dar nach so wil ich dich 

gürten 

8980 Mit der senssen die ich umb han. 

Es ist die die ich den mordern 

umb gürten, 

So ich sij machen zu mynen 

rittern. 

Barabas hatte sij zu zijden umb 

gegürt, 

Da er gefangen wart und in den 

kerker gefurt. 

8985 Dödonge ist ir recht name 

Odir dotslag, daz ist gar untzame. 

Es ist die die da hauwet und 

snidet uß 

Das leben und den geist zu dem 

libe uß, 

Die da mit sich smertent 

8990 Zu zijden die richter, da sij die 

heiligen dotent. 

Ein wildes dier und nit mentsche 

Ist der der da dreit soliche sensse. 

Die sensse macht yn wylde 

\276 r \ Und dut yn nähme suchen an 

manichem gefilde. 

8995 Soliche diere sorglich sint 

Den die in dem lande wandeln 

sint. 

8980. vmb üb. gestr. vor. 

8984. er aus ich. 

8989. smertent] l. snüertent? (R.). 


Der konnig sölde dar nach jagen 

viel schiere 

Dan nach hirtzen, swynen odir 

wilden dieren. 

Und umb das du bist ein pil¬ 
gerin, 

9000 So han ich mich gemacht in den 

weg din. 

Ich wil dir die sensse umb gür¬ 
ten 

Odir aber dir din leben vaste 

kürtzen.’ 

Als ich also in dem wesen was 

Und nit anders dann des dodes 

beidende waz, 

9005 Gedechteniße sag ich nahe bij 

mir, 

[276’] Die sprach: ‘nu sage mir, 

War umb dustu die wappen nit 

an? 

Du kanst dich nit entschuldigen 

da van; 

Dan ich bin alles nahe bij dir, 
9010 Und sij würden dir alletzijt wol 

von mir. 

Sij sint bereidt wan du sij wilt 

han gehabt. 

Als Gots Gnade dir dan vor hait 

gesagt 

Gesiech, sij sint dine die, 

Und besiech das du nit hie 
9015 Din bette wolies machen lange; 

Dan du machtest dir selber 

schawrfe 

9016. Die letzten Buchstaben ron schände 
sind durch das erwähnte Loch im Blatte ver¬ 
loren gegangen . 


vor 9003 Bild (75) mit Nebenschrift rechts: dracheit, gedech teiliß vnd der pilgerin. 
Gedächtnis mit der Rüstung geht voran, hinter ihr der Pilger, den Trägheit am Seile festhält. 
Am Oberkörper der letzteren scheint so stark radiert zu sein , diß schließlich ein großes Loch 
im Blatte entstanden ist. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Aber Trägheit läßt ihn die Rüstung ausschlagen. 


199 


Wo du langer woldes beyden 
Und dich nit da mit kleyden. 

Es ist dir schände daz du so 

lange hast gebeyt 
9020 Und haist da mit keinen nutz 

bejeyt. 

Hettestu sij lange angetan ge¬ 
ll at, 

So werest du nit kommen in der 

aide wibe phat 

[*77'-]Odir in yre hant worden ge- 

liebert 

Und werest auch von yn nit 

worden gehindert, 

9025 Nydergeslagen und uberwonden, 
Und weres vor dich gangen zu 

aller stonden.’ 

Da ich gesag daz mich also 

straffen wart 

Myne magt und mich bekallete 

hart, 

Da wart ich leidig und am her- ^ 

tzen gar swere 
9030 Und gedachte: wo du also ligest 

mere? 

Ich greif! da an mynen stab, 

Und also erfert ich mich uffracht 
Fuleclich; dan ich waz kräng 
Und hatte gelegen lang. 

9035 Ich wolde die wappen myn 
Han angetan, mochte is gewest 

sin. 

Und ich konde is nit getun vor 

unmüßen; 

Dann Drackheit begonde sich 

vor mich füßen 
Und sprach mir zu mit drauwen, 


[277’] Kerne ich bij die wappen, sij 

wolde mich hauwen 
9041 Mit yrer axs und mich da mit 

slan. 

Ich föchte sij und ließ da van 

Und ungewapent als vor heleib, 

Muede, bekümmert: daz was mir 

leit. 

9045 Nu wolle mich Got vort me 

behuden; 

Dan ich han kein vermögen und 

mag gar übel. 

Ich han nicht dar uff ich mich 

fyden mag 

Dan ich stürete mich an mynen 

stab. 

Myn sack bringet mir wenig 

staden 

9050 Mit dem brode daz ich dar in uff 

mich laden: 

Zu myme bedorffe darre ich is 

nit an rüren, 

Als ich uff diese sijtte der 

hecken bin verirret und müde. 

Wo ich des also esse, 

Gots Gnade des nit vergesse 
9055 Und wolde is nit han vor gut: 

Bij dem guden brode han ich 

hongerigen müt. 

[278 r ] Ich han Müssikeit gelaubt, sij 

hat mich bedrogen 

Am ersten, wann sij hait mir ge¬ 
logen ; 

Durch sij bin ich verdorben, 

9060 Durch sij bin ich geliebert wor¬ 
den 

Den alden dyebynnen 


9027. das n von straffen auf Rasur. 9052. Als ich a. R. zugeschr. u. hint. bin 

9048. ich aus mynen. stürete mich gleich gestr. ich. 
üb. d. Z. eingesetzt für gestr. stab dar. mynen 
u. stab auf Rasur. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



200 Der Pilger beschließt den 2. Teil seiner Erzählung. Dann folgen neue Abenteuer. 


Und der pilgerin spiherynnen; 

In yren handen muß ich sterben, 
Wo ich von Gots Gnaden nit 

gelöset werden. 

9065 Als ich also gieng diechten 
In myme gedancke und siechten 
In myme zäume kauwen, 

Einen dal vol verhauwen 
Waldes ich sag und ein gefilde 
9070 Erschrocklicb, ungestalt und 

wilde 

Vor mir, da raftste ich durch 

gaen, 

Wolde ich anders vorbaß gan. 

Des ich gar sere erschrack an; 
[278*] Dann in dem walde mag man 

balde verlorn han 
9075 Sinen weg; dann viel irrongen da 

inne sint 

Den pilgeryn die da inne allein 

wandeln sint 

Diebe, morder, wilde diere 
Sint da inne behalden schiere 
Und viel Sachen die verstellet 

sint 

9080 Und dicke da inne fonden worden 

sint. 

Soliche Sache als ich da fant, 

Hie vahet an 

[279*] Nu horent, myn lieben lüde, 
Myn abentüren und was sij be- 

dude: 

9100 Ich bin nit wol kommen und 

übel umb geleit 
In dem verhauwen dale davon 

ich han geseit. 


Da ich durch gieng, sage ich uefc 

zu hant 

Aber ee ich uch davon sage me. 

Und das uch nit verdriessen 

möge ee, 

9085 So wil ich uch geben ein rede- 

lich ziel, 

Da bynnen muß ich gedencken 

viel. 

Morne, gefellet is uch wol, so 

kommet wider, 

So werdent ir hören wider 

Das ander deile und sient ge¬ 
fristet. 

[279 r ] Dann wil ich uch sagen waz mir 

gebristet, 

9091 Kommers und jamers genug. 

Ich meyne es solle uch beduren 

genug, 

Und yeclichs neme sins selbs 

war; 

Dann an eins andern ungefal 

9095 Ein ieclichs sinen Spiegel haben 

sal. 

Hie mit hait das zweite buch ein 

ende: 

Got uns sine gnade sende! 


daz dritte buch. 

Also ich abe gieng in den dieffen 

dal 

Und abesteig in einen großen fal, 

Ein altwip von einre andern ge¬ 
stalt 

9105 Und ein ander wandel usser- 

maßen alt 


9003. ich üb. gc$tr. ist. 906G. siechten = hd. stiftende. 

9064. gots vor gnade übergrschr. u. da - • 

hinter gestr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Hinabgestiegen in ein tiefes Tal stößt der Tilger gleich wieder auf ein altes Weib. 201 


Die ich vor nit hatte gesehen, 
Sach ich, die sich hatte gelacht 

in mynen wegen. 

[280 r ] yerstalt was sij wunderlich, 
Und da mit duchte auch mich 
9110 Das ich sehe sicherlich 
Das sij mir hatte gerächt 
Als yrem wiltfange mit macht 
Und das sij mich anlauffen wolde. 
Kein mentsche solich dier nye 

gesehen solde: 
9115 Ich sag kein so wildes diere nye 
In keynen Sachen dort noch hie, 
Noch in dem propheten Daniel 
Odir auch inn Ezechiel, 

Noch in dem buche der heyme- 

licheit, 

9120 Das man nennet Apocalipsen ge- 

meit, 

Sag ich nye hesselicher dier, 
Hinckende, gedreget, und den 

hoher schier 
Hatte sij und drug an. 

Ein alt wammesch hatte sij an, 
[ 280 »] Einen sag gehangen an yren 

hals, 

9126 Und schein wol was sij da mit 

det, als 

Sij lerte yn nit, sonder stieß 

alles dar in. 

Dar zu halff yre gar sere 
Yre zonge, die sij mere 


9130 Und me dan halp hatte her uß 

getzogen; 

Da mit stieß sij yn aen bogen. 

Aber sij was ußsetzig und ge- 

breet 

Und auch da mit gar vermeret. 

Sehs hende hatte sij und mit 

zwene stumppen, 

9135 An zweien henden griffen klaen 

und krappen, 

Der was eine an yr hinden, 

Als obe man sij solde bynden. 

In der ander eynen hende 

Hatte sij eine fyle, als obe sij 

zende 

9140 Da mit fylen und machen solde, 

[ 281 '] Und eine wage, da mit sij wi- 

gette 

Des hiemels zierckel und die 

sonne wigete 

Sij zu kauffe zu stellen. 

In einer hant sij eine schussel 

drug 

9145 Und einen sacke zu brode dar zu. 

In der funfften hatte sij einen 

krapen 

Und uff dem heubte einen 

boppen, 

Der sij det yre äugen nider 

slaen 

Und det sij vor sich sehen zu 

gaen. 


9130. Vnd a. R. sugeschr. 9138. hende vor eyne schwarz gestr. u. 

9134. mit iibergeschr.; ist und zu streichen ? dahinter zugeschr. 

stumppen aus stappen (?). [9140.] Kustode unten auf Bl. 280 »: vnd 

9135. vnd übergeschr. eine wage. 

9148. Det. 


nach 9107 Bild (76) mit Unterschrift: gridikeit, Raup, dieberige, wucher, dorheide 
geberde, glissenerige, driegerie, fremede gedechtenisse, v’sweronge, eigenschafft des phennyges. 
links neben dem Bilde figu’e ohne Zahl. Altes Weib mit 6 Winden etc. (nach Beschreibung) 
vor dem Pilger. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




202 Das Weib (Habgier) fordert den Pilger auf, seines Ooites Mahomet Mann tu werden. 


9150 Die sehste hant hatte sij ge- 

stossen 

Under yre lincke hüffe, da sij 

ane hanck; 

Ettwann sij die uffdranck 
Und hub sij bis an yre zonge 
Und rürte sij da mit nit lange. 

9155 Da ich das aide wip so hesse- 

lich gesag 

Und das ich bij sij den dag 
Müste durchgaen, da erschrack 

ich faste; 

[28i*]Dan ich was algereide müde sere 

und fast 

Verdrieß zu haben, als ich han 

gesagt. 

9160 ‘Ha Got!’ sprach ich, ‘was ich 

nu dun mag? 
Ich bin dot wo das hesselige dier 
Mich hindert in diesem dale 

schier. 

Is hait so viel hende, ich fochten 

sere, 

Ergriffet is mich, das ych yme 

nit enghee. 

9165 Rait mir, lieber Herre Jhesus, 
Odir ich bin verlorn alsus!’ 

In dem stade sag ich 
Zu mir her kommen daz alde- 

wip; 

Mich zu anfertigen sprach sij zu 

mir: 

9170 ‘So mir Mahommet, geleube mir, 
Ich han din lange gebeidet hie. 
Nu must du mirs halden alhie, 
Odir aber du must hie sterben 
Und bij mir alhie verderben. 

[ 282 '] Lege nider sack und stab 


9176 Und duhe dinen glauben ab 

Und wird Mahommet, myns gots. 

man! 

Er ist der durch den ich bin ge¬ 
lobet, 

Wijse genant, ußerwelt und ge- 

eret; 

9180 Es ist der aen den nyemans icht 
Uff erden ist geachtet nicht. 
Durch yn wirt geeret 
Manich groß dore und wirt wijse 

genant, 

Wie wol er ein dore ist bekant 
9185 Du must yme undertenig wesen 

und sin, 

Yme zu dienen saltu bereit sin; 
Dar nach wil ich dich snelleclich 
Dun sterben und snödenclich.’ 

Da das aide wip die worte 

also anfieng, 

9190 Zu lachen gelangete mich zemal 

nit 

Aber ich wolde gerne gewist han 
Yren namen mit waer san. 

[ 282 ’]* Altwip’, sprach ich, ‘sage mir 

nu 

Dinen namen und wer bist du, 
9195 War zu dienestu auch, 

Von welichem gesiechte, von 

welicher gebürt 
Du bist und war umb her gefurt, 
Von welichem lande und war zu, 

aen spot, 

Wer da ist din appegot, 

9200 Dem du wilt das ich diene, 

Der mir we dühe und übel lone! 
Es ist nit billich das ich mar- 

moset, 


9158. algereide aus aldereide. vor sere 9190. zemal vor nit übergeschr., dahinter 
gestr. v. viel gestr. 

9187. snelleclich hint. gestr. sch ... lieh. 9198. das v in Von aus w. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Von einer Erhöhung zeigt es ihm eine Kirche und daneben ein Schachspiel. 


203 


Der daub ist und kein äuge het, 

Ich yme diene odir huldeschaff 

duhe: 

9205 Myn gesiechte ist zu edel dar zu. 

Und obe is also ist daz ich yme 

dienen muß 

Umb föchte daz ich hie sterben 

muß, 

So sage ich dir das ich doch wil 

wissen 

Vor waer wer er ist, 

[263 r ] Als ich auch wil wissen wer du 

bist, die aide. 

9211 Nu sage uff und antwerte mir 

wol balde!’ 

Da antwerte daz aide wip mir: 

‘Sijt das du wissen wilt von mir 

Wer ich sij, balde genug wil ich 

dirs sagen; 

9215 Ich wil aber vor mit dir bejagen 

Und dich mynre dücke under- 

wijsen 

Und myn spiel da bij wijsen, 

Uff das du mir desta bas ge- 

leubes. 

Komme mir nach, da du mich 

siehes, 

9220 Und schrie sere: “ach i jo!” 

Du wirst nu fast gehören schrien 

also 

Und ein ende großes lydens vol 

Mit schrienden ingeworffen Wor¬ 
ten 

Und mit klegelichen Worten. 

9225 Es mag keinre gesehen, er schrie 

balde: 


“Ach, owe der grossen gewalde!’” 
[283«-] Da det sij mich uff einen gra¬ 
ben stigen, 

Das aide wip, und umb mich ge- 

sien. 

In eyme siechten ein hübsch 

monster viel 

9230 Was gebüwet bij ein schachzabel 

spiel. 

Da waren klein und groß, 

Under den sach ich die roch, 

Die ritter und den konnig, 

Die driebent großen ungefug. 

9235 Ir ieclicher hatte gegurtet sin 

swert, 

Das duchte mich zu male ver- 

kert; 

Dann ich hatte zu andern zyden 

ee 

In dem schachzabel gespielet me 
[284»-]Und hatte nie me gesien 
9240 Die also gestalt mochten sien. 

Ire geberde was gar wilde; 

Dann sij giengen zu des monsters 

bilde 

Und woldent das niderwerffen. 

Der konnig gieng zu dem ersten 
9245 Und wolde daz fullemint under- 

graben 

Mit eins bischoffs stabe; 

Dar uß machte er ein hauwe 

und spade. 

Das spitz ende was die spade 

Und das kromme ende die 

hauwe. 

9250 ‘Was ist dis?’ sprach ich, ‘owe!’ 


9223. ingeworffen Worten Übers, von inter- 9231. I. klein stein u. gr. ? (R). 
jection. 9236. hinter mich schwarz gestr. nit. 

9229. Orig.: En une plaine. 

ror9231 Büd (77) mit Nebenschrift rechts: Die kirche bij dem schachztibelspiele. links 
eine zweitürmige Kirche, rechts ein Schachbrett. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


204 Auf Geheiß der Habgier untergraben die Schachfigure>i das Fundament der Kirche. 


Da ich das also gesach, 

Zu ir ich da sprach: 

‘Was sehen ich? ich bin sere er- 

feret: 

Ist dis draum odir also vermeret, 
9255 Odir sint is driegerien? 

[■284*] ist das das gesehen 

Davon du mir hast gesagt? 

Ja sicher, es ist davon ich han 

gesait: 

Es ist ach und we bit eynander, 
9260 Die zwene infeile bij einander, 

Da inne nit ist dan übel ge¬ 
fallen.’ 

Das aldewip sprach zu mir da: 

‘Sicherlich, es ist das ich dir han 

gesagt. 

Siech da den konnig von dem 

schachzabel 

9265 Und sine rach und ritter aber; 

Die hant alle yre gesatzete stat 

In dem spiele, wo ieclicher hin 

gat 

Und war ieclicher geordenieret 

ist. 

Ieclicher hette genug mit siner 

gulte da er heym ist, 
9270 Were ich nit, aen vorter zu 

suchen 

Ander gut; aber ich mag is nit 

gelyden 

Daz sij genug haben aen vorter 

griffen. 

[ 285 '] Dar umb ich sij zu dem munster 

schicken, 

9258. h läßt hiermit das alte Weib schon 
antworten (Ja sicher, sprach sye, is ist da 
von ...), wie man bei dem ich han gesait auch 
erwartet. Aber dann passen v. 9262 ff. (so auch 
in h) doch nicht mehr! Orig. (9197/8): 

Ce est, a certes, voireinent 
(C’est) heu et ve conjoinctement. 


Das bij yrem schachzabel ist er- 

qwicket, 

9275 Da inne faste zu fuedern, 

Zu nemen, zu stelen an yren 

güdern. 

Dem konnige, der die monster 

stifften sal, 
Sij beschirmen und regieren sal, 
Han ich geben getzug eren vol, 
9280 Das er da mit gebur arbeit dun 

sol, 

Das ist eins bischoffes stab, 

Das er dar uß hauwe und spade 

gemachet hab. 
Bischoffs stab ist erelich, 

Aber dem konnige ist streffelich 
9285 Zu graben mit dem hauwel 
Und dem fondement zu under- 

graben sere 

Die sine altern gestifftet hant 
Und ander edel hem mit ge- 

buwet hant. 
Gebure er wirt wann er machet 

hauwel 

[.285*] Und auch da mit get hauwen 
9291 Von dem stabe der da kromp 

wirt, 

Da mit die heilige kirche uffge- 

halden wirt. 

Gebur ist auch worden der ge- 

hornete, 

Das er sinen stab, der also ge- 

krommete 

9295 Und da mit sine kirche gehant- 

habet ist 

Vidieicht empfiehlt es sich, 9258 ich han in du 
hast zu ändern. Oder könnte der Pilger mit 
diesen Worten auf sein owe! (9250) zurück¬ 
weisen ? 

9266. das tz in gesatzete üb. gestr. g(?). 

9286. /. deu ? 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Der König voran, ihm nach die Türme und Bauern. 


205 


Und von des wegen er faste ge- 

eret ist, 

Dem gibt der eine schuppe dar 

uß macht 

Und hauwe, das er da mit ent¬ 
macht 

Sine kirche und hat geworfen 

nider, 

9300 Umb das sij stet bij dem schach- 

zabel syder. 

Der eine ist gebure und der 

ander noch me, 

Aber ich sage nit welicher sij 

me. 

Der konnig heit hauwel und 

schuppe und grebet, 

Da mit die heilige kirche ist 

verderbet; 

9305 Und gibt yme der gehornete den 

getzug dar zu, 

Wann er yme sinen zehenden 

gibt odir verlihet dar zu; 

[ 286 r] sine krücke und sinen stab er 

yme verlihet 

So er yme die kirche ubergibet. 

Davon hait zu zyden gesagt me 

9310 Jheremias, und er sere schree; 

Wan er gesach daz man unreyni- 

keit 

Bij die kirche drug odir leyt, 

Odir das man dar nach grübe 

Das die kirche verlor yre gäbe, 

9315 Ire zehenden und yren behulff, 

Odir daz ir nit wart zu recht 

gehulff, 

Da sprach er sich mit verwon- 

dern 

In yme und auch swerlich cla- 

gende 


Wie is queme daz jungfrauwe 

und magt, 

9320 Das die ist worden zinßhafftig: 

“Were ist gewest also gedorstig 

Der also hait getaen dis?” 

Recht als obe er sagen wolde 

Das schrien dar zu gehöret wol. 

[585»] Nu schrie sere und mache groß 

leit! 

9326 Als ich dir dan vor han geseit, 

Die kirche ist alle undergraben; 

Is bristet wenig sij sie zumal 

undergraben. 

Sij zu stören leget yeclicher 

handt zu, 

9330 Die roch und vennen auch dar 

zu, 

Der gantze schachzabel dem 

konnige folget nach; 

Aber was sij dunt, daz dunt sij 

durch mich auch. 

Ich heißen sij dun daz sij dunde 

sint; 

Dann sij lange myne Schüler ge¬ 
west sint. 

9335 Scharffikeit hait wieder roch 

noch konnige 

Sij sien mir dann alle under- 

tenige. 

Sij studieren alle in myner 

konst 

Spade und früe durch mynen 

gonst. 

Wiltu mir des nit wol geleuben, 

9340 Jheremias bewijset is in sinen 

sehs deylen.’ 

Sere erferet sprach ich zu yr: 

‘Unlidig machest du mich so du 

nit sagest mir 


9310. Lament. Jerem. 1,1. 9334. das le in schüler auf Rasur. 

9332. auch sugeschr. 9340. Proph. Jerem. 6,13. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



206 


Habgier gibt nähere Aufklärung über ihre Natur. 


[287 r ] Wer du sijst; dan ich dich nit 

sehen in solicher acht 

Das du habest eyniche grosse 

macht. 

9345 Du bist armelich gecleydet 

Und nit wol bereydet, 

Widermachte, gedreget und hobe¬ 
recht, 

Wider naturen willen geborn 

und verkeret, 

Als ich gleuben und vor han ge¬ 
dacht. 

9350 Wie mastu das nu han gesagt? 

Wie mochte ich herschafft und 

macht han 

Uber konnig und grefen, ich 

were dann 

Und müste yre frauwe sin, 

Die selbeu die nu geborn sin 

9355 Von der nature und edelich ge¬ 
born? 

Dar umb han ich sij usser- 

kom.’ — 

‘Und ich wil dir sagen daz ich 

bin die 

Die das gelucke eindeil hait 

hie, 

Und ich fügen den luden glucke 

zu 

9360 Wann ich wil, und machen mich 

dar zu 

[287'>'\ Wol gefellig wann ich is dun 

wil, 

Lieblich und zu willen viel; 

Wann ich bin liep gehabt und is 

mir gefellet wol, 


Me dann ich heissen, ist getaen 

wol 

9365 Ich glucken graffen und her- 

tzogen, 

Konnigen, fürsten und frouwen; 

Ir en ist keins aen allen spot, 

Sij müssen alle dun myn gebot 
Ich bin Besachis dochter 

9370 .ipemen, bij der 

Sich hait gesetzet der konnig 

Der da lachete nit 

Ich lächte ime dann vor, 

Und trurig ist wann ich yme nit 

gen vor, 

9375 Und der auch da bij lydet wol 
Das ich yme sine kröne 
Abe duhe und er mir sij gebe 

schone. 

Also findest du das beschrieben 
In dem zweyten buche Esdre 

eben. 

[588 r ]Der konnig hatte zu zyden eine 

frundynne, 

9381 Die lange zijt bij yme inue 
Und in siner geselleschafft was, 
Und das sij yme so sere lieb was 
Das er ir gab allen sinen schätz, 

9385 Zu deylen den armen kindern 

bas 

Und auch den geistlichen lüden. 
Frywillig was sij genant 
Und was vor zijden wol bekant; 
Die die der konnig sere lieb 

hatte, 

9390 Und sij sine ere warb, wo sij 

mochte; 


9351 ff. Man erwartet Wie mochtest da ... 
du weres ... müstes ... hast du sij; so auch h. 

9364. Orig.: Plus tost ce que Commande 
est fait. 

9369. besathis. 

9370. Apemen n. Orig.; vnd pemens Hs., 


permens h. 

9379. vielmehr III. Esdr. 4,29—31. 

9381. inne eugeschr. 

9385. bas eugeschr. 

9390. ere noch einmal übergeschr. üb. un¬ 
deutliches ere. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Sie erzählt, wie sie Könige und Fürsten beglückt. 


207 


Des Schatzes des konniges gab 

sij so viel 

Das dem konnige davon wart 

eren viel; 

Und erwarb ere und pris da mit 

Und was doch sin schätz de 

kleiner nit, 

9395 Sonder er was vil me 

Und wart ye grosser ee. 

Als das körn das da geseget ist, 
[28S»]Me nutzes bringet dan das uff 

dem spicher ist, 

Also ist das gut daz gegeben 

wirt, 

9400 Viel besser dann das beslossen 

wirt 

Nu sage ich dir, da ich die 

also gesag, 

Das der konnig von ir also ge- 

eret wart, 

Ich bedachte mich wie is zu dun 

dochte 

Daz ich yme solichs in allen weg 

abetziehen mochte: 
9405 Ich det yme also als ich ge¬ 
dachte. 

In des konniges kammer ich 

mich machte; 

Ich det so viel mit myner konst 

fyn 

Das der portener mich ließ dar 

in. 

Bij des konniges bette gieng ich, 
9410 Sine frundynne bij yme fant ich. 

Ich stale yme den undertzug, 

Uß der kammer ich den drug, 

Mit eyme slussel ich sij in ge- 

fengniß lachte, 

9399. das z in daz verschnörkelt, aus 
anderm Buchstaben korr. 

9411. h: jch stale ym syn frundin. 


Da sij noch ist und beliben muß 

in achte. 

9415 Dar nach gieng ich in des 

konnigs bette 
[289 r ] Und lachte mich in die kammer 

herte. 

Ich wonde ich solde sine frun¬ 
dynne sin, 

Mich duchte nit daz is mochte 

sin. 

Ich verdorte yn und bedrog 
9420 Und was sine schatzhelderynne 

genog. 

Ich huden yme allen sinen 

schätz, 

Alle sin Silber und sinen golt 

satz. 

Er wenet ich duhe yme ere, 

Ich dun yme aber groß unere; 
9425 Das dun ich yme so lange ich 

leben, 

Bis das er mich dut sine frun¬ 
dynne werden. 

Keine vermereter frundynne 

mochte er nit han, 

Und kerte er alles sin gut dar 

an. 

Wiltu wissen myne gebürt, 

9430 Wannen ich bin, und mynen 

namen kurtz, 

Du salt wissen das ich geborn 

bin 

In dem hellischen bruche und 

dar uß kommen bin. 
[289 *] Der Sathanas hat mich da ge¬ 
born 

Und von dannen biß her ußer- 

korn 

9417. Man erwartet Er wonde (wände); so 
auch h. 

9429. Initiale schwarz m. roter Ausfüllung. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



208 


Bei ihren Ausführungen nennt Habgier jetzt auch ihren Namen. 


9435 In die werlet, da ich bin ge- 

tzogen: 

Da komme ich her uß geflogen. 
Ettliche nennent mich Begyre- 

keit, 

Etliche andern mich nennent 

Gridikeit. 

Begyrikeit bin ich genant 
9440 Umb das ich eins andern guds 

begern zu hant. 
Gridikeit heisse ich auch 
Umb das ich myn gut zu ge- 

nauwe hüden auch. 
Nenne mich also, obe du wilt, 
Und sal dich nit wondern viel 
9445 Das du mich sijhst also zurryssen, 
Übel gecleidet und verbüssen! 

Du salt wissen daz ich mit dem 

myme mir 

Nummer kein gut dun selber mir, 
Umb daz mich des duret so sere. 
[ÄW»-]Ich j ian tiefer genug an zu dun 

mere, 

9451 Aber ich ließe sij ee verfulen 
Und die wurme essen mit yren 

mulen 

Das ich odir ein ander da mit 

werde erfrauwet. 
Ich hette guder frunde genug 
9455 Mochte ich gedeylen mit gefug 
Das myne, das mir zu nychte 

dienet. 

Da mit geliche ich dem honde 

der da grinet 

Und der uff eyner mysten liget: 
Wann yn yemans an rüret, 

9460 So billet er yn an mit schrien, 
Wie wol er nit isset an bryen. 
Ich han hende genug zu nemen, 


Aber ich enhan keyne zu geben. 

Die hende die gabent, sint ge- 

hauwen abe, 

9465 Und von yren Stumpen getaen 

abe; 

Du sijhst das ich nit dan die 

stumpe han. 

Er ist ein dore der mir gäbe 

fordert an. 

[290 p ] Ich suchen nit me dan zu huffen 

phennige, 

Es ist myn hantwerck und myn 

ampt enwenig. 

9470 Sehs hende han ich zu krapeln 

In sehs wege und mit zu 

stechein, 

Umb die in mynen sack zu 

stossen, 

Mynen sack zu füllen und mich 

zu laden, 

Uff das, obe ich falle nyder, 

9475 Das ich nit möge uffgestaen 

wyder. 

So ich me han, so ich me han 

wil; 

Nit zu erfüllen ist myn wille; 

Myn gedencke und myn be- 

gerden 

Mogent nit erfüllet werden. 

9480 Ich bin der grosse goffer von 

dem mer, 

Der is in nymmet alles und nit 

wirffet wider, 

Der alles innymmet und ver- 

slyndet 

Und nit widergibt odir ußget. 

Ich laden und besweren mich 

9485 Mit dem metal der so sere wiget, 

glich; 


9464. hint. sint gestr. ab (begonnenes abe). 9481. das r in Der üb. unterpunkticrtem s. 

in übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Habgier hat sechs Hände. Von der ersten Hand (Raub). 


209 


[291 r] Das ist von golde ein ploch, das 

ich 

Danne hencken an mich, 

Das man mir raffe bij das rechte. 

Ich glichen dem affen der das 

ploch füret 

9490 Und das tynset und hüdet: 

Also hüden ich myn ploch; 

Aber is hudet mich viel baß 

noch, 

Das ich nit hohe uffstige und 

ghee, 

Und zuget mich nyder und wiget 

me. 

9495 An Judas, der dinen konnig ver- 

riedt, 

Ich yme zu zijden daz ploch ane- 

hieng; 

In sine budel und in sine secke 

Lachte ich so viel der ploecke 

Das er von hohe her abe nider 

viel: 

9500 Schemelich det ich yn umb fallen 

Und in die dieffen helle fallen. 

Nu wil ich dir sagen von 

mynen henden, 

Da mit ich den metal zu samen 

brengen 

[297 *] Und erkratzen, als ich dir han 

gesait. 

9505 Böser hende nie kein man ge¬ 
sehen hait, 

Als ich meyne, noch könne fyn- 

den: 

Das saltu zu hant balde genug 

befinden. 

Die erste, die gewappent ist, 


9495. An üb. gestr. von(?). 

9512. weyde üb. gestr. wytde(?). 
9520. Zu sont vgl. Weinhold * §411. 

DtnUche TtzU das Mittelalters. XXV. 


Griffen clae sij genant ist, 

9510 Raub, (1er sich edel machet 
Und sprichet in sinen Sachen 
Er muße sine weyde süchen 
Und nemen wo er is findet, aen 

röchen, 

Es sij yme alles wiltfang; 

9515 Dar umb gheet er manichen 

ganck 

In die boesche und anderswo 

hien 

Zu berauben die arme pilgerin 
Und sij dot slaen uff den wegen. 
“Ich han”, spricht sij, “nagel die 

sint kromp; 

9520 Ich bin edel, dar umb mir nit 

sont 

Nyemans versagen daz ich wil 

han. 

[292r] Der das nit endede, 

Zu stunt ich der name neme, 

Wo ich die fonde und bij mochte 

sin. 

9525 Wer dar umb zürnet, es ist alles 

myn.” 

Also bringet sij sich hin und 

furet 

Und dut viel ubels unverduret. 

Es ist die hant des hocks, die da 

zucket 

Die hunckeln und sij begriffet 

und plucket. 

9530 Sij nymmet karrich und phert 
Und allen andern wert, 

Alle proveancen die die lüde 

hant gemacht 
Vor sich zu bruchen, und geacht. 


9521. vor dz gestr. ich. 

9528. die hant eingefugt n. Orig. u. h. 

9529. vnd placket eugeschr. 

14 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



210 


Von der zweiten Uand der Habgier (Diebstahl). 


Obe ein arman icht behalden 

hait, 

9535 Es sij ochsse, swin odir waz er 

hait, 

Das nymmet sij und achtet nit 

Das der arme mentsch sinen 

rock vergit 

Und vor sine lebetzucht ver- 

keuffet, 

Odir wie sich daz vort verleuffet: 

9540 Da fraget sij alles nit nach me, 

[292*] Das nit dann ire wille follenghee. 

Mit der handt ich snyden und 

büssen, 

Und mit dem snyden ich griffen 

zu müssen; 

Mit dem scheren und dem be- 

snyden 

9545 Schinden ichs alles und laßen nit 

erkyden. 

Ich dun als der froesche dut; 

Dann wan er fuelet daz er in 

sinen mont dut, 

Und so lange er einen weichen 

morsel dar an hat, 

Als an einer fliegen er söget, 

9550 In sich nymmet und plucket. 

Die hant ist eine schynderynne 

Der armen und pluckerynne. 

Sij suchet daz haer uff der hüde, 

Das sij desta me neme und füre 

myde; 

9555 Und wann sij also sint geschynt, 

Die armen lüde, und verderbet 

sint 

Und yn das hertze ist ußgesogen, 


Das yre zu male genommen und 

abe getzogen, 

[293 r ] Der da waente zu leben fynden, 

9560 Den mochte man wol achten zu 

den kynden, 

Und det sich vor eynen dore 

halden. 

Also meyne ich dich auch zu 

halden 

Und von dir myne ußgeben 

machen, 

Din weich fleisch und blut uß- 

sugen; 

9565 Dann mustu leben nach myner 

fugen. 

Aber ee von den andern funff 

henden 

Sage ich dir, als ich dir vor ge¬ 
sagt han, behende. 

Die ander handt, die ich dra- 

gen hinden 

An dem rucke und nit gerne 

laßen befynden, 

9570 Das ist die hant da mit ich 

heymelich 

Golt und Silber ziehen an mich, 

Da mit ich ander lüde gut 

ziehen zu mir, 

Verborgen mit uffelicher begir. 

Es ist die handt die den hals 

strecken 

9575 Dut und oren abe recken. 

[293”] Snydebudel ist sij genant sere 

Und diebstal die vermerete sere. 

Es ist die hant dar zu ich nit 

darff heischen 


9553. aff] Orig.: soaz. 

9558. Daa yre übergeschr. 

[9558.] Kustode unten auf Bl. 292”: der 
da waeute za. 


9560. Den üb. gestr. die. den hint. zn 
übergeschr. 

9567. vor übergeschr. 

9568. handt aus hant. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Von der zweiten Hand der Habgier. 


211 


Einen hentschue, sij da mit zu 

kleiden, 

9580 Die sich nit lat sehen dan mit 

der nacht 

Und so der maen nit schynet in 

der nacht. 

Kromme nagel hait sij, als die 

ander hait; 

Dann sij krapet auch, so sij yre 

zijt hait, 

So viel odir me als die ander 

dut; 

9585 Dan sij so viel fordeils da mit 

dut 

Das yr zu ziehen nit kommet zu 

bekentenisse so viel 
Als der andern, davon kommet 

leides viel. 

Es sint nu viel der krepper 
Umb den konnig und der nemer 

9590 Und auch zücker; wurden sij be- 

kant, 

Sij würden absolviert vom 

konnige zu hant. 
Die lüde dunt yn gedencken nach 

anderm gude, 

Umb daz er des sinen nit mag 

geniessen mit fuge. 

I^lDie handt ist eine lochmache- 

rynne 

9595 Der hüser und entdeckerynne, 

Der kisten eine brecherynne 
Und der gülden eine nagerynne, 
Eine widerstellerynne der 

falschen sigel 
Und der selben eine graberynne 

da bij 

9600 Und des geldes myssereicherynne 
Und portenerynne, slegerynne. 


9598- Eyne aus Eine. 


Diese hant die doden beraubet 

Und finstern und düren beslossen 

heldet, 

Bis das sij hait erkratzet 

9605 Das sij wolde, und in gesacket. 

Sij ist ußdregerynne 

Des uberigen und ußgeberynne; 

Ich sage dir das ich da mit an 

mich ziehen 

Das aller beste und das erkrapen, 

aen liegen. 

9610 Der hende halp sint nit ußge- 

sondert 

[294’] Die mit der nacht hant geplün¬ 
dert; 

Falsche forster, die mit zu 

hellent 

Zu solicher dait und sich ge- 

sellent; 

Falsche knechte und lüde die un- 

getruwelich 

9615 Dienent und die da arbeitent 

felschlich; 

Müller die uberfullent yre maß 

Und nement das aen underlaß; 

Falsche snider und ander lüde 

me, 

Die von ander lüde gut nement 

ee 

9620 Und nement das so follenclich 

Als obe is were ir eigen gelich: 

Die handt selbs mochte sij 

hencken, 

Aber sij wollent sich nit dar 

nach bedencken. 

Zum lesten aen alle wencken 

9625 So dun ich sij doch selber 

hencken, 

Als ich ettwie manichen man 


9622. handt aus hant. 

14* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


212 


Von der dritten Hand der Habgier (Wucher). 


Und viel andern gehangen han.’ 
[295r] ‘Wie’, sprach ich, ‘bist du eine 

henckerynne ? ’ 

‘Ja ich, sicher!’, sprach die dü- 

belynne. 

9630 ‘Trahekeit’, sprach ich, ‘hat mir 

gesagt 

Das sij eine sij, das mir nit wol 

behagt.’ — 

‘Sij ist eine vor waer sicherlich, 

Das rüret die sele alleine; aber 

ich 

Bin eine über sele und lip.’ — 
9635 ‘Nu sage mir uff dinen lip: 

Wer hieng den körper Judas, 

Du oder sij? nit verhele mir 

das!’ — 

‘Ich sagen dir bij Got 

Das wir alle beide aen spot 
9640 Yme daz seil gemein andadent 

und yn fiengent 

Und yn mit gemeyner handt 

hiengent. 

Aber hette die handt geholffen 

nit, 

Trahekeit hette yn mögen nit 

Nummer me uffgetzogen han; 

9645 Dan der lip zu sere wigete dran, 
[295*] Und das gehört ir nit zu; 

Und dar umb zu aller erste nu 

Det myn handt das er wart ge¬ 
hangen. 

Dar umb laß dich nit dar nach 

verlangen 

9650 Und hüde dich vor solicher 

handt! 

Dann sij die hinderste hude inne- 

hant; 


Sij fahet die lüde subtilenclich. 
Und dar nach wann sij wilt, 

hencket sij die glich. 

Von der handt die die fyle 

heldt, 

9655 Wil ich dir sagen; dann is mir 

gefeit: 

Es ist die handt da mit ich 

hufein, 

Übereinander legen und sammeln 
Das ein ander erarbeidet hait 
Und mit syme sweiße gekaufft 

hait. 

9660 Sij ist gemacht wider nature 

sere; 

Dann zu allen zijden dut sij nit 

mere 

Dann daz sij kupper und isen 

verbirget sere 

Ander armelude zu bedriegen. 

[296 r ] Anderhende dunt is abenemen, 

9665 Mit anrüren sij das benemen; 
Aber die handt dut is zu nemen 
Und wilt sich des zu mal nit 

Schemen, 

Is sij Naturen lieb odir leyt 
Mit behendikeit und zauberige 

sij das deit. 

9670 Und mit konst sij das verwan¬ 
deln deit 

Und machet dar uß phennige 

viel. 

Da mit dut sij was sij wil. 

Und machet ein grosses mes; 

Sij machet auch uß drien sehs. 

9675 Sij leget haffern uff den spicher 
Und beidet bis das er wirdet 

dftre; 


9028. Initiale schwarz mit roter Füllung. 9662. dz übergeschr. 

9641. 42. handt aus hant. 9666. handt aus hant. 

9654. 56. handt aus hant. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Van der dritten Hand der Habgier . 


213 


So verkeuffet sij den zweyfaltig 

Und nymmet betzalonge dryfaltig. 

Sij heldet eine fyle da mit zu 

fylen 

9680 Ander gut und das zu stören; 

Wenig und wenig sij das rüret 

Und alles yetzu sere naget 

(296'] Wann sij also wieder und vor 

get. 

Es ist nutschit das vor ir belibet; 

9685 Dann sij is mit der rede zu ir 

zuhet 

Wucher ist sij genant; 

Zu ir ist der weg genge und be- 

kant 

Von dem der sij also übet; 

Dann wer sij sine zijt in den 

alder übet, 

9690 So ist is sine gewonheit. 

Were is nit so groß von gewon- 

heide, 

Yederman hette sin die leyde. 

Aber sij ist so gar gewonlich 

genant 

Das sij dem gemeynen mann ist 

bekant: 

9695 Es ist kein scholtheiße noch 

meiger 

Der dar wieder rede sere.’ 

‘Sage mir’, sprach ich, ‘von der 

wagen 

Da mit du so wigest mit bagen 

Des hiemels kreiß und die sonne; 

9700 Dan is ist eine Sache die mich 

wondert! ’ 

[297»-]‘Lere’, sprach sij, ‘und verstant 

wol mit, 

Ich wil dir zu male liegen nit! 


Gotts Gnade hat zu zijden gesagt 

Umb den zierckel und dar an 

gelacht 

9705 Die sonne zu luchten iederman 

fin 

Und der werlde gemein zu sin. 

Sij wolde daz yederman sij ge¬ 
mein hette 

Und das ir nyemans bresten 

hette. 

Nu sage ich dir das mir daz 

missefiel 

9710 Umb mynen nutz, des ich dar an 

nit hatte viel; 

Dann ich sehen wol, hette ich nit 

Zu etlichen malen die zijt 

In myner handt und nach myner 

gewalt 

Und mich dar nach nit recht 

gestalt, 

9715 So mochte ich gar wenig ylen 

Und mit myner fylen fylen. 

Dar umb machte ich mich dar 

bij eigenclich 

Bij den zierckel und erwarp 

gelich 

(297'] Den zierckel und sonne, daz sij 

weren myn 

9720 Und das ich da were eine wige- 

rynn 

Und durch mynen ubermut ver- 

keufferynne. 

Ich verkeuffen sij mit dagen und 

mit wochen, 

Mit viertzehen dagen und vier- 

wochen, 

Mit maenden und mit gantzen 

jaren; 


9696. rede üb. gestr. sij. 9713. handt aus hant. 

9703. gesagt = gesachet. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


214 


Von der dritten Hand der Habgier. 


9725 Das phont geben ich vor xx $ 

zware, 

Den maent umb ix Schillinge 

odir zehen 

Und die woche umb iii Schillinge 

odir zwene. 

Dar nach das ieclicher wilt 

nemen, 

Dar nach ich is auch wigen und 

geben.’ 

9730 ‘Nu sage mir’, sprach ich, 

‘Als ich dich fragen, des bijden 

ich dich, 

Von dem holtzmanne der mir 

verkauffte 

Zu einer zijt'holtz in sinem 

boesch und sagete: 

“Das holtz ist din, gibestu mir 

daz gelt bare, 

9735 Umb xxx Schillinge; wiltu aber 

betzalen zu jare, 

So saltu is umb viertzig Schil¬ 
linge han”, 

[298 r ] Das ich dar an möge wissen han 

Obe der zierckel das wigete und 

also verkeuffte.’ 

‘Davon’, sprach sij, ‘wil ich dir 

die leuffte, 

9740 Als ich davon me han gehört, 

san: 

Vor zijden die holtzlude ver¬ 
kauft hant 

Yre holtz über fuß und sprachent 

da: 

“Wollent ir myn holtz han, 

So viel sollet ir mir ietz geben 

davan; 

9745 Wollent ir aber beyden zu be¬ 
tzalen bis jaer, 

9725. -xx- deniers Orig. I. zvjare? vgl. 

9735 (K.). 


So muß ichs dürer geben zwaer; 
Dan dis jare wisse myn holtz 

me 

Und miste dan auch gelden me.” 
Hait er dir das holtz also ver¬ 
kauft, 

9750 So dincket mich das er die zijt 

nit gewiget hait 
Aber was das holtz abe und ge- 

worffen nyder, 

Gekirtzet und gehauwen syder, 
So hait er dir die zijt ge wigen. 
Von der Sachen die sich nit mag 

gemeren 

[258»] Noch groesser odir besser werden, 
9756 Wann sij na der langen zijt ver¬ 
kauft ist, 

Dan der zierckeZ sere gewiget 

ist. 

Aber wann eine sache von ir 

selbs 

Sich mag bessern und sich 

bessert alles, 

9760 So meynen und gleuben ich 
Daz die besseronge sij gewiget 

alleine gelich.’ — 
‘Die holtzlude verkeuffent nit me 
Das holtz das is uff dem stocke 

stee, 

Es muß vor langer zijt da lygen 
9765 Das sij das verkeuffen und wigen, 
Und machent is doch faste dhre 
So sij nit betzalt werdent bare 

hüre.’ 

Vort antwerte sij mir und 

sprach: 

‘Ich muß dir sagen was mir lach 
9770 Uff dem hertzen, is gelde odir 

nit gelde: 

9757. ziercke. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Von der vierten Hand der Habgier (Bettelei). 


215 


Wo die lioltzlude das holtz vor 

nit hiewent 

Odir das vor nit verkeufftent 
[^'■]Ee die keuffer selbs zu yn 

qwement, 

Sere lange sij beyden müstent 
9775 Ee sij yr holtz verkeuffen moch- 

tent. 

Die kaufflude, wann sij sehent 
Das die holtzer nit gehauwen 

werent, 

So sprechen sij: “is wirt uns zu 

lang, 

Wir gen vort unsern gang!” 

9780 Dar umb und umb ir beider nutz 
Meyne ich is sij geordent alsus 
Das man das holtz vor und ee 

abe sal hauwen 
Dann is die kaufflude solden be- 

schauwen, 

Und sij is deden recht stellen, 
9785 Recht behauwen odir feilen. 

Is was eine gude ordenonge 
Und eine große furderonge 
Die buweholtz haben woltent 
Odir berreholtz bedurften soltent. 
9790 Dar umb sollent die nit verlieren 
[ 299 *] Die die andern da mit wollen 

eren. 

Obe sij is deden vor andern 

hauwen, 

Holtz das wol grosser were wor¬ 
den, 


Ich gleuben wol, verkeufften sij 

das im jare, 

9795 Das sij dar an nit übel deden 

zware, 

Doch also das er nit gedencke 

da bij 

Eynichen bedrog odir driegerie; 

Dan da mit so verkeuffte er 

Den zierckel und wigete den. 

9800 Und villichte etliche da mit 

umbgant, 

Aber sij das verdecket dont, 

Umb das is gewonlich ist 

Und das die gewonheit beweret 

ist. 

Nu verstant und lege is uß aen 

nöse, 

9805 Als du wilt, den text und glose! 

Von der ander handt mit der 

schusseln 

Wil ich dich ander mer lassen 

versten: 

Diese handt ist genant lichte 

dorheit 

[300<■] Odir auch rechte fulheit. 

9810 Ettliche sij nennent wynnebrot, 

Wie wol sij baß gewönne ir 

brot, 

Und die die doch heisset durch 

Got 

Und wilt an keynen enden be- 

tzalen 

Was sij vertzert und dut holen, 


9789. berreholtz üb. gestr. buweholtz (?). 
L berneholtz? (R.). 

9794. Nach dem Orig, gehört im jare viel¬ 
mehr zu dem Relativsatz V. 9793: Leur bois qui 
mont fast amende dedens I an. 

9806. 08. handt aus hant. 

Nach 9811 sind 4 Verse des Orig. (9729 
—32) wohl mit Absicht übergangen, die in h 


Digitized by Google 


übersetzt sind. Sie lauten dort einschließlich 
der 2 vorhergehenden Zeilen: Etlich nennet sie 
winebrot vnd eyn deyle ißbroit. Is ist die die 
snel antworten, vnd die sich duncket alß abe 
sie nnst gewynne mocht in iren sack, vnd 
die die doch heißet vmb gotez willen vnd wil 
an keynen enden bez&llen ... 

9812. heisset = heischet. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




216 


Von der vierten Hand der Habgier. 


9815 Und achtet nit wieder zu ver- 

gelden 

Das gut das ir dan wirt gegeben. 
Mit der schusseln sij das heischet 
Und ir leben da mit schemelich 

verwüstet, 

Wie wol sij das wol besserte 
9820 Und sich mit yren henden ar- 

bette. 

Es ist die die sich büsset 
Und die sich also verkluttert: 

Sij kann nicht machen dan 

placken 

Und paltenerie von alten secken 
9825 Und die zu phingesten dragen 
Und sich bij den hecken kratzen 

und nagen. 

[300»] Sij füret mich uff die breide 

wegen 

Da hin die pilgerin zu gan plegen, 
Da grosse hern hien sollen vor 

rijden, 

9830 Das sij yre almuse gheen mir nit 

vermyden. 

Uff das sij me bedure myn 
Dan yn ir gut möge lieb gesin, 
Und das sij mir desta lieber 

geben, 

Sij stellet mich uff ein viel 

armer leben 

9835 Und viel krancker dann ich bin, 
Odir viel armer dann ich könne 

gesin. 

Und da mit wil ich dir sagen me 
Daz sij mich mit konst verstellet 

me 

Henden und füßen vertzogen 
9840 Und macht daz ich gan gebogen 
Mit eyme stabe gar vaste domp 


Und sprechen: “aen we, wie bin 

ich so kromp!” 

Und das ich dicke wurde ge- 

sediget, 

Und wo mir dann nit wurde ge¬ 
geben, 

[30i»-] Das ich dan fluche heymlich odir 

uberlute 

9846 Den odir dem die mir nit gebent 

hüte. 

Die hant entlehent dicke 

Als die edel lüde dunt dicke 

So sij ire hentschoe ußziehent 

9850 Und die geistlichen bij sich 

ziehent; 

So sij wollen da mit fulheit dri- 

ben, 

So streckent sij yre hende den 

geistlichen dar 

Und gebent yn doch nit viel 

gaben zwar, 

Dan sij heischent yn und spre- 

chent: 

9855 “Wilkomme, lieber herre, wo ist 

daz ir mir brengent? 

Brengent ir mir einen hudt? 

Brengent ir nit myme fogel ein 

hübe gut? 

Ich muß ein langfissel dar zu 

han; 

Einen undergurtel sollet ir mir 

geben, 

9860 Der kommet mir zu eyme hals 

bant eben! 

Uwer kese muß ich auch ein deil 

han, 

Und des wil ich uch nit erlan, 

[301 •] Und ir hant auch ein aide wisse 

kappe, 


9832. Dan Hübner, Das Hs. 9858. hint. ein gestr. ha. 

9842. I auwe? Orig.: ha las (R). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Von der fünften Hand der Habgier (Simonie). 


217 


Dar nach muß ich auch ge- 

dencken und snappen; 

9865 Ich muß davon einen underrock 

machen 

Myner kammermagt, die wirt 

sin lachen. 

Lyhent mir einen dag einen 

dreger! 

Ich muß auch haben ein phert 

Mir zu ryden einen dag odir 

zwene. 

9870 Einen karrich sollent ir mir 

auch lyhen, 

Da mit ich myn holtz duhe 

furen bij myn huß, 

Uff das is nit belibe den winter 

uß. 

Auch muß ich myne felde dun 

sehen 

Odir myne wiesen dun mehen. 

9875 Zu mynen felden sollet ir mir 

lyhen 

Zwene gude plüge odir dryge, 

Das ich sij möge dun eren! 

Ich wil sij uch dun wiederkeren 

Bynnen viertzehen dagen odir 

vier wochen, 

9880 Da bynnen ist das körn be¬ 
rochen.” 

[ 302 r] Also behelffent sij sich mit 

myner handt 

Und gelebent von eyme andern 

zu hant 

Das yre also da mit zu ersparen, 

Ire seien da mit zuvergessen und 

nit bewaren, 

9885 Und hant doch suß genug follec- 

lich 


Und gedenckent da bij nutschit 

gelich 

Das die armenlude die den 

clostern zu gehorent, 

Nit anders haben dann is yn zu 

gehöret. 

So du wol hast gesehen, obe du 

wilt, 

9890 Wann yn das sij heischen, nit 

enwirt, 

Dann nement sij is nit vor gut; 

Dan sij hant is vor gar groß 

ungut 

Und hassent dar umb die in dem 

huse. 

Nu besiech obe sij mich nit lieb 

haben 

9895 Die ich die schussel also dun 

dragen: 

Es ist eine nuwe wijse erdacht 

Das die edeln in solicher wijse 

und acht 

Yre brot und vorteil also suchen 

[■ 302 •] Und des adels nit me en riehen, 

9900 Und ist so underdennig worden 

Mir aldem wibe, die grae ist von 

sorgen.’ 

‘Von der handt’, sprach ich, 

‘mit dem krapen 

Saltu mir gar einwenig sagen, 

(Dan mir von dieser wol ge¬ 
nüget,) 

9905 Wie is sich doch mit dieser 

füget.’ 

Da antwerte sij mir und sprach: 

‘Ich sagen dir als ich sach: 

Die handt mit dem krapen ge- 

fischet wart 


9889. hint. So gestr. nemSt. 9895. Die üb. gettr. den. 

9894. nit übergeschr. 9902. 08. handt aus hant. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


218 


Von der fünften Hand der Habgier. 


Zu zijden in der hellischen art. 

9910 SymonMagus und Esy 
Die hant mir bracht sy 
Her und schencketen mir die; 
Aber den krapen gab ir Symont 

hie 

Von sinre ersten figuren: 

9915 Sins namen wilt yn nit duren, 

Er machte sij des heubt- 

raennynne. 

[303 r] Als ein krape ist sij gesynnet, 

Du weist wol: ist sij genant; 

Si ist kromp als ein krappe be- 

kant. 

9920 Die krucke und das -f- 

Bewisent das ich bin eptisse. 
Aber is ist von einer swartzen 

eptigen, 

Da nyemans gut leben mag ge- 

dyhen. 

Under der knicken ist der Sy¬ 
mont; 

9925 Dar umb wisse das die handt 
Gar recht ist symonie genant. 

Es ist eine handt die innfüret 
Und auch treffelich berüret 
In das huß Jhesu Crist 

9930 Und mit falschen zappen manich 

loch dar in bricht, 
Schecher und diebe dar inn zu 

gaen 

Da durch und die duren besloßen 

laen; 

Und wann sij die dar in hait 

gefurt 

Und sij mit myme krappen hat 

berurt, 


[303 •] Da mit krappet sij yre gedaeL 
9936 Pastore und hierten das sint die 

Die da mit durchgant und dont 

so viel hie 

Das man sij solde billicher 

heissen wolffe 

Dan man sij scheffer odir pastore 

nennen solde. 
9940 Mit yren krappen sij mit gewalt 

uß leckent 

Gots Gnade und sij an den kra¬ 
pen steckent 

Und brengent sij uß der konnig- 

licheit 

Des thrones umb gäbe der welt- 

licheit 

Eine stonde sint sij des keuffer, 
9945 Die ander sint sij des wider ver- 

keuffer; 

Und umb gelt sij dicke die ver- 

phendent 

Gheen den die yn das gelt dar 

umb verendent. 

Gots Gnade ist des gar zornig; 

Dann sij beduncket daz man sij 

gar wenig 

9950 Achte, wann sij also versatzt ist 

Vor also wenig und gegeben ist. 

Dar an hait sij kein genügen 
[304*] Noch keinen guden willen dar zu 

mit fugen 

Das die die solich herlicheit von 

ir hant, 

9955 Das sij ire soliche smacheit an¬ 
getan hant. 

Die handt mit dem krapen ist 

solich 


9910. vgl. IV. Reg. 5,20—27. Esy = Giezi. 9925. 27. handt aus hant. 

9916. heubtmSneryne Hs., entweder ver- 9940. hint. uß gestr. 8. 

schrieben statt heubtmennynne oder statt heubt- 
meisterynne (heipte meisterin h). 


i 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Was Habgier mit den Händen erworben, wirft sie in d. Sack, den sie am Halse trägt. 219 


Das man käme findet yren ge- 

lich. 

Eine wile sij keuffet, 

Die ander wijle sij das ver- 

keuffet, 

9960 Und wann sij keuffet, hat sij 

einen name, 

Und wann sij verkeuffet, einen 

andern name. 

Aber wen das verdrüsset, 

Symonie sij alle beide beslüsset. 

Sich bant der handt auch nicht 

9965 Gebruchet in keinen weg icht 

Die die sij messen dunt lesen, 

Die gelt dar umb geloben und 

geben. 

Die phaffen sint auch dar in nit 

ußgenommen 

Die das gelt dar umb hant ge¬ 
nommen; 

9970 Dann sij gelicbent dem falschen 

Judas, 

[304*] Der Jhesus umb gelt verkeuffen 

was. 

Da mit sage ich dir noch me 

Das sij arger sint dan Judas ee: 

Dan da er sach das er nit wol 

hatte getan, 

9975 Die phennige wolde er wider¬ 
geben han; 

Aber sij dedent nummer me also. 

Keine underwisonge der gerechti- 

keit 

Noch keine predige so wol uß- 

geleit 


9962. wen aus wer. 

9964 f. Das Orig. (9869 f.) hat: 

De tel main paa exent ne sont 
Cens qui les messes ch&nter font. 

Unser Übers . hat offenbar das exent miss¬ 
verstanden, u. h ist ihm gefolgt. 


Mochte sij des underwijsen nye 
9980 Noch konde sij zu dem ende 

brengen hie 

Das sij das gelt wolden geben . 

wider. 

Wiltu wissen sache war umb 

syder, 

So sage ich dir das vorwaer 

Das der sacke den ich an myme 

halse zwaer 

9985 Habe, ist eine so subtile porte; 

Dann was dar in geworffen wirt 

von ort, 

Das mag nit wider dar uß kom¬ 
men 

Odir dar uß werden genommen. 
[305 r ] Wann er gemacht ist 
9990 Als ein sack zu fischen: 

Er hait einen ingang 

Und hait keinen ußgang. 

Und dar umb ich dar in werffen 

Alles das ich dan kan erwerben, 
9995 Myne hende und alle die sy hant 

Odir die umb mich entlehen gant. 

Dar umb uß dem sacke kann nut- 

schit kommen, 

Es muß ee da inne fulen, zu 

frommen.’ 

Da sij also hatte geredt und 

gesagt 

10000 Von der handt die so große sma- 

cheit hait 

Getaen Gotte, als mich beduncket, 

Bat ich sij und sprach nach myme 

geduncke 


9988. Kustode unten auf Bl. 304 •: Er ist 
gemacht als [!]. 

9993. ich üb. schwäre gestr. maß man. 
10001. als üb. schwärt gestr. das. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




220 


Von der sechsten Hand der Habgier (Betrug). 


Das sij mir auch von der handt 

hette gesagt 
Die sij hatte uff yre lame hüffe 

gelaicht. 

10005 Sie sprach: ‘die ander handt 
Die ist driegerie genant, 

(305 '1 Hazart und auch bedrfig, 

Des kann sij in allen Sachen ge¬ 
nüg. 

Sij ist driegerie genant vor, 

10010 Die sich nu in allen Sachen zuhet 

vor 

Die da sint eynfeltig und aen 

boßheit 

Odir zu keuffen sint nit gemeyt, 
Von falschem gewichte, von fal¬ 
scher maße 

Odir falsche wagen bruchent baß, 
10015 Und dar nach das er keuffet odir 

verkeuffet, 
Yeclichs zweyfaltig wider ver- 

leuffet. 

Zu der grossen eien er wilt ge¬ 
messen han 

So er sinen kauff hait getaen, 
Und so sij wider verkaufft hait, 
10020 Die kleine eie sij her vor gesucht 

hait. 

Gelich also dut sij auch 

Mit der wage und dem gewichte 

auch 

Das sij dar inne leget und dut. 
[306r] Sij wehsselt is alles in dem mut 
10025 Nach dem sij uffsleget und nym- 

met abe. 


Ich meyne daz sij nie recht ge- 

wihet habe. 

Soliche Sachen dnt Got ver- 

smahen, 

In der Vorrede Salmons saltu dar 

nach fragen. 

Die handt ist eine streckerynne 
10030 Der vorhenge und eine mache- 

rynne: 

Sij machet den düchern vorhenge 

fin, 

Uff das die farwe habe hübschen 

schyn 

Und die lüde me hubscher sin 

Beduncke dan sij doch an ir 

selber ist 

10035 Und-sagen dir wol daz sij zu ma- 

nicher frist 

Phennewerde dut schinen hub¬ 
scher sin 

Dan sij doch ummer mögen gesin, 

Und dar nach, wann is also ge¬ 
kauft ist 

Und man is in der lufft besieht, 

is ander ist, 

10040 So hait er ander duche daz der 

farwe ist 

Und bij viel nahe so gut nit ist 
[306 *] Als das er vor besehen hette 

Und villicht auch gekauft hette. 

Die handt dut viel ubels hie, 

10045 Sij dut auch bereiden hie 

Ettwan die pherde die böse sint, 

Das man wenet daz sij gut sint, 

Den die sij wollen keuffen. 


10003. 05. handt aus hant. 

10015. Von hier an wechselt wiederholt er 
und sij, indem bald an driegerie, bald an be¬ 
ding gedacht ist. 

10016. Orig.: De chascun use doublement. 
10019. hint. so gestr. Wörtchen ü. d. Z. 
10026. gewihet = gewiget. 


10028. Proverb. 20,10. 

10033. die üb. gestr. den. luden m lüde 
zu ändern vergessen. 

10039. and’ aus and's, dahinter schwarz 
gestr. geferwet. 

10044. handt aus hant. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Von der sechsten Hand der Habgier. 


221 


Zum andern male dut sij mit 

grossen leuffen 

10050 Erdacht und falscheit umb im 

lande dragen 

Und dut den einfeltigen viel 

Sachen sagen, 

Das yn ir gelt boßlich werde. 

Die ander wijle nymmet sij in 

der kirchen 
Ein alt bilde und dreit daz vor 

ander kirchen 

10055 Und macht dem locher in sin 

heubt, 

Da mit sij die weit erdeubet 
Und dut die phaffen gewynnen, 
Und dut in die locher die sij ge¬ 
macht halt, 

[ 307 r ] Oley, win odir wasser odir ander 

rait. 

10060 Wann das dan da durch dringet 
Und ussen umb rynnet, 

Das sal dann sweiß sin 
Der das bilde switzet fin; 

Und da mit solde daz bilde 

Zeichen dün. 

10065 Und umb das dem bilde werde 

der rüm, 

So gheen ich zu den narren die 

dan blint, 

Hinckende, lame odir suß siech 

sint, 

Und sagen yn wie daz bilde 

Zeichen dühe, 
Und bringen sij alle balde dar zu 

10070 Das sij kommen vor das bilde 

aen spot 

Und sprechent zu yrae: “ach Got, 


Du liebes bilde, hilft mir; 

Dan ich getruwen wol dir!” 

Des andern morgens stent sij uff 

snelle 

10075 Und sprechent dan balde: “ge¬ 
selle, 

Ich bin wol kurtze genesen!” 

[ 307 <>] Und mit solichem wesen 
Dun ich die lüde versteen 
Da sien ettliche Zeichen gescheen. 

10080 Das ist nit wonder das sij dan 

sint genesen; 

Dann sij sint nit siech gewesen 
Und hant nit dan eyn we gehabt, 
Das hant sij den luden aber nit 

gesagt. 

Und sagent dan daz is wonder- 

zeichen sij, 

10085 Das habe das bilde getaen, und 

da bij 

So gewynnet aber der priestere 
Und schetzet da mit die lüde 

sere. 

Viel ander boßheit hat getan 

die handt 

Und dut und wirt allen dag baß 

bekant, 

10090 Aber davon wil ich dir ytze nit 

sagen me; 

Dan ich han dir noch anders zu 

sagen ee.’ 

‘Zum mynnesten’, sprach ich zu ir, 
‘Ertzelest und sagest du mir, 

Obe du wilt, war umb du hast 

die handt 

1308 >-] Uff diner hüffe, die da hincket 

zu hant, 


10050. vor dragen gestr. 1. 10088. hat getan üb. gestr. dont. 

10063. I. Den? 10089. dut vnd übergeschr. 

10082. eyn üb. gestr. myn. h: ai hant 
keynS we noch sucht gehapt. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



222 


Von der Zunge der Habgier (Meineid) und von ihrem Munde (Luge). 


10096 Und war umb daz sij so dicke 

kommet her vor 
Und rüret dine ußsetzige zonge 

entbor.’ 

Da antwerte sij mir und sprach: 
‘Die zonge die mir dut ungemach, 
10100 Versweronge ist sij genant 

Und an viel enden wol erkant; 
Und myn mont heißet erdachte 

Sache 

Da mit ich viel leydes mache. 
Wann die zwoe Sachen bedrugniß 

sint 

10105 Und sij nydt dienstbar sint; 

So kommet sij gerne zu yn, 

Wann sij auch von eyme ge¬ 
siechte sin. 

Durch sij ist liegen behafft: 
Durch liegen ist gemacht 
10110 Und auch myde erdacht 

Versweronge und auch uff gerächt; 
Dann versweronge mag nit gesin 
[ 308 «■] Dede vordenckonge sij nit sin. 

Dann erdencken und versweronge 
10115 Mögen nit sin aen bedriegonge. 

Is sint drie Sachen die eins sint, 
Wie wol sij alle unrecht sint. 

Dis ist die Sache dar umb ich die 

handt 

Uff die huffe legen altzu hant 
10120 Und uffheben die zonge zu rüren 
Und sij also dicke an zu beruren.’ 

‘Nu sage mir’, sprach ich, ‘wie 
Nennest du dine zonge hie 
Versweronge und dinen mont 

lugerynne ? ’ 


10104. Orig.: A ces ij ci Tricherie familiäre 
est et amie. 

10105. nydt] h: nit; l. mir? Hübner. 

10114. hint. Dann übergeschr., aber wieder 
schwarz gestr. in. erdencken aus yordencken. 
10115. Mögen aus mag. 


10125 ‘Ich bin’, sprach sij, ‘worden inne 
In dem wege myn, 

Da ich dan her kommen bin, 
Warheit und Gerechtikeit 
Die waren alle beyde bereit 
10130 Ir brot zu heischen im lande 
[ 309 r] Und zu suchen aen schaende, 

Und warent auch da bij arme 

genüg; 

Dan sij hattent keinen frunt zu 

yrem gefüg 

Noch auch noch nit hant, 

10135 Duncket mich und ist mir bekant. 
Da ich sij sach, da wolde ich 

neben abe gan, 

Umb das ich an yn nit mochte 

han. 

Zu leste ließ ich yren weg 
Und stalte mich zu fliegen en- 

weg: 

10140 Uberfeit ich flog und ylt, 

Keinen weg ich behielt, 

An einen hülfen stieß ich mich, 
Viel nider und lemete mich. 

Noch bin ich nit genesen, 

10145 Besorgen daz ich bij myme leben 

nit gesont wese: 
Ich bin lame, gedreget und 

hinckende, 

Den krommen dans muß ich sin 

winckende. 

Myne zonge und myn hüff 
[ 309 »] Yren namen hant sij also uff 
10150 Das ich sij lugenerye heyssen, 

Da mit ich sij faste beyssen; 
Doch sij mir notdurfft sin 


10118. ich üb. gestr. dz. handt aus hant 
10119. die aus der. legen aus liget. 
vor altzu gestr. rnd sich. 

10120. Vnd a. R. eugeschr. 

10148. zonge üb. gestr. 1.... 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Von der Zunge und dem Munde der Habgier. 


223 


Zu dem das ich zu dun bin. 

Ich mynen sack desta balder 

folle han 

10155 Und wirt mir viel ee genügsam; 
Dann gienge ich siecht und strag, 
So würde mir nit so viel in 

mynen sack: 

Etlicher kommet bij mich der 

von mir gienge 
Und in mynen weg zumal nit 

gienge. 

10160 Nu sage ich dir das ich also 

hinckende, 

Also lyegende und stinckende 
Bynnen so große hitze nit enhan, 
So große bronst noch wermede 

nit han 

Noch so große begirde odir willen 

ee: 

10165 Ich begern dannoch noch viel me 
Zu haben dann ich noch han; 

[3W] Dar umb muß ich her uß ziehen 

myn zonge 

Gelich als wann da ist sere heiß 

eime honde. 

In des konniges hoff ich dann 

gan, 

10170 Wann ich die gesetze gehört han, 
Und sprechen ich wolle vor- 

" sprecherynne 

Werden und eine dedegerynne. 
Da dun ich dan einen eydt 
Das ich keinem mentschen umb 

lieb odir leit 

10175 Anders dann mit dem rechten 
Gut urteil wolle sprechen. 

Aber wann ich wil, so bin ich 

also subtil 


Das ich hyncken wann ich wil; 
Durch erdenckonge und lugenheit, 
10180 Is sij recht odir unrecht, lieb 

odir leit, 

Mag ich nit laßen, ich muß myn 

zonge ußziehen 
So mir gelt werden sal und ich 

daz sehen. 

Und ich sagen dir waer 
Das ich dan eben dun zwaer 
[ 3 io*] Als die wage die ire zonge 

hencket 

10186 Uff eine sijtte und sich lencket 
Da sich die swerde hin zuhet 
Und dar nach die wage wiget. 
Ich hencken da hien myn zonge 
10190 Da dan ist die meiste wynnonge. 
Da ziehen ich sij lieber hien 
Da ich allermeiste geldes gesien. 
Es ist mir dicke gescheen 
Das ich ettliche zu mir han 

kommen gesehen 
10195 Mich bidende das ich yn helffen 

solde 

In yren Sachen und das beweren 

wolde 

Das sij recht hettent, und daz 

ich das solde sweren 
Und ir Sache frilich da mit er- 

weren. 

Weist du was ych yme da det? 
10200 Sist sicher das ich also vor het: 
Wann so ich gelt odir muntze 

gesag, 

Die ich mochte dun in mynen 

sack, 

[ 3 ii r ] Viel desta ee ich da sweren be- 

gan 


10187. vor swerde gestr. s m. anderer Buch¬ 
stabe. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




224 


Von der Zunge der Habgier und von ihrem Buckel (Besäe). 


Das sij in yren Sachen recht 

solden han, 

10205 Dar umb sij da dedingen soltent 
Und das sij hart halden woltent, 
Umb daz sie die sache lange ver- 

tzuhent 

Und nit mit so wenig von mir 

kommen mochtent. 
Das recht det ich balde verwan¬ 
deln sich, 

10210 Zu Unrechte machte ich das ge- 

lich, 

Und wiste wol sicherlichen das 
Das is altzumal. anders was. 
Soliche masse zu sagen, 
Zuverkeren und abe zu sagen 
10215 Das unrecht zu rechte 

Und das recht zu Unrechte, 

Her bij zu ziehen umb dragher 
In mynen sack anderlude gelt 

her, 

Bewijsent war umb myn zonge 
10220 Ist genant versweronge. 

[3ii;] Ich sagen dir das sij so loche¬ 
recht 

Ist von sweren und sagen un¬ 
recht 

Und von begirde des namen 
Das sij so grossen willen hait zu 

sameln 

10225 Anderlude gut mit falschen 

klafferigen 

Und mit ungetruwen verswe- 

rongen dabije. 

Ich han so viel gelogen hude 

und morn 

10217. 1. und dragen her? Orig.: pour atraire 
et pour faire aport a mon sachet autri argent. 

10229. vor vff gestr. 1. 

10234. nit streichen? Orig.: Nature se cou- 
rouceroit 


Und auch dar zu falsch gesworn 
Und falsch geklaffet uff dieser 

erden 

10230 Das ich nummer me glaubt 

werden. 

Wo geschrieben recht und gesetze 

sich wendent. 

Gar wol man mich dar an er¬ 
kennet; 

Dann es ist eine soliche zonge 
Daz Nature sich dar umb nit 

zürnet lange 

10235 Obe ein man odir frauwe zu yme 

zuhet 

Isen odir ander ertz zu hant, 

Als obe er zuhe mit eyner handt. 

[3-/2'-]Dar an du wol gesehen macht 
Das is Nature nit zu gehöret 

hait 

10240 Und das ich nit bin von yrem 

gesiechte 

Noch von yrem gemechtze rechte; 
Und du wirst is noch bas ge¬ 
sehen 

Wann du von myme hoher hast 

hören jehen.’ — 
‘Myne meynonge wil ich davon 

sagen 

10245 Der mir das wolde nach sagen, 
Und das du dar nach vergessest 

nit Mahommet, 
Davon du dan vor haist geredt!’ 

‘Min hoher’, hait sij geantwert 

da, 

‘Ist der durch den hoberet sint 

da 


10237. handt aus h&nt. 

10249. hoberet fehlt Hs., n. Orig, emgeßgt 
mit h. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Noch vom Buckel der Habgier . 


225 


10250 Die sich sollen schicken und 

stellen 

Nach ordenonge und rechter regel 

leben sollen. 

Es ist eine ubermessige sache 

Die alle ding hoberet machet 

Und hindert alles das da ist 

recht, 

[312 *] Odir machet kromp das dan ist 

siecht. 

10256 Du salt wissen das is die ist 

Die da machet das der riche 

glich ist 

Dem kammeltier das nit mag 

durch gan 

Mit syme hoher durch kleine 

düre an stan; 

10260 Wann er in die weit ist nacket 

kommen 

Durch die dure die enge ist ver¬ 
nommen. 

Solde er wieder dar durch keren 

Und er hait sinen hoher vor ge- 

meret, 

So mag er wol wissen das, 

10265 Ist der inganck nit grosser dan 

er vor was, 

Das er nit wol mag da durch 

gan 

Er habe dan sinen hoher vor 

abegetan. 

Ein mentsche der da get in 

geistlicheit 

Mit Worten odir ergebenheit 

10270 Durch eine dure die enge ist, 

Macht er yme dar nach hoher in 

der frist 

[313*•] Wieder an sich zu ziehen daz er 

vor hat gelaßen, 

10280. das s in sere auf Rasur. 

Deutoobe Ttxte de« MitteUIten. XXV, 


Odir dar uff er vertziegen hat, 

nit zu laßen, 

Durch des paradises düre, 

10275 Die da enge ist, als du hast ge¬ 
sehen vur, 

Kann er nit kommen umb den 

dot 

So lange er den hoher bij yme 

hait. 

Dieser hoher ist eigentschafft, 
Die armut, yre ertzetynne, 

10280 So sere fochtet das sij yr nit dar 

beyden, 

Uff das sij die nit wolle scheiden 
Und sij zurspalden odir zur- 

teylen: 

Es ist nit eine sache zuverhelen. 
Dann als eim heubt das grint 

ist, 

10285 Mit eyme guden strele nit sanfft 

ist, 

Also hait eigentschafft nit sorge 
Das armut sij solle versorgen: 

Sij hasset sij, als dun ich auch. 
[313»] Dann als lange ich hoberet bin 

auch, 

10290 Die die da hoberet sint 

Und in diesem closter beslossen 

sint, 

Sint alle myne neffen und myn 

mage 

Und me dan andern ich yn myne 

frunde sage. 
Bij yrer regeln sint sij hoberecht; 
10295 Neben dem rechten wege sij gent 
Kromp und achtent zu male nit 
Uff keynen yren wyser 
Odir auch yren straffer. 

Her nach du is wol sehen wirst, 

10289. hoberet aus hoberecht, ebenso im 
folg. Vers. 

15 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




226 Der Gott der Habgier ist das Geld; zu dem soll sich auch der Pilger bekehren. 


10300 So du auch myner liobereter 

einer wirdst. 

Das sal gescheen, obe ich kan, 

balde; 

Aber ich wil dir vor sagen ein 

wort balde 

Wer rayn herre und myn got ist: 
Ich wenen das er auch der din 

ist 

10305 Odir wirt; nu hude dichs wol! 

[ 3i4r] Dann is nu also sin sol. 

Min herre und myn aptgot 
Das ist der phennig aen spot, 

Der von Silber odir golde ist, 

10310 Da inne geslagen und gestalt ist 
Die figure des hem vom lande. 
Der ist ein got gemacht mit 

hande; 

Er wil dicke in malleten be¬ 
sessen sin 

Und auch dicke wider dar uße 

sin; 

10315 Er wil dicke nidergelacht sin 
Und auch dicke wider uffgehaben 

sin. 

Er wilt ligen in den kisten 
Und in schrinen, in den gewisten 
Und ettwie dicke sin verborgen 

10320 Und begraben sin mit sorgen. 

Er ist der got der da blendet die 
Die yre äugen zu yme kerent 

hie. 

[314’] Er dut auch die dore 

Yre äugen zu der erden keren, 

10325 Der die lüde hofferecht machet 
Als ich bin, und noch me ver¬ 
achtet ; 

Der da hait verstellet mich 


Und mich verraeret, als du ge- 

sihst 

Er hait mich auch gemacht heß- 

lich und ungestalt, 

10330 Doch so han ich mich so gar zu 

yme getzalt 

Und daz er myn lieber herre ist 

und gefellet mir wol. 

Das ich yn uff erden als got ane- 

beden sol. 

Es ist nutscht das ich machen 

möge zwar, 

Ich duhe is daz ich yn bij mich 

ziehen möge vorwar 

10335 Und innleyden in sin huß. 

Zu zyden han ich gebraden uß 

Einen uff den kolen 

Umb das er mir mynen phennig 

det holen 

Und das er mir den hatte ge¬ 
nommen. 

10340 Von siner liebe waz ich na von 

mynen synnen kommen; 

[315 r ] Ich han yn so lieb daz ich dar 

umb dorheit bin 

Und das ich umb yn verlieren 

den rock myn. 

Durch yn zu manichem unrede- 

lichen spiel 

Ich dicke gaen und dun des 

viel, 

10345 Zu wurffei spiel und dem nunden- 

steyne, 

Davon gan ich dicke nacket 

heyme 

Und auch uff der gassen bloß 

Als ein obletter des lauffen dan 

ist groß. 


10309. golde aus gold. 10331. vnd übergeschr. 

10313. in malleten übergeschr. 10334. yn übergeschr. 

10314. wider dar vße üb. geslr. frolich. 10347. vor gassen schicar; gestr. graße. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Erscheinen zweier anderer Weiber. Das erste (Leckerei) droht den Pilger zu würgen. 227 


Und umb das ich yn also lieb 

han, 

10350 So wil ich das yme von dir sij 

auch also getan 
Und das du also duhest und yme 

dienest 

Und yme undertennig siest. 

Nu besiech was du dun wollest! 
Dan du vort vor mir keinen frie¬ 
den haben sollest. 
10355 Bede yn an yetzont 

Und ergib dich yme zu male zu 

hant! ’ 

Als mich also sere bedräng 

Gridikeit und mich faste twang 

[315*] Yren falschen apgot an zu beden, 

10360 Hinder mir horte ich her treden 

Und ruffen mit luder stymmen 

Und in eyme grossen grymmen: 

‘Hare, gespiele! ist das der man 

Den ich da gesehen han, 

10365 Mit dem Gridikeit rede heldet 

0 

Und ym doch nit dut noch yn 

feilet? 

Gen wir dar und kommen yn an 
Und dun yme schaden genug an! 
Gridikeit, du haist yn zu lange 

gesparet, 

10370 Des wirstu vor dorheit ge¬ 
achtet.’ — 

‘Siecher, du sagest waer, gespiele, 
Nu machen wir is nit zu lang 

viele, 


Das er uns nit möge entgaen! 

Uff dem pletze wollen wir yn dot 

han.’ 

10375 Da ich die reden also gehörte, 

[ 376 '-] viel me dann vor sij mich er- 

förte: 

Ich were gerne enweg geflogen 

Hette ich nit gefocht das sij mir 

weren nach getzogen. 

Einwenig uff eine sijtte ich 

mich kerte, 

10380 Und neben mir sag ich kommen 

herte 

Ein groß altwip mit einre großen 

nasen 

Und grossen äugen da her wagen. 

Die äugen waren gar ungestalt; 

Einen grossen sack, der was alt 

10385 Und an dem bodem gelöchert 

und gerissen, 

Und den hatte sij mit den zenden 

gebissen 

Und gieng mit dem her umb 

mich 

[376>-] Und det als obe sij mich wolde 

würgen glich, 

Und streckette gheen mir yre 

liende 

10390 Und swur da gar behende 

Bij sant Joergen und bij yrem 

halse 

Sij wolde mich hencken mit 

myme halse. 


10363. Hare| Orig.: Haron. 10367. körnen aus körnet. 

10365/1 zwischengeschr., statt dergestr. Verse: 10376. erf&rte aus erfert. 

Vnd du yn mit reden heldest 10390. vor da schwarz gestr . mir. 

Gridikeit duhe yme nutschit. 


vor 10379 Bild (78) mit Nebenschrift rechts: leckerige ein böse stryffel. über dem 
Bilde in der Schrift der Korrekturen: vnkuscheit, willen, gewaldige dait, hurtüm, befleckonge, 
Eebrechonge, gluttenie, ein böse stucke. (Vgl . das folg. Bild.) altes Weib mit einem Sack im 
Munde, der einem roten Trichter ähnlich rieht, vor dem Tilger. 

15* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



228 


Das zrceite Weib (Unkeuschheit) stößt dem Pilger einen Speer ins Auge. 


Ein ander gesag ich kommen 

nach mir 

Die mich det ziedern me dan 

zwir. 

10395 Ein gemacht .antlitz gemalt 

Von einer frauwen wol gestalt, 

In der lyncken handt furte sij 

das 

Und vor sich halden sij is was. 

Ein groß swin sij auch reit 
\w] Und was auch hübsch genug be¬ 
reit, 

10401 Aber ir cleydt was gar betreynet 

Mit qwade und gehönet: 

Dar umb sij yre gesichte und ge¬ 
stalt 

Under yre kogel sij das verbarg 

balt. 

10405 Ein strale hatte sij, da mit sij 

mich stach 

Viel ee dann ich zu ir sprach. 

Durch das äuge er ingieng, an 

daz hertze er mir kam: 

Groß ungemach ich davon nam 

Das ich mynen heim da nit en- 

hatte 

10410 Und mich über den äugen nit ge- 

wappenf hatte. 

Dar nach slug sij mir an die 

hende, 

Da hatte ich myner hentschue 

wol bedorfft aen ende, 

[10399.] Kustode unten auf Bl. 316*: vnd 
wz auch hübsch. 

10404. balt zugeschr. 

10410. mich m. ge in gewappeu übcrgcschr.; 
letzteres in gewappeut zu ändern vergessen. 


Das ich sij hette angetaen 

Und auch bij mir behalden solt 

han; 

10415 Aber es ist waer das die lüde 

sagent 

[317*] Das der dor fortet nit me dan 

wan man yn jaget. 

Da ich gesag das ich also ver¬ 
wendet was 

Und das ich noch nit gescheiden 

was 

Von der ersten, wie wol sij mir 

nit gut glicheniß det. 

10420 Dwijle ich mynen krag nit en- 

liette, 

Das sij mich mit dem halse ge¬ 
griffen hette. 

Ich wiste nit was gedencken odir 

dun: 

Mir mochte ruffen keine helffe 

dun 

Noch auch schrien dar zu. 

10425 ‘Unseliger’, sprach ich, ‘was 

dustu nu? 

Mir ist gar boßlich erlongen 

Das ich ie bin her kommen; 

Mir were besser das ich zum 

ersten 

Glaubt hette dem altbusser dan 

am lesten. 

10430 Nu hastu Gelich Verstenteniße 

ertzurnet sere, 


10417. in verwondet ein r vor dem t durch 
Unterpunktieren getilgt. 


vor 10393 Bild (79) mit Nebenschrift rechts: vnkuscheit, willen, geweldikeit, ander 
vnkuscheit nud Eebrecbonge. über dem Bilde in der Schrift der Korrekturen: vnkuscheit, wille, 
geweldige dait, hurtum, befleckonge etc. (Vgl. das vorige Bild.) Altes Weib auf einem Schweine, 
in der Linken einen künstlichen Frauenkopf, in der liechten einen Speer, will den Pilger angreifen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Trotzdem unterläßt es dieser nicht, noch den Namen der Weiber zu erfragen. 


229 


Gots Gnade ist enweg gangen 

ferre 

Und bist brestenlialb diner hent- 

schue an dinen henden 
[3J8r] Sere verwondt, das mögen sij nit 

gewenden, 

Das du nit magst dinen stab ge- 

dragen. 

10435 Zum mynnesten soldest du fragen 

Wer dann werent die 

# 

Die dir dis getann hant hie! — 

Altwip’, sprach ich, ‘die den heß- 

lichen sack 

Dreit der keinen bodem hait 
10440 Und den du dreist mit den 

zenden, 

Sage mir dinen namen aen 

wenden, 

Obe du mich also aen streich 

fahen 

Und also wolles dot slahen!’ 

Da antwerte mir sij: 

10445 ‘Weistu was da sint Epicury? 

Du salt wissen das ich bin yr 

müder, 

Wer doch nu sie yr vader.’ 

‘Wer sint’, sprach ich, ‘die Epi- 

curye?’ — 

‘Das ist ein gesiechte lüde die 
[318*] Von eime löcherten sack machent 

yren got, 

10451 Die inn allen zijden yre gedencke 

hant 

Den zu füllen und zu leren 

wieder. 

Einen gantzen dag in einer 

küchen sieder 

Wolde er wol sitzen beliben ja, 


10455 Das er ein klein spißgin mochte 

braden da, 

Das er machte ettwas charbonnee 
Odir ettwas anders, daz er briet 

. eyn eye. 

Keinen andern lust hant sij nit 
Wann essen und drincken zu 

aller zijt; 

10460 Vor wollust sij das schetzent 
Und vor zijtverdrib sij es 

nennent.’ 

‘Wie heissest du?’ sprach ich da 

bij. 

‘Leckerie’, sprach sij, ‘ich die 
In mynen lochereten sack stoßen 

so viel 

10465 Das is da inne wirt smacken viel; 

[3J9 r JIch sacken ettwan so viel dar 

inn 

Das zwene armanne odir dry 
Wol fulletent yre secke da bij. 
Wustes du recht den satz 

10470 Und wie ich durch daz jaer dun 

den gatz, 

Castrimargie du mich nentest 
Und mich eigenclich erkentest.’ 
‘Was ist’, sprach ich, ‘castri¬ 
margie ? ’ 

‘Das ist’, sprach sij, ‘mücherige 

10475 Der guden morsel underdruckonge 
Die von diesen guden kuchen 

kommen. 

Die guden morsel ich verdrucken 

und erdrencken, 
Das ir niemans möge gedencken 
Wann ich sij in mynen sack han 

gestecket 

10480 Und recht wol dar inn gesecket. 


10445. epicury aus epitury, ebenso 10448 10457. er briet eyn eye üb. gestr. yme 

epicurye aus epiturye. g... gen were (?). 

10453. vor küchen gestr. b ... 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


230 


Leckerei, die Mutier der Epikuräer, gibt Auskunft über ihr Aussehen: 


Und sagen dir daz ich ettwan so 

viel dar in han 

Odir auch dar in han getaen 
[319*] Das ich ir eindeil muste werffen 

uß 

Und auch stossen wieder uß. 

10485 Ich machen nach mir eine sleiffe 

Als der snecke, obe is were 

seyffe.’ 

‘Fi! fi!sprach ich, ‘stiuckendes 

altwip, 

Sage mir davon me nit! 

Es ist eine sache erschrocklich 
10490 Und dar zu auch straffelich.’ 

‘Sicher’, sprach sij, ‘du sagest 

waer, 

Aber wann du wilt wissen vor¬ 
war, 

So ist is billich das ich dir is 

sage. 

Obe man mir Leckerie sage 
10495 Und wann ich zu viel essen odir 

lecken, 

Das kann ich nit gar wol ver¬ 
decken. 

Ich bin die wulpynne uß dem ge- 

struede, 

Die alletzijt in den zenen wüdet; 
[SSO'-] Das dut mich den kybel regen 
10500 Und den mont uffdun und wegen. 

Ich bin gyene, die is alles ver- 

slindet, 

Die yre nase in die kuchen 

drynget 

Durch die finstern da inne zu 

smacken 


Und zu suchen und zu locken, 
10505 Als der hont nach dem wiltbrat 

dut, 

Welichs da sie die spise gut 
Myn nase ist lang; ich stoßen sij 

an alle ende, 
Zu smacken ist sij gar behende. 
Zu wissen ob ich finden möge 
10510 Ettwas das in mynen sack zu 

stossen döge.’ 

‘Sage mir’, sprach ich, ‘fulles 

du dich icht 
Mit lichter spise, die nit viel en- 

güt, 

Obe du von bonen odir brode 

groß 

Hast ie gemacht dinen buch 

gros ?’ 

10515 ‘Wisse’, sprach sij, ‘in warheit 
[320'] Das ich eben han gewonheit 

Groß brot odir wiß in zu sacken 
Als viel guder spisen zu lecken; 
Eben als wol die grobekeit 
10520 Als die gude spise mich lecken 

deit. 

Aber die lange nase myn 
Wart mir von dem vader myn, 
Das ich da mit solde fischen, 

Zu smacken zu der leckerien uff- 

tischen.’ — 

10525 ‘Was dinges ist daz smacken?’ — 
‘Das ist’, sprach sij, ‘da durch 

alles das gen 
Muß das ich slynden, 

Dar bij ich myne lust finden. 

Das ist myns sacks ingang 


10487. stinckendes gleich übergeschr. über 10517. ob Groß verschr. statt Grop (A) ? 
ein teilweise auf Rasur stehendes undeutliches vgl. v. 10519. Orig.: gros. 
stinckendes. 10518. gnder übergeschr. 

10491. sij aus ich. 10524. ufftischen zugeschr. 

10504. I. lecken? (Hübner). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


über ihre lange Nase, ihre großen Augen und den Sack, den sie im Munde trägt. 231 


10530 Der das dut mit rüren und in 

getwang; 

Und sagen dir daz er nit drier 

finger lang ist, 

[:?£*>-] Wann er recht gemessen ist. 

Ich wolde wol das er langer 

were 

Und das er als eins krannichs 

hals were, 

10535 Und wolde wol daz er durch¬ 
gangen were 

Alletzijt mit guden morsein die 

feisset weren, 

Und mit guten stucken wol ge- 

sweisset, 

Sij sien doch wie man sie 

heisset; 

Ich fragen nit dar nach mit waz 

arbeit er geladen were, 
10540 Der locherete sack, das er folle 

were. 

Aber sij sint me begirlich, myn 

gesmack, 

Ich und der ander wollen me in 

den sack 

Dan die begirde altzumale; 

So viel als der slont mach ge- 

smacken zumal, 
10545 Das wollent die äugen yme geben 

altzumal. 

Die äugen viel unmesselicher sint 

Dan der sacke und die lange 

nase sint; 


An keinen Sachen hant sij ge¬ 
nügen 

f Mi'] So lange icht in den sack mag 

mit fügen. 

10550 Es ist eine sache die da kurtzet 
Mir myn leben durch myn dor- 

heit; 

Es enist kein böser verreders 

messer 

Dan das uberentzige morsel.’ 
‘War umb’, sprach ich, ‘dustu 

in 

10555 Das morsel das so böse mag 

gesin ? ’ 

‘Ich dragen’, sprach sij, ‘in 

mynem monde 
Eine so dotliche wonde, 

Wann sij ein gut morsel rüret 
Und ein anders dar nach nit 

balde fulet, 

10560 So dut sij als ir nit wol sij. 

Eins nach dem andern wilt han 

• • 
sij 

Als der slont aen uffhoren; 

Sij fraget nit na myme nutze, obe 

sij yn vertoeren, 
Nit vorter dann an yren lust.’ 

[322*■] ‘Nu sage mir’, sprach ich, 

‘umb sust: 

10566 Wie ist nu genant 

Die rüre davon du hast gesagt?’ 
‘Das ist’, sprach sij, ‘als ein saß- 

schussel, 


10532. er üb. gestr. du yn. ist hint. Die scheinbar Mes eux gelesenen, jedenfalls so 
schwarz gestr. hettest. übersetzten Worte Mes iex haben die Verderbnis 

10541 f. hint. myn gestr. sack. Der Sinn der Stelle veranlaßt. Die Übersetzung hätte 
ist nicht klar, h: Aber sie sint me begirlich lauten müssen: 

in myne gesmag (10542 f. fehlend), auch nicht Mine äugen sint groß, begirlich myn gesmack, 
verständlich. Das Orig. (10397 f.) hat: Ein und der ander ... 

Mes iex sont grans, ardant mon gout, 10568. als übergeschr. saßschussel Amt. 

L’un et l’autre veulent de tout. gestr. salzfaß; Orig.: sauciere. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



232 


Vom Wirken und Wandel der Leckerei. 


Als ein nuwer böde der hait das 

dr&ssel 

10570 Und hat balde gesaget und er- 

tzelet 

Was das hertze hat ußerwelt 
Bose striffel und böse nach- 

berynne 

Also nennent sij yre nach- 

berynne, 

Umb das sij gerne übel sprichet; 

10575 Bose wort sij balde richtet 

Wan so sie die gude morsel hait 

angerurt 

Und der guden wyne sij auch 

hait versucht’ — 
‘So get sij gegollen 
Wan sij ander wyn versuchen 

sollen ? ’ 

10580 ‘Wer ist sij dan?’ sprach sij da, 

[322») ‘ Yren wollust nymmet sij da; 

Durch sij bin ich ubermessig be- 

kant, 

Dar umb bin ich locherechte ge¬ 
nant. 

Sij bringet mich zu uneren 

10585 Und benymmet mir gut und eren: 
Sij hait mir den bendel geben 
Den du in myme sacke sijst 

eben. 

Die wyne laße ich abe in fassen 
Und nemen der zu viel usser- 

massen 

10590 Das ich han weder synne noch 

verstenteniße, 
Und das ich myns lustes nit en- 

weiße 


10569. Als «. drüssel tugeschr. eine. 
10570. Vnd hat zugeschr. 

10577. auch übergeschr. 

10585. mir üb. gestr. mich von. 


Und mich nit kan gelegen an 

myn bette.’ — 

‘So bistu, als mich das beducht 

hette, 

Eine sache die keine regieronge 
10595 An ir hait, keine maße odir 

leronge ? ’ 

‘Es ist waer’, sprach sij, ‘wnstes 

du recht 

[323 r ] Mynen wandel und geberde 

recht; 

Dan so ich myne wine gefasset 

han 

Und myne wyne verslicket han, 
10600 So wolde ich zu stunt gedihen 
An Got und sante Marien 
Und wolde yn übel sprechen 
Und myn boßheit an yn rechen. 
Und qweme Verstenteniße zu mir, 
10605 Ich spreche balde: “fing hien 

von mir!” 

Qweme Gerichte odir Gerechti- 

keit 

Noch Wißheit odir Warheit, 

Sij werent alle verstoeßen 
Und versmahet mit yren genoßen. 
loöio Nuchterkeit und Messikeit 
Die hettent da nit dan großes 

leit: 

Ich wurde ir verspotten 
Und dede sij ußdriben bij Gotte. 
[323•] Und so mir der win ist kommen 

in die horne, 

10615 So bin ich scharff als das ein- 

horne. 

Dann wil ich yeclichen stoßen, 


10586. bendel au« bender. 

10591. Statt lustes hat h nach Orig, (meson) 
besseres huß. 

10596. recht hint. gestr. recht (?). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Von den zwei Bäuchen der Leckerei (Trunkenheit und Essgier). 


233 


Den einen scheiden, den andern 

mit Worten bossen; 

Dem andern antwerten ich slym- 

meclich, 

Dem dritten auch gar grobeclich 
10620 Mit viel windes als der zwene 

buche hait.’ 

‘Wie’, sprach ich, ‘hastu zwene 

buche ?’ 

‘Ja’, sprach sij, ‘der eine ist 

drunckenheit genant 

Und der ander essesack bekant, 

Der allewege zu essen ist bereit 
10625 Und zu fasten gar ungemeit. 

Der erste so er gedruncken hait 

Und der ander das vernommen 

hait, 

So sprichet er er wolle auch 

essen; 

[324 »•] Und wann der zu erst gessen 

hait, 

10630 So sprichet der ander: “mir ist 

drinckens not!” 

Und sagt balde: “ich wil is ver- 

bieden, 

Dann is mag mit eyme male nit 

gesieden; 

Es gilt auch zweie odir drue, 

Ich laße is nit da bij uff myn 

truwe.” 

10635 Also wollent sij dem als nachgan 

Das sij anhebent aen ende han. 

Ieclicher wilt das hinderste 

nemen, 

Also mußen sij es zu ye dem 

male wider anheben: 

Als lange win in dem kruge ist, 
10640 So hait er keine rüge in der 

frist 

10617. bosBen üb. gestr. straffen. 

10666. vor vor wol übergeschr. u. dahinter 
gestr. 


Und dut mich auch reden mit 

frauwe Venus, 
Die neme ich dann zu mir alsus 
Das sij desta gerner zu mir 

kommet 

Und dann nit so gern von mir 

kommet. 

[324 >•] Da ich hin gan, da get sij mit 

mir; 

10646 Dan sij gedencket das sij balde 

bij yr 

Den sij mit dem halse hait. 

Ich meynen das is dich angait, 
Dwijle du her kommen bist 

10650 Und du mir der aller nehste bist.’ 

Da nam sij mich mit dem 

halse 

Mit beyden henden und sprach 

also: 

‘ Sijt das du keinen krag haist, 

So wisse das du mich fast 

10655 Scharffer und wunderlicher fin¬ 
dest 

Ee du dich von mir entrindest.’ 
‘Ach Got!’, sprach ich, ‘owe, 

owe! 

Laß mich zu der reden ee 
Die ich sehen hinder dir gan. 

10660 Sij hait mich mit yrem phyle 

gerurt an: 

[325 r] ich bin übel dran und verlorn 
Wo ich nit weiß wannen sij ist 

geborn.’ 

Da sprach sij: ‘das stet an dir. 
Ich wil wol das sij is sage dir. 

10665 Aber du kommest nit also von 

hynnen. 

Ich wil din vor wol siecher sin, 
Die wijle ich dich ytze gesien an 

10667. gesien übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




234 


Auf Befragen des Pilgers gibt sich auch ünkeuschheit zu erkennen. 


Und dich also nahe bij mir han.’ 

Aida ich da die fragette 
10670 Die mich also geslagen hatte, 

Und sprach zu ir: ‘wer bistu nu? 

Dorlich ridest affter lande du 

Uff eyme swine, als mich be- 

duncket, 

Und haist dich nötlich bewonden 
10G75 Und under dine kogel gebonden.’ 

‘Sicher’, hait sij mir geantwert 

da, 

‘Ich bin die die nu dut da 
[325*] Dine undertan wanen in den 

bruchen 

Als froesche und sich da inne 

versluchen. 

10680 Da ist inne manich stat wonder- 

lich 

Von reden und von gesichte ge- 

lich 

Und von yren geberden auch. 

Ich bin Venus, davon du vor hast 

gehört auch 

Reden mit frauwe Leckeryen, 
10685 Die dich an dyme halse leret 

meisteryen. 

Uß der werlet sij lange gestossen 

hait 

Kuscheit und die verdrieben hait. 

Dye engel der swester sij was, 

Die sint mir dar umb alle gehas 
10690 Und gewonnen mich sijther nie 

lieb; 

Yre nasen stoppent sij so sij 

mich sient, 


Das sij doch vor eyme stincken- 

den 

[326r] Schelmen nummer endeden 

Were dar in nit schänden viel. 

10695 Uber alle ich Kuscheit verdriben 

wil 

Aen uffhoren sommer und winter. 

Hette sij sich nit lange in geist- 

licheit 

Verborgen, ich hette ir getan 

groß leit, 

Ich hette sij geslagen dot; 

10700 Aber ich finden die bürg so starg 

vor not 

Das ich ir da nicht kan getan: 

Sij dut vor mir die düre zn dun 

Und gucket alles uff die düre 

Als obe sij spreche: “unselige, 

belibe da füre!” 

10705 Und kommet sij mit her uß, 

Dar umb kan ich ir nit gescha- 

den dar uß.’ 

‘Was hant dir getan’, sprach 

ich, ‘die zwo 

Den du wenig gudes gannest 

also?’ 

‘Kuscheit’, sprach sij, ‘die wolde 

nye 

[326*] Geligen inn der kammer odir uff 

dem bette 

10711 Da ich dann lag und gerne 

glegen hette. 

Ich bin ir allewege gehaß gewest 

Und auch da bij unwillig gewest 

Und han sij gar versmahet, 


10668. Vnd dich übergeschr. 

10678. Dine] h: ir. bruchen'. 

10680. stat übergeschr. 

10705. I. nit? ( Hübner ); Orig. : se n’is 1 
hors de l’uis. 

10707. Initiale schwarz m. roter Füllung. 


10712—16. Unser Übersetzer, tu dem h 
stimmt, hat das Orig. (10562/66) nicht ver¬ 
standen: 

Onq(ues) ne fu que ne li fasse 
H&inense (et), abhominable, 

Pour (ma) pueur intolerable. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Unkeuschheit gibt sich zu erkennen. 


235 


10715 Umb den gerocli ich bij mir han 

gehabt, 

Den ich kume gelassen mag. 

Kuscheit hasset mich auch nacht 

und dag, 

Und wann sij mich sicht, balde 

spricht sij: “fy!” 

Dar umb mag ich yr nit gesin by. 
10720 Ich wolde lieber mynen mantel 

lassen 

Dann ich keine zijt solde bij yr 

slaeffen: 

Lieber wil ich mich ergeben in 

die eptige 

Dann das ich inn ire geselleschaft 

sie.’ 

‘Wie’, sprach ich, ‘mag das waer 

gesin 

10725 Das die monniche die wiß, grae 

odir swartz syn, 

Haben Kuscheit entphangen, 
[•?27 r JUnd das sij mit yn sij ingangen?’ 

‘Ja’, sprach sij, ‘sicherlich, 

Aber is missefeilet mir gröblich. 
10730 Da ist sij slefferynne 

Und machet die bette als kam- 

merynne.’ 

‘So hait sij’, sprach ich, ‘ein 

ampt?’ 

‘Du haist waer’, sprach sij, ‘sij 

ist getzamt, 

Da hassen ich sij me und dun ir 

zu leide viel, 

10735 Me scharffer ich wieder sij sin 

wil’ 

‘War umb’, sprach ich, ‘hastu 

mich geslaen?’ 

10715. I ger. den ich? 

10719. yr u. by zugeschr. u. hint. nit: bij 
ir schwarz gestr . 

10736. Initiale schwarz m. roter Füllung. 


‘Wie’, sprach sij, ‘wenest du 

dann, 

Dij wijle ich so nahe bin bij dir, 

Das du nit sollest fuelen von mir? 

10740 So mir myn heubt, daz schon ge- 

strelet ist, 

Das doch von dir noch nit alles 

versuchet ist! 

Wann so ich ye bin yeraans an¬ 
kommen, 

So bin ich so balde nit von yme 

kommen.’ 

‘Bistu’, sprach ich, ‘so wol ge- 

strelet 

[327’] Als du sagest, und auch bereydet? 

10746 Werestu also, des ich dann 

gleuben wol, 

So verbergestu dich vor mir nit 

so wol.’ 

‘Nu verstant einwenig’, sprach 

sij, 

‘Es ist wol waer, were ich hübsch 

da bij, 

10750 So stoppete ich mich dann nit 

also. 

Dar umb wie wol ich gestrelet 

bin also 

Und mich einwenig zuchteklichen 

stellen, 

Das ich dar umb solle hübsch ge¬ 
heuchen sin: 

Ich bin ein heßlich altwip, 

glittechtig, 

10755 Wüste, stynckende und slymech- 

tig, 

Me unreyner dann ich dürfte 

sagen. 

10741. doch üb. gestr. is. 

10753. ich nach Orig., is Hs. 

10756. vor ich Buchstabe ausradiert. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



236 Vom Schwein, auf dem Unkeuschheit reitet, u. vom gemailten Antlitz, das sie sich vorhält. 


Und steet yetze nit zu sagen, 

Ich stoppen mich, das man mich 

nit gesiehe; 

Wie wol ich doch ettlicher maßen 

hübsch sie, 

10760 So achte ich nit obe man mich 

nit sehe 

An enden da man nit wol gesehe. 

[328r] ich gaen kromme wege und 

winckel 

Und suchen gedencken mit 

syncken. 

Ich gesehen nit einen schich zu 

mittem dage 

10765 Und han arbeit genug die ich 

drage; 

Ich stellen mich dicke inn mysse- 

falle, 

Das myr myn wille einwenig ge¬ 
falle. 

Wustes du recht wie manig mal 

Und was wege ich dicke gaen sal, 

10770 Ich gleube wol is solde sere 

wondern dich, 

Und das ich selber nit solde 

achten mich. 

Ich ryden ein böses phert, 

Und wo der weg ist gar unwert 

Und da er aller böseste ist 

10775 Odir da allermeiste unreynikeit 

ist, 

Da leget is sich nider von na- 

turen, 

Und ich kann yme das nit ver- 

turen. 

Das phert ist myn wille, der mich 

dreit 


[328*] Und auch alletzijt da bij ist be¬ 
reit 

10780 Als ein swin sich zu legen nyder 
Da das qwat ist, und sich nit rey- 

nigen wider. 

Es ist gestalt als ein swin stat 
Das das mule uff der erden hait. 
Da es liget, da leget es mich 

hien, 

10785 Und me in unsuber stede dan die 

reine sien. 

Durch es bin ich also gesolichet 
Und in dem qwade entreynet. 
Durch es bin ich also uffenclich, 
Noch unsuberer bin ich heyme- 

lich. 

10790 Dar umb drage ich ein gemalt 

gesichte, 

Das ich da mit decke myn heß- 

lich geschichte. 
Das gemalete gesicht heißet 

spotterie; 

Wanne ich werden alt da bie 
Und das ich bin entferwet 
10795 Odir auch werden gerontzelet, 
[329r] Glissen ich mich machen da mit 

wieder nature 

Und verstellen da mit myne 

figure. 

So machen ich mir eine heyme- 

liche kammer 
Vor alle die den weg hien gant, 
10800 Einen rechten myst an eyme 

eckehuse, 

Das ieclicher wer da kommet, 

nach siner wijse 
Mache sine unreynikeit’ 


10757. Orig.: Ponr ce qu’il n’est pas a di re. [10795.] Kustode unten auf Bl 328*: 

10763. Orig.: Et quier mucailles et cornes. glissen ich mich da. 

10786. is. 10796. machs eugeschr. 

10791. geschichte hint. geslr. gesichte. % 10800. das i in Einen in das E hineingeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Nachdem Unkeuschheit geendet, fallen die Weiber vereint über den Pilger her. 237 


‘Fy, fy!’ sprach ich, ‘du bist mir 

erleit, 

Dine geberde und auch dich: 

10805 Nu erkennen und gesehen ich, 
Wer mit dir sal reden, 

Das ist nit me dann ein ver- 

meren.’ 

‘Sicher’, hait sij geantwert da, 
‘Hettestu gesehen da 

10810 Den getzug den ich dran 

Und under myme rocke verborgen 

han, 

Were ich nit verirret sere, 

Du achtest mich mynner dan 

gestern mere 

[329*] Und hettest desta mynner rede 

mit mir.’ 

10815 ‘Zeuge mir die’, sprach ich zu ir, 
‘Und wie sij heißent, sage mir!’ 
‘Das eine’, sprach sij, ‘heißet ge- 

weldikeit, 

Das ander der unkuscheit mit 

sime gesiechte deit, 
Das dritte der jungfrauwen ent- 

blumonge, 

10820 Das vierde mit eins andern wibe 

umb gan; 

Von den andern das ist nit zu 

sagen, 

Dar umb laß dir da mit genügen. 


Nu verstant sij recht, obe du 

wilt, 

Und wisse das sij sorglichen sint! 

10825 Du salt sie yetz nit gesehen; 

Dan ich sij uffelich nit laßen 

sehen 

Und sij nit wijsen umb ire ge¬ 
stalt 

Wiedermachet und heßlich ver- 

stalt; 

Und doch konnent da mit treffen 

wol 

4 

10830 Ettliche wann sij müsse dar zu 

haben sal. 

[330r] jch slahen dich mit wo du nit 

fliehest 

Und balder dan Tigris enweg 

geest; 

Aber die wile dich Leckerie be- 

heldet, 

Din fliehen enfochte ich nit. 

10835 Von mir sal tu das han, 

Odir du must das leben hie lan 

Und salt fürbaß numme gaen.’ 

Da stach mich das aide wip 

Mit eyme strale an daz hertze, 
daz ich fiele uff mynen lip. 

10840 Leckerye halff ir gar sere dar zu, 

Mit dem halse sij mich nidertzog; 

Gridikeit und die andern alle 


10807. nit übergeschr. 

10829 f. Man erwartet ... kann ich da mit 
. . . wann ich muse haben sal. Das Orig. 
(10677/8) hat auch richtig: 

Et tontevoies bien ferir 
En sai ancuns, qnant ai laisir. 
h liest: vd doch so könnet etlich wol da mit 
slagg so sie müßig sint. 


10830. habe sal aus hant. 

10831. mit aus nit 

10832. trigris fälscht. Hs. Tigris nach 
Orig., h hat den Vergleich m. dem pfeilschnell 
dahinfließenden Tigris offenbar nicht verstanden 
u. deshalb den Vers fortgelassen. 

10839. strale üb. gestr. phile. 


vor 10838 Bild (80) mit Nebenschrift rechts: Wie leckerie, trakeit vnd verhertonge 
(üb. gestr. versteynonge) den pilgerin anköment über dem Bild in der Schrift der Korrekturen, 
aber rot durchstrichen wie glntenie (rot verbessert in leckerie) trakeit vnd v’steynonge den 
pillgeryn anköment. der Pilger stoischen den 3 Frauen am Boden liegend. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



238 


Seines Stabes beraubt bricht der Pilger in Klagen aus. 


Bewijsetent nit daz sij siech 

weren alle: 

Ye eine nach der andern mich 

slug 

[330*] Mit yren wappen, die sij dann 

drug. 

10846 Da wart mir myn stab genom¬ 
men, 

Aber myn sack wart mir nit 

entnommen. 

An dem versynnen gedachte ich 

wol, 

Obe sij mich zu dode hetten ge- 

slagen zumal. 

10850 Da ich also bekommert was, 

Nidergefallen, gewondet und ge- 

slagen in daz gras 

Und ich mynen stab hatte ver- 

lorn, 

Da mit ich plag uff zu stan ent- 

bom, 

Nie kein man wart, als ich 

wenen, 

10855 So gar erstöret, das ist aen feien. 

‘Ach’, sprach ich, ‘was dustü? 

Unseliger, truriger, war gestu 

nu? 

Nu bistu kommen an das ende 

din! 

War umb wurde du ye pilgerin? 

10860 War umb hastu ie keinen stab 

genommen 

Und bist des in diesem lande 

abekommen ? 

Is were dir besser du werest un- 

geborn 


[33 1 *] Odir aber du werest dot gebom. 

Wer sal dir ummerme geheißen, 
10865 Dir geraden odir dich besien? 

Du haist durch din dorheit ver- 

lorn 

Gots Gnade, dine gude frundynne 

ußerkorn! 

Ach Busse, Busse! 

War umb hait ye myn unmüße 
10870 So großen widerstant getaen 
Durch die dorn hecke zu gaen? 
Yetz werest du mir süße und 

lieplich, ' 

Hette ich so verre von dir nit 

gemachet mich 
Und das ich dir nit were so 

ferre 

10875 Odir du mir auch so fromde 

were. 

Dine rüden und dine leren, 

Din stechen und din dorne 
Werent mir yetzo ein salben 
Zu myme Unfälle allenthalben. 
10880 Ach wappen der ritterschaffte, 

Ich solde uch schone machen mit 

meisterschafft 

Als lange ich solde geleben, 
Mohte ich langer geleben! 

Mit uch was ich eins gecleidet 
10885 Und gar lieplich wol bereidet. 
Aber ach, ich unseliger hatte uch 

nit lange 

An getan und muste uch mit 

bedränge 

Gar kurtz ußdun und nider 

legen! 


10848. Orig.: A reconvrer bien (i) pensoient; 
h, durch unsere Ubers, beeinflusst: Mich dez zu 
erholn gedachte ich wol. 

10873. Hette ich aus hettestu. dir aus 
mir. mich üb. gestr. dich. 


10874. werre. 

10878. yetzo aus yetze. eine mit unter 
punktiertem Schluß-e. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Auf einmal hört er jedoch aus einer Wolke die reitende Stimme von Gottes Gnade. 239 


Davon ist mir sijt viel ubels ge- 

schegen, 

10890 Und yetzont aen uberdrag 

So bin ich uff den dot geslag. 

Ach sacramente der heiligen 

kirchen! 

Ich föchte das ich uwer nit viel 

me enrieche; 

Ich föchte daz ich uch umb suß 

entphangen habe, 

10895 Die wijle ich nu verlorn habe 

Mynen stab, durch den ich mich 

uffracht 

Wann daz ich dan nider gefallen 

was. 

Ach Jherusalem, die stat 

[ 332 r] D ar umb man mich uffgewecket 

hait 

10900 Zu dir zu gan, wie sol gheen dir 

ich 

Entschuldigen und verantwerten 

mich? 

Ich hatte dir geredt, da is mir 

wol gieng 

Und da ich mynen weg anefieng, 

Das ich wolde gan zu dir, da ich 

dich sach 

10905 In dem schonen Spiegel vor mym 

ungemach. 

Nu bin ich von den alden wiben 

uffgehalden, 

Nu bin ich geslagen und zur- 

spalden. 

In einre bösen stunde ich ver¬ 
irret bin, 


Ich fochten das ich dich nummer- 

me solle gesien. 

10910 Als ich mich also klagete 
Und myne Verlust ertzalete, 

[332’] Da sag ich vor mir einen wölken 
Nit hohe uff zu den wölken; 

Von dem mittendage er quam. 
10915 Davon ich eine stymme vernam, 
Die hinderte sich über mir 
Und beleih eine wijle bij mir. 
Aber ich nit sere dar uff enachte 
Umb die smertzen die ich hatte. 
10920 Ich was dot wol halber 

Und hatte wenig lebens in dem 

andern halben. 

Nu verstant, das uch Got wolle 

behüden, 

Wie ungerne Gots Gnade sich 

scheidet von lüden 
Den sij andermale geholffen hait, 
10925 Wann is yn missegangen hait, 
Und wie gerne sij yn auch hilffet 
Wann not sij dan begriffet! 

Uß dem wölken her abe qwam 
Eine stymme, von der ich ver¬ 
nam, 

[333r] Die sprach zu mir also: 

10931 ‘Wol uff, unseliger zage, und 

syst fro! 

Du haist zu viel lange gelegen, 
Du haist nit gewere, aber dir ist 

helffe not; 

Du bist ein böser ritter als dot! 
10935 Ich han dir dinen stab wider¬ 
bracht 


10889. geschegen üb. gestr. begegent. 
10905. my. 


10909. solle iibergeschr. 


vor 10910 Bild (81) mit Nebenschrift rechts: Wie gods gnade den pilgerin tröstet als 
er in dot sunde gefallen wz. Eine Rand reicht aus einer Wolke dem am Boden liegenden 
Pilger seinen Stab zurück. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



240 


Gottes Gnade reicht dem Pilger seinen Stab zurück, worauf er gerührt dankt. 


Dich wider uff zu heben von der 

undait. 

Verstant mich: ich reichen dir 

yn, 

Ich stellen dir yn wider und 

geben dir yn. 

Noch wil ich nit dinen dot, 

10940 Wie wol du unrecht gheen mir 

hast; 

Aber ich wil das du dich be- 

kerest, 

Das du dich besserst und lebest.’ 

Da ich die worte also verstunt, 

Da det ich myn äugen einwenig 

uff und gesach zu stunt 

10945 Eyne handt die da inne beslossen 

hatte 

Mynen stab und sij mir den 

* brachte. 

Ich meynete is were die selbe 

handt 

In der ich mynen stab zu erst« 

fant: 

[333«-] Es was auch die selbe. 

10950 Da sprach ich zu mir selber: 

‘A Got, soliche gude nuwe mere 

Han ich umb dich nit verdienet 

mer! 

Von dir ich nit wartende gewest 

bin 

Das du also soltest gedencken 

myn. 

10955 Yetze were ich zum dode kom¬ 
men 


Weres du mir nit zu helffe kom¬ 
men. 

Sijt das du mir mynen stab 

widergibest 

Und mir den durch dine mildi- 

keit reichest 

Und inn mynem smertzen 

sterckest mich 

10960 Und von dem dode zielest mich, 

Ha milde frauwe, Gots Genade, 

Ere und danck ich dir sage! 

Ich sehen wol das ich dir noch 

lieb bin, 

Sijt du nit zumale hast vergessen 

myn. 

10965 In großer not bist du bij mir ge¬ 
sessen 

Und mir zu helffen bereidt ge¬ 
wesen 

Wo is nit belibet an mir. 

[334 r] i c h we jß n it wo is herkommet 

dir 

Anders dan von dinre gütekeit; 

10970 Dan du haist an mir nit fonden 

dan lait. 

Ich han dyme rade wollen folgen 

nye, 

Dar umb muste mir billich ubels 

folgen ye. 

Mit zu gelachten henden bijden 

ich gnade 

Und mit schrien ich myne scholt 

sage. 

10975 Frauwe. ich wil mich besseren, 


10942. dich besserst üb. gestr. lebest und 
lebest über dich besserst. 

10943. ich üb. gestr. sij. y'stunt hint. 
gestr. gesprach. 

10944. gesach zu stüt üb. gestr. gesach. 

10945. Eyne handt übergeschr. inne üb. 
d. Z. hint. gestr. ich, das üb. getilgtes inn« 
geschr. war. 


Digitized by Google 


10946. sij übergeschr. 

10947. selbe üb. gestr. erste. handt aus 
hand. 

10954. vor myn Ansatz zu einem s (f)- 
10957. -gibest aus -gebest. 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gottes Gnade verweist den Pilger an Maria, den Karfunkel seines Stabes. 


241 


Bij myner seien ich dir das 

gereden, 

Hilff mir nit dan zu diesem male 
Und hude mich daz ich nit 

widerfalle zu dale! 
Hebe mich uff und richte mich! 
10980 Dann belibe ich lange also, daz 

besweret mich. 
Ich fliehen zu der hecken gelich 
Dann von dir helffe han ich. 

Wile du, mich dar furest, 

Wann du mir von hynnen ge- 

hilffest.’ 

10985 Da antwerte Gots Gnade uff das 

ziel: 

‘Ich wil dir sagen ein hübsches 

spiel: 

[Md «•] Wolde die die da ist eine al- 

muserynne 

Mich zu geben und eine ußgebe- 

rynne, 

So viel dun gegen myme vatter, 
10990 Der ir son ist, und sij sin mutter, 
Das er dich mir wolde wider¬ 
geben, 

Noch soldes du nit verderben, 
Noch qwemest du wol wider 
Zu Bussen, obe du woldes sieder. 
10995 Ich fürte dich dar froelich 

Und neme dir din lyden gelich.’ 
‘Wer ist’, sprach ich, ‘die frauwe 
Die dich uß zu geben ist ein 

frauwe ? 

Sij ist eine große frauwe, sijt 

daz sij ist uflgeberynne 
11000 Von dir und almuserynne.’ 

‘Sicher’, sprach sij, ‘du sagest 

waer, 

Und dar umb mustu han zwar 
Zum ersten frieden gheen ir 


10983. Wile aus wiltu. 

DeuUcbe Text« des Mittelalters. XXV. 


Und das du sij bidest gnaden dir. 

11005 Ich helffen dir, obe sij wilt; 

[335’-) Zu dinen noden kommen ich dir 

zu hulff; 

Dan ich han den willen noch, 

Als ich dir das han bewijset 

doch. 

Wer die frauwe ist, weistu das 

nit, 

lioio Große schände und gebrechen is 

an dir ist: 

Andermale hait sij dich ußge- 

haben 

Uß boßen wegen und auch uffge- 

haben. 

Sij ist der karfonckel und der 

knob 

Den da hait din hubscher stab. 

11015 Ich han dir von ir gesaiget 

andermal; 

Ein dor bistu, hastu is vergessen 

zu mal!’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich en- 

wiste nit 

Und enhüte mich auch dar vor 

nit 

Das ir rettent von der; 

11020 Dann ich waende ir rettent von 

einre ander, 

Die mir unbekentlich were, 

Die ich nie gesehen hette mere. 

Aber die wijle is ist myn kar¬ 
fonckel, 

[335«-] So wil ich gerne mynen mont 

uffdun 

11025 Und wil sij mit gudem hertzen 

bieden 

Und sprechen “ave, Maria!” mit 

sieden. 

Aber woldent ir mich wysen 


16 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




242 Gottes Gnade reicht dem Pilger eine Schrift mit Gebeten zu Maria (A. B. C). 


Und mich leren die wyse 
Wie ich sij bijden solde 
11030 Und auch erwerben ire hulde, 

So wolde ich is sere gerne dun.’ 
Da uß dem wölken sij mir gab 
Eine schrifft und zu mir sprach: 
‘Siech wie du sij bijden salt 
11035 In dieser und aller diner not; 
Wann is dir gut ist, als is 

yetzont lijt, 
Und du uß den alden wiben hen- 

den bist. 

Nu liese is balde uffenclich 
Und bijde sij andechteclich 
11040 Und ir geloben mit gudem her- 

tzen din 

Das du wolles ein gut pilgerin 

syn, 

Und das du nit da hin geyst 
[336 r] £) a du böse wege zu finden 

weyst.’ 

Nu sage ich uch daz ich uffdet 
11045 Die schrifft und uß den falden 

det 

Und is rechte wol besach 
Und da mit myn gebet sprach 
In gantzer maße und wyse 
Als die schrifft mich da wisete, 
11050 Als ich verstunt von ir 

Und Gots Gnade sagete mir. 

Die wijse der schrifft sollent ir 

hören, 

Wollent ir uwer -a-b-c- nit ver- 

doren; 

Lichtlich ir is wissen mogent 
11055 Zu sagen wan ir wollent: 


[.‘«ß«-] ‘An dich, der werlde Zuflucht. 
Erliche maget, ist myne flucht: 
Sere gar erschrocken ich was, 

Nu kann ich nit gedun bas; 

11060 An dich ich mich halde und 

sture. 

Hebe mich uff! ich bin gefallen 

sere, 

Mich hait myn widerwert uber- 

wonden. 

Die wijle ich dich nu han fonden, 
Sal ich mich wol zu dir ziehen, 
11065 Ee mir me leides beschiehe. 

Des ringens ist mir nit not¬ 
dürftig 

Wo du mir nit güttig 
Wilt zu helffe kommen, 

Als ich dan bin niderkommen. 
11070 Bin ich durch dich gestercket, 
Das han ich wol gemercket. 

Myn hertze was mir entwichen, 
Dar umb bin ich zu dir gewichen; 
Dan du bist des heiles ein porte. 
11075 Obe ich mich an dem orte 
[337r] übel han bewijset 

Und in dotliche sunde gewiset 
Und bin geirret in krommen 

wegen, 

Hoffen wil mich envegen 
11080 Und auch wiederstercken, 

Die wijle ich zu dir mercken 
Und dir myne sele brengen. 
Behalde sij: dan sij ist döt; 

In ir ist alles gut gedoet! 

11085 Crieg machent sij wider mich, 
Myne schände und scheme glich. 


11086. scheme glich durch Längsstrich getrennt . 


nach 11055 Bild (82) mit Nebenschrift rechts: wie der weller bidet vnser liebe frauwe 
andechteclich. über dein Bilde in der Schrift der Korrekturen , aber rot durchstrichen: wie der 
pilgeryn bidet die süsse magt marie. Maria, mit dem Jesuskinde auf einem Throne, streckt dem 
vor ihr knieenden Filger die Hand entgegen . 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Des Pilgers Marien- A. B. C. 


243 


Das ich vor dich nit getar 

kommen 

Durch mynen großen unfrommen. 
Verstenteniße der vertzwivelonge 
11090 Sij wider mich hanthaben dont; 
Umb das ich das wil wenden, 

So wil ich sij vor dich brengen 
Yn widerstant zu dun. 

[337•] Das wil ich dar zu dunde; 

11095 Dann is dar zu gehöret, 

Und vor dich altzumale gehöret 
Gnade und erbarmonge. 

Du bist frauwe der barmhertzi- 

keit, 

Durch die din son so gerne deit, 
11100 Und wilt auch daz du alletzijt 
Mit sinen luden vereyniget sijst. 
Durch dich kam uns friede und 

eynonge, 

Das was umb rechte verstöronge 
Der zweydracht sie abe zu dun; 
11105 Dar umb ich mich zu dir dun 
Und mich mit dir vereynigen 
Myn unreynikeit zu reinygen. 
Eine keiserynne, der werlde 

Ion, 

Die bistu so rechte schon. 

11110 Ich han hoffen gehabt zu dir, 

Das habest du zu dancke von 

mir, 

[338-] Und haist mich zu gnade ent- 

phangen 

Und haist mich auch gar lange 
Mit dem gude gespiset 
11115 Das von hymmel kam, und ge- 

wiset 

Myne sele, die da was dot. 

Owe, wann is kommet an die not 


Da das große gerichte wirt be¬ 
sessen, 

Bistu dann da nit gesessen 
11120 Vor mich, so werde ich übel an¬ 
gesehen ; 

Dann wirt man mir keins guden 

jehen. 

Fliehende ich wider kommen zu 

dime getzelde 

Mich zu verbergen vor dem ge- 

melde 

Das mich in der werlet hat be- 

rurt. 

11125 Umb myn sunde wolies nit sin 

von dannen gefurt! 
Mich zu huden wolles haben flijß! 
Zu myner not du bereidt sijst! 
Bin ich lange ein dier geweste, 
So wil ich beliben bij dir feste, 
[338-] Das ich diner gnade werde ge war. 
11131 Nu bijdde ich dich aber zwar 
Das du mich mit dynre mildikeit 

wolies dun an; 
Dann ich kein ander gulte noch 

kleider han. 

Gegrußet sistu, mutter und 

maget, 

11135 Die da nyemans hait versaget 
Und auch nie bitter wurde 
In hymmel, mere noch uff erde! 
Durch dine mildikeit bereide mich 
Und nit ly de daz din vader mich 
11140 Von yme wolle hien verstossen 
Und mich zu den boesen ge- 

noesseu! 

Wann ich üppig vor ym stan, 
Durch mich allein kann ich nit 

entgan: 


11096. altzumale gehöret durch Längsstrich 
getrennt . 

11099. deit = tete. 


11111. habest aus hast, 
daneben. 

11142. yn Hs., ym mit h. 


dancke aus 


16* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



244 


Des Pilgers Marien-A. D. C. 


Wo du nit wilt bij mich staen, 
11145 So mag ich nummer freude gehan. 
Himelsche konnigynne, 

Alle myne synne 

Sint zu dir geneiget sere; 

[339»] Dann myn Got und myn herre 
11150 Wolde durch sine wolgefellicheit 
Und durch sine mildikeit 
Hie mentsche werden, 

Das er sich uff diser erden 
Mit uns verbinden wolde. 

11155 Mit yrae wuhß in siner kintheit 
Gnade aen alles leyt; 

Dar umb ich hoffen zu yme han 
Das er mir sij nit solle versan: 
Ich solle ir noch einwenig ge¬ 
messen 

11160 Und mich in sine gnade sließen. 
Ich finden nit in keynen weg 
Da ich myn behelteniße so wol 

finden möge 

Als ich nach Gotte an dir dun. 
Wann ich hie usserwege dun, 
11165 Das ich balde zu wege komme, 
Dine gnade mir zu helffe kommet. 
Die sal mir geleide dun 
[339»] Und mir machen myne sune 
Mit dem konnige, dem sone din, 
11170 Das ich möge in syme hoffe sin 
Und das ich komme in den 

rechten weg 
Und nit berure den smalen steg. 

Kalender sind erluchtet 
Und ander bücher durchluchtet, 
11175 Wann du sij mit dime namen er- 

luchtes; 

Und vor missefal du sij zeiches 
Und die nu uff wege sint 
Zu dir umb ir artzetie zu finde. 


Zu mir wolles du geneiget sin; 
11180 Dan ich wil wider uff den weg 

din. 

Hilff das ich werde geartzet fyn! 
Nit ly de das der soen din 
Uß der scheiden duhe das swert 
Sins gotlichen gerichtes wert, 
11185 Das is werde an mir verkorn 
[340 r ] Das ich dar durch werde verlorn! 
Laß nit versmahen dich 
Myn gebet, das ich 
Nu zu dir dun: 

11190 Ich kan mich nit von dir gedun: 
Ich weiß mich nit zu wem anders 

dun 

Dann mich zu dir zu ziehen 
Und auch dinen son nit zu fliehen. 
Der auch von dir ist kommen. 
11195 Dar umb bin ich zu dir kommen 
Das du yn nit laßest schießen 

scharffen schoß. 

Wie wol ich bekenne daz myn 

sunde ist groß. 

Dar umb man mich wol mochte 

verstoßen. 

Aber wiltu, so bin ich der bloiß: 
11200 Durch dich wirt balde wider- 

getzogen 

Die krangheit die so nider ist 

gebogen. 

Moyses gesach in einre figure 
Das du Jhesum, dinen son, ent- 

finge dure: 

[340»] Einen boesch gesach er wider 

nature 

11205 Der da gar hübsch entbrante 
Und docli zu male nit verbrante. 
Das bistu, dar an bin ich nit be- 

drogen. 


11144. bij üb. schwarz gestr. vor. 11205. ent in entbrante zugeschr. 

11191. nit h, fehlt Us. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Bes Pilgers Marien-A. B. C. 


245 


Got ist das fure das bij dir wart 

getzogen, 

Und du der boesch der gleubigen 
11210 Yren brant zu messigen. 

Mit dem gesien, jungfrauwe fyn, 
Laß mich von dir entphangen sin 
Und duhe mir uß das cleit 
Der sere großen unreynikeit! 
11215 Nu laß mich gemessen, fur- 

stynne dieser weit, 
Das dir ist keine gelich getzelt 
Und das keine zweite ist; 

Dann du is alles alleine bist! 

Von dir kommet und in dir ist 

und sint 

11220 Alles das gut das wir han und in 

uns sint: 

Wir han keinen andern zu zoch, 
Dar umb du alle mentschen zu 

dir hoch 

[34i r ] Haist getzogen in dine gewalt, 
Dar uff sich der mentsche alleyn 

fiden muß und sal. 

11225 Is kann auch kein mentsche ge- 

schriben alle, 

Gesagen odir auch bedüden 
Noch auch gemalen mit keiner 

list 

Wie grondeloß dine gutte ist. 

0 liecht der nit sehenden 
11230 Und geware rüge der viel 

müden, 

Alles guden schatzhelderynne, 

Alle lüde wartent uff dich 
Die den rechten glauben hant 

sicherlich 


Und die zu dir hant gantzen 

glauben. 

11235 Du bist nie keime bitter gewest, 

als ich gleuben; 
Dann du nente dich kammeriere, 
Da zu dir qwam der große riese 

schiere. 

Nu bistu Godes cantzelerynne 
Und der gnaden alraoserynne 
11240 Und allen luden begirde 
[jü* 1 ] Und ein wol gefallen zierde. 
Porte der gnaden, ich han 

willen zu fragen 
Und zu wissen aen bagen 
Was Got qwam suechen 
11245 Das er sich wolte in dich sließen. 
Er wart in dir als worm in der 

erden: 

Ich meynen nit das is were von 

krieges wegen 
Odir mich hie niden zu begraben 

in der erden. 

Frauwe, fülestu mich nu irren, 
11250 Mit wappen dar man mich nit 

beslaen, 

Sonder allein yn zu ruffen an, 
Wann er umb mich kommen ist 

sich zu begraben. 
Wilt er is nit vor übel haben, 
Sine hulde mag ich noch wol 

haben. 

11255 Qwam er uff dise erde in der 

achte, 

Da ich mich dar na bedachte 
Das ich dich und yn ertzurnet 

hatte 


11217. Vor keine ist nit u. vor ist: bist 11255 zwischengeschr., um ein Q ah An¬ 
schwarz gestr. fangsbuchstaben des Liedes zu haben. 

[11222.] Kustode unten auf Bl. 340 »: haist 11256. Da Amt. gestr. Da m. ausgezeich- 
getzogen in. netem D. na bedachte korr. aus nach durch 

11225. alle zugeschr. bedacht hatte. 

11246. das zweite in «6. schwarz gestr. vö. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


246 


Des Pilgers Marien-A. B. C. 


Und daz myn leben waz zu böse 

gekörten 

Und das große sunde mich störten 

11260 Und das is gestern böse was und 

böser hude, 

[ 342 ']Zu stont ruff mir wider lüde! 

Frauwe, maget werde, so ich zu 

dir fliehen, 

So wolies mich zu dir ziehen. 

War sal ich anders dann in myn 

gewist fliehen? 

11265 So keyn gut sich wil zu mir 

nigen 

Und bin böse ee ich ringe, 

So ist mir der verdrieß vaste 

umberynge. 

Rechte und wol straffe mich, 

Mütter und maget! dan ich be¬ 
sorgen mich 

11270 Das ich nit durffe erbeiden 

Myns vaders straeffen aen ar- 

beyden; 

Dan sin straffen so hart griffet, 

Und nicht vor yme ungestraffet 

belibet 

Wann er wilt straffonge dun. 

11275 Das machet mich sere fochten 

dun, 

Dan ich han übel gelebet 

Und han myn leben gebosert. 

Zu dir sal das gerichte staen: 

So ich dine gnade raffen an, 

[ 342 ’] Dann salt du die salbe han. 

11281 Sist mir gnedig, mutter und 

maget, 

Myne swerde sij dir geclaget! 


Aen dich mag niemans icht han, 
Aen dich din soen nit geben kan; 

11285 Dann er hat dich gemacht 

meisterynne über al. 
Wann du wilt, so vergibet er 

alle: 

Durch dich ist das gerichte be¬ 
stalt; 

Dann du haist alle gewalt, 

Du bist dar ane meygerynne. 

11290 Es enist keine furstynne 
Noch auch keine konigynne 
Durch die er sin recht me hin 

stelle. 

Behude uns vor der helle; 

Dann du bist dieser weit 

regiererynne 

11295 Und des hiemels ordeniererynne. 

Tempel heiliger, da Jhesus inne 

wonete, 

Dem die heymelich sint die da 

erb ent, 

Wann ich nu enterbet bin, 

Dar umb ich her zu dir kommen 

bin, 

11300 Das du mich erbest mit dir 
Durch die gnade die dir 
Din eingeborn son hat getaen! 
Obe ich mich wol beflecket han 
Mit den dornen der boßheit, 

11305 Das rawet mich sere in warheit: 
Dar zu hait mich die sele er¬ 
wecket, 

Die noch einßdeils da mit ist be¬ 
flecket. 

Uff dich han ich sere gebuwen: 


11258. gekörten üb. gestr. ge...ten. 11267. vaste übergeschr. 

11261. ruff = ruff ich. 11270. das 8 in Das gestr. u. ein n uber- 

11262. so übergeschr. geschr., nachher aber dieses n xoieder getilgt. 

11265 korr. aus So ich das gut zu viel wil 11279. ich üb. gestr. man. Raffen aus 
fliehen. Raffet. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Des Pilgers Marien - A. B. C. 


247 


Laß mich diner grossen truwen 
11310 Gemessen, frauwe von hoher art! 

Nit laß daz sloß und den torn 

hart 

Des paradises vor mir beslossen 

sin, 

Sonder laß mich dar uff und dar 

in! 

Nit kere dich von mir hien! 

11315 Dann in noeden bist du myn 

schryn. 

Hilff mir, nit wolies lange sin 
[?«'] Qdir setze mir einen dag da hien 

Da dine gnade gibt grossen 

schyn! 

Xpc, din son, der her abe 

kommen ist 

11320 Uff erde und an daz cruce ge¬ 
hangen ist 

Und durch mich sine sijtte uff- 

gedaen hat 

Und sine große krafft ubergeben 

hat 

Und vor mich sinen geist hat uff- 

geben 

An dem cruce hangende und sin 

leben 

11325 Auch dar an hait gestrecket, 

Durch mich sin blut hait er¬ 
wecket : 

Das han ich alles wol verstanden 

Das er sichs umb myn heil hat 

underwonden. 

Wann ich yn nu ertzurnet han 
11330 Und yme sins lidens nit ge- 

dancket han, 

11321. hat üb. gestr. ist 

11322. Vor abergeben ist hait gestr. u. da¬ 
hinter hat zugeschr. 

11324. sin leben üb. gestr. gestrecket. 

11325 zwischengeschr. 

11331. ob ich übergeschr. 


Gnade ich dich bijden, ob ich 

kann: 

Ere und lop ich yme gesaget han. 

Ysaack betzeichente das, 

Der uff sinen dot nit achte bas 
11335 Synem vatter gehorsam zu sin: 

Als ein lamp lies er is sin, 

[344 r] Albeydende leit er den dot sin. 

0 erliche maget und mutter, 

Duhe durch dinen son den guten, 
11340 Obe ich verlorn han myner seien 

hüte 

Und in myme harten hertzen nit 

han die wele, 
So schaffe daz dine gnade mir er- 

schynen welle 

Follenclich! dann sij ist alleine 

dyne; 

Dan er hat sij dir geben nach 

dem willen din. 

11345 Zacharias und dieser myn 

draum 

Hant mich erwecket und geladen 

samme 

Das ich von dir gnade erbeiden 

solle. 

Uffenclicher born ich dich nennen 

solle, 

Alle sündige mentschen 
11350 Dar uß schone zu weschen: 

Das ist eine letze gut zu wissen. 
Und du is wilt in dime milden 

hertzen wissen, 
So kann ich doch nit wol ge¬ 
wissen 

Obe myne scholt desta kleiner sy 

11340. myne aus myne. hüte zugeschr. 
11342. erechynß aus erschyne. welle 
zugeschr. 

11345. Orig.: Zacharie de mon somme me 
excite. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


248 Nach dem Gebet richtet sich der Pilger an seinem zurückerhaltenen Stabe auf. 


11355 Von den die den appel hant 

gessen hy. 

[344 »] Verstant dar zu mich zu weschen, 
Mich zu huden und zu schirmen, 
Daz mich daz gerichte nit wolle 

verderben! 

Hette ich ethicorum daz büch 

gelesen, 

11360 Behalden und auch uberlesen 

Und das ich dar nach nit arbeite, 
So were ich zu male verleite 
Als der der zu male gefallen ist 
In ein garn und dar nach in sin 

netze. 

11365 Maget, myne sele ruffet zu letze 
Und spricht: “owe”; sij ist 

muede, 

Dann sij dich zu bijden sich ver- 

müdet 

Und dut nit so viel als ir gebürt 
Umb das ich dich und yn han 

ertzurt. 

11370 Es ist klein daz ich geen dir 

süchen; 

Dann ich muß dich zu bijden ge- 

rüchen: 

Hilff das is nit umb sust geschie 
Und daz ich nit umb suß dich an 

schrie! 

Ich globen dir besseronge 

[345r] Und der auch aen lugen ubonge 

11376 Und setzen dir des zu phande 
Myne sele vor alle schände 
Und bijden dich uff daz leste, 
Wann is kommet an myn lestes, 

11380 Das dü mir wolies feien nichte 


Und siest vor mich an dem ge¬ 
richte, 

Uff das ich erblich 
Besitze das leben ewenclich. 

Amen. ’ 


Da ich also mit synne 



ußgeberynne 

Der gnaden, huff ich myn handt 

uff hoch 

Und mynen stab ich zu mir zoch. 

Gnade, als ich uch vor han 

ertzalt, 

Gab mir yn von yrer guten ge- 

walt. 

11390 Do ich yn hatte, zu Gnaden 

sprach ich do: 

‘Yetzet duncket mich, frauwe, 

also, 

Wann ir mir also helffen wollent, 
[345 «•] Das ich balde wider uff stan solle 

Und bin gar balde erneret 
11395 Wann ir mich mit uwer salbe 

smeret 

Ich weiß das myn karfonckel 

Erluchtet hait das donckel 

Da inne ich bin gewesen. 

Die ledickeit uch ist gegeben 
11400 Zu helffen den ir wollent eben, 

Wie wol das ich dotwont bin. 

Entschuldiget mogent ir nit wol 

sin: 

Ir sient eine ußgeberynne 

Und dar zu eine almuserynne. 
11405 Sy wilt das yn allen gedeilet 

werde 


11355. hy zugeschr. 

11359. dz buch übergeschr. 

11361. vor nach gestr. n. 

11379. lestes wohl aus bestes, 1 auf Rasur. 
11386. hädt aus hfitt (?). 


11398. ich bin aus ir sint. 

11399. Die aus Das. 

11401. ich —bin üb. gestr. sij —sint. 

11402. vor entschuldiget (aus entschuldigen) 
gestr. uch. wol sin zugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Den alten Weibern entkommen, sott er jetzt ein Bad im Wasser eines Felsens nehmen. 249 


Und zu almuse gegeben werde, 

Und das uwer niemans bresten 

habe 

Und uwern guden willen habe, 

Also das er von uch lielffe habe; 

11410 Das stet nit an yme, dann an 

uch. 

l*W r l Helffent mir! sij hilffet mir auch: 

Ich sturen mich daran und han 
mich dar uff gelieden auch.’ 

Also reichete Gots Gnade mir 

eine handt da 

Und sprach zu mir also: 

11415 ‘Die wijle du so groß getruwen 

hast zu mir, 

So wil ich auch helffen dir: 

Reich her den finger und griff 

dinen stab 

Und stant uff, du dich dar an 

hab! 

Nu hüde dich, nit drug mich! 

11420 Umb suß du den finger reichest 

bij mich 

Wo uff zu staen dir nit hulffe 

ich.’ 

Da reichete ich ir den finger myn 

Und erwuschete auch den stab 

myn. 

Ich arbeyte und so sere behalff 

mich 

11425 Das von den alden wiben qwam 

ich. 


Sy waren uberwonden und er- 

feret da: 

Yecliche gienge in ire heymwise 

da. 

Aber ich sag sij dar nach aber 

me 

■■] Und daden mir dannoch kommers 

me. 

11430 Ja, und spreche ich allen dag, 

Ich wene daz ich dar an nit 

liegen mag. 

Da wijsete mich Gots Gnade 

einen felß groß 

An einem ende, das was hoch. 

Ein äuge uff dem felse, daz was 

auch gros, 

11435 Dar uß viel wassere flos 

In eine buden die dar understunt: 

Das entfieng alles daz dar in kam 

zu stunt. 

‘Sihestu’, sprach sij, ‘die 

bilden?’ 

‘Ja’, sprach ich. — ‘Da inne saltu 

baden 

11440 Und da inne saltu heylen 

Dine wonden, dich weschen und 

bereyden.’ 

[347 r ] ‘Nu sagent mir’, sprach ich zu ir, 

‘Wannen kommet daz wasser dar, 

bijden ich uch sere. 

Das äuge das ich gesien, erferet 

mich gar sere 


11411. Helffent mir sij hilffet üb. gestr. Sij 
wil mir helffen helffent. 

11412. auch eugeschr. 

11413. handt aus hant 
11417. stab aus stabe. 


11418. hab aus habe. 

11427. heymwise = heiinwist. 

11433. Au üb. gestr. vnd. eine aus ein. 
hinter ende gestr. da bij. 

11434. dz u. auch übergeschr. 


vor 11438 Bild (83) mit Nebenschrifl rechts: wie gods gnade wiset den weller zu 
baden in dem wasser des felBes. Aus einem Becken, in welches ein großes Auge Wasser ergießt, 
schlagen Flammen empor. Fels nicht dargestellt. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



250 


Der Pilger glaubt nicht genug Wasser (Tränen der Reue) tu haben. 


11445 Und das wasser das dar uß get.’ 

‘Nu verstaut’, sprach sij, ‘ein- 

wenichet 

Und halt din ore her bij mich 

Und verstant eben waz sagen 

ich! 

Der felß den du gesihst da, 

11450 Der ist das hertze des der da 

Ist bestalt recht als der dyne, 

Der do hat gelaßen den guden 

weg syn, 

Den weg des heiles, und ist gar 

verhertet 

Als der felß und unverwartet 
11455 Und uß siner irronge ist wider¬ 
kommen. 

Nu sage ich dir: wann ich han 

abe genommen 

Und yn ettwie lange in sunden 

verlaßen, 

Ettwann beduret mich sin 

Und daz ich zu yme keren daz 

äuge myn, 

11460 Das ich yn dun sich bekeren und 

wenden, 

[ 347 ”] Das er sich und sine dat wil er¬ 
kennen. 

Und wann er wol hait besehen 

Sine hertikeit und hat sime 

hertzen verjehen, 

Balde fahet er an zu schrien, 
11465 Zu truren und wasser zu sijgen. 


Ein born wurde gerne da 
Das zu weichen, mochte er is 

follenbringen da. 
Aber umb das er des nit enkann 
Und uff das sij nit wil verlom 

han 

11470 Yre arbeit, so hait sij dar ander 

gesatzt 

Die buden, die hait sij da mide 

genatzt. 

Sij wil nit daz verlorn werden 
Die trehen gespreidet uff der 

erden. 

Sij sint gut zu machen das badt 

11475 Dem der solichen gebresten hait. 
Es ist der zweite dauff, 

Da mit Busse dut iren lauff 
Und da mit sij wol gemachen kan 
Yre laüge und da mit buchen 

kan. 

[ 348 ”] Da inne wart gebadet und ge- 

hitzet 

11481 Die Magdalene zu zijden und ent- 

hitzet. 

Sant Petter badete sich auch dar 

inne 

Und det das mit großem synne, 
Und die Maria Egipcian 

11485 Und viel andern da ich nit sagen 

van. 

Zu Bussen, hettestu gewollet, 

Du gesaget hettes obe du wolles. 


11451. bestalt übergcschr. der aus du. 
dyne zugeschr. 

11452. den gude weg syn zugeschr. statt 
gestr. nu. 

11455. ist] l. nit? R. 

11456. Aach wann steht wan ich han abe 
üb. gestr. du hast gelaßen. genömS zugeschr. 
11457. yn ettwie üb. gestr. is so. 

11458. vor sin gestr. n. 

11459. Mißverständnis; Orig. (11264/66): 


. . . son eul devers li 
Li fais convertir et toumer 
Pour soi, quel s’est fait, regarder. 
11460. sich hinter dun übergeschr. w. hint. 
vnd gestr. 

11468. er üb. gestr. sij. 

11486/-. Orig. (11289/90): 

A Penit&nce, se vousis, 

L’ouis dire, quant la veis; 
h: Zu büßen woist gan sagen wan du sie gesiest. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gottes Gnade schlägt mit einer Rute noch mehr aus dem Felsen (Hers des Sünders). 251 


Und dar urab, wiltu gesont sin 

Und auch da bynnen geweschen 

fin, 

11490 So mustu han diese reynionge.’ 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich wolde 

daz uwer meynonge 

Were mich biß dar zu füren, 

So wolde ich gerne dar zu stören: 

Aen uch dede ich nuschit da.’ 

11495 Sij sprach: ‘is gefellet mir wol 

also; 

Gang vor! du findest mich da, 

Du kanst nit so balde gewesen 

da.’ 

Nu sage ich uch: ich gieng dar 

alda 

[348»] Fuß vor fuß und fant sij doch da, 

11500 Aber sij was under dem wölken 

gehelet 

Als vor und auch verdecket. 

Da ich dar qwam, die buden ge- 

sag ich bas 

Und gesach das sij nit halber 

folle was. 

‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich han 

nit genug 

11505 Wassers daz ich mich mit gudem 

gefug 

Dar inne möge geweschen; 

Es ist auch zu wenig dar inne 

zu baden.’ 

Da senckete Gottes Gnade baß 

nider 

Eine rüde die sij hatte bij ir. 

11510 Ich enweiß nit wo sij die hette 

genommen 


Odir wannen sij ir were kommen; 

Ich hatte sij bij ir nit me ge¬ 
sehen, 

Dar umb muste is mich wonder 

nemen. 

Ich gedachte is were die rüde 

Moysi, 

11515 Da mit er in der wustenij 

Die steine sing, daz sij wasser 

gabent, 

Da durch die kinder von Israhel 

iren durst begabent; 

[349 *•] Und is was sij auch gewerlich, 

Als ich das gesach clerlich. 

11520 Mit der rüden sij da slug 

Den felß und gab wassers gnug; 

In das bütgin das da under stunt, 

Dar in lieff das glich zu stunt. 

Doch nam is sinen umbganck, 

11525 Das is durch daz äuge davon ich 

sagte, ußdranck. 

‘Nu hast du’, sprach sij, ‘wassers 

din gefug, 

Obe du wilt, dich zu weschen 

genug. 

Gang dar in und wesch dich da 

inne; 

Dann ich han dir is bereidt mit 

synne, 

11530 Ich han dir is lewelecht ge- 

machet. 

Sitze dar inne bis an dine 

backen, 

So wirt dir daz weschen gut!’ 

Dar in gieng ich zu stunt in dem 

mut 


11489. da übergeschr. vor geweschen 11500. dem aus den. 
schwarz gestr. sin. 11502. hint. Da ein Buchstabe ausradiert. 

11491. uwer üb. gestr. myn. ich vor gessig gestr. u. dahinter übergeschr. 

11492. hint. füren gestr. lan. 11510. enweiß nit n. Orig. m. h statt weiß. 

11493. zu sturen Ersatz für schwarz gestr. 

gan. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




252 


Indessen der Pilger verbleibt nicht lange genug im stärkenden Bade. 


Und wüsche mich und badete ge¬ 
nug. 

11535 Is hette mich über alle ge- 

weschen schon 

Mochte ich is anders genug ge- 

lieden han; 

[.?w r ] Aber ich gienge balde dar van, 

Wan ich was solichs badens nit 

gewan; 

Ich gleich nit dem Davidt, 

11540 Der da sprach daz er alle nacht 

zijt 

Yme uß sinen trehen machte ein 

bat. 

Und die in sin bette gespreidet 

hat. 

Da ich also von dem bade uß- 

gangen was, 

Gots Gnade sprach: ‘wenest du 

das 

11545 Das du also balde genesen siest? 

Nein zwar, nit gleube daz du so 

balde siest! 

Soltestu dich nu han gelacht 

In dorne odir nesseln nacket be¬ 
dacht, 

Das du doch wol verdienet haist 

gehat, 

[350 r ] Wie hettestu das erlieden gehabt, 

11551 Das du einwenig Wassers geliden 

nit 

Magst, da an dine gesontheit lyt, 

Dar an du dich erfrauwen moch- 

tes? 

Und du auch zu lyden nit en- 

dochtes 


11555 Der hecke die du hast vor ge¬ 
sehen ; 

Das wil ich dir wol jehen 

Das du sij me dometer findest 

Und auch me krudelicher be¬ 
findest, 

Unglich als du zum ersten hast 

getan, 

11560 Daz du dich nit magst einwenig 

gelieden han 

Zu baden, als ich dir hatte ge- 

tzielt! 

Nu gang und duhe als du wilt! 

Ich wil besehen wie starck du 

siest 

Mit dem remenant den du noch 

vor dir hest, 

11565 Als du vor bist gewest. 

Ein gut ritter, wan der verwen¬ 
det ist 

Und yn der geschichte wol ent- 

brant ist, 

[350»] So ist er viel starckers müdes 

Und me ritterlichen hüdens. 

11570 Dustu nu auch also, 

So wil ich des auch wesen frohe 

Und dir desta lieber helffen. 

Dar umb so wolles dich behelffen; 

Aber doch uff dis male nit me 

11575 Sihst du mich; dan ich enweg gee. 

Ich wil gesehen was du wolles 

dun 

Und welichen weg du nu wolles 

gan.’ 

Da ich horte daz sij also sagte 

zu mir 


11568. das zweite r in starckers übergeschr. 11575. hi nt. mich schwarz gestr. u. unter¬ 
punktiertes nüme. 


vor 11538 Bild (Si) mit Nebenschrift rechts: Wie sich der weller Badet. Der Pilger 
sitzt im Becken, hält aber in der liechten Pilgerstab und Sack. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Gottes Gnade scheidet von ihm. Er geht neuen Gefahren entgegen (4. Teil der Erzählung). 253 


Und das sij auch also det den 

willen ir, 

11580 Trurig ich wart und halp ver- 

lom hu. 

‘Ach Got!’ sprach ich, ‘was 

dustu nu? 

Ach jo, unseliger, a jo! 

Ach aber, du truriger, war saltu 

gen? 

War saltu so du nit weist wo 

hien? 

11585 Wo sal ich mynen weg nemen? 

[351 r ] Ich meynen nit das ye kein pil¬ 
gerin 

So sere geirrete als ich verirret 

bin. 

Ach lieber herre Got, hilff mir! 

Du bist der oberste knop mir 

11590 An myme stabe; ich ruff dich an 

Und bijden uch daz ich in uch 

gesehen möge an 

Wo myn weg ist und wie ich 

hin möge gan. 

Heiliger karfonckel luchtende, 

Davon myn stab also wol luchtet. 

11595 Erluchte mich: war sal ich gan? 

Du bist der knop dar an ich viel 

han 


Sicherheit und gut getruwen, 

Und han von mynen kintdagen 

uff dich gebuwen. 
An dich halden ich mich und 

stüren: 

11600 Hilffest du mir nit, so bin ich 

verlor n.’ 

Als ich mich also klagette 
Und sij bat und mich erclagete, 
Ich bedachte mich uff weliche 

sijtte 

[351'] Ich hette gelassen die hecke wijt. 

11605 Mit snellen gedachte ich zu gan, 
Wie wol ich doch wenig odir 

nust wiste wo hien gan. 
Balde genug hub ich mich uff 

den weg, 

Aber mynen dagen ich nit endet; 
Dann ich fant vil hinderongen 

hie. 

11610 Und wollent ir hören wie, 

So komment wider uff ander 

dagen, 

So wil ich ein gedencken han 

und is uch dan sagen. 
Hie hat das dritte buche ein 

ende: 

Got alle ubels von uns wende! 


Hie vahet daz vierde buch an. 

[352 r ] Nu horent hie wie große Gar viel hinderongen fant, und 

11616 Ich in myme wege, der mich nit me 

duchte groß, Sage ich uch daz mich berurte me; 

11580. hint. halp gestr. vmbe (?). vor halp 11592. möge vor gan übtrgeschr. u. dahinter 

ein zu streichendes ist. Orig . (11375): Dolent gestr. 

deving et esperdu; h: da wart ich trurig und 11G07. vor mich gestr . mich, 

verlaßen. 11608.. Orig.: Mes pas ma journee ne fis. 

11591. an zugeschr. _ 

über der Überschrift des 4. Buches Bleistiftumriß eines Bildes: links der Tilger , rechts 
das Meer, auf dem folgenden Bilde dieselbe Situation, die deshalb hier keine Ausführung 
gefunden hat. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




254 Er kommt an ein stürmisches Meer, in dem Männer und Frauen umher schwimmen. 


Dann in bergen und in dalen 
11620 Sach ich viel die mir missefallen 
Waren, Sachen von manicher- 

hande gestalt. 
Sij waren wonderlich und grulich 

verstalt, 

Davon nummer ende wurde 
Wann ich is uch ertzalen wurde. 
11625 Und also mochte is mich ver- 

driessen 

Und auch die ich is hören liesse. 
Nu sage ich uch, als ich also 

gieng 

Einen weg den ich angefieng, 

Vor mir fant ich ein mere, 

11630 Da ich viel hatte zu sehen sere. 
[352 •] Vol ungewidders was is sere 
Von großen lunten und gewyndet 

sere. 

Manne und frauwen da inne 

warent, 

Die alle angetan da inne swam- 

ment. 

11635 Die eine hatten die füße wider¬ 
berg über sich, 
Nit me von yn gesach ich; 

Die andern waren gelich uffrecht, 
Die in den kleidem swommen 

recht. 

Auch warent ettliche me da 
11640 Der einßdeils hatten flugel da, 
Und scheyn daz sij solden fliegen 
[353»-] Wo das mere sij nit wolde be- 

driegen. 


Ettliche sach ich in dem mere 

Mit den fußen gebonden sere 
11645 Mit langen krudern, die da inne 

waren 

Und yn faste schaden daden. 

Ettliche sach ich mit verbonden 

äugen 

Und andern die sich nit viel 

frauwen 

Und waren auch verstalt wonder¬ 
lich, 

11650 Des nu einßdeils geswigen ich. 

Da ich soliche Sachen gesach, 

Gröblich ich aber erschrocken 

was. 

‘Herre Got’, sprach ich, ‘was ist 

dis? 

Nie me han ich solichs gewist: 
11655 Soliche mere in myme lande nit 

sint 

Noch soliche fische, als mich 

duncket. 

Nu sehen ich wol daz ich nit 

fürbaß kan gan; 

Dann ich muß wider umb gaen 

Odir aber muß beliben hie 
[353*1 Und uwer gnaden beiden hie. 
11661 Laße ich mich dar in, so bin ich 

erdroncken; 

Gheen ich uff eine sijtte, so bin 

ich geirret sere 

Wo ich nit yemands finde 

An dem ich icht gudes ent- 

finde. 


11630. sere Amt. schwarz gestr. mere. 11643. in dem mere üb. gcstr. gehindert 

11633. n. Mäne ein Buchstabe (n) wegradiert, sere. 

11641. scheyn dz üb. gestr. bedachte. 11651. vor sache gestr . verlorn. 

[11641.] Kustode unten auf Bl. 352*: wo 
das mere sij. 

vor 11631 Bild (85) mit Überschrift: Wie der weller vff das mere körnet, das Meer 
in der rechten unteren Ecke als grüne Fläche dargestellt, darin 3 schwimmende Menschen, nur 
in schwadien Umrissen angedeutet. [S. das Faksimile am SdUusse des Bandes.] 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Entsetzt sieht er auch ein schwarzes Ungeheuer (Teufel) mit einem Netz darin. 255 


11665 Ich weiß nit, herre Got, was ich 

duhe 

Wo dine Gnade mir nit helfe 

duhet.’ 

Doch bedachte ich mich 
In mir selbs und gedachte ich, 
Wo ich bliebe da, 

11670 Daz ich nit mochte gewynnen da. 
Des umbkerens ich sicher was, 
Wie wol is noch mynner myn 

gewynne was. 

‘Uff den staden wil ich gan, 

Zu besehen obe ich mochte fon- 

den han 

11675 Schiff odir auch nachen, 

Da mit ich mich mochte über 

gemachen 

Und aen leit mochte uberkom¬ 
men.’ 

[&* r l Uff den weg lachte ich mich mit 

frommen 

Und gieng neben dem mere dar 
11680 Uff dem staden her und dar 
Und gieng doch nit ferre weges. 
Was sach ich, liebe lüde? wollet 

uch segen! 

Ein hesselich dier: alle die is 

hetten 

Gesehen und beschauwet recht, 
11685 Sij wurden nummer me sicher, 
Wan is zu sagen nit endochte. 
Umb daz myn sele is fochtet 
So sij an is gedencket, nach der 

gestalt. 

11686 zwischengeschr. 

11687. hint. Vmb gestr. mich ich is sage 
dan. daz einzufiigen, sonst wäre Umb in 
Dann zu ändern. 

11692. is üb. schwarz gestr. sij. 


Das dier waz so hesselich und 

ungestalt 

11690 Das ich von dem sagen er¬ 
schrecken sere 

Wo ich viel davon rette mere. 

Ich han bestalt daz is her nach 

gemalet werde 

Und auch eigenclich getzeichent 

werde, 

Uff das, wer wilt, daz der is ge- 

sehe; 

11695 Dan ich is anders nit wol uß- 

gerichten möge. 

Doch so ril ich uch davon 

sagen: 

Ich sach is in dem mere gan 

fische fahen. 

[354*] Sine angelen hatte es geworfen 

dar inn, 

Das schydt hielt es in den hen- 

den sin. 

11700 Ein horn hatte es an syme halse 

Und ein gebunt stricke umb sime 

halse; 

Und flyehende netze hatte es ge¬ 
rächt 

Tuschen das mere under die wöl¬ 
ken gelacht. 

Da es mich gesach kommen, 

11705 Da fieng is an und bliese zu 

frommen, 

Und mit ungestummekeit 

Hub is an zu richten sin geleidt 

Und sine stricke in mynen weg, 

11696. wil Hs., vil im Anschluß an das 

Original und h. 

11701. stricke üb. gestr. s...e. 

11703. Tusche üb. gestr. vff. 

11708. Vnd üb. gestr. In. 


vor 11704 Bild (86) mit Nebenschrift rechts: Wie der dafei fischet in dem mere. der 
Teufel als schwarzes gehörntes Ungeheuer mit gelben Fliigeln. Er steht mit einem Netz im Meere, 
das wieder als grüne Fläche dargestellt ist. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



256 Auf ein Signal des Teufels tritt dem Pilger ein scheles altes Weib (Ketzerei) entgegen. 


Uff das ich yrne nit entliefe en- 

weg. 

11710 Da ich sach soliche gereitschafft, 

Do wart ich mit schrecken sere 

behafft; 

[355 r ] Dann ich sach wol, gienge ich 

do liien, 

Daz ich behalden wurde von 

yme. 

‘Lieber Got’, sprach ich, ‘waz 

sal ich anefan? 

11715 Ich finden bösen weg, war sal 

ich gan? 

Von diesem pletze ich nummer 

kommen kann 

Wo ich von uwer Gnaden nit 

helfe han.’ 

In dem wesen also 

Sag ich die ander sijtte kommen 

do 

11720 Ein altwip, das wolde lauffen. 

Eine welle holtzes zu verkauffen 

Sij uff yrem halse drug 

Und gieng hindersich balde 

genug 

Twergs und sach mich an liinder 

sich; 

11725 Dann sij was schele, duchte mich. 

[355*] ‘Her’, sprach sij, da sij nahe 

bij mir was, 

‘Sicher balde!’ ‘wer bist du das?’ 

Sprach ich, ‘wem sal ich sichern 

nu?’ 

Sij sprach: ‘ich bin uff gudem 

wege nu 


11730 Zu halden und zu kommern sint 

Alle die zu pherde odir zu fuße 

sint. 

Ich heißen Ketzerige die schele. 

Und so balde ich hören daz horn 

helle 

Das myn vatter dan bleset, 

11735 So komme ich, myn wille das nit 

lesset, 

Uff zu halden und zu hindern die 

pilgerin 

Und yn zu nemen die secke sin. 

Secke hassen ich vor alle Sachen, 

Des muß ich dich wise machen; 

11740 Den dinen wil ich dir nemen, 

Obe ich kann, und den zerrissen 

eben. 

An den schellen sehen ich schlifft 

Die nach myme gesichte nit 

recht geschrieben ist.’ 

[35Gr] ‘Swig’, sprach ich, ‘verfluchtes 

altwip! 

11745 Die schrifft ist recht geschrieben 

uff mynen lip, 

Aber du sijhst sij nit recht an. 

Mit schelen äugen sihestu sij 

ubertwerg an. 

Das gesichte mag nit sin ge¬ 
recht.’ 

‘Das schadt nit’, sprach sij, ‘ich 

wil siecht, 

11750 Nach dem ich mit den äugen 

sehen, 

Die schrifft corrigieren und 

straffen 


11724. mich an übergeschr. 11747. sij u. an zugeschr. 

11726. sij nahe bij mir üb. gestr. ich ge- 11749. siecht zugeschr. 
fangen. 11750. «. sehen zu streichendes wil. 

11744. ich üb. gestr. is. 

nach 11725 Bild ( 87) mit Nebenschrift rechts: Ketzerie feilet den weller an. Ein altes 
Weib mit einem Bund Holz auf der linken Schulter redet zu dem Pilger. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ketzerei wird rom Tilger vertrieben. 


257 


Odir sij zerrijßen laßen. 

Als du sijhst daz ich hinder mich 

gan 

Und mir die ferssen vor sich 

stan, 

11755 Und das ich den andern nit 

nachgan, 

Also gesehen ich auch nit 

Als die andern zu der schrifft. 

Ich werden des noch gebrant, 

gleube ich, 

Und in ein fure gelacht sicher¬ 
lich. 

11760 Dar umb drage ich hie mit mir 

Ein gebunt holtzes, daz gehört 

zu mir: 

Es ist bereidt an daz füre dar 

an zu legen.’ — 

[^'1 ‘Bistu die, sage mir aen liegen, 

Die die templer verhornen det?’ 

11765 ‘Ja zwaer’, sprach sij, ‘ich bin 

die, 

Und salt wissen daz ich bin auch 

die 

Die die dedinge erhub wider 

Augustin 

Zu der zijt da er was ein pilge¬ 
rin; 

Aber ich mochte yme nie abgetun 

H770 Sinen sacke odir den von yme 

getun. 

Mit mynen großen schänden 

Schiede ich von yme dannen: 

Is was dorheit daz ich yn an- 

qwam.’ 

‘War umb’, sprach ich, ‘kom- 

mestu mich an nu?’ 


11775 ‘Wie’, sprach sij, ‘wenest du 

Das du so stark sies als er?’ 

‘Nein zwar’, sprach ich, ‘aber 

ich sage dir mer: 

Die wile ein man dich hat uber- 

wonden, 

So saltu nit me so swerlich kom¬ 
men 

11780 Wieder ander manne.’ 

‘Ha’, sprach sij, ‘sij hant nit 

alle glich namen 

[3z~ r ] Und sint auch nit alle glich 

starg. 

Ich han sijt ettlichen fonden der 

sich verbarg, 

Den ich über yren willen han 

genommen 

11785 Yre secke und bin sij uberkom¬ 
men: 

Also wil ich auch mit dir dun. 

Wol an, aen beiden gib mir her 

balde 

Den sack und duhe yn von dir 

abe!’ — 

‘Sicher, des endun ich nit!’ 

11790 Da greif sij mich an mit nydt: 

Ich was so dorechte daz ich mich 

föchte 

Das sij mir mynen sack nemen 

möchte 

Odir das sij mir den zerrysse 

Und mir ettwas dar uß nemen 

ließe. 

11795 Doch ich erbaldete genug; 

Mit myme stabe ich sij slug 

Und det sij den pletze rumen 

Da sij dann was zu mir kommen. 


11762. dar an übergeschr. 11793. den au« die. 

11783. nach ettlichg ein Buchstabe wegradiert. 


nach 11798 Bild (88) mit Nebenschrifl rechts: Gods gnade Redet zn dem weller. links 
ne ben dem Bilde figne’. 

ßeuUch» Tute de« Mittalalten. XXV, 17 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



258 


Gottes Gnade erscheint wul geht mit dem Tilger am Meere entlang. 


[357 v \ Da sach ich Gots Gnade kom¬ 
men, 

11800 Die rieff zu mir zu frommen. 

Sij sprach das wol getan hette 

ich 

Das ich also beschudt hette mich, 

Und das sij mich dar umb wisen 

wolde 

Mynen weg und mit mir gan 

wolde. 

11805 ‘Frauwe’, sprach ich, ‘ich 

dancken uch 

Das ir so balde uch 

Her hant zu mir gefüget. 

Daz hait mir wol genüget 

Daz ir sint körnen her 
11810 Und das ir mir hant versprochen 

mer 

Und mich hie hant getröstet; 

Dann myn sache alle ufE Verlust 

stet. 

Ich were verdorben in dieser 

stunden 

Hette ich uch hie nit fonden; 
11815 Und werent ir langer ußgewest, 

So were ich gar verlorn gewest. 

Das wilde diere da 

Det mich gar vertzagen da, 

[358 r ] Und daz wilde mere auch da bij 
11820 Hatten mich erferet daz ich nit 

weiß wie mir sij. 

Noch weiß ich nit was es ist, 

Wo ir mir nit sagent waz es ist. 

Nu bijdde ich uch daz ir mich 

lerent 

Und in diesen Sachen wisent.’ 


11803. sij übergeschr. 

11808 zwischengeschr. 

11809. vor Dz gestr. vnd. 

11822. nit übergeschr. 

11825. Man üb. gestr. wo. hint. mag 
schwarz gestr. man. alle übergeschr. 


11825 ‘Man mag’, sprach sij, ‘alle 

gande reden 

Odir aber mit reden sere gan 

werden. 

Geen wir, so wil ich dich wisen 
Kurtzlich die Sachen und dir die 

sagen.’ 

Nu wil ich uch sagen: als wir 

gingen 

11830 Und nebent den stricken hien 

gingen 

Die das wilde dier hatte gerächt 
Und vor myne fuße hatte ge¬ 
lacht, 

Wir giengen dar bij hien 
Und einßdeils dar über hien; 

11835 Es dorffte nit einwenig grommen 
Umb das Gnade waz dar kom¬ 
men. 

Langes daz mere uff der sijtten 

her 

Gieng Gots Gnade zu mir reden 

her. 

[358«’]‘Das mer’, sprach sij, ‘das du 

gesijhst, 

11840 Das ist die weit, die nummer ist 
Aen große anfechten 
Durch üppige ere die da inne 

wegeten; 

Daz ist der blaßbalg den Hoffart 

gedragen hait. 

Als du mit den äugen dan ge¬ 
sehen haist. 

11845 Durch dis mere wonderlich 
Swymment und gent viel lüde 

unglich. 


11829. sagen n. Orig. m. h eingefugt. 

11839. Das mer aus D ... (?). 

11842. wegeten, Prät. zu w®jen; Orig.: qni 
y vente. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Dabei belehrt sie ihn über (bis Meer und die verschiedenartigen Menschen darin. 259 


Die eine hant die fuße oben. 

Das sint die die sich hant über¬ 
laden 

Mit dem sacke der Gridikeit zu 

dragen. 

11850 Das ist nit gefuglich in dem 

mere zu waden; 
Dann sine große swere 
Drucket yme daz heubt under 

das mere 

Und dut yne undergan, 

Also das er nit kann in dem 

mere gan 

11855 Odir auch dar zu nit geswymmen 
Noch auch ubersich zu klymmen. 
[559 r] Soliche lüde achten ich als ver- 

lorn 

Bis das sij das alles wider hant 

verkorn 

Und auch wieder nider geworffen, 
11860 Daz sij der swerde numme sor¬ 
gen dorffen. 

Die andern die strack da inne 

gant, 

Der auch einßdeils flugel hant, 
Wisse das das sint lüde 
Die in der werlet hüde 
11865 Nit me suchent dan yren uffent- 

halt alleine 
Und vort ein gut getruwen hant 

zu Gotte alleine! 
Die sint in dem mere also; 

Dan sij konnent liplich nit an¬ 
ders dan also 
Geleben; aber das geistliche leben 
11870 Suechent sij in der weit nit, daz 

yn were eben; 

11861. gant aus gent. 

11864. hüde hint. gestr. alleine. 

11875. h nennt den Vogel nach dem Orig. 
ortegometra. 


Dann sij wissent wo is yn mag 

werden. 

Dar umb gent und swymment sij 

glich uff erden 
Und machent yn flugel von 

dugenden, 

Da mit hoch in oberlandt zu flie¬ 
gende. 

11875 Die lüde gliche ich einem vogel: 

[359*] Wann der über mere fliegen sol 
Und mit fliegen ist überladen, 

So nimmet er sich an zu swym- 

men und zu baden, 
Und in dem swymmen hebet er 

uff sine flugel 

11880 Und machet dar uß einen segel, 
Daz er sich nach dem winde 

möge halden 

Und nit zu gronde könne ge¬ 
fallen, 

Uff das er nit möge gefliegen, 

Als er vor det, und sich bedrie- 

gen. 

11885 Also dunt die davon ich mit dir 

reden; 

Dann sij von notdurfft in der 

werlde sint, 

Und yre willen doch anderswo 

sint 

Von den die mit den fußen ge- 

bonden sint 

Und mit dem krude bewonden 

sint, 

11890 Wisse das is weltliche lüde sint, 
Die gar uff die weit verflissen sint 
Und ire gedencke dar uff ge- 

slagen hant 

11876. über mere durch Längsstrich getrennt. 

11883. Orig.: a fin que repuiat voler comme 

devant desaus la mer. 

17* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



260 Gottes Gnade über die Menschen im Meer und den ihnen nachsteUenden Teufel. 


Sich zu fugen zu uppikeit 

Und uppeclicher weltlicheit. 

[360>-] Sij wollent lieber unnutze zu 

schaffen han 

11896 Dan jonge kinde die zu den bru- 

den sollen gan; 

Und durch solichs werden sij 

bewonden 

Und mit henden und fußen ge¬ 
benden ; 

Ich weiß nit wie sij mögen 

swymmen, 

11900 Sij hant zu schaffen genug daz 

sij gan können. 

Von den den die äugen ver- 

bonden sint, 

Und steent als die die da ge¬ 
blendet sint, 

Wisse das das sint dorette lüde, 

Die nit gleubent dann an die ge- 

tzierte lüde 

11905 Und an das das sij gesehent 

ussen. 

Sij wollent sich aber nyt müssen 

Zu besehen wie die weit innen 

• • 
sij 

Und wie unreyne daz sij sie da 

bij, 

Und kennent nit das da inne ist, 
11910 Und stoppent sich doch mit liste 

Als die dorynn die da eine 

hubscheit hait, 

Davon zu zijden geredt hait 
[360"] Salmon und sprach sij were 

üppig, 

In der episteln von der Magda- 

lenen er nit swigt. 

11900. gan vor könen übergeschr. u. da- 
hinter gestr. 

11911. Als a. R. zugcschr. 

11920 zwischengtschr. 


11915 Mit der uppikeit sint sij gebon- 

den, 

Die du da gesihst, und Verbünden. 

Sij hant äugen da mit sij nit ge¬ 
sehent 

Vor uppikeit die sij dar vor 

hegent; 

Von glucke und gesontheit 
11920 Und auch von grosser uppikeit 

Yn yre äugen gar geblendet sint. 

Sij sint in noeden, das sihestu 

wol, 

Von yn ich dir nit me sagen soL 

Aber wiltu von dem wilden dier 
11925 Icht hören daz da get fischen 

schier, 

Davon wil ich dir ettwas sagen 

Aen liegen, wiltu dar zu getagen. 

Das dier heißet Sathan. des sijs 

gewiß; 

Der dut allen sinen flyß 
11930 Alle die in dem mere sint, zu 

haben 

Mit fischen und mit krappen. 

[361 r] Sin schit das ist sine versüchonge 

an, 

Da mit er versuchet frauwe und 

man; 

Welichs dar an geh eil et, 

11935 Zu hant es in die angel feilet. 

Und zuget die balde zu yme 

Und dreget sij dann auch mit 

yme. 

Aber umb das er sij nit alle mag 

han 

Odir sij nach sinem willen ge¬ 
fallen, 

11932. an zugeschr. 

11939. gefahan Hs., aus gehan verbessert; 
dabei das a in e zu verändern vergessen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gottes Gnade über die Nachstellungen des Teufels. 


261 


11940 Das ist das er sij mit angeln nit 

alle fahen kan 

Und sij mit kleinem versuchen 

nit alle bedriegen kan, 
Als er wilt, fahet er sij nit alle, 
Dar umb hait er gelernet balde 
Die stricke machen und spynnen 

11945 Und auch die netze die da 

swymmen, 

Zu machen und dar zu die garn 
Mit flugein die die sijtten be- 

warn, 

Und vor die flugel swebende 

garn. 

Von den die du gesihst flugel 

han 

11950 Und ein gut wol gef eilig leben 

han, 

[361 »] Der fogeier ist er worden. 

Umb yren willen hat er sin garn 

getzogen 

Uff das mere, daz sij mit yren 

flugein nit slagen 
Und sich da mit nit von yme 

jagen. 

11955 Von den die er dencket daz sij 

ußswommen 
Odir auch sust mögen ußkommen, 
Ist er worden ein jager, 

Und die stricke hait gestalt er 
Und auch seile in iren weg. 

11960 Da kommet keinre druß er wil 

yn hindern, 

Is sij an fußen odir an henden. 
Du sehe keine spynne nye 
Die so manich weppe ye 
Gemachte zu fahen fliegen 

11965 Odir mochte so groß arbeit an¬ 
gelegen 

11969. es fehlt. 


Als das diere sich dar inn müget 
Wie es den menschen bedruget. 
Zu allen zijden es versuchonge 

dichtet, 

[362 >■] Allen dag machet es stricke und 

die vernychtet; 

11970 Allen dag richtet es sine garn, 
Sine netze und wilt die nit 

spam. 

Aber sicher, der wise were 
Und auch da bij starck were, 

Uff alle sine stricke achte er nit; 
11975 Dan is ist anders dan spynne- 

weppe nit: 

Die sint balde zurbrochen und 

zurryssen 

So eine große fliege dar wider 

finget mit flyssen. 
Davon sant Jheronimus 
Dar uff sprichet alsus: 

11980 “Einre wolle dan, so wirt nieman 

uberwonden 

Mit sinen stricken noch dar in 

bewonden; 

Dann sij sint kranck, er und sine 

stricke.” 

Aber dar umb sage ich is nit. 

Du salt dich gar dicke 
11985 Vor yme huden flisseclich 
Und auch da bij wisseclich. 

Dan zu bedriegen hat er dusent 

konste 

[362»] Und me dan hondert dusent der 

du nit gesehen kanst 
Es nymmet gerne ander ge¬ 
machte angesicht, 
11990 Da mit es dich bedruge felßlich, 
Das is schinet ein engel sin 
Des lichtes und gebe schin 

11978. Hieronymus, Comment. in epist. ad 
Ephes. 2,4 (Migne, Patr. lat. XXVI, col. 512). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



262 Während der Belehrung bemerkt der Pilger eine Jungfrau mit Flügeln an den Füßen. 


Und das is nit suche übel zu dun. 
Gedencke wie es eins hait gedan, 

11995 Und wie is hait bedrogen 

Einen heremiten, bij den is sich 

getzogen 

Hatte, und yme auch erschein 
Mit eime angesichte und guden 

glichen, 

Als obe er were ein engel von 

hymelrichen! 

12000 “Der dufel”, sprach er, “ist gar 

subtil; 

Besiech daz du dich nit ver¬ 
lassest zu viel 
Und daz du nit werdest begriffen 
Von yme! er kommet morne zu 

dir slichen 
Und daz er din vader sij, wirt 

er glichen. 

12005 Ich raden dir balde und schier 
Daz du yn zum ersten slahes 

schier.” 

[363'-] Des andern morgens sin vatter 

qwam zu yme, 
Davon es missegieng yme: 

Sin soen yn gesag, der 3 m slug 

12010 Bis uff den dot und uff die erde 

yn slug. 

Subtilenclich Sathan yn bedrog, 
Und er sich des zu spade under- 

tzog. 

Vor yme dich hude, wiltu mir 

gleuben, 

Vor sinen netzen mit gebonden 

scheuben! 

12015 Es ist der von dem sant Petter 

saget, 


11996. vor heremiten gestr. he. 
12015. I. Petr. 5,8. 


Der sich flißet dag und nacht 

Daz er dich möge fahen und ver- 

slynden, 

Obe du dich wolies zu >Tne bin¬ 
den. 

In viel wege und wijsen 
12020 Hait er manich schaff vom leben 

gewijsen, 

Und auch viel lemmer 

Hait er gescheiden von der 

memmen 

Und sij auch erwürget 

Und in sinen buche verslurget 
[363»] ich wene, wistestu is, is gefiele 

dir nit wol; 

12026 Dann ich sehen das dich itzo 

verdrießen sol. 

Nu hude dich vor yme, ich ver- 

dragen mich 

Kurtz, daz ich nit zu mfide 

mache dich!’ 

Als also zu mir rette 
12030 God6 Gnade und sich zu mir ge- 

kert hette, 

Vor mir ich da gesach 

Eine dierne, die dorheit genug 

was. 

Als mich beduchte, 

Druch sij einen hüte 
12035 Und hatte an yren füßen 

Federn als die kuesche duben 

haben mißen. 

Zu ire wolde ich reden und 

sprach: 

‘ Jungfrauwe, is duncket mich 
[364 p ] Das ir uch dorlich stellent glich: 
12040 Ich weiß nit war zu ir dienent 


12036. kuesche übergeschr. 


vor 12038 Bild (89) mit Nebrnschrift rechts: Jugent die Redt zu dem weller. eine 
Frau (Jugend) mit einem halb grünen und halb roten Flügel an jedem Fuße vor dem Pilger . 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die Jungfrau (Jugend) gibt Auskunß über ihr Wirken. 


263 


Odir wie ir so jung sin schinent.’ 
Sij sprach: ‘wistes du wol 
War zu ich dienen und mynen 

wander verfol, 

Du rettest wieder dis noch das, 

12045 Sonder du fochtest mich bas.’ — 

‘ Wie sint ir so gar weselich ? 
Mich duncket wol gelich, 

Obe ir feile sin mochtet, 

Daz uch kein man ubergelden 

mochte 

12050 Odir auch zu viel lieb ge- 

haben.’ — 

‘Du en misseredest nit viel dar 

an, 

Der myn wol were gewan; 

Aber es ist zu male hart zu dun 
Luden die nit sint von hübschem 

dun. 

12055 Ich heißen Jugent, die lichte, 

Die geilerynne, die leuffersse, 

Der sprincke und die sprengersse, 

(364*] Die alle leit achtet nit einen 

hentschue. 

Ich gan, ich kommen, ich fliegen 

nu, 

12060 Ich tryppeln und dantzen und 

dun is alle; 
Ich gan und lauffen, is falle wie 

is falle, 

Ich lauffen und ringen 

Und mit glichen fußen springen 

Uber die graben und stossen den 

stein 

12065 Und sprechen kein male nein. 

Ich gan über muren und hecken 
Und lassen mich nutschit er¬ 
schrecken, 

• ^ “ * * * 

12043. verfol = verfolge. 

12046. weselich] Orig.: gente, h: eyßlich. 

12076. ror snelle gestr. seile (?). 


Wil ich myner nachbur eppel 

han, 

Uber die zune in den garten zu 

gan, 

12070 Und stigen uff einen appelbaum 

Gar balde und lichteclich ane 

draum. 

Nit umb suß bin ich gefidert: 

Myn fuße dragent mich balde 

dar ich han begert; 

Sij hant flugel, das sihstu mit 

den äugen wol. 

12075 Zu zijden waz einer genant 

Azael, 

Der was subtile und snelle, 

[365 r ] Der hait sij zu zijden gefurt mit 

yme, 

Aber es wart wol zu sure an 

yme. 

Zu viel lichtikeit ist ettwan nit 

gut; 

12080 Dann sij an dem leben schaden 

dut. 

Es ist viel besser ein wiser mitt 

sweren fußen 

Dan viere dore mit fliegenden 

fußen. 

Dar umb vor zijden die heilige 

kierche 

Hat geordent daz man nit solle 

suchen 

12085 Lichte lüde die sij regieren 

sollen: 

Füße von blye die mechelich gan 

sollen. 

So lange als ich gefydert bin, 

So lebe ich nach dem willen 

myn; 

[12076.] Kustode unten auf Bl. 364»; der 

hat sij zn zijden. 

12081. nitt Hs., dahinter Tintenfleck. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



264 


Jugend gibt dem Pilger ihre Absicht kund, ihn über das Meer zu tragen. 


Den muß ich auch erfüllen 
12090 Und einen ballen han zu spielen. 

Ander knicken darff ich nit; 

Drüge ich eine, daz dede myn 

dorheit, 

Myne fuße mochtent nit gelaßen 

Zu flettigen noch ire fliegen 

laßen. 

12095 Noch bin ich nit erfüllet 
[365 r ] Mit spielen mit der zollen 

Und han auch nit den follen 

Zu spielen mit den kegeln 

Odir auch mit den enckeln 
12100 Noch zu spielen mit dem nunden- 

steine, 

Lieder zu hören und seiten spiele 

deine 

Und zu suchen mynen wollust. 

Es ist noch alles umb sust; 

Dann wie viel mich leret myn 

vatter 

12105 Odir waz mir sagen mag myn 

mutter, 

Keinen gedanck han ich dar 

nach; 

Dan zu spielen ist mir gach 

Und myn wollust zu bestellen.’ 

‘Dienent ir’, sprach ich, ‘iergent 

zu?’ — 

12110 ‘Du wirst is balde gesehen nu; 

Dann yetze wil ich dich uffladen 

Und dich durch daz mere dra- 

gen.’ — 


‘Wollet ir mich dragen? hant ir 

gesagt,’ 

Also sprach ich, ‘ir kleine magt? 

[ 366 r] i r wollent mich lichte dragen, 

12116 Wann ir redent von mir zu tra¬ 
gen.’ 

‘Drage ich dich nit’, sprach sie, 

‘Balde so findestu hie 

Die dir nymmet die sele uß dem 

libe, 

12120 Daz du nit magst lebende be- 

liben.’ 

‘Ha’, sprach ich, ‘was dinges ist 

der dot?’ — 

‘Das wirdestu dan gewar mit not 

Wan so du Alter hast gesehen 

kommen 

Und das sij zu dir ist kommen.’ 

12125 ‘He’, sprach ich, ‘wo ist sij, 

Alter, 

Wo wanet sij odir waz ist der 

mer?’ — 

1 So is zijt ist, so wirdestu is 

gewar, 

Aber es ist noch lange dar. 

Her die handt! ich wil fliegen 

12130 Und dich durch daz mere dragen 

und ziehen. 

Da wirdestu gesehen me wonders, 

Wo du nit ze sere sieffest an¬ 
ders.’ 

[366'] Da aen langer beiden sij mich 

nam 


12115/*. h: wolt ir raych dragen, so wolt wie das im Orig, und auch in h (statt 12120: 
ir nit kleyn arbet han, dwile ir mich redent Der selbe ist gnant der dot) der Fall ist. 
zu dragen. 12129. handt aus hant. 

12121. Die Frage des Pilgers, was der Tod 12130. durch dz üb. gestr. über. 
wäre, ist hier unmotiviert, da unser Übers, die 12132. ze sere übergeschr. 

Jugend dieses Wort nicht hat gebrauchen lassen, 

vor 12133 Bild (OO) tnit Überschrift: Wie Jugent den weller dreit. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Jugend fliegt mit dem Pilger über das Meer. 


265 


Mit der handt, bis uff iren hals 

mich heben began 

12135 Und fieng da an zu fliegen 
Und über das mere zu stigen. 

Ich was auch nit zu male sicher 
Von den grossen lünden, die ich 

sach her, 

Und umb daz sij mich dar under 

dünckete, 

12140 Als dicke sij das gut dünckete. 

In große schrecken bracht sij 

mich dicke 
Durch yre dorhete geberde, die 

sij det dicke. 

Cirtain, Caribdin und Sallany, 
Bitall assum und Cirenany 

12145 Und ander ungefelle in dem mer 
Det sij mich fülen und 1yd en 

sere. 

\ 367 r] Und wissent ir nit was da ist 

Cirtes nn, 

Caribdis und die ander dru, 

Ich sagen is uch kurtz; 

12150 Dann ir wollent an ander ende 

kurtz. 

Sciertes eigen wille ist, 

Der also sant gehüffelt ist 
Und machet einen berg in dem 

mer. 

So man wenet dar über faren 

her, 

12155 So muß man beliben halden. 

Sehe ich frauwe odir man 
Der an sich selbs zu viel hielde 


Und sinen willen zu viel be- 

hielde 

Und die hüffelte by yme 

12160 Und nit als ein ander dede, ich 

spreche zu yme 

Er were sant und sabel, 

Der sich zu viel huffeit zesamen, 

Der do machet hoberet des meres 

gront 

Und alle wege die man faren 

solt. 

12165 Daz ist Sciertes die sorgliche; 

Hudte uch dar vor. sij ist föcht- 

liche! 

[367«’] Caribdis is die wißheit 

In der werlde und die beschidi- 

keit 

Von weltlichen werffongen 

12170 Und von yren bekommerongen. 

Soliche Sachen gant allen dag 

umbe, 

Allen dag kerent und wendent 

sij sich umbe 

Und komment alles wider an 

yren anefang 

Und belibent keine zijt in eyme 

stände. 

12175 Dasselbe eine bewegonge ront ist, 

Die selbe an dem ende als am 

anfange ist; 

Keine hinderonge sij hat noch 

ende 

Als daz mulen rat, daz sich wen¬ 
det 


12134. handt aus h&nt. 

12140. an dünckete ein t am Schl, gestr. 
12143. cirtain Hs., wohl verlesen für Cirtam, 
Circayn h; Orig.: Cirtem; gemeint sind die Syrten, 
Syrtea. sallany Hs., sallayn h, offenbar wieder 
durch unsere Form beeinflußt-, Orig.: Scillam. 

12144. cirenany Hs., Cirena myn h; Orig.: 
Syrenam. 


12154. vor So gestr. wann. 

12159. Der Plural die ist wohl veranlaßt 
durch den Plur. ses vouloirs im Orig. 

12162. vor huffelt gestr. zu samen u. da¬ 
hinter zesamen zugefügt; ein über das gestr. zu 
samen geschriebenes vnd wieder zu streichen. 

12163. hoberet aus hoberecht. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITYOF MICHIGAN 



2G6 


Jugend macht den Pilger mit den Fährlichkeiten des Meeres bekannt. 


So lange als yme daz wasser 

kommet. 

12180 Obe uch von Salmon gedencket, 
Wie er also gecirculet hait 
Und wie er alles versuchet hait 
Und wie er alle Sache geachtet 

hait 

[368'-] Das is alles uppikeit sie 
12185 Und anefechten und liden da bie, 
Daz schetzete er alles vor uppi¬ 
keit 

Und achtet is auch vor kein leit, 
Als ir daz in syme exempel, obe 

ir wollet, 

Wol mercken und verstaen 

moget; 

12190 Dann er alle sine bekommeronge 
Und auch sine übonge 
Alles in einen Caribdis besloß 
Und dar inn bewant, der ist nit 

groß. 

-Scilla und Bitallassum 
12195 Sint auch zwene böse nam. 

Scilla ist genant widerwertike.it, 
Bitallasus glucsammekeit. 

Daz sint Sachen und getzug 
Da mit umb gan dut 
12200 Gluck sin radt und schiben 
Uud uff und abe driben. 
Bitallassus dut is uffgaen, 

(3öS'] Scilla dut is zumale abegan. 

Ir hant is gesehen an den 

wenden, 

12180. Ecclesiastes 1,14. 

12181. ge in gecirculet übergeschr. 

12184. ist. 

12194. Enfcilla Us. und h. Vas nicht ver¬ 
standene Orig. (11937/8) hat: 

En Scilla et Bitalasso 
Von» di aussi qu’a mauves no. 

12*201. hinter is fälschlich II i t II*., h nach 
Orig.: iß geinalet gesehen. 


12205 Ir wissent is wol, da mit ich 

swigen senden. 
Widerwertikeit dut alles Scillen; 
Dann wann yemands da durch 

sal gan, 

Der wirt gestossen und bewydert 
Und in floß des meres genydert 
12210 Höndes zende grynent yn an 
Murmelende wan sij yn gesehen 

an. 

Es ist ein ungefal daz sere 

fochtent 

Viel lüde und sich nit gerne dar 

in stossent. 

Aber doch ist die ander nit desta 

mynner zu fochten 
12215 Die sij recht an gesehen mochten 
Das sij ist haidende und arg¬ 
willig, 

Hinderende und vollechig, 

Das ist von richtom, weltlycheit, 
Eren, sterckede und üppiger 

schone: 

12220 Daz ist wonder daz sij schone 
136» r] Mögen beliben die da durch 

gant. 

Syrena ist weltliche wollust 

genant, 

Die durch yren wollust gant 
Und durch yren felschen gesang 

dut 

12225 Das die schifflude zu ir ziehent 
Und den guden weg fliehent. 

12206. alles Sc.] iß allez füllen [?] h, com 
Scilla Orig.; alles = als. 

12222. in Hs. und h kein Absatz. 

12223. gant sinnstörend zugeschr. E. schlägt 

vor: 

Die durch yren wollust ganc 
Und durch yren felschen gesang 
Dut das die schifflude zu ir ziehent. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Plötzlich kommt links auf Jen Meercsicellen ein altes Weib geritten . 


267 


Daz ist ein myssefal dar mich 

.furte 

Dicke Jugent und mich dar 

druge. 

Ich gleube daz sij die misfelle 

lieb hette 

12230 Odir daz sij mich zum dode lieb 

hette. 

Nu sage ich uch, da sij mich 

also hatte gedragen 

Lange, uff die lincke sytte ich 

gesage 

Eine altwip, das da reidt 

Uff den lunten des meres breidt 

[369"] Und hatte umb sich gegurt 

12236 Als eine nachtfare eine große 

hudt. 

Inn einre hant sij eine zange 

drug, 

In der ander einen hamer, waz 

gros genug, 

Da mit sij mir von ferren sere 

drauwete 

12240 Und sprach daz ich abestunde 

und mich sere zauwete: 

Ich solde nit me also gedragen 

sin. 

‘Du must leren swymmen fin, 

Als die ander dunt, in dem mer!’ 

Da wolde ich wissen war zu sij 

dienen were, 

12245 Und dar zu iren namen 

Und wer sij were aen schämen. 

‘Sage mir’, sprach ich, ‘war zu 

dienest du? 

Wie ist din name und wer bist 

du? 

War umb drauwest du mir? 


12250 Ich han doch nutschit ubels ge¬ 
tan gheen dir, 

Daz weiß ich nu gar wol!’ 

Sy sprach: ‘ich dir antwerten 

sal: 

Ich wil dir sagen daz myne hudt, 

[ 370 r ] Myne zange und myn hamer gut 

12255 Bewisent genug myn hantwerck; 

Dan is ist getzug zu smyde- 

werck. 

Mir bristet nit dann ein anebuß; 

Hastu einen, ich dich wilkom 

heißen muß; 

Dann so du einen hast, so wil 

ich smyeden 

12260 Dine kröne und wol bereyden, 

Und hastu keinen, so bistu ubel- 

kommen, 

Das saltu wissen und balde han 

vernommen. 

Myne streiche slahe ich nit ver¬ 
gebens, 

Uff den anebuß odir uff dich lan 

fallen eben.’ 

12265 Da zu hant gedachte ich 

An das edel wammesch glich 

Daz Gots Gnade in yrem huse 

hatte 

Und sij mir zu einer zijt gegeben 

hatte, 

Dar an hinden waz ein anebuß: 

12270 Das brachte mir da kleine büß. 

Es waz zu spade, ich hatte zu 

lange gebeidt; 

Dann ich is nit an hatte vor ein 

cleit. 

[ 370 ”] Er hait zu lange gebeit zu 

wappen sich, 


vor 12231 Bild (91) mit Nebenschrift rechts: Anfechtonge, durechtonge, bedräng, Schäme 
und schände, auf den Meereswellen siteend ein (Utes Weib mit großer Kopfumhidlimg und Zange 
und Hammer in den Händen. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



2(38 


Das Weib (Anfechtung) gibt sich zu erkennen. 


Wann er ist kommen in den 

torner glich. 

12275 Balde genug sij mich das wisete, 

Aber des uberigen sij mich vor 

underwijsete. 

‘Ich bin’, sprach sij, ‘die golt- 

smydinne 

Von dem hymmel hoe und die 

smydynne 

Die macht und smydt in diesem 

lande 

12280 Die krönen vom paradise aen 

schände. 

Den metale da mit ich arbeiden 

wil, 

Ich slahen und smyeden wan ich 

yn beweren wil; 

In einen bornenden ofen ich yn 

dun 

Zu besehen waz dar an wolle 

abegaen. 

12285 Eine stont nemen ich yn mit der 

zangen 

Und machen yn breit und yn 

1 engen, 

Und die ander stont machen ich 

yn wyder 

Und smieden yn uff einen hülfen 

wider 

Mit dem hammer da mit ich 

slahen. 

12290 Den guden metale ich bessern 

mit slahen 

Und den bösen machen ich böser. 

[37i r ] Anfechten nennet man mich sere, 

In allen schrifften bewert sere. 

12274. glich hint. gestr. Rieh. 

12283. ofen üb. gestr . offen. 

12286. das zweite yn übergeschr. lengen aus 

langen. 

12297. Als a. R. zugeschr. 


Myn hamer heißet durechtonge, 
12295 Da mit ich viel lüde driben umb 
Und slahen sij mide, wan mir 

eben ist, 

Als große streiche daz yme nit 

eben ist 

Wann er nit anehat 

Daz wammesch daz Gedechteniße 

gedragen hat, 

12300 So ist er verlorn und zerstöret 
Job hette des vor zijden wol be- 

dorfft 

Und alle die die in dem kalender 

stent, 

Und viel andern die nit da inne 

stent; 

Dann ir viel sint, und der 

kalender zu klein ist. 
12305 Hettent sij den anebuß und daz 

wammesch nit gehat 
Und hetten is nit wol an getaen 

gehabt 

So hetten sij nit mögen gelyden 
Die große streiche da mit ich sij 

det smyden 

Und slahen aen underlaß. 

12310 Myn zangen sint yn auch gehaß 
[37J»lUnd sint geheißen bedräng, 

Da mit ich drucken und dun 

betwang, 

Den angest und auch die not, 
Davon sint dicke gestorben dot 
12315 Und auch viel hertzen bedrubet 

worden 

Und auch so hart gedrucket 

worden 


12301. A Job Hs. u. h! ob A als Interjektion 
zu halten? abermals das Orig. (12033) nicht 
verstanden: 

A Job jadis out grant mestier 
Et a touz ceua ... 

12302. Yn zugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Anfechtung erklärt ihre Ausrüstung mit Hammer , Zange usw. 


2l>9 


Das sij dicke hait beducht 
Das sij inn einen kelter weren 

gedracket, 

Davon man dicke gesehen hait 
12320 Das das wasser uffgedrongen hait 
Und von trehenen ein großer floß, 
Die von den bedränge sint uß- 

geschoß. 

Die hudt davon ich machen 

myn furduch, 

Heißen ich schäme und schände 

genug. 

12325 Dan wann ich yemans genegelt 

han 

Und viel gesmyedt und wol ge- 

hemmert han, 
Is sij zu rechte odir zu unrecht, 
Das er sal gedoet werden siecht, 
[ 372 r] lg s j[j doch an beden 
12330 Gerichten odir auch an rechten, 
Geistlich odir werntlich: 

Zu handt so machen ich 
Das yme das an siner hudt 
Wirdet faste zu sure uberludt; 
12335 Dann an der samenonge und an 

siner hüdt, 

Die ein fremde fürdüch dwt, 
Kennet man den ich durechten 
Und über den ich dun rechten. 
Man sicht wol an siner gestalt 
12340 Daz er wirt gejaget mit myner 

ge walt; 

Schande und schäme er des hait 
Das ich yn solich gar dein 

achten. 

Ein furduch ich das trachten 
Yn vorter zu smieden 


12329. hint. beden gleich schwarz gestr. ij. 
12330. an übergeschr. 

12332. handt aus hant. 

12336. dunt Hs., ist h\ Orig.: Qui est un 
forain devantel. 


12345 Und in merer leit zu brengen 

myde. 

So der man me schäme hait, 

So merer anfechten yme nachgait. 

[ 372 »] Hastu soliche hudt, daz wil ich 

erfarn 

Und myn furduche da mit be- 

warn, 

12350 Und dar nach wil ich me fri- 

licher 

Uff dich slahen und hertlicher. 

Bistu also, so komme: entwer du 

must brechen 

Odir must gar helle luden und 

krachen. 

An dem leren dinge ist nit dan 

grommen 

12355 Wan man mit harten dingen dar 

uff sal kommen; 

Ich weiß is wol, ich han is ge¬ 
bracht, 

Is wart mir befolhen, lange han 

ichs versucht. 

Adonay hat mir is befolhen, 

Da er mich smydynne macht 

verholen 

12360 Vom hymmel.’ — ‘Laß mich sehen 

obe du war sagest! 

Wo ist din brieff und die macht 

die du haist? 

Wann ich sij nit han und ge¬ 
sehen nicht, 

So wil ich dir nit gleuben icht; 

Wo du sij nit lysest und ich sij 

nit sehen, 

12365 So wil ich dir keiner warheit 

jehen.’ 

12352. Sinn? wohl wieder das Orig. (12077) 

missverstanden: - Se tu es vuit [vint gelesen?], 

tu briseras. h richtig: bistu hole. 

12354. An aus am. de übergeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



270 


Anfechtung legt dem Pilger zwei ihr verliehene Muehtbricfe vor. 


[ 373 r ] Balde sij da inn yren busem 

stieß 

Yre hant und dar uß ließ 
Iren brieff und sprach zu mir: 
‘Wilt dis nit genügen dir, 

12370 Von eime andern meister ich ein 

ander han, 

Die ich dich dar nach auch wil 

sehen lan.’ — 

‘Den selben wil ich auch han!’ 
Sij gab sij mir, ich sij gesehen 

han: 

Sij alle beyde ich da las. 

12375 Davon die erste also geschriben 

was: 

‘Adonay, des gerichtes konnig, 
Des macht sich nit entmynret, 
Der große keiser der naturen, 
Des riche allewege sollen weren 

und duren, 

[373'] Gruß zu Anfechtongen, 

12381 Solich gebot wir ir dun zu ge- 

bongen! 

Von nuwem verstanden wir han 
Das die stieffmutter der Dugent 

solle han, 

Glucksammekeit, geslagen ire 

hant 

12385 In unser weltlich lant, 

Das da ist unser konnigrich, 

Dar han wir unser soldener rieh, 
Yn gelacht die kogel 
Vor das gesichte oben 
12390 Und hait yn ire Wappen ge¬ 
nommen, 

12376. könig vor des gestr. u. a. Schl, zu- 
geschr . 

12379. wer6 vnd übergeschr. 


Bockeier und swert auch ent¬ 
nommen 

Und wilt sij fueren aen beyden, 
Mit dem getzug der freuden 

hencken leyden. 
Und noch me das sij geleret habe 

12395 Die bestellonge die von langer 

zijt her abe 

Wir und unser gnade hatten in 

gelacht 

Und in viel ende unser lande 

bracht. 

Wir hatten wenig guder slosse, 

[374 r] Wir hetten ettwas faste dar in 

gestossen 

12400 Viel guder faße, dar vor wir 

hatten gesatzt 
Uß dem paradise grossen schätz. 
Das was der süße ingoß 
Unser gnaden und der infloß 
Unser rede: daz ist edeles 

Schatzes viel 

12405 Dann Silber, golt odir gesteines 

viel. 

Und umb daz du auch unser 

sache sijst 

Und auch unser dienerynne bist, 
So gebieden wir dir und befelhen 
Das du wolles durch alle huser 

eben 

12410 Und das du Glucksammekeit also 

suches und findes 
Und sij also straffes und byndes 
Das sij wider uns nit me sagen 
Odir wider uns. icht bejagen 

12384. vor geslagen zu streichendes habe. 

12404. I. edelers? (H.). 


vor 12376 Bild (92) mit Nebenschrift rechts: Anfechtonge gibt dem weller yre macht 
(vor macht gestr. erleubniße) brieffe zu lesen. Das Weib überreicht dem Pilger ein langes Blatt 
Papier, ein zweites hält sie noch in der Hand. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Der erste Machtbrief ist von Adonai, der zweite von Sathan. 


271 


Odir auch widerstant dun solle. 
12415 Wir entbieden dir dar nach also 

Und gebieden dir daz alle die 

die also 

Yre kogeln hant verkert 
[374 •] Und sich zu Glucksamekeit hant 

gekert 

Und sich hant mit yr verbonden 
12420 Und ire äugen da mit gebonden, 

Das du sij stosses so scherfflich 

Das sij bedenckent und besynnen 

sich, 

Das sij yre äugen wollent also 

entbynden 

Das sij mögen den hymmel finden 
12425 Und yn auch mögen angesehen. 

Wolden sij, sie weren gebonden 

nit, 

So wurden sij auch gestossen nit. 

Dar nach wann yn sint zerrissen 

Yre wappen und verslyssen, 

12430 Das du sij yn dan wider smydes 

und maches 

Und sij balde wider an dun 

duhes. 

Dar umb han wir dich gemacht 

smydynne 

Des paradises und goltsmidynne. 

Dar nach entbieden wir dir auch 

vor alle 

12435 Daz du wolies zu dir nemen 

balde 

Alle ergetzen, luste und spiel 
[ 373 >■] Und alle freude und weltlich 

spiel 

Nemen und halden in diner hant, 

Und das du von dem pletze nit 

kommes zuhant 

12440 Du habest is dann alles uff- 

gelesen. 

12422. vor sij gleich schwarz gestr. bij. 


Wir wollent nit daz mit solichem 

wesen 

Unser soldener gehangen werden. 
Und wo wir des innen werden, 
Wir geben dir auch folle macht 
12445 Daz du siest gar wol bedacht 
Und gest besehen 
Obe unser fasse eben 
Vol sien und obe icht da inne 

sie. 

Wann du dar an kloppes, so 

hellen sij; 

12450 Sint sij nit vol, so gehorestu 

murmeln: 

Daz ist ein Zeichen dar an du sij 

solt erkennen. 
Das zu dun geben wir dir 
Gantze macht und gebieden dir 
Das alle die dir undertenig sint 
12455 Aen Widerrede und dir gehorsam 

sint, 

Sij sient groß odir kleyn, 

[375*] Das du bij yn siest gemein. 

Dis geschag uff den dag und in 

dem jare 

Da Adam ein ende nam vorware.’ 
12460 Den andern machtbrieff ir horent; 
Die ist nit solich, als ir werdent 

hören: 

‘Der ammiral von dem mere, 

Sathan, 

Figent des gesiechtes Adam, 
Konnig und herre der boßheit 
12465 Und durechter der gerechtikeit, 
Gruß zu Anefechtonge, 

Soliche als wir ir gebieden 

können! 

Wir hant von nuwem verstanden, 
Das uns nit wol gefellet in 

unsern landen, 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



272 


Anfechtung gibt Auskunft über ihre beiden Machtbriefe. 


12470 Das die knechte Adonay 
Haben nu understanden hy 
Das sij in der stat dannen wir 

gefallen sin, 
Da selbes wollent entphangen sin, 
Und hat ieclicher genommen 

einen stab 

12475 Und einen sack, als man nns 

sagt, 

Und sagent daz sij den weg 

anefan 

[376 r ] Als ein pilgerin zu gan. 

Umb die selbe sache wir dir ent- 

bieden 

Und dir auch da mit gebieden 

12480 Daz du dar gest und dich sere 

zauwest, 

Faste slahes (und nit endrauwest) 
Alle die du dar sijst stigen. 

Was du des yren kanst finden, 

Da mit duhe nit mynner dan du 

Job dede, 

12485 Dem du sin zijtlich gut neme! 
Nym yn sack und auch stabe, 

Das er bis an longe und teber 

nit habe! 

Dine zangen stoß yn in den lib, 
Also das du yn ziehes uß dem 

libe 

12490 Ire hertze und ingeweide, 

Als du Judas dede zu leyde, 

Und daz sij sich hencken vor 

freude! 

Des geben wir dir gantze macht. 
Dis geschach in der zijt und uff 

den dag 

12487. beber Hs.; Orig.: 

Et jüsqu’aa foie et au pommon 
En cors leur bonte les tenailles. 

12492. freude] leyde h; Orig.: et qu'il se 

pendent a son las. 


12495 Da in dem paradise gab den stig 
Dem schecher der Juden konnig 

frig.’ 

[376*] Da ich die machtbrieffe hatte 

gesehen 

Flißelich und auch hatte gelesen. 
Ich fielde sij und gab sij ir 

wider. 

12500 ‘Daz dich Got hude’, sprach ich, 

‘sage mir mer, 
Wiltu der beider gebrachen 
Odir welichs wiltu brachen? 

Sij treffent nit beide zu eyme 

ende, 

Als vergifft und dryackel be¬ 
hende.’ 

12505 Sij sprach: ‘wann ich dich slahen 
Und uff dich hemraern, 

Dann so wirstu wissen, obe du 

wilt, 

Welicher der ich gebruchen wil; 
Dann wo du ein wort ludes odir 

spriches 

12510 Dann das du Got siner gnaden 

bijdes, 

Dann magstu wissen vorwar 
Das ich dir dienen zwaer 
Mit der dugent des ersten 

brieffes; 

Aber verwandelstu dinen sieden 

12515 Got und sine heiligen zu ver- 

myden 

[377r] Und dinen sack zu legen nyder 
Und dinen stab zu stellen nyder, 
Als da det Theophilus, 

Dann magstu wissen dis 

12494. den übergeschr. 

12508. I. Weliches? 

[12515.] Kustode unten auf Bl. 376*: vnd 

ding sack zu. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


i 



Dann versetzt sie dem Pilger einen Schlag, daß er ins Meer fällt. 


273 


12520 Das ich is dun durch den fient, 
Also daz is nit me dann an dir 

stet 

Weliches ich ee solle gebrachen. 
Dan nach dem ich ersuchen 
In des mentschen hertzen und 

befinden, 

12525 Dar nach arbeiden ich inn yme. 
Glich als die heiße sonne 
Drucket die dieffe wege und 

machet sij schone 
Und weichet unslit odir wahß, 
Also mag ich von mir sagen das 

12530 Daz, dar nach die materie ist 

gestalt, 

Dar nach wil ich dienen halt: 

In manicherleye weg ich ar- 

beyden. 

Nu wil ich nit langer beyden; 

Nu hude dich, ich mag nit langer 

verhalden 

Dich zu slagen und das gar 

balde!’ 

12536 Balde do sij daz hatte gesaget, 

sij qwam 

Glich zu mir und hart sij mich 

nam; 

Glubde sij mir hielt und slug 

mich 

Das in das mere fiele ich. 

12540 Jugent ließ mich fallen da, 

Machte sich enweg und floch da. 
Aen beiden were ich erdroncken, 
Hette myn stab mir nit geholffen; 
Dann ich hielde mich hart an yn 


12521. daß gleich übergeschr. 

12522. das erste e in ee auf Basur. 


12545 Umb das ich nit konde swymmen 

da in; 

Uud hette ich is wol geleret ge¬ 
habt, 

So was ich doch zu sere uber¬ 
lacht. 

[378 r ] Ich sach viel die da wol swom- 

ment 

Und ire hende verre von yn 

strecketent 

12550 Des yren zu geben willeclich 
Den armen, so es was notlich, 
Und viele ander die regetent 
Yre fuße und gerne giengent 
Durch Busse die ferren wege 
12555 Und auch die langen bideferte. 
Das ist die wise zu swymmen 
Das ich gesag in der weit, und 

klymmen. 

Aber also swam ich nit; 

Dann allein ich mich hielt 
12560 An mynen stab, der swam oben 
Und fiel nit zu gronde, daz ich 

loben. 

Nu sage ich uch: als ich also 

swam, 

Gieng mich hemmerende an 
Und slug mich die smydynne 
12565 Und druckete mich hart mit yren 

zangen inne, 
Das ich waente lange 
[37«'] Ich were in eine presse gelacht. 
So was mir myn hertze bedacht 
Mit jamer daz ich nahe hatte 

gelassen 

12545. swyme. 

12565. inne eugeschr. 


vor 12536 Bild (93) mit Überschrift: Wie anefechtonge heldet dS weller in dem mer. 
Kur der Kopf und eine Hand des Pilgers ragen aus dem in blauen und weißen Wellenlinien 
dar gestellten Meere hervor. 

Deutsche Text« des Mittelalters. XXV. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




274 


An seinen Stab geklammert, fleht der Pilger Gott um Beistand an. 


12570 Und mynen stab in dem mere 

swymmen lassen 

Wo er hette wollen hyn gan. 

Da ich mich in solicher not ge- 

sach stan, 

Do bat ich Got gnade und 

sprach: 

‘Gnade’, sprach ich, ‘milder 

schopper, ach! 

12575 In myme liden und in myme 

smertzen 

Abestendig sijs mir nit von 

hertzen! 

Obe in myner jugent myn leben 

ich 

Hette verslissen mit dorheit 

glich, 

Milder schopper, daz ist mir leit 

12580 Und ruwet mich, als is billich 

sol und geit! 

Dan da ich Jugent gesach vor 

mir stan 

Und dine Gnade auch da bij 

wolde han? 

Die mich auch dicke furte frij, 

Die ließ ich und det mich 

dragen sij 

12585 Von der dorette durch das mere 

wagen. 

[370r\ p a hait sij mich gedragen; nu 

bin ich gefallen, 

Nu ist is mir vorwaer zu male 

missefallen. 

Lihent ir mir nit eine Zuflucht, 

Als ir in der zijt der sintflucht 


12570. Vnd a. R. eugeschr. 
12571. vor Wo gestr. gan. 
12572. stan zugeschr. 

12576. von hertzen zugeschr. 
12577. vor in gestr. ich. 
12578. glich eugeschr. 

12580. vnd geit zugeschr. 


Digitized by Google 


12590 Durch uwer gnade daden Noe, 

So sihstu, milder Got, daz mir 

ist we. 

Mache mir von dir ein verbergen, 
Eine sache dar in ich mich ver¬ 
bergen, 

Mich zu verhelen da inne 
12595 Vor dinre smydynne, 

Und mich möge da inne be- 

halden. 

Und wiltu is nit dun mit dir 

selber, 

So wolies is zum mynnesten 

lassen, 

Milder Got, dun dine Gnade mit 

massen, 

12600 Daz die möge bij mir sin 
Als sij ettwan plag zu sin.’ 

Alß ich also myne bede det, 
Die smydynne balde zu mir redt 
Und sprach, sijt daz ich nit hette 
12605 Nider gelacht mynen stab und 

gebeden hette 
[379»] Gode sinre gnaden, so wollte sij 

fueren mich 

Zu Gods Gnade und geleiden 

frilich. 

‘Ich bin’, sprach sij, ‘glich 
Als der wyndt, der sich 
12610 Wendet mit dem blade: 

Wan daz gefallen ist von dem 

bäume abe 
Und daz is mit dem wynde be¬ 
griffen ist 

Und ettwan wilt stigen ubersich 


12582. wolde han eugeschr. 

12589. ir üb. gestr. du. 

12590. uwer üb. gestr. dine. dadS aus dede. 
noel trotz des Reims Hs. (mit der Metzer Hs. 
des Orig .); h richtig noe. 

12599. mit massen zugeschr. 

12602. in der Hs. und h kein Absatz. 


Original from 

UNIVERSITYOF MICHIGAN 


Jetzt ist Anfechtung bereit, ihn zu Gottes Gnade eurückzuführen. 


275 


Und kommet dar nach daz is 

niderfellet 

• 

12615 Und daz is yme also missefellet, 
So ist is not ane beyden 
Daz man yme helffe vor ver¬ 
leiden, 

Daz is werde widerwant, 

An gut ende und stat gewant, 

12620 Das is nit zu male verderbe 
Und doch ettwas guds erwerbe. 
Ich bin die die das hantwerck 

gerne deit 

Wann ich da bij bin und not 

deit: 

Ich straffen die zu viel verlassen 

sint, 

12625 Und slahen die die zu dicke sint. 

[3S0»-] Die verirreten zu wege wisen ich, 
Und ich wurde nummer frolich 
Ee das ich nit mochte finden 
Abesatz da ich sij verbürge inne. 

12630 Die eine driben ich an sine be- 

duronge, 

Die ander vor sine konniglich 

begnadonge; 

Die ander ich aen beiden 
Zu siner Gnade selbs geleiden, 
Und ich fueren sij dar gerne 

12635 Odir aber an den obersten sterne; 
Die ander ich furen mit zuge¬ 
lachten henden 

Bij ettlichen sinen heiligen zu 

wenden. 

Da liyen ir ieclicher sich ver¬ 
bergen wilt, 


12616. vor ane gcstr. dz. 
12625. dicke üb. gestr. feiste. 


Dar selbs ich yn auch fueren wil, 
12640 Und umb das Gots Gnade der 

stamme ist 

Der doch alletzijt zu finden be¬ 
reit ist, 

In dinen noeden ich dich dar 

fueren: 

Nit achte obe dir zu swere sij 

daz fueren!’ 

Alse Anefechten also 
12645 Mir ertzalte ir rede do, 

[380»] Do sag ich daz ich nahe was 

Bij dem staden da myn synne 

hin was. 

Gots Gnade sach ich da sij saß, 

Und daz sij nit beweget was. 
12650 ‘Her’, sprach sij, da ich nahe 

was, 

‘Wo bistu gewest, wannen 

komestu so naß? 

Ich waende ich hette dich ver- 

lorn, 

Da ich dich nit me sach hie 

vorn. 

Du haist mich gelassen gar dör- 

lich: 

12655 Ich weiß nit wie du hast dorren 

dich 

Wieder zu mir gekeren. 

Sage mir, das dich Got ere, 

War umb hastu gelassen mich? 

Und auch da bij: wer hait dich 
[38i r ] Wider gefurt her bij mich?’ 

12661 Da ich sach daz sij also 

straffete mich, 


12633. fine übergeschr. 

12660. vor bij schwarz gestr. bij. 


vor 12648 Bild (94) mit Nebenschrift rechts: wie gods gnade dem weller bilffet vß 
dem mere. Darstellung ähnlich der des vorigen Bildes . das Meer hier grün; die aus dem Meere 
hervorragende Hand des Pilgers Gottes Gnade entgegengestreckt . 

18* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



276 


Gnade hält dem Pilger seine Torheit vor, daß er sie verlassen habe. 


Balde ich sprach: ‘frauwe, be¬ 
gnade mich! 

Sicher, ich bin mich von uch ge¬ 
schehen notlich 

Und bin von uch kommen dor- 

lich! 

12665 Ich han is dure sijther kaufft, 

Aber mich hat wider her zu uch 

bracht 

Die große smydynne getzelt: 

Sehent wie sij mich hie noch heit, 

Und aen mynen willen sij mit 

mir kommet! 

12670 Dribent sij enweg, dan is mir 

eben kommet; 

Des bijden ich uch daz ir das 

duhent mir, 

Das ich entragen werde von ir! 

Mir genüget wol daz sij mir hat 

getan 

Die wijle sij mich hat wider zu 

uch dun gan; 

12675 Noch han ich viel gedenckens 

Das ir von mir uch laßent 

sencken.’ 

In dem als ich myne bede also 

det, 

Die goltsmydynne sich naher det 

|3&f*]Und drug yren getzug mit ir: 

12680 Das was nit zumale leit mir; 

Aber viel müder me sij mich 

ließ da 

Dan ich in langer zijt waz ge¬ 
wesen da. 

Da sagete Gods Gnade mir: 

‘Nu sihstu wol wie is ist gl egen 

dir 


12685 Und wie übel das da lit 

Ein man der da wilt wissen zu 

wit 

Als die geiße die da sere kratzet. 
Hastu dich mit allen Sachen wol 

ergatzet, 

Das du nit rüge haist gehabt 
12690 Du sijs dann uff und abe gejaget. 
Und mich hast gelaßen in diiler 

sintflucht, 

Wie ich doch bin dine Zuflucht 
Unseliger, truriger, war flugest 

du, 

War giengest odir was dedest du 
12695 Were ich nit din schirme, 

So man dir wolde verdrieß dun? 
Unseliger, was woldes du dun 
[382 r] D a dich unwilligete yetzont 

Anfechten? hette sij mich nit zu 

stont 

12700 Hie fonden in dieser gegen, 

Sij hette dich gefurt in eine 

ander gegen 

Zu bösem staden und dich dar 

bracht, 

Das were: zu dem fischer bracht 
Von dem sij yre machtbrieffe 

hait 

12705 Es ist nit lang das du yn gesehe 

rechten 

Sine angeln und den luden die 

richten, 

Das er sij da mit wolde fahen. 
Doch wiltu dich nit vergahen 
Und wilt dich halden 
12710 Und dich bij mir behalden 
Und auch kommen mit mir, 


12675. Orig.: Encor ai je grant baerie Que 12694. was üb. einer gestr. längeren Buch- 
vous ne me deffailliez mie. stabenreihe. 

12679. Orig.: L'orfavresse se traist arriere ; 12698. Die Hs., Da h ; Orig.: Quant. 

h: da drat die goltsmydin hinder sich. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




ln ihrer Güte verspricht sie, ihn nunmehr auf einem kurten Wege ans Ziel tu bringen. 277 


Noch wil ich nit feien dir 
Und dir noch me fruntlicli sin 
Und dich kurtz brengen da hyn 

12715 Zu der hecken da du hyn wilt. 
Und obe du dinen weg kurtzen 

wilt 

[382 •■] Zu gan inn die hübsche stat 
Dar zu man dich zu gan er¬ 
wecket hait, 

Noch wolde ich dich wol fueren 

12720 Und nit bij die lange hecke 

furen. 

Aber nit dar umb da sin muß 
Glichenisse von Busse: 

Busse hat an viel enden 
Yre rüden und hamer laßen 

finden; 

12725 Noch me gedechteclicher 

Saltu dich halden und redelicher. 
In dem wege der beredongen 
Halt dich; dann sij hat dar ge¬ 
lacht 

Yren getzug und den weg enge 

gemacht 

12730 Und viel kurtzer me zu gan 
Zu der stat dar du wilt gan, 
Also daz du mir davon antwerten 

salt; 

Dan du mynen willen hast gehört 

halt’ 

Da ich soliche Worte hatte ge¬ 
hört, 

12735 Von freuden ich erfüllet wart. 


12721 f. Orig.: 

Mais non ponr qn&nt equipollence 
Y aroit bien de Penitance. 

12733. hast vor gehört übergeschr. w. da¬ 
hinter gestr. üb. dem gestr. hast: halt. 


[385 r ] Mir gefiel gar wol die abe- 

brechonge 

Von dem wege und die kurtze- 

nonge, 

Und gefiel mir auch nit übel 

Das sij mir rette zu helffen wider. 

12740 ‘Frauwe’, sprach ich, ‘der 

kurtze weg 

Der ist den pilgerin gut und ge¬ 
recht. 

Erquicket ich bin und vernüget; 

Der kurtze weg zu gan mir wol 

genüget, 

Und ich wil yn gerne gan. 

12745 Fuerent mich dar und wollet 

mich yn sehen lan! 

Nutschit ich dar an erschrocken 

bin 

Wo ich finden glichen sin 

Von der hecken der Bussen myn.’ 

In dieser maße ein schiff vaste 

groß 

12750 Und wunderlich sach ich, daz uff 

dem mere floß 

[383*] Gar nahe bij dem staden, 

Bereidt und über zu faren ge¬ 
laden. 

Es was mit reiffen gebonden, 

Umb und umb wol bewonden; 

12755 Aber etliche reiffe waren ent- 

löset 

Umb das das gebende was ver- 

böset 

12750. dz übergeschr. 

12752. geladen vor über gestr. u. a. Schl. 

tugeschr. 


vor 12749 Bild (95) mit Nebenschrift rechts: geistlicheit. rechts über dieser roten 
Nebenschrift in Schwarz geistlicheit vorgeschrieben. Schiff mit viertiirmigem Palast darin. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




278 Gnade zeigt dem Pilger ein wunderbares Schiff mit Türmen, Erkern und Zinnen. 


Von gebrechen der bantwyden. 
Ettliche zu male ferre von eyn 

warent geryden. 
Der romp des Schiffes was nit da 

starcker, 

12760 Das was der reiffe scholt nit 

vorter 

Dann das sij nit bewonden 

warent. 

In dem schiffe viel huser waren 
Und auch viel wonungen, 

Die waren edel von ordenongen 
12765 Und glichen wol konniges 

hüsern. 

Is waren turne da enbynnen, 
Ercker und auch zynnen, 

Und dar über was uffgeracht 
Der mastbaüm des schiffes und 

dar an gemacht 

[.UW'-] Und ghangen ein grosses duch, 
12771 Das was schon gestrecket genug, 
Das da ist ein segel genant; 
Bereit zu faren hette is guden 

wynt gehat 
Odir hette keine irronge gehabt. 
12775 ‘Gesihstu’, sprach Gots Gnade, 

‘dorte 

Das schiff nahe bij dem borte?’ 
‘Ja’, sprach ich, ‘so mir Got, 
Aber ich bin erferet aen spot; 
Dann ich nie keins han gesehen 

me!’ 

12780 ‘Nu wirstu’, sprach sij, ‘me 
Erschrecken wann du dar in 

kommest; 

Und wann du da inne bist, 

12757. bant üb. gestr. sl... 

12758. ferre von eyn üb. gestr. weich, ge¬ 
ryden zugeschr.; h: gerißen. 

12759. da] l. desta? vgl. 12830; h: desto. 
12778. vor bin schwarz gestr. s. 

12779. ge in gesehen gleich übergeschr. 


So wirstu sehen hübsche Sachen, 
Darstu dich anders mit mir dar 

in machen.’ 

12785 ‘Nu sagent mir’, sprach ich zu ir, 
‘Wie heißet das schiff und wer 
Is fueret; so wil ich dar in gan 
Und mich uberfueren lan.’ 

‘Das schiff’, sprach sij, ‘mit 

namen 

[384 p ] ist genant geistlicheit aen 

schämen. 

12791 Es ist gebonden und widerbonden 
Mit gesetzen der geistlicheit be¬ 
wonden, 

Die man sal halden gantz and 

recht: 

So ist die geistlicheit siecht. 

12795 So lange is also gebonden ist, 

So mag is nit vergan odir feien 

in keiner frist. 
Von bynden ist sij genant, 

Uff das inn ir gebonden wirt zu 

hant 

Die sele die gestoret und zer¬ 
brochen ist, 

12800 Des der dar inne gestossen ist 
Werent die guden reiffe und 

winde 

Die zu zijden hant gemacht da 

inne 

Die guden brüder und geistlichen, 
Und weren behalden worden im 

glichen 

12805 Und zu rechte wol gebonden, 

So gefellete nummer in keiner 

stunden 

12796. is üb. gestr. sij. 

12797. Von üb. gestr. w ... Der Vers ist 

•• 

in der Übersetzung ohne Sinn. Im Orig, heißt 

das Schiff Religion und unsere Stelle: De relier 

(eile) est nommee. 

12798. wirt üb. gestr. ist. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Sie ist die Führerin des Schiffes (Geistliches Lehen), sein Mast das Krexu Jesu Christi. 279 


Das schiff urab ubels daz dar in 

qweme. 

Aber ettwie viel acbtent sij so 

kleine 

[385 r J Die kleine byntwiden die sij 

binden alleine; 
12810 Dar nmb das schiff in sorgen ist. 
Dann is eine uffenliche sache ist 
Das die reiffe dienent niergent zu 
Wann die bant sij nit haldent 

zu. 

Die bant nennen ich die kleine 

gebot, 

12815 Die die grossen haldent aen spot. 
Dar umb ich sprechen: wer sij 

bricht, 

Zu hart zuhet odir sij zerrysset, 
Das schiff des zu male nit ge- 

nysset 

Und wirt vor den großen wynden 

nit wol behudt 
12820 Wann is nit ist gebonden genug 
Von etlichen lichten geboden, 

Die sint als klein bantknoden. 
Wolde Got, myn vatter, 

Daz die geistlicheit solich were 
12825 Als sij an dem anefange was, 

Da sij zu erste gebonden was! 
Aber der bender ist keiner me; 
Dan sij hant yren getzug ver- 

lorn ee. 

[385'] Die kleine bandt gebrochen sint, 
12880 Die großen reiffe nit desta 

starcker sint, 
Und dar umb ist daz schiff sorg¬ 
licher 

Und auch viel me fochtlicher. 

Nit das ich is scheiden wolle, 

12814. das 1 «V» kleine übergeschr . 

12833. wolle aus wolde(?). 

12817. Chrysostomusj Uomil. II In in - 


Klein achten odir entbynden • 

wolle; 

12835 Dann is ist noch guds gebendes 

genug 

Und wann sij wolden, guder 

bender genug 

An den die sin dan bedorffent 
Und sij mit nuwen banden be- 

worffent. 

Ich bin des Schiffes meisterynne 

12840 Zu regieren und fuererynne, 

Und der mast der dar uff ist ge¬ 
rächt 

Und das dar an ist gemacht, 

Hel ff ent mir das wol fueren 
So der gude wynt dar zu wilt 

stören. 

12845 Der mast ist das crutze Jhesu 

Cristi 

Und der wynt der heilige geist, 
Der, als spricht der Gulden Mont, 
Mag das schiff gefueren alle 

stont. 

[386'-] Wiltu kurtz zu Jherusalem gan, 

12850 So mustu balde dar in gann 

Und dich legen in der bürge eine, 
Der zweier die du sijst alleine, 
Odir in eine ander die dir gefalle 
Und dir her nach nit myssefalle. 

12855 Sij sint alle werhafft und starg 
Zu behalden sele und lyb aen 

arg. 

Kein vigent kann yn nicht gedun 
Mit syme werffen odir schiessen 

gedun, 

Es were dann daz man yme uff 

dede 

12860 Die bürg und uffgebe. 

scriptionem actorum (Migne, Patr. gracc. LI, II, 

col. 78). 

12852. Das Orig. (12542) nennt die beiden 

Burgen: Ou de Clugni ou de Cysteaus. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



280 Beim Eintritt in eine der Burgen tritt dem Pilger der Pförtner (Gottesfurcht) entgegen. 


• Nu geen dar wir, 

Daz raden ich sicher dir. 

Es ist besser dann zu swymmen; 

Dann sij sint sorgen innen 

12865 Die da müssent swymmen, 

Sij können kume dar uß ent- 

rynnen.’ 

Da furte Gods Gnade mich 

Inn das schiff und wisete mich 

[386*] Die hübschen bürge davon ich 

han geredt, 

12870 Und sprach das ich nach mynem 

willen dete 

Und gienge war ich gaen wolde, 

Und das man mich dar in laßen 

solde. 

Als sij das sagete, eine ich er- 

welte, 

Und dar in zu gan ich mich 

stalte. 

12875 Den portener fant ich an dem 

ingange 

Und duchte mich das er drug 

lange 

Ein grosses sweres blye. 

‘Portener’, sprach ich, ‘laß mich 

in dar bij! 

In diese bürg wil ich gan. 

12880 Gots Gnade hait mich geheischen 

her in lan, 

Die mich auch her hait braicht; 

Her in zu kommen ich auch han 

gedacht’ 

[387'-] ‘Frundt’, sprach er, ‘wiste ich 

Das es dem konnige lieb were, 

in ließ ich dich 

12885 Und ließ dich gerne her in gan: 

Nu weiß ichs nit, dar umb ichs 

lan.’ 


‘Ist dann da inne’, sprach ich, 

‘der konnig?’ 
‘Ja’, sprach er, ‘sicherlich, 

Ich were anders nit hie 

12890 Und hielde mich auch an der 

düre nit hie 
Wiste ich nit das der konnig da 

inne were.’ 

‘Das ist’, sprach ich, ‘gude 

mere!’ — 

‘Es ist ein Zeichen wan ich an 

der dure bin, 

Das der konnig des paradises 

muß hie inne sin.’ 

12895 ‘Wie’, sprach ich, ‘bistu ge¬ 
nant?’ — 

‘Gottes Föchte bin ich genant 
Und bin auch ein anefang 
Und ein gront der wißheit bekant 
Und stossen und ziehen uß die 

sunde hie, 

12900 Das sij in dieser bürg nit ge- 

herbert sie, 

Und ich lassen sij nit her in 

kommen, 

[387*] Das sij wonunge hie inne nemen. 
Komment sij her in, daz über 

mynen willen ist, 
Heymelich und hubschlich. 

12905 Myn groß kolbe und myn blie 
Sint Gottes vergebonge genant 

da bij 

Und erschreckonge der hellen pin, 
Dar vor sich alle sollen fochtende 

sin. 

Ich bluwen, slagen und kastigen 

12910 Die lüde, daz sij desta besser sien 
Und das sij nit dun dorlich. 

Und were diser kolbe nit, 


nach 12882 Bild ( 96) mit Unterschrift: gottes föchte Redet zu dem weller. Der vor 
dem Palaste stehende Pförtner zeigt dem Pilger ein großes Stück Blei. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gnade mahnt, den Schlag des Pförtners mit seinem Kolben nicht eu furchten. 281 


Yedicher achte sich selber nicht.’ 

‘Wie’, sprach ich, ‘wiltu mich 

da mit slahen?’ 

12915 ‘Ja’, sprach er, ‘anders magstu 

nit 

Und ensalt auch her in kommen 

nit 

In diese bürg noch dar in gan.’ 

Da sach ich Gots Gnade an, 

Und ieh sprach also zu ir: 

12920 ‘Allerliebste frauwe, is gefellet 

nit mir, 

[J88 r ] Als mich duncket, der ingang, 

Als ir mir hant gesagt, wirt mir 

zu lang 

Und ist mir nit uffgetaen.’ 

Da sprach sij: ‘ist dir vergeßen 

das ich dir gesagt han 

12925 Das du sollest finden ein gliche- 

nisse 

Von der hecken der Bussen ge¬ 
wisse? 

Des porteners streich ist nit zum 

dode, 

Er sieht dich nit zu dode, 

Du moges is noch wol geliden 

12930 Anderleit: so salt nit widerstan 

Umb sin blye dar inn zu gaen. 

Er sal vor wol liden einen hals 

streich 

Ritter der wilt gan in den kreiß; 

Er hait auch nit Schreckens 

wirdikeit 

12935 Wer nit hait gelieden leit.’ 

‘Ist das also?’ sprach ich zu ir. 


12934. Schreckens] Orig.: onnour; wohl ver¬ 
wechselt mit orrour (i?.). 

12951 unklar; im Orig, nichts Ent¬ 
sprechendes. 


‘Ja’, sprach sij und antwerte 

mir. — 

‘So wil ich gerne dar inn gen 
Also das ich nit vor solle gen. 
[.988'lNu gant vor, so gan ich nach 
12941 So balde ich ummer mag!’ 

Da gieng sij inn und ich ir 

nach. 

Aber der portener bereidt was 

da: 

Er vergaß nit zu slahen mich. 
12945 Solichen streich er mir gab das 

er erschreckete mich; 
Er hette mich uff die erde ge- 

slagen 

Hette ich mynen stab nit ge- 

dragen. 

Die ritter entphaent nit alle 
Soliche halß streiche mit schalle 
12950 Die da swerte hant und fueren; 
Dann sij dorsten sich nit beruren. 
Es were große freude und nutze 
Das yeclichem also eyner wurde 

zu nutze. 

[3#0 r ] Nu sage ich uch: da ich also 

vorgangen was 
12955 Vor den portener, von dem ich 

han gesagt das, 
In der bürg sag ich viel wonders, 
Die mir wol glichen zu wonder. 
Da warent closter und slaffhuser, 
Münster, reventer und cappittel 

huser; 

12960 Da sag ich eine herberge 
Uff eine sijtte und spitalige. 


12953. eyner vor wurde übergeschr. u. da¬ 
hinter einer gestr. 

[12953-3 Eustode unten auf Bl. 388”: Nu 
sage ich uch da ich. 


• • 

vor 12942 Bild (97) mit Überschrift rechts oben: gottes föchte vnd gottes gnade Redent 
zu dem weller. Darstellung nach Überschrift. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



282 In der Burg gelangt der Pilger zuerst in eine Herberge, dann in ein Kloster w. ein Münster. 


In die herberge gieng ich zu 

erste 

Mich zu rügen und zu reste. 

Da gesach ich Gotliche Liebe, 

die da dienete 
12965 Den pilgerin und sij herberegete: 
An die porte sij dicke gieng 
Und die lüde gar wol enttieng 
Und begonde sij herberge wijsen 
Und sij auch zu spisen. 

12970 Ich han auch me von ir gesagt: 

Es ist die die da hait 
[. 789 »] Die schrifft von dem frieden und 

sij hielt 

Da Moyses den luden daz brot 

deilte. 

Ich gieng vorter in das kloster 
12975 Und auch in das munster; 

Da fant ich eine geselleschaft 

gar suberlich 
Von frauwen, doch wiste nit ich 
Wie sij alle waren genant 
(Dan ich sij nit alle erkant), 

12980 Dann alleine von der 

Umb die mir was allermeiste 

mer, 

Davon ich mich verwonderte mer; 
Nach den namen fragete ich Gots 

Gnade me. 
Zwoe sag ich, die giengen die 

Stegen uff 


12985 Des slaffhuses und giengent mit 

ein ander uff. 

[ 390 '-] Die eine hatte ein wammesch an, 
Die ander sag ich einen stab 

dran. 

Die mit dem wammesch was 

nacket 

Nit dan das sij das wammesch 

an het. 

12990 Die ander gewappent was 

An den henden und bedecket was 
Mit zweien hentschuen an getan. 
Einen wißen kydel hatte sij an, 
Da mit getzieret und wol getaen. 

12995 Zwoe andern sag ich zu 

sammen reden 
Und zu dem cappittel huse 

treden. 

Die eine drug seyle und gebende. 
Die ander drug tuschen yren 

zenden 

[ 390 *] Eine fyle, die was scharff: 

13000 Mit einre tartschen sij gewappent 

was. 

Eine ander die da gieng, sach 

ich, 

Durch das closter, also duchte 

mich. 

Veraldete spise sij drug 

Uff eyme pergament das sij drug: 

13005 Ir folgete eine wisse dube nach 


12984. das erste e tn Stegen auf Rasur. 13001. sach ich vor die schwarz gestr. u. 

12993. wißen aus willen. a. Schl. zugeschr. 


•• 

vor 12984 Bild (08) mit Überschrift rechts oben: Annut vnd reynikeit. Zwei Frauen 
steigen zu einem als Kapelle dargestellten Schlaf haus auf. das Gewand der zweiten Frau nicht 
weiß, sondern dunkelrot. 

vor 12995 Bild (99) mit Nebenschrift rechts: vndertenikeit vnd straffonge. eine Frau 
mit dickem Seil und eine mit Schild. Feile im Munde der zweiten nicht wiedergegebeti. 

vor 13001 Bild (100) mit Nebenschrift rechts: vberwindonge. Frau mit einem großen, 
zur Erde herabhängenden Pergamentstreifen, links oben eine Taube. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Eine ganze Anzahl Frauen sieht er drinnen schalten. 


283 


In der lufft und fluckete ir nach. 

Eine ander gesag ich gan dar 

Glich zu dem raventar, 

[391 <■] Die hatte einen krag 

13010 Umb yren hals, als ich das ge- 

sach. 

Eine ander ich in dem monster 

fant, 

Die drug eins boden buhsse zu 

hant 

Und hatte flugel, waren ge- 

strecket 

Uff zu den wölken gerecket, 

13015 Als obe sij dar uff wolde fliegen: 

Das sach ich alles aen driegen. 

Ein lang böre sij auch drüg 

In yrer handt und hielt daz 

hoch genüg. 

Mit der ander handt dienete sij 
13020 Doden die ich sach da bij, 

Und schein auch aen wenen 

Das sij von dem dienst wieder 

zu leben qwemen. 
[391*] Eine ander noch da inne was, 

Die hat in irer handt ein horn 

aen haß 

13025 Und machete da inne ein groß 

gedöne, 

Psalterien und orgeln schöne; 


Ich waende es were eine spiele- 

rynne 

Und der lüde spaciererynne. 

Da ich diese Sachen wol hatte 

gesehen, 

13030 Beweget wart ich wol zu fregen 
An Gots Gnade war zu sij 

dieneten, 

Die frauwen, und wer sij werent. 
‘Frauwe myn’, sprach ich, 

‘Nu underwisent mich: 

13035 Wer sint die frauwen und war zu 
[392'] Dienent sij?’ sprach ich nu, 
‘Dann von yn wondert mich.’ 

Da sprach sij: ‘ich wil vor dich 
Laßen sehen mit den äugen 
13040 Wie man dienet in dem revental, 
Das du das mögest sagen über 

aL’ 

‘Nu gan wir!’ sprach ich zu yr. 
In das slaffhuß giengen wir; 

Da sach ich die mit dem stabe, 
13045 Die machete die bette zu rechter 

habe 

Und lachte wiße ducher dar uff. 
Yre gespiele mit dem wammesch 

gieng auch dar uff 
Und sij sang ein solich liet: 

[392'] ‘ich wil singen und sal is dun: 


13017. langbfire durch Längsstrich getrennt. 13024. handt aus hant. 
13018. handt aus hant. 13026. schöne eugeschr . 


vor 13007 Bild (101) mit Nebenschrift links: abebrechonge. Frau vor einem Remter; 
dieses wieder als Kapelle dargestellt. 

vor 13011 Bild (102) mit Nebenschrift rechts: gebedt. links geflügelte Frau mit einem 
großen Bohrer in der linken Hand; rechts 2 Tote (nackte Menschen). 

' vor 13023 Bild (103) mit Nebenschrift rechts: Idelkeit. rechts eine Frau mit einem 
Horn am Munde, links eine große Orgel. 

vor 13049 Bild (104) mit Nebenschrift rechts: armut. Reinlichkeit richtet ein Bett her; 
Armut steht dabei und singt ein Lied. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


284 Gnade gibt über die Frauen Auskunft. Es sind da: Gehorsam u. Zurechtweisung; 


13050 Nutschit ich mit mir dragen dun, 
An dem kleinen durlin ich nit 

behalden bin, 

Wann ich zu male nacket bin.’ 

In dem revental dar nach ich 

gesach, 

Davon mich verwonderte bas, 
13055 Viel doden die begraben waren 
Und gabent den lebenden zessen 

mit gebaren 

Und dienetent yn mildeclich 
Uff yren knyen andechteclich. 
Und die frauwe mit dem krage 
13060 Was meisterynne in dem reven¬ 
tal zu dem dage; 
Die da ahssent, sij besach 
Und erfullete yn yren gebrech. 
[393r] «Nu sage ich dir’, sprach Gots 

Gnade, 

‘Von den edeln frauwen von 

diesem rade 

13065 Und davon das du best gesehen. 
Die du haist sehen dragen 
Die seile und die bande zu 

binden, 

Die ist die meisterynne von 

hynnen. 

Nach mir ist sij die pryelynne, 
13070 Die fueret die closter frauwen 

nach yrem synne 
Gebonden mit henden und mit 

füßen 

Und macht daz sij mit uffen 

duren gefangen sin mäßen. 
Von dem namen sij dir bekant: 
Sij ist Gehorsammekeit genant. 

13066. du übergeschr. 


13075 Yre seile und gebende 

Die sint manicherhande gebot 

behende, 

Die da byndent eygen willen, 

Das er nit mag han sinen willen. 

Her nach wirstu is wol ent- 

fynden, 

13080 So man dich dar in wirt bynden. 

[393»] Die frauwe die da dreit die 

fyle, 

Ist genant Straffonge by der 

wyle; 

Es ist die frauwe die den orden 

hüdet 

Und yn vor viel ubels behüdet. 

13085 Die fyle die sij inn yrem monde 

hait, 

Ist straffonge und reynyonge, da 

mit sij hait 

Gestraffet und gefylet sere. 

Sij achtet nit daz sij fylet und 

schüret sere, 

Das sij is alles zu rechte duhe 

13090 Und das nyemans bij ir mysse- 

duhe. 

Mit der tartschen die du ge¬ 
lassen haist 

Und die du Gedechteniße be- 

folhen haist. 

Da mit sij sich hait gedecket. 

Yren namen han ich dir genant; 

13095 Der den aber zu nennen ist umb 

nit gewant. 

Die die das wammesch hait 

Und die das liet gesongen hait, 

Ist Gewillige Armut genant, 


13095. Der = Dir? 


vor 13053 Büd ( 105) ohne Nebenschrift. 2 Tote bedienen eine Tafel; rechts stetU Ent¬ 
haltsamkeit (vgl. Bild vor 13007) als Meisterin daneben. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Freiwillige Armui und Keuschheit; 


285 


Die von yrme eigen willen ge¬ 
laßen h&it 

[394r] Alles das gut das sij hait 
13101 In der werlede gehabt 

Und was sij da inne haben 

mochte, 

Und hait sich zumal davon uß- 

getan. 

Dar umb sistu sij nacket gan, 
13105 Hette ich ir nit angetaen 

Das wammesch das du durch dine 

lassekeit 

Gebe zu dragen Gedechteniße aen 

leit. 

Du weist wie man sij nennen 

sal: 

Du hast sij gehört singen wol; 
13110 Dann sij hait nutschit umb sich 
Das sij hinderte vort zu gan 
In die stadt da du wilt hien gan. 
Du must dich wol zu ir myeden 
Und sij mit zu gelachten henden 

bijden 

13115 Das sij dich getrosten möge, 

Uff das du also gesingen moges. 

Von yrer gespiele ich dir auch 

sagen, 

Die du gesihst den stab dragen, 
[394»] Die die bette machet; 

13120 Da rade ich dir aen lachen 
Das du zu ir dine liebe wolles 

dragen 

So lange du gelebes, bij dinen 

dagen, 

Das sij dir alle nacht din bette 

mache, 

Und bij dir soltu ir eine stat 

machen. 

13125 Sij wirdet gerne ligen bij dir 

13113. Orig.: Bien faut que de li t’acointea. 
myeden] lieben h, nyeden (= nieten) (H.). 


Digitized by Google 


Wann du des begerst von yr: 

Sij liget dicke bij den andern 
Und rüget dicke selb ander. 

Es ist gut zu haben solich slaff- 

meisterynne, 

13130 Soliche magt und solich kame- 

rynne. 

Kerne Unkuscheit uff daz slaff- 

huß, 

Mit yrem stabe driebe sij die 

dar uß, 

Und in dem bette da sij sich 

hette hin getzelt, 
Ließ sij die nit lygen umb kein 

gelt. 

13135 Und weistu war umb das das 

ist? 

Die Sache war umb also gelegen 

ist: 

I r I Dan Unkuscheit sij vor langer 

zijt gedrieben hat 
Und uß der weite sij verdrieben 

hait, 

Als ich dir das me han gesagt 

zu zyden: 

13140 Dar umb muß sij die auch wider- 

dryben 

Und das sij ir desgelichen wider 

dühe, 

Da mit dir wol genüge. 

Die frauwe genant ist 
Frauwe Wilisse, die wol ge- 

weschen ist; 

13145 Es ist die die uff niemans achtet 
Er sij dan wyß aen wüst, wol 

rein gern ach et; 
Und wiltu sij anders nennen, 
Kuscheit magstu du sij nennen, 
Burgvoydynne von diser bürg. 

13122. vor lauge ein anderes lange gestr. 


Original from 

UNIVERSITYOF MICHIGAN 



286 


Unterricht, gefolgt von einer weißen Taube (Hl. Geist); 


13150 Es ist kein arcker noch zynne 

so gut, 

Sij sint von yre alle wol behüt 

Das phil noch schoß nit komme 

dar inn. 

Nit umb suß ist sij gewappent 

da in 

Mit den hentschuen die sij ane 

hait: 

[ 335 »] Der gewappenten hant gehöret 

wol zu 

13156 Das sij sie an der düre da man 

stürmet zu. 

Von den hentschuen weistu wol 

den name: 

ln myrae huse ich dich das ge- 

lernet han. 

Du were ein dore daz du sij uß- 

dede; 

13160 Sij können dir nit wol werden 

so du sij gerne hedes. 

Die frauwe die du hast ge¬ 
sehen gan 

Durch das closter und die spise 

dran 

Uff dem permente, das ist die 

spiserynne 

Und die andregerynne 

13165 Hie in dem huse und ansetzerynne. 

Sij gibt der seien zu essen 

Und spiset sij, daz sij des 

hongers möge vergessen; 

Sij erfüllet das hertze und nit 

den buch 

Mit yrer guder süßen spisen ge- 

nuch. 


13170 Sij ist geheissen die Letze 
Und studieret die gesetze 
Und dar zu auch die heilige 

schrifft, 

[396 •■] Die uff permente geschrieben 

und beslossen ist, 
Umb das sij nit in dem wege 

lige zu myste. 

13175 Sij mag nit so wol noch so 

schone beslossen sin 
Als in den schonen perchemyn. 
Zu ir rade ich dir dich zu ge¬ 
sellen; 

Dann durch sij magst du dich 

geheilen 

Zu den andern und auch zu yn 

gesellen 

13180 Und sij balde lernen erkennen. 
Und die gnade des heiligen 

geistes mit flyße 
Folget ir nach in einer wyssen 

duben wyse; 

Die wirt dir sagen und ver- 

konden 

Was man dut in dem lande daz 

du wirst fynden. 

13185 Sij ist des ein bode und kan 

davon reden 

Mit den die sij sicht dar nach 

lesen und werben 
Und die yre erqwickongen 
Von den Letzen hant genommen. 
Nu wil ich dir sagen aber me 
13190 Von den die du hast gesehen ee, 
[397»] Und das du sehe in dem reven- 

tal: 


13182. wyBsen aus wißen. [13190.] Bl. 396'» und 397 r leergelassen 

13185. vor reden schwarz gestr. zu. (überschlagen), aber oben auf 396 » in der 

13188. den] l. der? Orig.: par la main de Schrift der Korrekturen: hie gebristet nicht 
Lecon, h: von de hende der letzen. daB such an dem andn blade her nach bij 

13189. vor der Zeile am Band Paragraphen- solichem Zeichen }(; . dieses Zeichen oben auf 
Zeichen. Bl. 397*. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Enthaltsamkeit und Gebet. Gebet ist die Botin der Toten. 


287 


Die frauwe die den krag hatte 

zemal, 

Die auch frauwe über das reven- 

tal ist 

Und Abebrechonge genant ist, 

13195 Wan du wilt zu yr reden 

Und bij sij wilt treden. 

Yre krag ist nuchterkeit, 

So wisse, obe ich des vergessen 

hette. 

So wil ich dir von den doden 

sagen 

13200 Die den lebenden zu essen 

dragen 

Und yn dienent andechteclich: 

Das sint aen liegen die selige 

lüde 

Die von dieser weit gescheiden 

sint als lüde 

Die des yren so viel gegeben hant 

13205 Dem lebenden das sij davon zu 

leben hant 

Genuglich und werden davon 

gespiset. 

Er were sicher wol domme 

Der des doden gut hette ge¬ 
nommen 

Und sij keinen dienst von yme 

hetten 

[598 r ] Und er genug von dem yren 

hette 

13211 Und aen das yre honger hette; 

Der sal yn dienen und sij ereil 

Als obe sij gheenwertig weren, 

Vor sij zu bijdden und yn zu 

dancken. 

13215 Dar umb sint sij uff die knye 

gesoncken 

Als obe sij sprechent: “bijdent 

vor uns! 


Wir han uch geben das unse; 

Zum mynnesten deilent uns 

Uwer gebet mit uns!” 

13220 Nu sage ich dir, daz ist wol 

getaen. 

Hie inne magst du wol gesehen 

han: 

Die frauwe die indem münster ist, 

Die dreit eins boden buhße an ir 

gewist, 

Das ist die frauwe die yn dienet 

18225 Dar nach das ieclicher gheen mir 

verdienet. 

Sij hait ein bor, das hastu ge¬ 
sehen : 

Den hymmel sij da mit löchert 

zu besehen 

Das sij da mit her abe rynnen 

dut 

[398Und vom hymmel kommen alles 

gut, 

13230 Davon yn wirt gegeben 

Yn allen das ewige leben. 

Das bor ist myt sime namen ge¬ 
nant 

Hitzige ubonge vielen bekant, 

Die durch ire langes üben dut 

13235 Den hymel bis an das oberste 

durch boren dut; 

Und also wirt yn zu essen ge¬ 
geben 

Und wirt yn zweifeldig wider 

geben. 

Heller odir phennig hant sij nit 

gegeben, 

Er wirt yn zweifeldig wider¬ 
geben; 

13240 Dan yn wirt das leben da von 

Dar an sij nummer keinen 

bresten han. 


13208. das s tu des auf Rasur. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



288 Gebet soll auch der Pilger vor sich her senden. Endlich ist noch da Frau Gottesdienst. 


Als obe die lebenden yn hant 

gedienet, 

Als wirt yn von den doden 

wieder gedient. 
Yre bodynne yn bereitlich 
13245 Dienet und gutenclich; 

Von dem dode dut sij sie wider 

uffstaen 

Umb das große gut daz sij yn 

hant getaen, 

[309 r] Und brichet yn des fegefurs abe, 
Das sij desta myner pyne habe. 
13250 Wiltu wissen der frauwen name? 
Sij heißet Gebedt aen schäme, 
Und in andern weg ist sij be- 

kant 

Und ist auch wol Bede genant. 
Sij hayt flugel balde zu fliegen 
13255 Und balde zu hymel zu stigen, 
Daz sij yre botschafft balde duhe 
Von mentschlych könne spade 

und früe. 

Sij ist vor war sine bodynne 
Und, wann is zijt ist, sine 

schaffenerynne. 
13260 Bereitlich sij vor den konnig geit 
Und in guden truwen ire bot¬ 
schafft deit, 

Was ir dann befolhen ist. 

An yr kein gebreste ist, 

Durch sij niemans icht gebrist 
13265 Das nit me sine heischonge sij 
Und mit andacht besigelt sij. 

[399c] Gheen ir ich reden daz du zu ir 

geest 

Und sij vor dir gan schickest 
In die stadt da du wilt hien gan; 

13243. gedient aus gedaen. 

13251. das zweite e »n gebedt übergeschr. 
üb. ein aus o verbessertes e. 

13257. Von] l. Vor mit h? 


13270 Da wirt sij dir ein ende wol be 

reidt han 

Und gefügliche husonge, 

Da du salt han dine wonunge. 

Es ist nit billich das din 

kommen 

Vor nit werde da vernommen; 
13275 Es gesatzete nie keiner fuß dar 

inn 

Er hette dann vor geschicket da 

hyn. 

Von dem schecher die gewonheit 

qwam 

Der bij Jhesu gehangen den dot 

nam. 

Bede schickete er vor dar, 

13280 Kurtz dar nach qwam er dar, 

Da wart yme wol und allen dag 

bas: 

Dir als yme ist not das. 

Die frauwe die du hast ge¬ 
sehen spielen 

Uff den seiten spielen 
18285 Und gesehen das hom dragen, 
[400*] Die ist der wechter der sal uff- 

jagen 

Und die auch dut erwecken 

Den konnig, so er wilt slaffen 

aen schrecken. 

Durch ire hörnen und spielen. 
13290 So er lange ligt, so dut sij yn 

uffilen; 

Zu latine ist sij Latria genant 

Und zu dutsche Gods Dinst ge- 

want. 

Yre horn ist die anruffonge 

Das ir Got zu helffe komme, 

13265. nit me da s. h. h. 

13270. Orig.: Bien te sara lien aprester. 

13284. hint. spielen gestr. viele. 

13288. vor Den schwarz gestr. s. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Als Gottes Gnade geendet, tritt Gehorsam an den Pilger heran. 


289 


13295 Das nennet man: “deus in adiu- 

torium! ” 

Yecliche zijt aen lange beyden 
Also bebet sij an zu bescheiden, 
Und dar nach sij sich zu iren 

orgeln dut 

Und den süßen done davon gen 

dut 

13300 Und das salterium sij auch 

nymmet 

Und die gedone zu samen 

bringet; 

Dan so ist groß süße gesang 
Von dem süßen psalmen clang. 
Also sint die instrumente genant 

[400’) Und mit yren naraen wol erkant; 

13306 Es sint die spiele wol gefellig 
Dem konnige, myme vatter al- 

mechtig. 

Er hait sere lieb soliche orgele- 

rynne, 

Solich gedone und die spiele- 

rynne, 

13310 Und wann is yme so wol ge- 

fellet, 

So hait er mit yr bestellet 
Das sij ist sine oberste spiele- 

rynne 

Und sine sunderliche dienerynne. 
Soliche sache gehöret wol dem 

konnige zu 

13315 Zu syme lu3te, wann er wilt nu.’ 

Als zu mir rette da 
Gots Gnade, vor mich sach ich 

da 

Die die das gebende hatte 
Und glich her zu mir tratte. 


13320 ‘Nu her!’ sprach sij, ‘wer bist 

du? 

Wen suchestu im kloster? war 

gest du? 

Es muß sin das du mir is sagest. 

Ich weiß nit obe du uns verspiet 

habest ’ 

[40iri ‘Frauwe’, sprach ich, ‘nit ver- 

spihen 

13325 Wil ich uch, dan ich han willen 

zu gen 

In die stadt zu .Therusalem. 

Dar umb hait mich her gefurt 

Gots Gnade und mir den weg 

' gekurt. ’ 

‘Hait sij dir’, sprach sij, ‘nit ge- 

saget 

13330 Das man harte bette hie inne 

hait, 

Harten gang und hart leben, 

Wie wol du is nit gesihst eben?’ 

‘Ja’, sprach ich, ‘aber ich wolde 

wol 

Gerne dun das ir lieb were, 

mochte ich wol.’ — 

13335 ‘Es ist nutschit du duhest is wol 

Wo du nit bist trahekeit vol: 

Es ligt alles an gudem willen. 

Hastu den gut, des werde ich 

innen 

Und wil das yetzont versuchen: 

13340 Wolher, laß mich das besuchen! 

Gib her dine hende, gib her dine 

füße! 

Als einem falcken ich dir die 

binden müße.’ 

[401’] Da ich die rede hatte gehört, 


13323. verspiet aus verspiese. hinter Wil im folg. Vers eineufügen vergessen 

[13323.] Kustode unten auf Bl. 400•: frauwe wurde. 
spreh ich. 18336. vor vol schwäre gestr. zu. 

13324. vor nit ein schwäre gestr. ich, das 

Dan Uch* Tut« das MitUUiters. XXV. 19 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




290 


Gehorsam bindet dem Pilger Füße, Hände und Zunge. 


Gar sere wart ich verstört; 

13345 Dan ich nit gewane was 

Das ich geseilet odir gebonden 

was; 

Ich dorste nit fliegen vor Gots 

Gnaden, 

Die mir dar hatte geraden. 

‘Wol an’, sprach ich, ‘was ir 

wollent, 

13350 Das dunt nu wie ir dun sollent; 

Dan ich mich dar inn ergeben 

han: 

Ich sal dar wider nit han getan. 

Gots Gnade hat mich underwiset 

mit synne 

Das ich an diesem ende solle 

finden 

13355 Das widergewichte und glichenisse 

Von der hecken der Bussen ge¬ 
wisse.’ 

Da bant sij yre seyle uff 

Und bant mir die fuße zu hauff, 

Das ich waende ich were in 

ringe gelacht 

13360 Und in zugende stricke gemacht. 

[402r-\ Von d em bande da mit sij 

mich gebonden hatte, 

Das eine ende sij auch in der 

hende hatte 

Und sprach zu mir, wanne ich 

wolde gan 

Einen weg, so müste ich einen 

andern gan, 

13365 Als ich des dar nach dicke wart 

geware. 


Aber ich achte des nit viel 

zware; 

Ich wil is lieber ein ander male 

sagen 

Dann is hie in myme namen ge- 

schriben dragen. 
Dar nach bant sij mir die hende 
13370 Und sagete mir da gar behende 
Das is zu male nit endochte 
Alles das werck das ich machen 

mochte, 

Und were alles bruchette 
[402 Und auch nit zu male gerechte 
13375 Ich dede is dann durch sij. 

Die zonge det mich her ußdun sij 
Und lachte mir auch ein bant 

dar an 

Und sprach ich solde nit reden 

an 

Ich rette dann durch sij, 

13380 Und sagede mir auch da bij: 

‘Dis ende ist geheissen hie 
Stillonge und benedicite; 

Die alleine entbynden ich hie 
Und erleuben dir die. 

13385 Aber von Gots Gnaden sage ich 

nit 

Noch von yren frauwen die du 

hast gesehen sijt, 
Noch von den andern die du 

wirst gesehen, 

Das du nit zu yn reden salt 
Wann du yne icht heißen salt.’ 
[403r] Da mir also hatte gesagt die 

piyolynne, 


13364. vor gan gestr. lan. 


13373. bruchette] Orig.: brehtü'n9; ist ge¬ 
meint bruchiht 'brüchig'? 


vor 13361 Bild (106) mit Nebenschrift rechts: gehorsamekeit die byndet de weller 
sine fasse (t?or weller gestr. pi). 

nach 13390 Bild (107) mit Nebenschrift rechts: Siechdagen vnd alter, zwei alte Weiber, 
die eine mit einem Bett auf dem Kopfe, die andere mit 2 Krücken auf der Schulter. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Dann nahen dem Pilger zwei Botinnen des Todes (Krankheit und Alter). 


291 


13391 Mich gelacht und gebonden na 

yrem synne, 
Eine lange zijt ich da inne was 
Und mynre sunden nit zumale 

vergas; 

Dann sij mich ruweten sere. 

13395 Aber dar nach eine lange zijt 

mere 

Sach ich zweie aide wiber, 

Der wondert ich mich ser. 

Die eine zwo krucken uff yrem 

halse drug 

Und hatte blyen fuße swere 

genug, 

13400 Und eine buhße hynden 
Drug sij als eine bodynnen. 

Die ander auch eine bodynne 

was 

Und drug uff yrem houbte ein 

bette, und sij was 
Gestalt als obe sij wolte ringen; 

13405 Das duchte mich vor allen 

dingen. 

Miteinander qwamen sij zu mir 
Und sprachen: ‘der Dot schickt 

uns zu dir 

Das wir dir verkünden sollen 

[403’] Das er aen beyden zu dir 

kommen wolle, 

13410 Und hait uns gesagt und be¬ 
scheiden 

Das wir uns von dir nit scheiden 
Bis das wir dich haben geslagen, 
Geqwetschet und nidergeslagen. 
Er wilt dich finden bekümmert 

und mat, 

13415 Das er dir spreche schach und 

mat.’ 

‘Wer sint ir?’, sprach ich balde, 


‘Ich kennen nit uch zwoe aide, 
Noch auch den Dot kennen ich 

nit. 

Sijt das der Dot uwer meister 

ist, 

13420 So wil ich wissen wer er ist, 
Und wil auch wissen dar zu 
Obe ir yme beide gehorent zu. 
Nu sagent is mir, obe ir wollent, 
Und uwern namen, war zu ir 

dienent! ’ 

13425 Da sprachen sie zu mir eben: 

‘Es hilffet dich nit widerstreben 
Wieder uns odir wieder yn 

1404'] Odir wider den willen sin; 

Dann is ist keinre der so starg 

möge sin, 

13430 Wann wir kommen zu yme hien 

in, 

Wir slahen yn an allen stucken 

nider. 

Der Dot hait die macht wider 
In der weit über mentschlich 

leben, 

Und fochtent yn konnige und 

fürsten eben 

13435 Me dann armenlude und die 

kleinen. 

Riehe und grossen, alle gemeyne, 
Er machet is mit yn allen 

siecht; 

Er schonet niemans, sij sint yme 

alle gerecht, 
Und er kommet dicke an manich 

ende 

13440 Ee dann er dar gesende, 

Also das er dir hait vorteil getan 
Das er uns hait vor her zu dir 

dun gan. 


13408. sollen aus wollen (?). 

13416. Initiale schwarz mit roter Füllung. 


13436. das erste e in gemeyne gleich über- 
geschr. 

19* 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



292 


Krankheit trägt ein Bett auf dem Kopf. 


Das ist eine sicher underwisonge, 
Die zu dir kommet mit ilonge. 

13445 Wir sint syne bodynnen 

Und sunderliche leufferynnen; 

[404*\ Unser iecliche sal dir sagen 
Yren namen.’ Da fing an zu 

sagen 

Die das bette uff dem heubte 

drug 

13450 Und scheine eine rengerynne 

klug: 

‘Ich heißen’, sprach sij, ‘ Siech - 

dagen, 

Und wo ich finden Gesunde Dage, 
So fahe ich an mit yn zu ringen, 
Sij zu undertreden und zu uber¬ 
winden. 

13455 Eine stonde werffent sij mich 

nyeder, 

Die ander werffe ich sij nider 

wyder, 

Aber wenig solden mich nider- 

legen 

Dede artzetie ir nit stüre under- 

wegen, 

Artzetie die schemeliche, 

13460 Die ich verjagen gliche 

Dicke wann ich sij finden an der 

düre 

Da ich sal gan hien füre 
Und myne botschafft dun. 

Also muß sij sich wenden, 

13465 Und das sij belibe an den ussern 

enden. 

[io:> r ] Und dar umb yren buhßen zu 

leide 

Und yren plastern drocken und 

nas beyde 


Und auch yren gedrencken 

Ettwann ich mich bij sij 

insencken 

13470 Zu den mich hat geschicket der 

Dot. 

Ich slahen sij nyder und werffen 

yn in not, 

Sin fleisch er isset und sin blut 

er süget, 

Also das er nit hat krafft odir 

macht; 

Und dan han ich yn in das bette 

gelacht 

13475 Das ich uff myme heubte dragen. 

Uff das yn funde bereidt. 

Der Dot, der yme daz leben abe- 

sneydt. 

Das er nit viel habe zu dun, 

Dar umb muß ich das dun.’ 

13480 ‘Du bist nit’, sprach ich, ‘eine 

bodynne 

Die da solle wol entphangen sin 

mit synne!’ 

‘Ich bin zwaer’, sprach sie, 

‘Und wisse vorwar das ich bin 

die 

Die dut gedencken an Bussen 

[405 »] Wann so man yr wilt vergessen. 

13486 Die die verirreten lüde widerkert 

Und sij die rechte wege leret. 

Zu zijden der der Nature hat 

gemacht, 

Hait gesehen das ein deil sin nit 

hant geacht 

13490 Und hatten sin vergessen und 

fochten yn nit; 

Der rieff mir und sprach zu mir 

in der zijt: 


13460. Orig.: Qui pour moi enchacier fu nee. 13472. I. ich isse ... ich süge mit h? 
13466. vor vmb geslr. viel. 13488. Zu zijden] Orig.: Jadis. 

13471. vor vnd gestr. w. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Da hinein will sie den Pilger zwingen. 


293 


“Gang in myn weltlich landt 
Und ringe mit den zu hant, 

Dar zu so werffe sij nider 

13495 Die du findest aller starckest an 

glider! 

Wenig sij mir biedent urab daz 

sij gant 

Und auch gesontheit hant, 

Umb daz sij hant vergessen 

myn. 

Dar umb saltu straffende by yn 

sin, 

13500 Und binde sij in yre bette so 

hart 

Daz sij nit mögen uff der fart 

Balde wider uffgesten 

Odir sich nach yre m willen ge- 

wenden, 

(*°® r ] Das sij von essen verlieren den 

gesmag 

13505 Und vom drincken haben keinen 

gerog! 

Dar uff ich dir das sage; 

Dan ich wil daz sij alle dage 
Mich gnade bijdent und sich 

bessern 

Und ire sele zu behalden nit 

vergessent, 

13510 Und das der Dot sij in solichem 

wesen finde 
Daz ieclicher wieder yn sprechen 

mit synne: 

“‘Dot, einen halm föchte ich dich 

nit! 

Zu myme schopper myn hertze 

ist gericht 

Und auch alle myne gedencke! 

13515 Slag wann du wüt, und dich 

sencke; 

Dann myne sele ist gereydt 
13503. sinem Hs., yrem h. 


Und von der erden zu gan be- 

reidt! 

Busse, die wescherynne, 

Hait sij so viel in yrem buche 

dun syn 

13520 Das sij gereyniget ist und schon 

geweschen 

Mit der laugen von yren 

eschen! ” 

Nu sage ich dir, da sij also 
[400 "J Hatte gesagt, undertenig do 

Wart ich ir und was gar unfro. 
13525 Myne kleider ich in mynen 

gurtel stieß 

Und gieng durch das lant mit 

flyß 

Und han da inne so viel getaen 

Das ich manichen uberwonden 

han 

Mit der slagen und viel nider- 

geslagen 

13530 Und auch uff dem bette viel dun 

ligen. 

Und dir dun ich nit mynner: du 

must ligen; 

Bereidt dich, ich wil mit dir 

ringen 

Und dich uff das bette 

dringen!’ — 

‘Die ander sal sagen vor 
13535 Wer sij ist, als sij hat geredt 

vor!’ 

‘Das wil ich wol’, antwerte sij 

da. 

‘Ich bin die’, sprach die ander 

da, 

‘Die du nit waente gesiehen 

Da dich Jugent drug mit fliegen 
13540 Und du spreche: “sij ist ferre 

und kommet nit balde, 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




294 Zuvor aber spricht auch Alter, mit zwei Krücken auf der Schulter, sum Pilger. 


Dar umb saltu nit gan so balde; 
[407r] sij hait fuße von blye und mag 

nit gan, 

Ich han zijt genug spielen zu 

gan!” 

Nu sage ich dir das gewerlich: 
13545 Blyen fuße han ich sicherlich 
Und geen auch gar gemechelich; 
Aber ferre ye wenig und wenig 
Geet man wol in der zijt, 

Es ist lange wol gesaget. 

13550 Han ich wol nit sere gejaget 
Und bin mechelich kommen, 

So bin ich dir nachkommen 
Und brengen dir nuwe mere 
Das der Dot zu dir kommet 

schiere; 

13555 Du kanst keinen boden han 
Der dir warer möge gesaen. 

Myne gespiele ettwan luget 
Umb Sache die sij bedruget 
Und wider sij muß dun, 

13560 Die sij auch nit lesset dun 
[407»] Yre botschafft; aber nuscht ge- 

hindern kann 

Mich, ich muß die warheit san. 
Alter heiße ich, die verfochten, 
Die grae hudt, die geflochten, 
13565 Der da ist das heubet grae 
Und auch dicke kale gar nae; 
Die an der man sal rat süchen, 
Yre ere erbieden und sij da mit 

suchen; 

Dan ich han gesehen die ver¬ 
gangen zijt 

13570 Und mich viel guds und böses 

genyedt. 


Das sint von den konsten die 

glosen 

Und war nmb das man muß den 

Sachen losen; 

Es wirt keiner wissenthafft 
Wanne der es nit gesehen odir 

versucht hait. 

13575 Doch so ist is dicke geschiet, 

Und das sal man verewigen nyet 
Das, wie wol ich genug gesehen 

han 

Odir das ich hondert jare han, 

[4o«'-]Und werden in der kinde ringe 

gestalt 

13580 Und vor ein ander kint getzalt 
Und doren wieder hinder mich 
Und han keinen synne da mit 

rade ich. 

Das ist war umb daz zu zijden 

mir verfluchet hait 
Ysayas, da er mich gesehen 

hait’ 

13585 ‘Von den krücken’, sprach ich, 

‘sage mir 

Und gang dan balde hynnen von 

mir, 

Die wijle du dine botschafft 

haist getaen: 

Din hie wesen mir nit wol ge¬ 
fallen kan!’ 

‘Is gefalle odir gefalle dir nit’, 

13590 Sprach sij, ‘is get also nit: 

Ee wirt der Dot kommen zu dir 
Ee dan ich scheiden von dir. 

Ich wil dich yetzont slahen, 

Das du nit salt viel me freude 

haben. 


13561. nuscht üb. gestr. nit. 13583. dz übergeschr. 

13569. han übergeschr. 13584. Itaias 65,20. 

13574. W5ne üb. gestr. von dem (?). 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





Beide Frauen fallen über den Pilger lur und verkünden das Nahen des Todes. 205 


13595 Kromp und unmechtig ich dich 

machen 

Mit den streichen die ich dir 

geben aen lachen. 
Doch so viel Vorteils soltu han 


f#6»]Von mir, wiltu is vor gut han: 

Die zwoe knicken die ich dragen, 
13600 Die soltu von mir haben, 

Das du dich dar an solles halden 

Und doch dinen stab auch be- 

halden, 

Und wil dir den dar umb nit 

nemen; 

Dan is ist gut bij dem geist¬ 
lichen stabe 

13605 Das man den weltlichen da bij 

habe. 

Myne kr&cken sint liplich 

Und den lip zu halden beqweme- 

lich; 

Dar umb det ich sij machen 

Und nam sij bij mich umb die 

Sachen. 

13610 Wer uff eine sytte gehalden ist 

Und uff die ander syte geslagen 

ist, 

Der feilet nit so lichteclich 

Und missefellet yme nit so nnglich. 

Also nym sij nu, obe du wilt, 

13615 Du darffest ir beider zu hant 

villicht! 

Myne streiche sint gros zu lyden, 
^ 409r l Balde wirst du is gewar mit 

lyden.’ 


‘Nu her!’ sprach sij zu yr ge- 

spiele, 

‘Es ist zijt das wir yme duhen 

leides viele. 

13620 Ringe mit yme und wirff yn 

nider 

Und lege yn in din bette nyder! 

Und uff die ander sijtte ich dir 

wil helffen 

Und yme nach myme vermögen 

zu schaden helffen.’ 

Da mit einander sij mich 

nament 

13625 Und balde niderfallen mich da- 

dent, 

Und mit dem halse sij mich 

griffen 

Als obe sij mich wolden er- 

stricken. 

Schrien und ruffen muste ich 

wol: 

Keinre ander freuden waz ich vol. 

13630 In das bette zu leste sij mich 

lachten, 

[409*] Sij bonden mich und zu mir 

sprachen: 

‘Bereide dich, der Dot kommet! 

Vertzucket er dich, uns das nit 

wonder nymmet; 

Wir han dich wol underracht 

13635 Und underwisen dich noch dag 

und nacht.’ 

In solichem wesen ich ge¬ 
halden was, 


13605. weltlichen üb. gestr. liplichen. 13623. zu übergeschr. 

13618. zu übergeschr. 


vor 13618 Büd (108) mit Nebenschrift rechts: Siechdage vnd alter koment den weller 
an. der Pilger im Bette, sein Stab auf der Decke. Die beiden Frauen stehen vor dem Bette; 
die eine hält den Pilger am Kopfe fest. 

vor 13636 Bild (109) mit Nebenschrift rechts: barmhertzikeit, bedurenisse ynd liebe 
die trostent den weller. eine tröstende Frau mit halb entblößtem Busen am Bette des Pilgers. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


296 


Doch dem Pilger kommt noch eine Trösterin (Barmherzigkeit). 


Und uff dem bette ich also ge¬ 
legen was, 

Da sach ich kommen eine frauwe 

Die mich det sere erfrauwen. 

13640 Ir gesichte was gar einfeldeclich 

Und einen willen milde und wol 

gefellig 

Und hatte eine brust her uß 

getan 

Und durch yren busem ußgelan; 

[4lo r ] Und als sij wölde nach hauwe 

gan, 

13645 Ein seyle sach ich sij in der 

handt dran. 

Zu mir sij qwam und det ir 

seyle uff 

Und sprach zu mir: ‘nu stant 

uff, 

Komme, komme in das sieche 

huß; 

Dan du ligest nit wol in diesem 

huse! ’ 

13650 Da sprach ich zu ir: ‘zarte 

frauwe, 

Ich sweren uch und globen uch 

uff myn truwe 

Das ich mit uch wil gerne gaen; 

Aber dar umb das ich nit kann 

gesan 

Wer ir sint, so bijden ich uch 

13655 Das ir mir das sagent von uch.’ 

‘Das wil ich dir sagen’, sprach 

sij; 

‘Wisse vorware das ich bin die 

Die nach dem gegeben urteile 

Inn allen gerichten sal ent- 

phangen sin, 

13660 Sal mir anders nit unrecht ge- 

schien! 

13665. handt aus hant. 


Da zu zijden hatte gerichte ge- 

taen 

Der oberste konnig und urteil 

gelan 

[4io*] Uber alle mentschlich könne 
Und zum dode geachtet umb ir 

uberwonne, 

13665 Da det ich yn sine handt abedun 
Umb das ich is möchte beliben 

dun; 

Ich det machen einen bogen aen 

snure 

In dem hymel, das sin zorn ver- 

fure, 

Zu Zeichen der vereynionge. 

13670 Die snure ich behielt, sin ist der 

bogen: 

Keinen schützen han ich nie ge¬ 
sehen mögen 

Der in solicher maßen könne 

schiessen, 

Wilt er des schiessens nit ge¬ 
messen 

Und wolde er is nit zu yme 

ziehen. 

13675 Von der snure sage ich bas 
Da mit gesnuret was 
Der boge den ich entreyset han: 
Da mit ich wol schiessen kan 
Und nemen uß die unseligen 

13680 Von unselikeit, wann ich sij da 

inne finden. 

[W] Dar umb dut sich Glich Ver- 

stenteniße dar zu 
Das sij sich Barmhertzikeit 

glichen duhe, 

Das ist von der unseligen seyle 
Sij zu ziehen von dem unreynen 

deyle 

13681 f. Orig.-. Et pour ce s’acorde Saison, 

Que Misericorde aie non. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Mit einer ihrer Brüste, die sie herausgezogen, säugt sie alle, die ihrer bedürfen. 297 


13685 Des unreynen pades 
Mit viel guden rades. 

Myne mutter Götliche Liebe, die 

seylerynne, 

Was des seiles eine spennerynne; 
So balde als das gebrochen wirt, 
13690 Zu hymmel gestigen kan nyeman 

nit.’ — 

‘War umb hant ir her uß ge- 

tzogen 

Uwer brüste? ist sij gesogen 
Odir ist noch milch da inne, 

Das ir mich seugen wollet mit 

synne ?’ 

13695 ‘Ja’, sprach sij, ‘is ist dir not 
Und wirt dir noch noder me 
Dan daz du habest Silbers odir 

goldes me. 

Beduronge ist myn name, 

Des ich mich zu male nit 

schäme. 

[411*] Mir ist auch wol aen spot 
13701 Das ich die armen seugen in 

yrer not. 

Ich seugen da mit die hongerigen 

Und ist nit gegeben den 

Die zu zijden viel hant misse- 

taen. 

13705 Aristotules sprichet das milch 
Nit anders sij dan verwandeltem 

blut glich, 

Das verändert ist und worden 

wyß 

Durch rechte verdaugonge mit 

flyß 

13687. gütliche übergeschr. 

13691. Initiale schwarz mit roter Füllung. 

13697. dz übergeschr. 

13705. Aristoteles, De animalium genera- 
tione 4, 8. 

13706. blut gleich übergeschr. üb. gestr. 
milch. 


Von natürlicher hitze, 

13710 Das sij nit beheldet der roete 

keine spitze. 

Weistu nit was das bedüdet, 

Du salt wissen das ein man der 

sich viel bekrüdet 
Und alle wege vol zornes ist, 

Das sin blut nit recht rot ist. 
13715 Dasselbe wurde nummer wyß 
Wann Liebe das nit hüte mit 

flyß 

Und verwandelte sij daz sij wiß 

ist. 

Milch wirt wyß wann sij ge- 

soden ist 

[4i2r] Und die roete dar uß getzogen 

ist, 

13720 Und der dan schone milch hait, 
Der vertzijget allez daz man 

yme missedan hait. 
So stent yme soliche brüste wol 
Und kommet yme auch eben wol. 
Min vatter, der an das crutze 

wart gelacht, 

13725 Was solicher brust nit ane be¬ 
dacht; 

Es was yme nit not daz er uns 

sin brust det 

Zeugen, dar umb er sij durch¬ 
stechen det 

Und uff spalden die sijtte sin 
Der usserwelten mentscheit sin. 
13730 Nie kein müder so viel gedet 
Odir amme ir kint geseugete. 

Da erscheinen sine brüste wol, 

13714. Orig.: N’a point en soi que rouge sanc. 
13727. vor er schwarz gestr. ließ m. a. Schl. 
det zugeschr. 

13731. erster u. letzter Buchstabe von affie 
korr. aus andern Lettern. das Schluß - e in 
geseugete zugeschr. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


298 


Barmherzigkeit fuhrt den Pilger in das Siechenhaus. 


Zu eyme ieclichen cristen er 

sprach so: 

“Wer wilt geseuget sin, der 

komme her bij uns! 

13735 In mir ist des zornes kein blut 

me; 

Liebe hait is verwandelt und ge¬ 
sotten 

In wyße milch aen spotten, 

[412»] Zu dem gemeynen nutze bracht. 

Nie keins soliche milch gesogen 

hait 

13740 Noch auch soliche brust geseuget 

hait! ” 

Nu sage ich dir das ich also 

seugen 

Alle die ich weiß das sij sich 

lyden, 

Und also glich ich myme vader 

Und folgen nach Gütlicher Liebe, 

mynre mutter. 

13745 Auch saltu da mit wissen 

Daz an allen enden wo ich kann 

wissen 

Odir auch gesehen an 


Einen armen der hunger mag 

han, 

Balde geben ich yme brot. 

13750 Zu drincken und zu essen ich 

yme auch geben 

Dar nach ichs han am staden 

eben. 

Sehen ich yemans der trurig ist, 

Yemands nacket odir der zer¬ 
rissen ist, 

Ich kleiden und trösten 3 m, 

13755 Und zu gedult stellen ich yn. 

Die pilgerin neme ich in myn 

huß 


[4i3r] Wann sij mich mit yr gefurt 

hette. 

Die aide wiber fuß vor fuß 
Qwament her noch, dar was mir 

swere genüg, 

13760 Und was des nit frölich 

Und konde daz nit gebessern ich; 
Dann die macht was nit myn 
Und konde da nit besser gesyn. 


13744. gütliche’ übergeschr. 
13752. vor trnrig gestr. d. 
13756. vor neme gestr. m (?). 


[13756.] Kuslode unten auf Bl. 412’: vnd 
ist yemads in. 

vor 13757 von späterer Hand großes Kreuz. 
13761. dz üb. gestr. es. 


Nach 13756 fehlt 1 Blatt, etwa 30 Verse. Die Partie lautet t'n h: 

[S. 330] ... dye bilgerin neme ich in myne huß, vnd ist ymant der gef an ge ist, den 
begem ich zu Behen zu mynsten eynß in dem mande. Die dot sint, laßen ich nit vnbegraben; 
die durch alter ader siech tage zu bette lygent, den dienen ich mit demutikeit, vnd dar vmb 
hat mich gottez gnade hie gemacht eyne meisterin der siechen. Ich diene den großen vnd 
den cleynS vnd machen in dig ir bet, vnd wez iglichem gebrist dez ich ym gebeßern mag, 

dez laßen ich in keyne mangel han. Wiltu mit kome, so byn ich bereit dir zu dyene!’ Da 

sprach ich: ‘Ich han guden willen dar zu, aber ich weiß nit wie ich dem dun solle. Dieß 

bodden haldet mich so hart daz ich mit uch nit gegan kan. Dedent ir sie von mir, so hettet 

ir mir sere wol getan!’ Abe da sprach sie: ‘dez kan ich nit gedtt, aber ich wil dich in 
myner snore mit mir fure, ab ich mag, in daß siech huß. Die bodynne koment auch dar vnd 
laßent dich nit; ich dencken wol der dot werde vor kome E du frieden von in gewynnest.’ 
l)a bant sie ir seile an daz betht vnd furt mich mit ir ... 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 






Kaum ist er dort, da springt ein Weib (Tod) mit Sense und Sarg auf sein Bett. 299 


Da ich in dem siechhuse was 

eben 

13765 Und eine wile da inne hatte ge¬ 
legen, 

In eyme spronge snelleclich 
Uff myme bette gesag ich 
Ein altwip das dar ifff gestigen 

was 

Und zu mynen füßen saß, 

13770 Des ich gar sere erschrack 
[4/3*] Und ziederte das ich nit enmag 
Za ir gereden odir sij icht ge¬ 
tragen. 

Eine sensse sij uff dem halse 

drug als in der wagen, 
Und eine lade von holtze sij 

drug 

13775 Und was mir nahe genug. 

Einen fuß hatte sij mir gestalt 
Uff myne brüst und sich zu 

drucken gestalt. 
‘Ho, ho!’ sprach Gots Gnade do, 
Die was nit ferre von dannen da, 
13780 ‘Beyde einwenig, wil ich yme 

sagen 

Zweye wort die ich yme han zu 

sagen!’ 

‘Nu sagent balde’, sprach sij, 
‘Balde verdrußet mich hie: 

Balde wil ich ußrichten; 

13785 Dan ich muß mich anderswo 

hien richten, 

Da ich dan han hien zu gan!’ 


Da kam Gots Gnade bij mich 

gan 

Und sprach zu mir gütlich: 

[4M»-] ‘Nu wol an, nu gesehen ich 
13790 Das du bist an dem engen pade 

harte 

Mit dynre bidefarte. 

Auch hie ist der Dot, der 

kommen ist 

Und des irdenischen guds ein 

ende ist, 

Ein ende und ein ußgang. 

13795 Er wilt dir din leben abehauwen 

zu hant 

Und is alles niderlegen 

Und dinen lip dann geben 

Den stinckenden wurmen zu 

essen eben. 

Das ist eine Sache gemeyne 
13800 Yeclichem und ieclicher gemeyne: 

Der mentsche in dieser weit ist 

gegeben 

Dem dode als gras in der wiesen 

eben 

Der senssen wann is hauwe ist, 

Das hude grüne und morne dürre 

ist. 

13805 Nu bistu grüne gewest lange 

tzijt 

Und hast gehabt regen und 

windes zijt, 

Aber yetzont muß man dich 

mehen 


13788 f. unten auf Bl. 413* u. oben auf 13789. vor wol wieder von der späteren 
Bl. 414 r von späterer Hand ein blasses Winkel- Hand ein verblaßtes Wort übergeschr. (d... ?). 
Zeichen, wohl zum Zeichen, daß sie sich an- 13790. pade übergeschr. 

einander anschließen. 13794. vor dem zweiten ein gestr. d. 


vor 13764 Bild (110) mit Nebenschrift rechts: der doit komet den weller gar er- 
»chreckelich an. auf dem Fußende des Bettes ein altes Weib mit einer Sense auf der rechten 
Schulter und einer gelben Holelade (Sarg) in der linken Hand. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




300 Nochmals redet Gottes Gnade dem Pilger zu. Schon schwingt der Tod seine Sense. 


[4H”] Und in zweye stucke dich dryben 

mit gehen. 
Die düre ist enge, sele und lip 
13810 Magent da durch miteinander nit. 
Die sele muß zu erste durch gan 
Und dar nach wirt der lip gan; 
Das geschiet aber so balde nit: 
Das fleische muß ee verfulet sin 
13815 Und nuwe widergeborne sin 
In der gemeynen samenonge. 

Nu dencke nach dinre bereidonge 
Abe du recht gestalt siest 
Und recht bereidt siest! 

13820 Belibet es an dir nit, so wirstu 

balde gesien 

Die stat da du wilt gan hien; 

Du bist an dem ingange der 

düre 

Die du lange in dem Spiegel hast 

gesehen fure. 

Bistu ußgetaen und nacket, 

13825 Balde man dich da inne ent- 

phaet, 

Wann du sij hast gesehen vor. 
[4i5 r ] Doch so viel sage ich dir bevor 
Das du mynen vader wolies 

gnaden bijdden 
Und auch Bussen geloben da 

myde, 

13830 Habest du ir nit genug gedaen, 
So wolies du is noch gerne dun 
In dem fegefure da du must 

ingan.’ 

Nu sage ich uch, hette ich ge¬ 
mocht 

Reden, so hette is wol gedocht 
13835 Das ich sij viel gef raget hette 


Das ich nit wiste und föchte 

doch. 

Es ist dorheit abestigen in der 

not: 

So man wenet das ferre sij der 

dot, 

Er bei Jet an der kleinen dür; 
13840 Ich warts gewar begriffen für. 

Der Dot ließ sine sensse lauffen 

Und det mir die sele vom libe 

lauffen: 

Also duchte mich da ich draü- 

mete. 

Aber als ich was und mich 

wante 

14/5"] in solicher pine und arbeidt, 

13846 Da horte ich das gereidt, 

Die zijtklocke von dem convente, 

Die zu metten lute senffte, 

Als das gewonheit was. 

13850 Da ich sij horte und erwachet 

was, 

Und über alle sweissig ich mich 

fant, 

Und umb mynen draum waz ich 

gedencklich 

Und zu male sere erschrocklich. 

Doch ich uff stunt 
13855 Und ging zu metten zu stunt; 

Aber so bekümmert und müde 

ich was 

Das ich nicht mochte gedun daz 

gut was. 

Min hertze hatte ich so gar ge¬ 
lacht 

An das das ich gedreumet hatte 

in der nacht: 


13808. mit gehen eugeschr. 13842. in sele ein zweites 1 durch unter- 

13837. Orig.: Folie est d’atendre au besoing. gesetzten Punkt getilgt, 
vor 13841 wieder von der späteren Hand 13859. in der nacht eugeschr. 
ein Hand-Zeichen als Nota bene. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Da erwacht der Dichter aus seinem Traum. Schlußwort. 


SOI 


13860 Mich duchte und duncket mich 

noch 

Das die biedefarte ist also doch 
Des dötlichen mentschen in 

diesem lande. 

13860. dachte üh. gestr. duncket u. duncket 
üb. gestr. duchte. 

nach 13863. Der fehlende Schluß lautet in h: 

[S. 333] ... dig in solicher not ist, vnd dar vmb han ich daz beschriben inne maßen 
ich daz gedremet han; doch han ich iß nit allez dar gesatzt, da die schrift worde zu langk. 

Ist der dräme nit recht gedremet, so biedg ich daz er zu recht gekorigieret vnd 
gestraft werde vö den die baß dremg könne vnd baß gemache mögen, doch so vil sage 
ich me: were icht da erdacht daz zu dreme geachtet were vnd sich nit ym dräme gemacht 
hette, wil ich nit allez zu dreme verkünde noch in keyng weg hantfesten. Doch ich hette 
wol gewolt vnd wolde noch daz sich al bilgerin durch den dräme den ich doch gesehen hau, 
wol rechte vnd hüte vor irren vnd bösen wege. Mä spricht: der strafft sich suberlich vnd 
»ol der sich hie durch eyne andern straffte. Vor stoßen vnd irrunge sal eyn vuder wysunge 
sin daz iglicher soliche weg neme daz er zu eyme gude ende kome. Daz ende ist die ver- 
dienllge vnd der recht lone von der freyden dez paradiseß. Die gebe got allen menschen, sie 
sin lebendig ader dot! amen. 

Hie hat menschlich biede fart eyn ende. 

Qot wolle vnß syn gnade sende! amen. 


Der ist dicke in solicher not 

schäme und schände, 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




JJnhang. 

Probe der zweiten poetischen deutschen Übertragung 

(V ; 1—264). 

(Handschrift des Historischen Archivs der Stadt Cöln - s f 3 .) 


[i r ] Ich hain gelesen in der ge- 

schricht 

Dat der hilge prophete spricht 
De genant is Daniel, 

In syme tzwelfften capittel, 

5 De gene de zo der gerechticheit 
In deser werelde ellendicheit 
Vil lüde onderrichten können, 

Dat in Got des wilt gönnen 
Dat sij den sterren werden ge- 

lijch 

10 In dem ewigen hemelrijch. 

Dar umb, off icht vermochte 
Ind myn verstentenisse dar zo 

dochte, 

Woulde ich in duytzschen gerne 

beschryven 

Beyde den mannen en den 

wyven, 

15 Den armen ind ouch den rijchen, 
In der werelde alle gelijchen, 
Beyde den jongen ind den alden, 
Wie sij sich soelen halden 
Ind we sij soelen streven 


20 Na dem ewelichen leven. 

Eyn loevelich lerer hait ge¬ 
macht 

Eyn welsch boech van groisser 

acht 

Dat den wech der wairheit leert. 

Och, were myn syn nu so er- 

cleert 

25 Dat ich volkomolichen moechte 

Dat gewenden, dat id doechte 

In duytzscher sprachen zo ver- 
. staen, 

De arbeit woulde ich gerne an- 

gaen. 

D'l Ye doch, we vil da an gebricht, 
30 Na dem dat men gemeynlich 

spricht, 

So we dat deit alle sijn ver- 

moegen, 

Da mit sal men sich laissen ge- 

noegen. 

So han ich up de Gotz genade, 

Der ich bedarff vroe ind spade, 

35 Mich underwonden zo beduden 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Einleitung. 


303 


Dat welsch den ungeleerden luden 
In duytzschen, as ich vor hain 

gesacht, 

Van dem da an dat liget de 

macht, 

Ind wenich is des hynden hieven: 
40 Der syn is sere hie ynne be- 

schreven. 

Wer nu dar nae wilt hoeren, 

Der sal op doen synne ind oeren 
Ind syne gedencke dar na saissen 
Zo volgen up de rechte straissen, 
46 As uns dit boich her nae be- 

scheidt. 

In welschen id sus an geit: 

A ceulx- de ceste region 
Qui point n’y ont de mansion, 
Ainsois y sont, comme dit saint 

Pol, 

50 Riehes, povres, sage ou fol etc. 

Allen mynschen in der zijt 
De sint in alle der werelde wijt, 
Dae neyman en hait geyne bli- 

vende stat, 

As sent Pauwels gesprochen hait, 
55 Sij sijn rijeh, arm, wijs of doren, 
In wat kunne staet sij syn ge¬ 
boren, 

[•2 r ] Konynge off ouch konygynnen, 
Pilgeryme off pilgerynnen, 

Wil ich eyns droems gesichte 
60 Offenbaren ind berichten, 

Dat mir in slaiffe is vur komen. 
Al wachende hain ich wale ver- 

nomen, 


Gesien, gelesen ind wale ver¬ 
standen 

Eyn schoen boech, dat in wel¬ 
schen landen 

65 Dat welsch der rosen is genant. 

Ich meyne vurware ind byns be- 

kant 

Dat mich dat dar zo hait ge¬ 
bracht 

Den droem zo droemen in der 

nacht 

Den ich her na sal ertzellen. 

70 Dar umb wille sich mailich 

stellen 

Na her bij ind hoeren zoe, 

Id sij spade of id sij vroe: 

Neyman en trecke den achter 

harnen, 

Want id geit uch an alle samen, 

75 De groissen mit den cleynen. 

Ich hoffen ind meynen, 

Yederman soele dar an verstaen 

Wat weges dat hei soele an 

vaen, 

Wilchen hei schuwen soele ind 

laissen. 

80 Der Sachen is noet ussermaissen 

Allen den de doent bedevart 

In deser werelde swaere ind hart. 

Nu hoert her na: ich sal be- 

gynnen 

Na dem ich beste kan besynnen. 

[•?'] Soe duchte mich in dem 

droeme myn 

86 We dat ich were eyn pylgerym 


53. nach dem a in neymS Rasur. haltsangabe: Videbar in vifione Peregrino profi- 

67. dat vor dar übergeschr. cifcens ad ciuit. Jerusalem — item a longe in 

84. hinter d. Vers von der späteren Hand speculo cand. me videre, cuio plateae aureae 

die Zahl 84. et argenteae. Fundamenta alta, constructa ex 

85. am Rande ron der späteren Hand: viuis lapidib9 — ciuitas ampla et magna, cir- 

Initium fomnij. Unten auf dem Blatt beginnt cundata muro praealto usw. 

dann die bis Bl. 5* reichende lateinische In- 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



304 Beschreibung des himmlischen Jerusalems, das der Dichter im Traum gesehnt. 


Ind hedde den wech bestaen 
In de stat van Jherusalem zo 

gaen. 

Ouch duchte mich so we dat ich 
90 In eyme groissen Spiegel on- 

meislich 

An schauwede de selve stat 
Van verren, ind mich duchte dat 
Na allen mynen synnen 
Dat aldae en bynnen 
95 De straissen, wege ind genge, 

Sij weren lanck, kurt, breit off 

enge, 

Van goulde ind van silver sijn 

gemacht. 

Dat fondament dat was gelacht 
Sere hoge ind dat steynwerck 

gemeyne 

100 Allit van levendigen steyne. 

De stat was weidelich ind grois: 
Eyne hoge mure sij umbslois. 

Da waren wonyngen ind huser 

vil: 

Man dreyff aldae-manich vreu- 

wedenspil. 

105 Da was lust aen moyenisse 
Ind alle walevart sunder droef- 

nisse; 

Dae hadde siecht mailich sunder 

krencken 

So wat hei wünschen mocht of 

erdencken. 

Mer sere misquam mir dat 
110 Dat yederman in de schone stat 
Nyet mochte komen zo dem in¬ 
gange, 

Want de behoit was harde 

strenge. 

Cherubin nam der portzen war 
[3 r ] Mit eyme vuyrigen swerde bar, 
115 Wale gesliffen, dat zo beiden 

sijden 


Scharp was ind nauwe konde 

snyden, 

Harde gerynge, van snelre kere. 
Hie hadde behalden ouch de lere 
Da mit sich zo erweren, 

120 Dat yme nyeman mochte deren 
Mit machte off ouch mit liste, 

We vil kunste dat hei wiste, 

Mit bucler off mit swerde, 

Vur yme zo komen synre verde, 

125 Dar in he en bleve dae doit 
Off gewunt mit groisser noit. 

Der vurste ouch selver van der 

stede, 

Ee dan he den inganck dede, 
Bleiff doet na der mynschlicheit, 

130 De he an sich hadde geleyt; 

Syn bloit dat leyss he dae ge- 

duldich 

Zo tolle aen was hey geynen 

schuldich. 

Des gelijehs haent ouch gedaen 
Sy ne rittere ind kempen na ge- 

gaen: 

135 Alle haint sij synen kelck gekört 
Ind haint yre bloit dar umb ge¬ 
stört. 

Boven der portzen an der 

tzynnen 

Sach ich dat wympel der rechter 

mynnen 

Hangen geverwet van roden 

bloede; 

140 Doe dachte ich in mynen moede 
Dat hart were dar in zo komen 
Ich en hedde anderen inganck 

vernomen. 

l 3 '] Ouch en wart ich nyet gewar 
Dat yeman den wech queme 

aldar; 

145 Mailich sich des weder wach 
As balde hei Cherubin gesach. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Beschreibung des himmlischen Jerusalems, das der Dichter im Traum gesehen. 305 


Dar nrab mach he dat vlam- 

mende sweert 
Wale hyn leigen vurwert. 

Mer as balde ich in dat hoge 
150 Gesach ind upsloech myn oege, 
Do schauwede ich wunderlich ge- 

bere, 

Da van ich wart erveret sere. 
Sent Augustijn sach ich up der 

tzynnen 

Sitzen, ind nae mynen synnen 
155 Duchte mich dat hei were 
Eyn behendich voegelere. 

Mit yme waren ouch aldae ge¬ 
sessen, 

Des nyet en steit zo vergessen, 
Anderre lerere ind meistere vil, 
160 Die yme zo dem vederspil 
Der voegele hulpen manicher- 

wijse, 

Yn zo geven dranck ind spijse 
Mit yren guden wercken ind 

worden, 

As sij geleert hadde yre orden; 
165 Ind durch soissicheit der lerungen 
De sij usslachten mit yren 

tzungen, 

Wurden vil lüde in voegele ge- 

want 

Ind vloegen upwert altzo hant. 
Ich sach vur waere na rechten 

schynen 

170 Vil Carmeliten, Preitger ind 

Augustynen, 

Ind ouch de brodere mit den 

corden, 

Andere clerckschaff ind geistlich 

orden, 


D r ] Benedictine, Bemarditen ind Re¬ 
guliere, 

Ind volckes vil van manicher 

maniere, 

175 Bedelere ind willige armen, 

De alle mit henden ind mit 

armen 

Griffen na vederen ind na 

plumen, 

Soe wa sij da an mochten körnen; 
Dae van sij in vloegele machten 
180 Ind vloegen up mit groisser 

achten 

Boven Cherubin tzer stat wert in 
Ind vorten yn des vil de myn. 
Mer do ich tzer anderre sijden 

sach, 

Hoeret wat aldae geschach: 

185 Da was volck van groisser kunst, 
De yren vrunden tzoynten gunst 
Ind brachten sij in de stat mit 

listen, 

Der sij vil ind genoich wisten. 
Zem yrsten male wart ich gewar 
190 Sent Benedictus, de mit synre 

schar 

An de mure hadde gericht 
Eyne groisse leider, dar in ge¬ 
schieht 

Waren de tzwelff grede der oit- 

modicheit, 

Dar mit in groisser vlijssicheit 
195 Upwert zo der stat in dummen 
De synen orden an hadden ge- 

nomen, 

Moenche wijs, swartz ind grae, 
Sünder yemans hynder aldae. 

Dar na sach ich sent Franciscus, 


150. vpsloech korr. aus op loech. 183. rotes Paragraphenzeichen vor der Zeile. 

159. das zweite re in lerere später über¬ 
geschrieben. 

DeuUobe Texte de« Mittelalter«. XXV. 20 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



306 Beschreibung des himmlischen Jerusalems, das der Dichter im Traum gesehen. 


200 Van dem ich sprechen mach 

alsus 

Dat he mit wercken ind mit 

worden 

Truwelichen vurderde synen 

orden; 

D r ] Want, also mich gantz bedoecht, 
Hadde hey eyn seel stijff ge- 

knocht 

205 Mit knoden ind an de mure ge¬ 
stalt, 

Da an op dummen junck ind alt 
De intfangen hadden syn habijt: 
Sij wurden alles hynders quijt, 

Ja, de sich stijff an de knoden 

hielten, 

210 Want si de stat da mit be¬ 
hielten. 

Vil anderre ich ouch up der 

muren sach, 

Da van ich gentzlichen neit en 

mach 

Uch de namen gekunden, 

Ind mit wat listen ind vunden 

215 Mailich den synen halp dar 

bynnen 

Zo körnen oever de hoge tzynnen, 
Want ich neit vorder en künde 

gesien 

Van al dem dat da mochte ge- 

schien; 

Dan an de. sijde de vur mir was, 

220 Da van ich sagen mach de bas, 
Eyn doerlijn enge was gesät 
In die mure van der stat, 

Dat der fürste dan aff dede 

hoeden 

In rechticheide overmitz den 

guden. 


225 Sente Peter, dem hei den slussel 

gaff 

Ind yme beval de meisterschaff, 
Wale mochte hey yme des be- 

truwen, 

Want hei neyman dar durch lies 

duwen 

Dan alleyne die armen, 

230 Der sich Got wilt erbarmen; 
Want id as onmoegelich were, 

As gesprochen hait Got unse 

here, 

[5 r ] Dat der rijche queme zo hemel 
As durch eynre nailde ouge eyn 

kemel. 

235 Ind umb gedrengs wille der 

enger doer 

Dede sich mailich uys dar voer. 
Dar durch en mochte ouch nye- 

m&n gaen 

He en hedde weder an gedaen 
Cleydinge des konynges van dae 

bynnen, 

240 Da mit he ongeletzt mocht 

wynnen 

Den inganck zo allen tzijden. 

Ind mich dede ouch sere ver- 

bliden 

Dat gemeyne vurdel dat ich da 

sach, 

Da ich ouch van sprechen mach: 

245 So wer sich des vermoede 
Dat hei willich armoede 
Mit guden hertzen an sich nam, 
Dat de wale dar bynnen quam. 
Sich dae en buyssen zo ont- 

kleiden, 

250 Dat aide gewant van yme zo 

scheiden, 


221. rotes Paragraphemeichen vor der Zeile. 242. mich korr. aut noch(?) 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Beschreibung des himmlischen Jerusalems, das der Dichter im Traum gesehen. 307 


Umb da en bynnen an zo doen 

Nuwe cleydinge wijs ind schoen. 

De Sache sal mailich wale be¬ 
hagen, 

Want neyman en mach sich be- 

clagen; 

255 We rijche hei sij op deser erden, 

He en möge wale lichtlich arm 

werden; 

Off he des willentlich begert, 


So mach he ouch wale sijn ge- 

wert 

Zo körnen in de schone stat, 

260 Da man wirt van vreuweden sat. 

Id is guyt vasten eyne kurte 

stunde 

[5 p ] Umb zo ontfangen mit vollen 

munde 

De spijse ind dranck aldae bereit 

Van gotlicher vursichticheit. 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Namenverzeichnis . 


Aaron 367. 1482. 

Abymelech 4127. 

Abner 8422. 

Adam 6638.7897.12459.12463. 
Adonay 12358. 12376. 12470. 
Amalech 7963. 

Amaaa 8421. 

Ambrosius 642. 

Apemen (nach Orig .), Be- 
sachis dochter Apemen (be- 
sachis dochter nnd pemens 
fälschl. Hi., permens h ) 9370. 
Aristotyles, Aristotules 1617. 
2794. Bild 28. 2866. 2976. 
3177. 4620. 13705. 

Athenis Akk. 3063. 

Angustin 11767. 

Azael 12075. 

Babilonie Akk. 7665. 

Barabas 8983. 

Benedictas, sant 4187. 4234. 
4256. 

Bernhart, sant 4134. 6894. 
Besachis 9369; vgl. Apemen. 
Bitallasus, Bitallassus: Cirtes, 
Caribdis, Scilla, Cirena und 
B. als ungefelle in dem 
mer auf gezählt 12144.12194. 
12197. 12202. 

Chaalis, Chalis, Zisterzienser¬ 
abtei im Dep. Oise 1. 4060. 
C[h]aribdis 12143.12148.12167. 
12192. 


Cherubin Bild 3. 31. 295. 299. 

895. 1086. 1088. 1140.1167. 
C[h]ristus 11319; vgl. Jhesu 
Crist. 

Cirena 12144; vgl. Bitallasus. 
Cirtes, Sciertes 12143 (Akk. 
cirtain Hs. statt cirtam). 
12147. 12151. 12165; vgl. 
Bitallasus. 

Cis 4608. 

Dalida, Dalila 5954. 

Dan 8756 (fälschl. Adam Hs.). 

8757. 8759. 

Daniel 9117. 

David, Davidt 4126. 4471. 
4598. 4614. 4617. 4622. 
8309. 8312. 11539. 

Egipten 7968. 

Epicury, Epicurye 10445.10448. 
Esau 2634. 2637. 8955. 

Esdra 9379. 

Esy, Giezi 9910. 

Etike, Werk des Aristoteles 
4621; ethicorum daz buoch 
11359. 

Eva 1904. 

Ezechiel 373. 9118. 

German, sant 5184. 
Gylenville, Thomas von, Vater 
unsers Dichters 5908. 
Golyas: Akk. Golyam 4639. 
Got, God passim. 


Grecken 3063. 

Gulden Mont, Chrysostomus 

12847. 

! Jacob 2634. 2636. 2644. 8255. 
8784. 8955. 

Jacob, sant, Wallfahrt zu ihm 
4591. 

Jheremias 9310. 9340. 
Jheronimus 11978. 
Jherusalem Bild 2. 5. Bild 
8. 278. 324. 6515. 10898. 
12849. 13326. 

Jhesu, Jhesus 2292. 2160. 
I 2480. 3780. 5357. 7220.7262. 
8313.8424.9165. 9971.11203. 
11296. 12845. 13278. 

Jhesu (Jhesus) Crist (Cristu.'l 
839. 1062. 2324. Parenthese 
nach 3274. 3283. 3578. 3926. 
9920. 

Joab 8421. 

Job 12301. 12484. 

Joergen, sant 10391. 

Johans, sant 8683. 8695. 
Joseph, Sohn Jakobs 8255. 
Joste, sant, Wallfahrt zu ihm 
| 4591. 

| Ysaack 2635. 11333. 

I Ysayas 1643. 7619. 

Israhel 530. 8756. 11517. 
Judas 7219. 7309. 8423. 9495. 
9636. 9970. 9973. 12491. 

♦ 

I 

LichtendaljOrtp.-Clery aus? 192. 


Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Namenverzeichnis. 


309 


Longinus 8318. 

Lncifer 7428. 

Magdalene, Maria Magdalena 
1934. 11481. 11914. 
Mahommet 9170. 9177. 10246. 
Maria, Marie, Jungfrau 2324. 
Parenthese nach 3286. 3602. 
10601. 11026. 

Maria Egipcian, die hl. Büßerin 
11184. 

Mercurius 1412. 

Mertin, sant 2269. 

Moyses 367. 422. 530. 665. 
671. 688. 693. 701. 713. 818. 
882. 884. 1169. 1175. 1303. 
1344.1482.1864. 1875- 2214. 
2466.2611.3196. 4877. 4884. 
Bild 43.11202.11514.12973. 

Nabel 5529. 

Nabugodonosor 7664. 

Neemia 2078. 

Niclaa, sant 8507. 

Noe ( verschr. Noel Hs.) 12590. 


Ogir, der Däne 4163. 

Oüvier, Rolands Waffen¬ 
gefährte 4164. 

Paulus 3361. 3425. 4019. 
Peter, Petter, Apostel 1926. 
11482. 12015. 

Pharaon 661. 5529. 7919. 7924. 
Poncius Pilatus Parenthese 
nach 3286. 

Rolan, Roland 4164. 7875. 
Rommer, die 3426. 

Rupprecht, sant 5194. 

Salmon 4366.5564. 5568. 8654. 

8922. 10028. 12180. 

Sampson 5954. 5967. 7036. 
Samuel 7961. 

Sathan, Satbanas 8250. 8976. 

9433. 11928. 12011. 12462. 
Saul 4608. 4616. 4638. 7960. 
8308. 

Sciertes s. Cirtes. 

Scilla 12143. 12194. 12196. 
12206. 


i Serene, Sirene 8134. 

Symon, sant 5189. 

Symon, Symont, Magus 9910. 
9913. 9924. 

1 Sorastes, Cerastes 8758. 

Swartzendal, Orig.: Nervaus 
7193. 

Theophilus, der durch die 
Legende bekannte Bistums¬ 
verweser zu Adana in Ki- 
likien 12518. 

T[b]obias 6032. 

Thommas, sant, der Erzbischof 
von Canterbury 632. 

Tigris ( verschr . trigris Hs.) 
10832. 

Triphon 8425. 

Venus 1411. 10683. 

Wilhelm, sant, Abt zu Chaalis 
f 1209 4061. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Wm'tverzeichnw. ’) 


& intcrj.: amich = & mich 
6746. 

abbet (apt) m. 4060. 7094. 
abbeteie (eptie, eptige) f. 1. 
9922. 10722. 

abe m. Verben] *-dröuwen 
durch Drohen abzwingen 
3536; -honwen 13795; -kö¬ 
rnen m. gen. etwas verlieren 
10861; * -kratzen 5445; 

♦-Stelen refl. sich heimlich 
wegbegeben 3915; -tuon: 
misset&t durch buoze a. 
2413; den stab a. 5478. 
abebrechen n. das Verkleinern, 
Verläumden 2286. 
♦Abebrecherie personif. 8722. 
abebrechnnge f. Enthaltsam¬ 
keit 2191; a. von dem wege 
Verkürzung des Weges 12736; 
personif. Vorenthaltung des 
Gebührenden Bild 71. 8785- 
BüdlS ; Enthaltsamkeit 101. 
13194. 

abel&z m. 3304. Parenthese 
nach 3305. 

abescheiden n. Trennung (zw. 

Eheleuten) 686. 
Abesnidunge personif. 8616. 
abestendec adj.: a. sis mir 
nit von herzen 12576. 


abgot (appegot, aptgot) m. 

9199. 10307. 10359. 
abgrnnt m. 7461. 
absolvieren vb. 9591. 
achtem 8. fitem, 
acolite (accolite) m. (am Altar) 
Bild 15. 

after praep .: after lande 7224. 
10672. 


ahsel f. 840. 842. 4674. 7245. 
7599. 

ahten vb. m. Akk. d. Sache, 
etwas besorgen 3965. 9533; 
geahtet sin ze 4925. 
algereite adv .: ich was a. 

müede 9158. 
allerdinge adv. 4986. 
♦almuoserinne (almoserynne, 
almnserynne) f. 2468.10987. 


11000. 11239. 11404. 
altbüezer m. 6494. 6529. 6659. 
10429. 


alter (alder) m. 2785. 

Alter personif. 12123. 12125. 

Bild 107 «. 108. 
altern pl. 9287. 
amich s. &. 

amiral m.: der a. von dem 
mere 12462. 

anbringen n. das Ansuchen, 
Verlangen 2930. 


anderthalp adv.: a. starker 
5626. 

anderunge f. 1439. 2802. 5350. 
ane m. Verben ] *-gesuochen 
zumuten 4680; -grlnen 5073; 
-lachen 2867; -slahen: einen 
wec a. einen Weg beginnen 
4949; *-ströufen: daz ich 
im eine boese woche ane 
streufe 7229. 

♦anehangen n. 1250. 
anevehte f. 11841. 
anevehten «. 12185. 12347; 

personif 12292.12644.12699. 
anevehtunge f. 3760; personif. 
3870. Bild 91 — 93. 12380. 
12466. 

♦anheben ».: daz a. der achüeler 
das con den Scftülem schon 
Gelernte 4816. 

♦anruofonge f. 13293. 
♦ansetzerinne f. Kellnerin 
13165. 

♦antregerinne f. Küchen¬ 
meisterin 13164. 
anvertigen vb. angreifen 9169. 
♦anvüerinne f. 7495. 
apfel m.: a. der ongen 3083. 
apfelbonm m. 136.4540.12070. 
Arbeit personif. 6647. 
arc «. 6312. 


>) Beigefügte französische Bedeutungen mit dem Beisatz (0) geben die Fassung der 
Originalvorlage, deutsche mit der Chiffre (h) die der Hamburger Prosaübersetzung wieder. 

Mit einem * bezeichnete Wörter sind bei Lexer nicht belegt. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Wortverzeichnis. 


311 


ucvin n. 5118. 
uewillec adj. 12216. 
irjeronge s. ergerunge. 
uguieren r b. 1725.1815.1845. 
2892. 3182. 7848; vgl. ge- 
uguieren. 

irgnment n. 744. 1618. 2811. 
2901. 3094. 

arke f. Arche (Noahs) 6640. 
amliute m. plur. 9663. 9887. 
13435. 

armmau m. 10467. 

Arranot personif. £«7d98u.l04; 

Gewillige A. 13098. 
an f: in der hellischen a. 
9909. 

arzätinne (artzetynne, ertze- 
tynne) f. 213. 10279. 
ast m. : geaterket in dem irren 
aste 503. 

»tan (achtem, ahtem) m. 6186. 
7826. 

atzel f. Elster 7865. 
ärentiure f. 9099. 


badeatube f. 5703. 
bigen vb.: er tnot sin urteil 
b. 7847. 

balc m. ( statt bl&sbalc, vgl. d.) 

7725. 7735. 7744. 7750.7751. 
balle m. 12090. 
ban m.: in meres ban 8299. 
bande f. Diener schar 1236. 
•bantknode m. Bandknoten 
12822. 

’bantwide, bintwide f. Band 
aus Flechtreisern 12757. 
12809. 

barmherzekeit f. 11098; per- 
sonif. Büd 109. 13682. 
basiliacus m. 8329. 


’bazzen vb. nützen, passen: 
ein loch, daz mir bazz 
(: was) 7017. 

•beblnoten vb. blutig machen 
6794. 


bech «. Pech 7443. 
beckerinne f. 2718. 
bediutunge f. 605.1150. 2047. 
8019. 


bedranc m. 7516. 7713.10887. 

Bild 91. 12311. 12322. 
bedrängen vb. 7590. 
bedanken vb. 10034. 

♦bedarf m.: daz ich iuwer 
b. gewinne 6401. 
♦bedttrfelich adj. nötig 3206. 
begaten vb.: din wappen w&ren 
ime nit begatet 4607; er¬ 
reichen, treffen 4727. 4775. 
6108. 

begeben vb.: den dnrst b. 11517. 
begerunge f. 702. 3203. 4904. 
6207. 

*Begirekeit, Begirikeit per¬ 
sonif. 9437. 9439. 
♦begnadunge f. 12631. 
begrlfen vb.: einen tinre b. 

and scheiden 1546. 
begriffenlicheit f. Geräumig¬ 
keit 3027. 3142. 
begrifunge f. tactus 4092. 
♦begrinen vb. anknurren 5072. 
8586; din begrineude muo- 
ter von den hunden 8905. 
behaltnisse f. Gewahrsam, 
Sicherheit 2986. 11162. 
♦behaltaac m. Verwahrsack 
2674. 

beheben vb.: bcesen willen b. 
1856. 

beheften vb. 3613; ir tuot mir 
manschaft von dem daz ir 
von mir h&t behaft, de 
qnanqne de moy vous tenez 
(0) 1570. 

behelf (behulff) m. Behelf (der 
Kirche) 9315. 
behonwen vb. 3827. 9785. 
beingewant n. 4691. 
•beinharnasch (-harnescb) n. 

3713. 3884. 

bejagen vb.: der dierne helfe 
nit kan b. m6 danne . . . 
4794; grözer törheit b.5051; 
ich wil aber vor mit dir b. 
9215. 

bekallen »6.: sie bekallete 
mich hart, me reprenoit 
(0) 9028. 


Digitized by 



bekentlich adj. 232. 
♦beklopfen vb.: den guoten 
namen b. 8668. 
bekomen vb.: dar durch ist 
dir din guotez bekomen 
2871. 

beknmberunge (-kommeronge) 
f. Beschäftigung 12170. 
12190. 

belieben n. Belieben (?): ez st£t 
an mir nit an min b. 6981. 
bendel m. entonneur(O) 10586. 
benedigen vb. 598. 
♦benüegelich adj. genügend 
5427. 

beqnsmelich adj. 86. 301. 
384. 3342. 4120. 4339. 4641. 
5086. 5347. 13607. 
berat m.: b. halten 1762. 
berc m.: die einen hatten die 
füeze wider berc über sich 
11635. 

berechen vb.: daz körn wart 
vor zerbrochen 6 ez in 
die binde (ob verschr. st. 
winde ?) würde berochen, 
qug aus balesteB fast baillie 
(0), e ez in die winde wart 
get&n (h) 2714; daz körn 
ist berochen 9880. 
beredunge f. 12727. 
bereitliche adv. = bereitec- 
llche 6437. 

bereitunge f. Vorbereitung 
13817. 

beschidekeit f. Erfahrenheit 
12168. 

beschüten vb. 2958.3486.3696. 

3698. 4203. 7946. 
besetzen vb.: d& daz gröze 
gerihte wirt besezzen 11118. 
besigelen vb. 1181.1197.1198. 
1340. 

besiegen adj. 3650. 3663.3664. 
3667. 3687. 4525. 8773; mit 
smalen gürteln b. 5694. 
besliezen vb.: ez besliuzet 
iuch, il vous forsclot (0) 
1584. 

| besliezunge f. 779. 


Original from 

UNIVERSITYOF MICHIGAN 



312 


Wortverzeichnis. 


besloz m. 745. 759. 797. 2827. 


4285. 4335. 8681. 
bespraejen vb. bespritzen, pari. 
bespreet 2661. 3493; be- 
sprewet 3515; besproffen 
(: bedroffen) 3533. 
bespreiten vb.: daz swert be- 
spreit bewlaen mit gewrerer 
liebe, enflambe (O), glißende 
(A) 1108. 

bestaetigunge (bestedionge) f. 
1737. 


bestellunge f. 12395. 
besuochen vb. versuchen, ver¬ 
leiten 2005. 


Bete (Bede) personif. 13253. 
betevart (bidefart, biedefart) 
f. 2187. 5029. 5360. 5435. 
5840. 13791. 13861. 
betrahtunge f. 2010. 
betretenen vb.: ir kleit was 
betreinet mit qw&de 10401. 
♦betriefen vb., part. betroffen 
betropft 3532. 
betriegunge f. 10115. 
betrogenllche adv. 3001. 
betronfen vb. 3514. 
betrügen is^e/ - . 2961.2992.2998. 

3137. 5825. 10104. 
betören n. Bedauern 515. 
♦Betörenis8e (Bedurenisse) 
personif. Bild 109. 
♦betörnnge (bednronge) f. Be¬ 
dauern, Erbarmen 12630; 
personif. 13698. 
bevalten vb. umstricken 8196. 
bevelhunge f. 5092. 5171. 
bevleckunge f. Selbstbefleckung 
Büd 78 u. 79. 

bewegen vb. nett beleben 2236. 
bewerfen vb.: die sie mit 
niuwen banden bewürfen 


12838. 

bewisellche (bewysentlich) 
adv. representativement (0) 
3116. 

bewlsunge f. 1151. 

♦bewitern vb., part. bewidert 
(: genidert), tempeste (O) 
12208. 


i 


: 


bezalnnge f. satisfactio 45; 
8oluiio 9678. 

♦bezeichlicheit f.: n&ch b., 
imaginaument (0), secun- j 
dum ymaginacionem (A) 
3131. 

biben (bieben) vb. 7854. 
bidefart, biedefart 8. betevart. 
biderman m. 640. 5087. 
bihte f. 2126; personif. Bild 24. 
bihter m. 2108. 
blhtunge f. 1129. 2147. 
binde vgl. berechen. 
bintwide s. bantwide. 
biscbof m.: in die stat d& diu 
maget einen b. geborn b&t 
6516. i 

bizeichen n. 3120. 4187. 4476. ! 
4601. 6089. 

blffijunge (bleonge) f. 7607. 
bl&ssere (blesere) m. 7840. 
blfisbalc m. 7350. 7435. 7469. | 
7653. 7657. 7663. 7674.7710. 
11843; vgl. balc. 
bläse f. 7604. 
bl&snnge f. 7860. 
bl&vuoz m. eine Falkenart 
7075. 8908. 
bleichen vb. 5704. 
blic m.: in eime blicke in 
einem Augenblick 6232. 
blinwen vb.: mit dem swerte 
sniden oder blauwen (: hau- 
wen) 1296. 

bloch (ploch) n. 6273. 6276. 

9486. 9489. 9491. 9496.9498. 
blnottropfe (bludstroppe) m. 
3457. 

bogen vb.: da mit stiez sie in 
&ne b. 9131. 
boppe 8. bupf. 

‘bor (bore, böre) n. Bohrer 
13017. 13226. 13232. 
borne 8. burne. 
borte s. bürde. 

borten vb.: gebortet, rive, ri- 
vees — gut gerändert, ver¬ 
nietet (O) 3937. 3939. (Viel- 
•• 

leicht hat Ubers, an rive = 
Ufer, Bord gedacht). 


bessern vb.: ich h&n min leben 
gebcßsert 11277. 
boucelere s. buckelte re. 
bözen (bossen) vb. 490. 586. 
610; mit Worten b. schelten 
10617. 

♦brecherinne f.: der kisten 
eine b. 9596. 

brennholz (berreholtz, ob r er- 
sehr. st. berneholtz ?) n. 
9789. 

brestenhalp adv. 10432. 
bresthaft adj. 4996. 
bretspil n. 6737. 
brinte f.: ze den brinten des 
fürsten Hochzeitsfeier 1488. 
♦brosemen vb. zu Brosamen 
machen 2705. 

♦brötaac m. Bild 29. 
♦bruckenmacher m. 566. 
brönrot adj. 3496. 
brnoch m. Sumpf 10678; iu 
dem hellischen bruoche 9432. 
bruocheht adj. unfruchtbar 
13373. 

♦bruoderlicheit f. 8953. 
brüst f. Brustteil am Kleide-. 
am halse brüsten wiz al» 
i ein hermel 7514. 

I »büche m. Lauge 1947. 13519. 
büchen vb. mit Lauge tcaschen 
1948. 1954. 11479. 
bnckel vgl. seckel. 
buckelsere (bockeier, bouce¬ 
lere) m. Schüd 36. 4394. 
12391. 

büezen vb.: diu sich büezet 
sich ausflickt (vgl. s. B. alt- 
büezer) 9821. 

buochstabe (bustabe) m. 2394. 
Buoze m. personif.: B. bit 
gesaget sin ambet 2255; fl 
von 1905 an passim. 
bupf (boppe) m. puppa: boppen 
in die erbeiz setzen 8393; 
üf dem houbte einen boppen, 
un Mahommet (Cf), aptgot 
(A) 9147. 

♦burevogetinne (burgvogdyn- 
ne) f 13149. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Wortverzeichnis. 


313 


bürde f. : ich sach die botschaft 
und borte (: Worte,), apres- 
tement (O), bereitschafft (h) 
7284. 

burne m 924. 935. 

burzen vb. niederstürzen 7460. 

büte (bude) f. Bütte 11436. 

11438. 11471. 11502. 
btttechin n. 4795. 4837.11522. 
*büwe m. Bau 1215. 
•bfiweholz w. 9788. 

dedegerinne s. tagedingerinne. 
dedinge s. tagedinge. 
dedingen s. tagedingen. 
diamant m. 5585. 
diemüetecheit f. 138.552. Bild 
37. 8082. 

diemtietecliche (demütenclich) 
adv. 1842. 5025. 
diemüetigen vb. 4297. 5538. 
7560. 

dieneatbserekeit f. 1774. 
dienestinaget f 1453. 
dinsen (tynsen) vb. reissen, 
schleppen 9490. 
diuberle f. Bild 76. 
diubinne f. 8650. 8656. 
diupatäle f. 2499. 
diuten vb.: schaden diuten 3430. 
dintach adj.: guot diutsch 
1772. 

doneratac m.: der grüene d. 
2234. 

dom m.: die dornen der bös- 
heit 11304. 

doroeht adj.: m6 doraeter 
11567. 

♦domhecke f. 6687. 10871. 
drsejen vb.: ein gebüre unge- 
atalt, gedrsejet, entortilliei 
(0 [Ha. M)), verkerte ge- 
dreet (A) 5009; gedrsejet 
tier 9122. 

drAt (droit) m. 3937. 
drAte (dracht) adv. schnell 1169. 
dreacher m. 2695. 
drlakel m. Theriak 8610.12504. 
drlvaltecheit f. 3437. 3443. 
droit 8. drAt. 


drüzzel n.: ein niuwer bote der ' 
h&t daz d., une volante 
messagiere (O) 10569. ! 

darchsehten (durechten) vb. j 
verfolgen 12337. 1 

durchsehter (durechter) m. 

12465. | 

durchsehtunge (durechtonge) 
f. Bild 91. 12294. I 

durchl iahten vb.: ander büecher 
| eint darchlinhtet 11174. | 

durchvart f 292. 
duretec adj . 2538. 
dnsch 8. tisch. 

i 

ÄbrechuDge f. Bild 78 u. 79. 
♦eckehöa ». 10800. ! 

edelman m. 7911; plur. edel- 
[ linte 9848. 

eSinne f. Äffin 8053. 8055. 
egel m. 8277. 

! eierachal 2741. 

Eigenwille personif. 13077. 
eingeborn part. adj.: dln e. 
sun 11302. 

einhorn n. 7629. 8161. 8186. 
10615. 

einyalteclich (einfeldeclich) 
adj. 13640. 

einvaltecllche adv. 3387. 
•inwenichet s. w6nicheit. 
einwenig s. enwec. 
eischen (heißen) vb.: eischet 
ime sine gestalt rechnet ihm j 
anklagend seine Gestalt an ! 
1650; fordern 9812. 
eie f. Elle 10017. 10020. 
element n. 1417. 
gliche adv. 8741. 
glicheit f. Eheschliessung 
Bild 72. 

eilende n. Not u. Trübsal 
2330. 

enbinden vb.: daz herze e. 
1714. 

enblecken (entplecken) vb. ent- 
blössen 1300. 6014. 
♦endeckerinne f.: ein e. der 
hiuser 9595. 

engen vb.: daz alle tfete ge- 


enget und gebezzert eint, 
restraint (0) 2405. 
enkel m. Knöchel: spilen mit 
den enkeln 12099. 
enkleiden vb. 2269. 
♦entbltiemunge f.: der junc- 
vrouwen e., defloratio 10819. 
•euthitzen vb.: gehitzet und 
enthitzet 11481. 
entliden vb. der Glieder be¬ 
rauben 3506. 5743. 
entllhen vb. 5153. 8079. 9847. 
entmachen vb. Gemachtes wie¬ 
der vernichten 6531. 
♦entminren »6. re fl. sich ver¬ 
mindern 12377. 
entr&ten vb.: dar an e. 2846. 
entreinen vb. besudeln 10787. 
♦entreisen vb: der boge den ich 
entreiset hän, descorde (0), 
dessen Schnur ich gelöst 
habe 13677. 

entrinden »6.: 6 du dich von 
mir entrindest (: findest) sich 
los schälen 10656. 
entschuldigen vb. 4544. 
entsetzen »6. refl. sich vom 
Sitze erheben, part. entsatzt 
6371. 

entaigelen vb. 1267. 1326. 
entvinden t>6. 3179. 11664. 
entwichen vb. 11072. 
entwinden vb.: die slüzzel e. 


1268. 

enwec adv.: enweg (einweg 
wohl aus einwenigZ/8.)2968; 
einwenig ( verseht. für en¬ 
weg ?) 5390. 

♦episteler m. Bild 15. 
epistole f. 11914. 
eppetisse (eptisse) f. 9921. 
erarbeiten vb. 9658. 
erbalden vb. sich erkühnen 


11795. 


erbarmunge f. 11097. 
erbeiten vb.: und solten sin 
ouch nit e. 7727. 
erbeiz f. 8393. 

♦erbermnisse f. Erbarmung 
2993. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



314 


•erdüht m. od. f. ? Trug-, e. 
nnd valscheit nmbe im lande 
tragen, faus saintnaires et 
faintis (0) 10050. 

•erdenkunge (erdenckonge) f. 

Trug, Täuschung 10179. 
•ergebenheit f. profesaion (O), 
Klostergelübde 10269. 
ergerunge (argeronge) f. Ver¬ 
schlechterung 4359. 
ergetzen ».: alliu ergetzen, 
lüste nnd spil 12436. 
erhoehen vb. 4280. 

•erkiden vb. (von klde = 
Sproß ): ich schinde allez 
und läze nit e. (: besniden), 
Bans riens laissier (0) 
9545. 

•erkrapen vb. an sich ziehen 
9609. 

erkratzen vb. 9504. 9604. 
erlesen vb.: epfel e. und hüeten 
8577. 

erlingen vb.: mir ist gar bös¬ 
liche erlungen 10426. 
ern vb. ackern, pflügen, part. 
gearen 2690. 

erquicken vb. 2020; dem mün- 
ster daz bi ir sch&chzabel 
ist erqwicket 9274. 
erquicknnge f. 13187. 
erschinunge f. 1476. 
erschrecke m. stupor 3901. 
erschreckelich (erschrocklich, 
erschröcklich) adj. 3277. 
8210. 9070. 10489. Bild 110. 
13853. 

erschreckunge f. 12907. 
erschrien vb. 7735. 
erechüten vb. intr.: von dem 
donre e. erschüttert werden 
7855. | 

ersiufzen vb. 6328. 
erstceren vb. 10855. 
•ersuocherinne f. Untersucherin 
5091. ; 

ertöuben vb. betäuben, ver¬ 
nichten 5951. 10056. 
ervindunge f. 5301. 
erwecken vb. 4; Christus hat 


durch mich sin bluot er¬ 
wecket 11326. 

erwischen (erwuschen) vb. 
11423. 

erwürgen vb. 4452. 12023. 
erzen vb.: üz minem büche 
geerzet, de mon ventre 
dirivees (0) 7195; daz ich 
werde gearzet fln 11181. 
esse (es) n. die Eins auf dem 
Würfel 3588. 

etlich pron. adj.: zuo etlichen 

Sachen daz predicament 

•• 

Ubers, des aristotelischen ad 
aliquid 1210; üf etliche 
Sache 1247. 

Swangöli n. 5327. 5439. 5453. 
5470. 

öwangölier (ewangilier) m. 

Bild 15 u. 18. 
öwe (ee) f. Ehe Bild 13. 
exempel n. 545. 1221. 4626. 

5261. 5295. 7708. 12188. 
*ezzeaac(e8sesack)m. li goufres 
(0) 10623. 

g&ch adj.: ouch wirt dir zuo 
ir g. 6818; ze spilen ist 
mir g. 12107. 

•gack gack gack interj. Huf 
des Huhns 7814. 
•gearguieren vb. arguere 1703. 
1711. 

ge&z (gatz=geatz) m.: wistes 
du wie ich durch daz jär 
tuon den gatz (: satz), se tu 
savoies bien les gas (O) 
10470. 

•gebeinet part.: geschultert 
oder g. genuoc mit genügend 
starken Schultern u. Beinen 
ausgestattet 4536. 
•geberinne f. 2496. 

Gebet personifl Bild 102.13251. 
•gebiuge n. ?: der wint wirfet 
abe mit g. (Hs. gebüge) die 
fruht von boumen mit Bäu¬ 
gen 7672. 

•geblaese der fuhs sprach 
mit dem g. 7685. 


•gebrahet (gebreet) part. adj.: 
üzsetzic und g. (: vermaeret), 
sureemee (0), mitGeschtoüren 
bedeckt 9132. 

gebrechen vb.: du kanst^dich 
anders niht gerochen oder 
ouch von ime g. 6797. 
gebunge f.: ze gebunge tuon 
12381. 

gebunt n. 11701. 11761. 
gebüre m. (roher) Bauer von 
5008 an passim. 
gecksen s. gegzen. 
gedagen (getagen) vb. 11927. 
gedsehtecliche adv. 3414. 
gedsehtnisse n. 3075.3079; per- 
sonif. Bild 41. 4802. 4861. 
4870. Bild 42. 4952. Bild 45. 
9005. Bild 75. 13092.13107. 
•gedenkec (gedenckig) adj. ge¬ 
dankenvoll, besorgt 4343. 
4743. 

gedenken vb.: als ir daz wol 
ged&hte, comme bien l'en 
souvenoit (0) 254. 
gedenken «. 1207. 
•gedenkenheit f.: überwaenic 
in g. 980. 

•gedenklich adj.: nmbe minen 
troum was ich g. 13852. 
•gedankliche adv.: g. ich di« 
ander meine, imaginaument 
(O) 3115. 

gedenkunge f. 5286. 
gedrenge ».: daz zuotragen 
machte mir gröz g. 3804; 
diu w&fen bi ein in g. be¬ 
halten 4321. 
gedult f. Bild 33. 3773. 
•geehtlicheit f.: n&ch g., ima¬ 
ginaument ( 0) 3130. 
•geestiget part. adj. ästig 7966. 
geezzen vb. 7473. 8561. 
gegeben vb. 2370. 
gegen (gehen) präp. 1847. 
gegenwertecliche adv. 1642. 
gegzen (gecksen, gecktzen) n. 
7870 (das Schreien der Elster 
so genannt). 7872. 7874. 
gehalt m. 674. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Wortverzeichnis. 


315 


?ehen *. gegen. ' 

geherzen vb. 885. 2580. 
gehöreamecheit f. 5534; per- 
tonif. 13074. Bild 106. 
gehüeten vb.: woltet ir inch 
de* gehüeten 8578. 
gehürnet pari, adj.: der ge- . 

hornete 573. 9293. 9305. 
•geilerinne f: Jugent diu g., 
giberresse (O) = qui aime k 
courir, k fol&trer ( Godefroy ) 
12056. 

geiiren vb. irre gehen 11587. 
11662. 

geisel (geischel) f. 2119. 
geistlichkeit f. 10268. Bild 95. 

12790. 12792. 12794. 12824. 
gei* (geiße) f. 5499. 

'gefaßten (gekruden) vb. gre- 
t« (0), beschweren 6699. 
gelangen vb.: ez gelanget© 
mich d&z mir daz awert 
würde 1158. 

gelegede (geleidt) n. 11707. 

gelegen s. tac. 

geleich n. Gelenk 8205. 

Gellch Veretantniase personif. I 
von 5245 an passim. 
gelichaener (gliasener) m. 4275. 
8061. 

geüohte n. 6011. 
gellen vb.: sie get gegollen, 
gronmete (0) 10578. 
gelücken (glncken) vb., eu 
locken: verzoubern (A) 9365. 
gelücksamecheit f. 12197; per¬ 
sonif. 12384. 12410. 12418. 
gemalze (gemeltze) n. Ge¬ 
mälde 7998. 

gemehte n. Arbeit, Verferti¬ 
gung 1796; dafür *ge- 
mechtze 5753. 10241. 
gemilese ?: gröz und kleine 
bürden und gemuesse, fais- 
siana (O), Bündel 1123. 
gensehen vb. nahen 2221. 
‘genötigen vb. = nötigen 8365. 
genttegede f. Befriedigung 
4067. 

*genüegelicheit f. 3036. 


genüegen (genuwen : rnäwen) 
vb. 1825. 

genuht (gnochte) f. Genüge, 
Fülle 10. 

*genuochaft adj.: dem gebftre 
was da von nit wol g. 
5128. 

•genuoctnon (genug dun) n. 

Bild 24. 2207. 2208. 
Gerehtecheit personif. 8935. 
10128. 10606. 

gereite n. (die Stundenglocke 
des Klosters) 13846. 
gereitschaft f. 11710. 

Gerihte personif. 10606. 
gertelin n. 773. 
geruch m. 2088. 13505. 
geruochen vb.: ir weit mir diu 
wäfen g. 3705. 

geruowec (gerugig) adj. 5876. 
gescheffede (geschopde) n.: 
daz buoch der g. = Genesis 
1228. 

geschehen vb .: part. geschiet 
(: nit) 1480. 3929. 13575. 
geachiht f.: dem briatet alliu 
g. alle Dinge 211; in der g. 
an Stelle von en tel ordure 
(ö) 221; dü quffimest balde 
ze boeaer geschiet (: not) 
4771; wan ein guot ritter 
in der geschihte wol en- 
brant ist 11567; n&ch ge¬ 
schihte (: gesihte) 6017; min 
hezzelich geschihte (: ge¬ 
sihte) 10791; bei den beiden 
letzten Beispielen könnte man 
auch an geschickede denken. 
geachrenke ».: wannen daz 
kumet oder von welchem 
geschranke (: gedank), de 
quel part (0) 1555. 
geschultert s. gebeinet, 
♦geschuof m.: einen geschuff 
und patrön Gestalt, Bild 
2380. 

*geaehede f.: riechunge, ge- 
amac und geaehende (: ende) 
Gesicht 2630. 

gesehen ». Gesicht 2677; le 


ve = vue (0), das Sehern 
der Anblick 9256. 
geseten (geaieden : verbieden) 
i vb. sättigen 10632. 
i ’ i 'geBetigen vb. 3150. 

gesetze ».: daz alte g. das 
alte Testament 1352. 
gesichern vb. m. Dat. d. Fers, 
einem Unteiiänigkeitgeloben 
7415; vgl. sichern, 
geaihene (gesien) n. an Stelle 
von monatre ( 0 ), diu ge¬ 
achiht (A) 4782. 
gesingen vb. = singen 13116. 
geaiune (gesune) ». Gesicht 
8458. 

geslinden vb. verschlucken, 
essen 4455. 

gesmac m. (übeler) Geruch: ein 
bl&se, diu nit danne g. in 
ir hat 7605. 
gesmelze n. 2887. 
gesmide n. metallene Waffen 
7641. 

gesticke n. das Stechen 6996. 
gestrecken vb. grade machen 
8121. 

*ge8triiete (gestruede), Kollek¬ 
tivbildung zu struot n. 10497. 
Gesunde tage personif. 13452. 
•geteil n.: geteilea dar an 
hin 1395. 

getihte n.: w& ir gröziu g. 

tuon wellent 743. 
getrinwecheit f. 6553. 
*getrue8se?: aller hande g., 
trouasiaus (G), getroß (A) 
1122 . 

*getrüwe m.: einen ganzen 
getrüwen hin 4765; ge- 
trüwen n.: ein guot g. 11866. 
•getzel (= getzaal, nach Ana¬ 
logie von labsal u. ä. ?) n.: 
min g. Ergötzung, Freude 
2338. 

gevuoclich adj. 1590. 
•gewaltecheit (geweldikeit) f. 
Vergewaltigung Bild 79. 
10817; ( Rubrikator - Vor¬ 
schrift f. Bild 78 u. 79 da- 


Original from 

UNIVERSITYOF MICHIGAN 


Digitized by 


Google 



316 


Wortverzeichnis. 


für gewaltige, geweltige 
t&t) 

gewan, gewanen 8. gewon, 
gewonen. 

gewar adj.: g. werden m. Gen. 

8770. ; 

gewerben vb.: iht g. aus- 1 
richten 5589. 

gewerde f. Wehr, Waffe 8848. 
gewem vb. : da* ich des was 
so wol gewert 3559. 

•gewider n.: Sprüche, getihte 
und g. Gegengesang 6728. 
gewillecllche adv. 4862. 
gewis adv.: gewiat (: ist) mit 
unorganischem t 7397. 

*gewist f. Ort, in mannigfachen 
Beziehungen: in dise g. 

(: ist), en cest pai's (O) 181; 
ir wominge und g. (: ist) 
als Reimflickwort 2141; wse- 
rest dft in einer g. (: bist) 
da dü allezit wollust hettes 
5832; diu atzel tribet alle 
vögele üzer ir gewisten 
(: nisten) 7868; der phennic 
wil oft ligen in den gewisten 
(: kisten), angles(O) 10318; 
in min g. vlieben, refni (0) 
11264. 

gewiter n. 282. 
gewizzeclich adj. 4101. 
gewon (gewane) adj. 3842. 
gewonen vb.: wan dü des ge- 
wanest 3843. 

giezeu vb.: ez giuzet es gießt, 
regnet 4975. 

*gtlerinne f. escharnisseresse 1 
(0) Spötterin 7614. j 

glave, gleve f. Lame passim. 
glisenerie f. Bild 65 u. 70. 

8035. Bild 76. 

•glittebtic adj.: ein hezzelich 
altwip, g., baveuse(O), glit- 
ticht (/») 10754. 

•glitteriach f.: der glitteri- 
schen (glytterssen) ltigene- 
rinne 6886. 

glockehüs (kloghus) n. 260. 
glöse f 9805. 13571. 


glösieren vb. 8784. 
glucken s. gelücken. 
•gluttenie, glutenie f. unter 
den Arten der Unkeuschheit 
genannt Bild 78 u. 80. 
Gnade Gotes, auch Gn&de 
allein, personif. von 222 an 
passim. 

goffer 8. koffer. 

♦goltsatz m.: ich hüete al 
sin silber und slnen g. 
(: schätz), satz als Reim¬ 
flickstück 9422. 
♦goltsmidinne f. 12277.12433. 
12678. 

Got: Gotes Gn&de 8. Gn&de 
Gotes; Gotes Vorhte(Fochte) 
personif. Bild 96. 12896. 
Bild 97; Gotes kint 364. 
gotesdienest m. 13292. 
goukelsere m. 8006. 
gonkelspil n. 6736. 
*graberinne f. Graveurin 9599. 
grlfenklä f. 9135. 9509. 
grindec adj. 7537. 
•grinthoubet(-heubt)». Grind¬ 
kopf 8122. 

Gritecheit personif. Geis, Bild 
76. 9438. 9441.10358.10365. 
10369. 10842. 11849. 

Grop Verstantnisse personif. 

von Bild 46 an passim. 
gropheit (grobekeit, grobkeit) 
f. 449. 452. 464; Grobheit 
der Speisen 10519. 
gropzecliche adv. 6167. 7015. 
7307. 

•grüenunge (grünonge) f. das 
Grünen 1429. 

grummen vb. 1641. 5128.5591. 
5610.7852.11835; subst.Inf. 
1816. 

•gubemieren vb. 5135. 
güetecheit f. 10969. 
♦güetecliche (gutteclich) adv. 
1856. 

guom m. 8556. 
guotheit f. 3192. 5466. 
guottsetec (gutdedig) adj. 
1561. 


habe fl: des himels h. 7453. 
hachel (hahel) fl 8604. 
hacken vb. 6591. 
haftec (hafftig) adj. beharrlich, 
stark 4711. 

♦hagediirnin adj.: einen hage- 
dürninen stap 5010. 
halm m.: niht umbe einen 
halm snoeder 5224. 
hals m.: üf eime halse eines 
tales einer fortlaufenden 
schmalen Anhöhe 7335. 
halsstreich m. 12932. 12949. 
*hamerstreich m. 3736. 
*hamerunge fl Hämmerung 
3857. 

h&n vb.: Conj. Prät. heide 
(: scheide) 1275. 
hanefgarte (hanffgarten) m. 
8394. 

hantgift f. 7880. 8388. 
hantwerc n. 3072. 8857. 

*hare m. Hühnergeier, arre (A) 
6897. 

hare Anruf, harou (0), höre 
(A) 10363. 

hashart (hazart) m. 10007. 
haven (haffen) m. Topf 1647. 
1997. 

havener (haffener) m. Töpfer 
1648. 

Haz personif. 8248. 
hecken vb. ausbrüten 7424. 
7429. 7431. 

heckunge fl Brut 7430. 
heien (heigen) vb. 6952. 6956. 
heimelich adj.: diu heimellche 
kamer Abtritt 5774. 10798. 
heimelicheit fl. 186. 2910; der 
lip verkündet dln h. den 
erzten 5960; buoch der h. 
Apokalypse 9119. 
beimwist (heymwise) f. Wohn¬ 
sitz 11427. 

heischunge f. Forderung 3201. 
13265. 

heißen s. eigehen. 

heize adv.: er verkündet h. 

unser: brühwarm 5961. 
hellen ». 3390. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Wortverzeichnis. 


317 


heUeplne f. 12907. 

•helmgedecke (helme-) n.7500. 
beln vb .: wilt dft dich an mir 
nit h. 6716. 

hengel (henckel) m. 590. 
•henkerinne f. 7280. 9628. 
•heremit m. 11996. 
herinc m.: nit eines heringes 
wert 4379. 

hfirlicheit f 1259. 9954. 
henneltn (hermel) ». 7514. 
hertecheit(hartikeit, hertikeit) 
/■.511.4315.4515.5652.11463. 
herü?: diu tohter des igels 
b. (vom Dichter als Eigen¬ 
name genommen?), la Alle 
an hericon heru (0), des 
röhen igels ( h) 8862. 
hezzec (hessyg) adj. 8874. 
hiewesen n. 13588. 
hinderklaffen ». 4000. 

•hinder st&n vb. 2526; än 
hinderstAn 22. 
hindertür f. 4009. 

•hinderunge f. 778. 3679.4959. 
5030. 5981. 6171. 6337.6406. 
11609. 11617. 12177. 
•hinderwän m. Lüge 4968. 
hinderwert adv. 8761. 
historia f. 4606. 

hiufeln vb. 9656. 12152.12159. ! 
12162. 

höchmuot m.: Accus, hoenmnt 
8716. j 

höchvertecllche (hofferteclich) I 
adv. 1521. 

•hock m. (wohl verwandt mit 
mhd. habich, mnd. havik, 
fries. havk) Hühnergeier 
9528. 

Hofart personif. Bild 65. 7623. 

8091.8151.8167.8249.11843. 
hoffenlich (hoffelich) adj. 3163. ' 
•holzdorn m. 6474. 
holzman m., plur. bolzlinte 
Holzhauer 9732. 9741. 9762. 
9771. 

hcenen vb.: ir kleit was be- 
treinet mit qw&de und ge- 
hcenet 10402. 


•hornvezzelsac m. Sack mit 
Riemen 3221. 

! *houbetmenninne f. (heubt- 
mennerynne fälschlich Hs.) 
9916. 

houbetvrouwe (heubtfrauwe) f. 
7496. 

•houwel ? Hacke 9285. 9303; 
er machet h., il fait houel 
(O) = mullon 9289. 
houwen vb. 5082. 9290. 
hoven vb.: diu t&t sol dem 
henker wol h. (: loben), bien 
li plaire ( 0) 7282. 
hover(hober )m. Höcker, Buckel 
l 9122. 10243. 10248. 10263. 
10267. 10271. 10277. 10278. 
hovereht (hoberecht, hoberet, 
hofferecht) adj. 7520. 9347. 
10249. 10253. 10289. 10290. 
10294. 10300. 10325. 12163. 
höbe f.: hufen Mützen 7507; 
Sturmhaube 7499; Kopf¬ 
haube des Falken 9857. 


hübescheit f. 3316. 
htlbeschliche adv.: heimliche 
und h., repostement et en 
recoi ( 0) 12904. 
hüeterinne f. 1906. 4821. 6720. 
•hlietekin (hutgin) n. Hütchen 


8007. 

huf (hüffe) f. 9151. 10004. 
10095. 10119. 10148. 


•huldeschaft f.: einem h. tuon, 
manschaft (h) 9204. 
huonicün (hunckel) ». 6897. 
9529. 

huortuom n. Bild 78 u. 79. 
huosten n.: ir soltet nit also 
komen fin reden oder in 
hnostens angenomen 7069. 
huot m.: hliete, hufen, chapiaus 
hupes (0), hliete hoch (h) 
7507. 


hnote (hude) f. gardes ( 0) 
1291; under miner h. stiure 


2918. 


hösnnge f. 15. 3871. 13271. 
höt f.: ein testament von einer 
hiut von Pergament 1876. 


legenftte (ingenode) adv. im¬ 
merfort 2482. 

•igelinne f. Igelin 8859. 
iht (ich, uscht, ütscht) n. 1822. 
3355. 6166. 

ilentlichen (ylentlich) adv. 

1440. 4473. 
ilunge f. 13444. 
in m. Verben] -secken (sacken) 
9605. 10466. 10480. 10517; 
-werfen: mit schrienden in¬ 
geworfen Worten 9223. 
ingenode s. iegenöte. 
ingeweide n. 12490. 

Inguz m. 12402. 

•innenzuo (innentzu) adv. 
1416. 

instrument n. 447. 1659. 1808. 
13304. 

invluz m.: meisterinne der 
elemente, der invllizze und 
der winde 1418; der i. unser 
rede 12403. 

irreclich (irrelich) adj. 87. 
irrecliche adv. 501. 
itelkeit personif. Bild 103. 
iule f. ich mache öz den liuten 
iulen haz [bas zugeschr. 
(: was); ob adj■ = gehaz 
feindselig ?] 8889. 

Jugent personif. Bild 89 u. 90. 

12055. 12228. 12586. 13539. 
jungheit f. 4644. 

kalender m. 11173. 12302. 
12304. 

kalt adj .: daz kalte Fieber 
4074. 

kamer, diu heimeliche s. hei- 
melich. 

kamerserinne (kamerinne) f. 

3169. 10731. 13130. 
kameriere f. 11236. 
kamermaget f. 1566. 1955. 
2053. 9866. 

•kanzelaerinne f. 2219. 11238. 
kapitelhös n. 12959. 12996. 
karren vb. knarren 8124. 
karte f. Stück Pergament 1877. 
"castrimargie f. (vom Original 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



318 


Wortverzeichnis 


übernommen) 10471. 10473 
(mit Angabe der Bedeutung). 
kegel m. 6739. 12098. 
keiserinne f. als Epitheton 
Mariä 11108. 
kelter m. 12318. 
kembeltier (kammeltier) n. 
10258. 

kempfer (kempper) m. 599. 
kören vb.: part. gekörten 
(: stoerten) 11258. 
körunge f.: k. tuon 8660. 
8661. 

•kestigae rinne f. Peinigerin 
5801. 

keten f violeten und keten 
brechen Kettenblumen 6724. 
Ketzerte personif. 11732. 
Bild 87. 

•ketzerinne f. 8860. 
•charbonnee f (vom Original 
übernommen) Rostbraten 
10456. 

•kibeleht (kyfelecht) adj. zän¬ 
kisch 3832. 

kinttac m.: von minen kint- 
tagen 11598. 

Kiuscheit personif. 10687. 
10695. 10709. 10717. 10726. 
13148. 

kivel (kybel) m. Kiefer, Kinn¬ 
backen 10499. 

klafferie (klafferige) f. Schicät¬ 
zerei, Verleumdung 10225; 
•(klapperte) 5948. Bild 65. 
7580. 

klafferinne (klapperynne) f. 

Verleumderin 6887. 

•klatte f.: der kolen ein 
gröziu k. (: hart), de charbon 
grant avivement ( 0) (ob 
glete = Glätte, Glanz ?) 
7670. 

kleiden vb. : die sliizzel k. ein¬ 
wickeln 1178. 
kleidunge f. 1428. 
kloghus 8. glockehfts. 
klöstervrouwe f. 13070. 
knuchel m. 3840. 
knüpfel m.: der vürhtet sin 


uit umbe ein k. dar an, ne 
la prise un bouton (0) 3911. 
cockart, eokart s. coqnart. 
kofFer (goffer) m.: k. von dem 
mere Schlund des Meeres 
9480. 

kogel f. Kapuze 7505. 10404. 

10675. 12388. 12417. 
•coleriken, die m. plur. 8895. 
•coqnart (cockart, eokart) m. 
Narr, Tropf 5161. 5493. 
6666. 6883. 7832. 7840. 
corrigieren vb. 11751. 
kösenvb.: einem leit k. 1649; 

reht und gesetze k. 2895. 
krage (krag) m., plur. krege, 
Halskragen, von 3713 an 
passim-, sporn mit laugen 
kregen vil gespitzet vorn, 
esperons chancies a bec de 
gai bien apointies (0) (bec 
heraldisch = Tumierkragen- 
gehänge, dem die damaligen 
Sporenspitzen glichen) 7354. 
krämerinne (kremerynne) f. 
2963. 

kranch m. Kranich 6259. 
krapfe (krape, krappe) m. 
Haken 8229. 8231. 8641. 
8647. 9135. 9146. 9902. 9908. 
9913. 9917. 9919. 9934.9940. 
9941. 9956. 

•krapfen (krapen) vb. haken 
8667. 9583. 9935. 11931. 
krappein (krapeln) vb. 9470. 
cröatüre f. 5904. 
kredynne s. krötinne. 
•krempig adj.: Tr&cheit diu 
krempige, encrampelie (O) 
7152. 

•krepfer (krepper) m. acro- 
cheteur (0) = qui saisit 
avec un croc 9588. 
•kri8tenkirche f. 3299. 
kriuze n.: ein k. machen als 
Segens- und Schutzzeichen 
6766. 

krinzen vb. mit dem Zeichen 
dies hl. Kreuzes bezeichnen 
321. 342. 


•krosseldorn m.: groisseillier 
(O) Stachelbeerstrauch 8877. 
krotelich (krudelich) adj. be¬ 
schwerlich 4052. 4431.11558. 
kröten (kruden) vb. belästigen 
4467. 4508; refl. m. Gen. 
8ich um etwas bekümmern 

650. 1591. 5389. 5750. 5937; 
ez krötet mich nit obe ... 
6935; m. Inf. 8689. 
•krötinne (kredynne) f., krot- 
tynne (h) Kröte 8904. 
krndelich s. krotelich. 
kruden 8. kröten. 
knute f. 1459. 

♦küniclicheit (konniglicheit) f. 

Königswürde 9942. 
•künstlicheit f. 1086. 
•küntlicheit f. notio 2909. 
kuohirte (kuwe hiert) m. 7964. 
kürzen (kurten) vb., part. ge¬ 
kurt (: gefüert) 13328. 
kürzenunge f. Verkürzung 
12737. 

küssen (küssen) n. Kopfkissen 
3416. 

lancvezzel (langfissel) m. Band 
woran das vederspil ge¬ 
halten wird 9858. 

•lrerunge f.: des büches ein 
1. 7785. 

laterne (lanterne) f. 5999. 6005. 
Latria [lat.] personif. 13291. 
lauwe s. louge. 
lmwelich (lewelecht) adj., le- 
welich (h) lauwarm 11530. 
lazheit (lassekeit, lassikeit) f. 
7199. 13106. 

lebelicheit f. Leben 7681. 
leben n.: lebens abesniden das 
Ab8chneidendesLebens2Rl2. 
lebende part. adj.: lebende 
Sünden, viez pechie (0) 
2172. 

lebendic adj.: lebendige steine, 
vives pierres (O) 16. 
lebezuht f. 3357. 5373. 9538. 
leckerfe f. 751. 4035. 10524; 
personif. Bild 78. 10463. 




Digitized by Google 


Original from 

ÜNIVERSITY OF MICHIGAN 



Wortverzeichnis. 


310 


10494. 10684. 10833. 10840. 
Büd 80; vrouwe L. 10684. 
Lecze (Letze) personif. 13170. 
13188. 

ledecheit f. Büd 72. 11399. 
leder «. (= laoder): daz vuoter 
daz ist gemachet von eime 
tätlichen Inoder (: vnoder), 
d’nne morte pel (O), von 
tätlichen hinten (h) 4269. 
lederhose f. 7516. 
ledigen s. leidigen, 
leich m. Betrug: än 1. 5701. 
leidigen (ledigen) vb. verletzen 
4661. 

lereknabe m. 2908. 2934. 2935. 
2946. 

lencken s. longen. 
lewelecht s. lsewelich. 
liehen rb.: diu alte igelinne, 
diu Übel gelichete(gelikette), 
la mal herciee (0), geglättet, 
poliert 8861. 

* lickholz n.: mit dem lickholze 
wiltu in schnohen, an lig- 
nolet ( 0 ) = d’une manifere 
älägante, graciense ( Oode- 
froy) 5690. 

Liebe, Gewlre Liebe personif. 
von 2276 an passim ; Güt¬ 
liche Liebe 8300. 13687. 
13744. 

lieplicheit f. 2277. 
llhen vb.: prät. lieg (: krieg) 
8928; keine rede dar zuo 
1. 1414. 

lihten vb. erleichtern, frei¬ 
machen (von Krankheit) 




llhtunge f. 1924. 

•lingieren vb. allignier ( 0) 
= aüigare 1005. 
linie f. 2385. 2386. 
litterlich s. lüterliche. 
liuterunge f. 975. 4344. 
♦loberie f. 7579. 
lochereht adj. 10221. 10450. 

10464. 10540. 10583. 
löchern vb. 13227. 
»lochmacherinne f. 9594. 


lofisen vb.: lügen 1. Lügen 
loslassen 7803. 

»löuferinne (lenfferyune) f. 
13446. 

»löuferische (leufferse) f. 12056. 
löufic (lenffig) adj.: lieht 1. 
(vom Schwerte), tont versa- 
tille (O) 33. 

lonft m., plur. löufte (leuflfte) 
Vorgänge 9739. 
longe f. (lauwe, Vermengung 
mit löwe = Lohe?) 1950. 
11479. 13521. 

longen vb. läugnen: ich leucke 
7421. 

♦loup(lanp) m. Erlaubnis 4878. 
lunde (lunte) f. Welle 283. 

11632. 12138. 12234. 

Inoder t. leder. 
lnstlich adj. 5685. 6725. 
lüterliche (lntterlich) adv. 
2632. 3326. 5400.6042.6125. 
6429. 7708; litterlich 1542. 


l i 


acherinne f. faiserrease (O) 




magerheit f. 8264. 
mahtbrief m. 12460. 12497. 


12704. 


»mallete f. Seckel: der phennic 
wil dicke in m&lleten be- 
slozzen sin 10313. 
mamme (memme) f. mamma 
12022. 


manschaft (mannesebafft) /.: 

einem m. tnon 1569. 
market m.: ich bin boesem 
m. nähe 7003. 

»marmoset m. marmouset (O) 
= mahommet, idole en g6- 
n6ral (Godefroy) 9202. 
mäsen vb. beflecken 2535. 
mat m. s. schach, 
maten vb. matt machen 6319. 
mtezecheit (messikeit, messy- 
keit) f. temperantia 3986. 
3991. 4026. 4107; personif. 
10610. 

mechliche adv. = gemechliche 
12086. 13551. 


meierinne (meygeryune) f. 
5090. 11289. 

»meisterte f.: diu dich an dime 
halse lßret meisterten (: Lec- 
kerlen), qui te maistrie (O), 
din dich meistert (h) 10685. 
*meisterköchinne f. oberste 
Köchin 8624. 

meistern vb. hindern 4451. 
meldec adj.: er ist vortmfi 
Sachen m., et en est droit 
relatis (0) 1330. 
mßrteil n. 4098. 
metal *m. (so auch h) 9485. 

9503. 12281. 12290. 
metzeier m.: der m. üz der 
helle 7116. 

»metzjerackes (metzigeraxs) f. 
7050. 

»milchzende m. plur. 7483. 
minne f: bezzer danne goldes 
m. 8651. 

missegrifen vb. 428. 1401. 

1495. 3048. 
missehagen vb. 685- 
»missenennen vb. falsch nennen 
7086. 

*mi8serecherinne (myssereiche- 
rynne) f, mysserecherin (h) 
Falschrechnerin 9600. 
missesprechen vb. m. Dat. von 
einem übel sprechen 2287. 
5715. 

missetreesten vb. entmutigen 
3594; verzweifeln 7374. 
misseval m. 5517.10766.11176. 

12227. 12229. 
missevellic adj. 3343. 
misBewahs m. 3751. 
mitehelfer m. 847. 
miteliden n. 515. 517. 
»mittelort m.: den einen Schen¬ 
kel eines Winkelmaßes üf 
den m. gelich linien reht 
niderlegen 2384. 
morgen m.: ze m. ezzen 1344. 
1365. 1864. 

morsel m. 9548. 10475.10477. 
10536. 10553. 10555. 10558. 
10576. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



320 


Wortverzeichnis. 


mort nt.: daz ich über dich 
schrie m. 8506. i 

♦mücherie (mücherige) f.:m. j 
der guoten moreel under- 
drückunge Verbergung (zu 
müchen = verbergen) 10474. 
♦müedigen (madigen) vb. müde 
machen 4660. 

Müezecheit personif. 6596. 
Büd 58. 6820. 6865. 6887. 
7233. 9057. 
möge (möge) fl 1446. 
mülenrat n. 12178. 

*mulle, mülle n. MÜH, Staub I 
7726. 7731. 

mllnster (monster, munUtere, 
munster, münstere) n. 2813. | 
8041.9229.9242.9273.9277. j 
12959. 12975. 13011. 13222. 
mont m.: der teilende m. 998. 
muntvol nt. 8561. 
murmelunge f. 2286. 3999. 

nabegfr (negebor) m. Bohrer 
7631. 

n&chbörinne f. 4006. 8295. 
10572. 10573. 

♦nagerinne f.: der gülden ein 

n. 9597. i 

nahtm&l n. das letzte Abend¬ 
mahl 2232. 

nahtvar f. Hexe 12236. 
n&me (nähme) f. 7962. 8994. 1 
namen 8. nemcn. 1 

Natüre personif. von 1516 an 
passim. j 

negebor s. nabegör. 
nemen vb.: begirde des namen 
(: sarneln) 10223. 
nemer nt. 9589. 
nider nt. Verben ] -legen: misse- 
tät durch buoze n. 2412; ! 
-8tigen: n. in die helle 2309. 
niderganc m. Untergang (der 
Sonne) 676. 

nieten vb. refl.: ich h&n mich 
vil guotes und boeses ge- 
nyedt (: zijt), j'ai maint bien i 
et mal esprouve (O) 13570. ' 
nihtesniht (nuschit, nascht, j 


nüscht, nust, uutsch, nut- j 
schit, nütschit, nutscht) n. 
passim. 

Niht (be)rilere (-rare) mich 
personif. Bild 74. 8882. 

Nit personif. 8248. 8363. 8501. 

8543. 8572. Bild 73. 8797. 
niunde stein, der: ein Brett¬ 
spiel (Mühlenspiel?) 6739. 
7721. 8494. 10345. 12100. 
niuwelingen adv. 1527. 
niuwerunge f. 1505. 7503. 
nöse nt.: &n n. Schaden (Beim- | 
flickworte) 9804. 
nötdilrfticheit f. 385. 
noete (node, noede) adv. 7531. 
8661. 

nötigen vb. 5851. 
nötstal m. 2814. 
nouweliche (nauwelich) adv. 
2237. 

♦nüehterkeit (nuchterkeit) f. \ 
4024. 10610. 13197. I 

•nüehterliche adv. 749. 

oberlant n. bildl. der Himmel 
3917. 11874. 

obletter m. oublaier (0), ob- I 
leter (h) Kuchenbäcker 2541. | 
10348. 1 

•ockesaldorn ?: umbe ein klein ! 

o., a petite achoison (O) • 
(vielleicht steckt occasion 
darin ) 8885. 

offenbaerliche (uffenberlich) 
adv. 5401. 

official nt. 316. 336. 388. 390. ! 
672. 692. 845. 866. 868. 914. 
1364. 1747. 1835. 
ohsenhorn n. 7877. 
•ordiniererinne (ordeniere- 
rynne) f. 11295. 
orgel f. 6731. 7693. 13026. 

13298. I 

*orgelierinne f. 13308. 
ort m. n. Schenkel eines Winkel¬ 
maßes 2383; Punkt, wo die | 
Schenkel aneinanderstoßen ' 
2386. 2406; über o. ist min 
gesiht starc 7594. 


otervenger nt. 7062. 
•oterrengerinne f. 7058. 
♦ougenbilde w.: bl iuwerme 
ougenbilde, sur l’enl (O), 
bi iuwern ougen (h) 1858. 
ovenserinne (obenerynne) f. 
Ofenheizerin, Bäckermagd 

2717. 

palas m.: in dem heiligen p. 
826. 

•paltenerie f.: p. von alten 
secken 9824. 

•paltenerinne f. Latidstreiche¬ 
rin 8527. 
panze f. 5263. 

panzer n. 3712. 3893. Bild 35. 
3910. 3924. 3931. 3943.3954. 
3957. 4415. 4690. 7247. 
pariament (parlement) n. 700. 
pas nt. paasage (O) 43. 272. 

1174; pas (0) 633. 

•pastor nt. 9936. 9939. 
patrön nt.: einen geschuof and 

p. 2380; dia gestalt nnd p. 
2439; diu figüre und der p. 
2442. 

*pavrfen vb. pflastern: pari. 
gepafriget, pavöes (O), ge- 
paveert (h) 12. 

Pergamente (perchemyn, per- 
raent)». 13004.13163.13173. 
13176. 

ph&we (pawe) nt. Pfau 7766. 
phliht f.: in tödes p. 3877. 
•phlückerinne (pluckerynne) 
f. baconneresse (O) = celle 
qui ecorche 9552. 
phrieme (prymme) m. Pfrie- 
menkraut, Ginster 1433; 
Pfriem 8836. 

phuol nt.: in phüelen 3678. 
•pilgerinstap nt. 4693. 7941- 
placke nt. Lumpen, schlechte 
Kleider 9823. 
pl&nöte m. 1387. 1630. 
plaz (pletz, pletze) «. 14. 758. 
762.5457.8121.10374.11716. 
11797. 12439. 
ploch s. bloch. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Wortverzeichnis. 


321 


plaudern vh. 9611. 

* porten ae rinne f. Pförtnerin 
2220. 6719; p. des geldes, 
poitevineresse ( O) = celle 
qni contrefait la monnaie 
appelöe poitevine (monnaie 
du Poiton) ( Godefroy) 9601. 
♦predicament n. 1210. 1211. 
predie (predige) /. 535. 694. 

2211. 7945. 9978. 
predigunge (predionge) f. 1059. 
prtlat m. 7094. 8442. 
prieaterschaft f. Bild 16. 
priorinne (pryelynne, pryo- 
lynne) f. 13069. 13390. 
proveance f. Vorrat: alle pro- 
reancen die die linte h&nt 
gemachet, les pourveances 
( 0), proviantz ( h ) 9532. 
prüeven (prüben : nben) vb. 
2881. 

•psalmenklanc m. 13303. 
psalterje f. Saiteninstrument 
7693. 13026; vgl. salterium. 
puls m. 6184. 6185. 
purrieren vb. = purgieren 
reinigen? bilcU.: was sie 
sagte, war geordenieret, wol 
gestalt und gepurrieret, dis- 
cipline ( O) 5067. 

quelle f. 928. 

quetschen vb. 399.1911.1926. 
1991. 1997. 2014. 2042.2706. 
13413. 

*qwecke f. 7141. 
rach s. roch. 

’ramnus: r., der berc üz dem 
d&z viur springet 8909. 
rat »».: daz r. d& in der m&ne 
ze ziten sinen louf hat 
1403. 1405. 
reche s. riche. 

rechen vb. sagen: Got gebe 
daz ez wol si gerächt 
(: br&ht), que bien soie arive 
(0) 6782. 

recken vb. m. Dat. einem nach¬ 
stellen: daz sie mir hatte 


geraht als ir wiltfange init 
mäht, qu'aviseement comme 
sa proie m’atendist 9111. 
regen vb.: ich si hübesch 
gereget (: beweget), que je 
sui belle (0) 7756. 
♦regiererinne f. 6097. 11294. 
regierunge f. 10594. 
regnieren vb. 5533. 8292.8293. 
reht bekenntniBse 2021. 2049. 

2138. 2139. 2418. 

Reht Verstantnisse, auch Ge- 
lich Verst. (s. d.) oder Verst. 
allein, personif. von 434 an 


passim. 

reiger m. 6259. 

Reinecheit personif. Bild 98. 
*remenant m. (vom Original 


übern.): mit dem r. den dü 
noch vor dir h&st 11564. 


rengerynne s. ringerinne, 
riche (reche) m.: von eime r., 
de vers un testre ( 0) Berg¬ 
rücken, Hügel 8829. | 

riehen vb.: daz ich iuwer (der 
sacramente) nit vil mö en- 
riche, que pou ne vous prise 
(0) 10893. 

♦riechunge f. Geruch 2630. 
rihtec adj.: sie w&ren daz ze 
haben nit r. 2357. 


rihter m.: ein höher r. 1030. 
rihtlich adj.: der d& r. reht 
h&t über in 1328. 
rinc m.: erden riuc 258. 
ringerinne (rengerynne) f. 
13450. 

rit m.: houbetvrouwe von allen 
riten, chevauchees (0) 7497. 
roch (rach, so auch h) n. Turm 
im Schachspiel 8498. 9232. 
9265. 9330. 9335. 
rose f.: daz buoch von der r. 
760. 

rostec adj., bilcU.: r. altwip 
7240. 

roeten vb.: daz das brot ge- 
roedet würde bräunen, braun 
backen (oder ist geroedet in 
gerondet zu ändern?) 2747. 


rouchloch n. 7997. 
rüemunge f. Bild 65. 7784. 
Bill 67. 

runzeln vb. 10795. 
ruore (rüre) f. 10567. 

*sabel?: ez waere sant und s. 
Gries 12161. 

sache f.: &n s. ohne Grund 
635. 

Sachen vb.: Gotes Gnade hat 
gesachct (gesagt) den zirkel, 
assist (0), gesatzet (/*) ge¬ 
schaffen 9703. 

sacrament n. 689. 3300.10892; 
daz heilige sacramente das 
Sakrament des Altars, Bild 
20 . 

salbunge f. 514. 
salterium n. Saiteninstrument 
13300; vgl. psalterje. 
sameunnge f. couenne (O) 
12335; assemblee (O) 13816. 
•sazschüzzel (saßschussel) f. 

sauciere (G) 10568. 
sch&ch in.: sprechen sch. und 
mat 6323. 13415. 
schächzabel n. 6322. 8495. 
9238. 9264.9274.9300.9331; 
s.-spil 6738. 9230. Bild 77. 
schmfelin n. 803. 
schaffenerinne f. 4699. 13259. 
schalten vb.: ich wil dich ze 
dem töde sch. 8247. 
schanc in.: ze schauke 2348. 
schsere f. 705. 719. 806. 812. 
scharpfecheit (schr.rffikeit) f. 
1790. Bild 65. 7596. 7627. 
9335. 

scharpfliche (scherffeclich) adv. 

1520. 6856. 8631. 
schate (schede) /'. ? bildl .: sch. 
gaebe irae der heilige geist 
Schatten = Schutz 8686. 
*schatzhalterinne(-helderynne) 
f. 4822. 9420. 11231. 
schedegeu vb. 8693. 
scheiden vb. in die Scheide 
stecken 1177. 1196. 
schel adj. 984. 


Dentach« Text« de« Mittelelten. XXV. 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



322 


Wortverzeichnis. 


schelle f.: schellen liuten 3429. 
schelme hi.: mir liebet Schel¬ 
men ze ezzen, charoinnes 
(O) Aas 8559. 10693. 
‘schelterische (schelderße) f. 

Tadlerin 1562. 
schich s. stich. 

schie (scie) ?: leckerie, din du 
h&t zwifaltige scie, forse- 
nerie (0), betroc (/») 4036. 
•schinderinne f. 9551. I 

schit (schydt, schit) n. Angel 
11699. 11932. 

schiuwesal n. 8400; ein sch. 
der werden, un espouentail 
a coulon (O) 5754; Vogel¬ 
scheuche 8395. i 

schöuunge f. 4360. 
schoup»«.: netze mit gebunden 1 
schouben 12014. I 

schribunge f. Schrift 3267. 
♦schüelerinne (schulerynne) f. 
2883. 3170. 

schuochmacher m. 8071. 1 

schuohen vb.: geschuet 5683; 
schuwen (: vernuwen) 5690; 
geschnwet 6838. 
schüten vb.: daz swert sch. 

schwingen 4222. 
scorpiön m. 8409. 
seckel m.i s., mit buckeln 
übertragen, bourse pinpe- 
lotle (O) 5695. 

segenen ( contr. einen) vb., 
part. geslnet 3301. 

*segerinne f. Angeberin 5472. 
♦seileriune f. 13687. 
seitengedcene n. 7691. 
seitenspil n. 6730.12101.13284. 
senken vb. : wiltu mir nit an¬ 
ders mit Worten senken, si 
autre chose ne me dis (O) 

( Oder ist sencken = schen- 
cken ?) 8356; daz ir von 
mir iuch läzet senken nie¬ 
derringen, erweichen 12676. 
Betigen (sedigen) vb. 2539.2569. 

2751. 2769. 3024. 3031.9843. 
sez hi. Sitz: diu juncvrouwe 
hatte eine hant under ir s. 


geiaht 6484: nnder dem 
sezze 6671. 
sezzel hi. 7586. 
sichern vb. m. Bat. d. Pers. 
als Überwundener dem Sie¬ 
ger das Untertänigkeitsge¬ 
lübde leisten 7413. 11727. 
11728; vgl. gesichern. 
Siechtage personif. Bild 107. 

13451. Bild 108. 
siechten 8. sinchten. 
sihen (sijgen) vb.: wazzer s. 
11465. 

sihtecliche (sichtenclich) adv. 
7775. 

sin (synne) m. maniere (0) 2007. 
syncke s. zinke, 
siufze (sufftze) m. 281. 
siuhteu nd. verb. seufzen: 
siechten (: diechten) wohl st. 
siechtende = hd. siuftende 
9066. 

siure(snre)/'. Krätzmilbe 6839; 

vergoigue (O) 12334. 
slaeferic adj. 6367. 

♦slaeferiune f. 10730. 
♦släfmeisterinne/'. Vorsteherin 
des Schlafgemachs 13129. 
•slegerinne f.: s. des geldes 
Prägerin 9601. 
siebte n. Ebene (so auch h, 
tieutr. des Adj. sieht): in 
eime slehten 9229. 
sleife f. Spur: ich mache nftch 
mir eine s. als der snecke 
10485. 

sleifen (sleuffen) vb. 7222. 
| 7228. 7320. 

•sleiferinne (slenfferynne) f. 
| 7279. 

*slenginne f. Schlange 8294. 
sleuffen s. sleifen. 
slifen vb.: ich kan als diu 
Sirlne in dem mere s. 8134. 
*slimehtec (slymechtig) adj. 
i schlammig 10755. 

‘slimmecliche adv. verkehrt 
10618. 

sluf m.: s. oder loch in der 
Hecke 7027. 


smacken vb.: ein Qbel smac- 
kende vaz 1962; unreine 
smackende 2536; eiu Übel 
smackender gebäre 5142; 
nnvlffitllche smackende 7443. 
*smeichelerie f. 626. 
Smeichelunge personif. 8140. 
8196. 

smern vb.: dn solt mit reden 
fin smerende und weich sin 
8440; din sense d& mit sich 
smertent die rihter 8989. 
smidewerc n. 12256. 

•smidinne f. 8936. 12359. 

12595. 12603. 
smidnnge f. 3856. 

*sminkeleht (smynckelicht) 
adj.: ein sminkelehte rnote, 
smyglicht (h), cinglans (0) 
(von smicke = Geissei ?) 
1884. 

•snidebiutel (snydebndel) m. 

coupe bourse (O) 9576. 
snoedecheit (snodikeit, snMi- 
keit) f. Ärmlichkeit 2278. 
8084. 

8ncedecliche adv. 9188. 
socke m. 6495. 

soligen (solichen) vb. be¬ 
schmutzen 10786. 
♦sorclicheit f. Gefährlichkeit 
6597. 

spade f. Spaten 9247. 9248. 
9282. 

*spaziererinne f.: der linte s., 
de gent esbaterresse (O) = 
celle qui amuse les autres 
13028. 

spendein s. spinnein. 
spengein vb. 5698. 
spicher m. 3752. 9398. 
♦spilerinne (spielerynne) f. 

13027. 13309. 13312. 
•spilerische (spieleresse) f. 
Spielerin 8129. 

•spilstab hi. billart (O) 5234. 
spinnein (spendein) vb. mit 
Spindeln versehen 5705. 
spinnerinne (spennerynne) f. 
1368a 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Wortverzeichnis. 


323 


spinneweppe n. 11975. 
spiserinne f. 2271. 8143. 8151. 
8623. 13163. 

‘spitalie (spitalige) f. ? Spital 
12961. 

•spizkin (spißgin) n. Brat¬ 
spießchen 10455. 

‘spotten e f. 627. 10792. 
•spotterinne f. 7613. 
«prechenlicheit (sprechlicheit) 
f. Sprache 2668. 
spriehe s. spria. 

‘springerische (9prengers9e) f. 

Springerin 12057. 

•sprinke m. sauterelle ( O), 
happerin (A), Heuschrecke 
12057. 

spriu (spriehe) f. 2698. 7745. 
7748. 

sprach m. : lieder, spräche, 
getihte 6728. 

Stachel m. 8913. 
state (stade) f. Hilfe 9049. 
stecken vb.: obe der wec ge- 
dürnet oder söre gestechet 
(wohl ‘ mit Stacheln ver¬ 
sehen') waere 6860. 
stecken (steicken) vb. fest 
heften 4259. 

Stelen (stechein) vb., glenner 
(glanner) (O), Stelen (A) 
9471. 

•sterkerinne f. 4757. 

•stessen vb. (?): enwec st. 
(: vergezzen), tresculer (re- 
culer) (O), enwec ilen (A) 
7299. 

stich m .: ich gesehen nit einen 
st. (verschrieben: schich) 
10764. 

•stifliche (stifflich) adv. fest 
4305. 

stillunge f. 13382. 
stopfen vb. refl.: sö Btopfete ich 
mich dan nit alsö, que ne 
m’embru[n]chasse mie (O) 
10750; sie stopfent sich ver¬ 
stopfen sich Ohren und 
Augen 11910. 
stoerer m. 5147. 5322. 


stcerunge f.: st. der missetat 
2411. 

strftfer m. 10298. 

•str&ferinne f. 2154. 
sträflich (straffelich) adj. 
10490. 

Str&funge personif. 13082. 
strecken vb.: Christus hat sin 
leben an dem kriuze ge- 
strecket 11325. 
•streckerinne f .: st. der vor- 
henge Aufhängerin 10029. 
•streicheln vb. 5705. 
stric m. Verknüpfung (Christi 
mit den Menschen) 2480. 
striffel mn. ? clique (O) Bild 
78. 10572. 

studente m. 3067. 3071. 3082. 
studieren »6. 4131. 7822. 9337. 
13171. 

stüppe ».: so vil ahten als 
umbe ein st. geschiht 8487. 
8türzeu vb.: pari, gestörten 
(: ich förten), tid. Form = 
gestürzet (mit starker Par¬ 
tizipialbildung) 8044. 
subtilecheit f. 2742. 
subtllecliche adv. 2631. 2747. 
2774. 5262. 7819.8933. 9652. 
12011; subtilenclicher 2764. 
•süechel m. apointon (0), Art 
von Dolch (das Wort im 
Volksmund, z. B. in West- 
falen, für den Pfriemen des 
Schusters gebraucht) 8806. 
sögen vb.: er suhet 8277. 
sühtec (süchtig) adj.: Tr&cheit, 
diu sühtege 7151. 
sweizen vb.: guotiu stücke wol 
ge3weizet geröstet 10537. 
sweizigen vb. blutig machen 
2662. 

•swertgürtel m. 4310. 4320. 

•tabellion m. Notar 2443. 
tac m.: einen gelegen tac 
setzen, jour competent (O) 
5167. 

tagedinge (dedinge) f.: ze deu 
tagedingen des gerihtes ge¬ 


richtliche Verhandlung 5168; 
die t. erheben wider einen 
11767; Bede, Worte 7836. 
tagedingen, teidingen (dediu- 
gen) vb. gerichtlich verhan¬ 
deln 10205. 

•tagedingerinne (dedegerynne) 
f. Sachwalterin 10172. 
tarsche (targe, tartsche) f. 
Schild 3965. 4356. 4357. 
4359. 4365. 4369. 4371. 4373. 
4377. 4382. 4385. 4388. 4426. 
4665. 13000. 13091. 
tau n.: daz Zeichen thau 361. 
376. 425. 

teic (deig) n. Brotteig 2759. 
teil öf ein teiles (: heiles), 
Vermengung von üf ein teil 
und eines teiles 4017. 
•teilerinne f. 2495. 
tempeleere m. Tempelherr 
11764. 

testament n. 1876. 2320. 2322. 
2328.2445. 2447. 2455. 2465. 
2478. 

tihten (dichten, diechten) vb. 
sinnen, nachdenken 9065; 
sine wonunge t., struere 575. 
tynsen s. dinsen. 
tisch (dusch) m. 2214. 
tiure (düre) adv. 1545; vgl. 
begrifen. 

tiuvel (dufel) Bild 86. 12000. 
tiuvelinne (dubelynne, dufe- 
lynne) f. Bild 73. 9629. 
tole (dole) f.: mistes t. Ab¬ 
zugsgraben für Unrat 2534. 
töreht (dorheit) adj. passim. 
tcerlich (dörlich) adj. merk¬ 
würdig, eigenartig 771. 

Tot personif. 3898. 3902; von 
12121 an passim. 
tcetlich adj. 2428. 3178. 4272. 
6391. 7729; von eime tcet- 
lichen luoder (vgl.d.) 4269. 
toetunge f. 8985. 
touf m.: der heilige t. Bild 9. 
3305. 11476. 

Tr&cheit personif. 6817. Bild 
61. 7151. Bild 62, 63 «. 64. 

21 * 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



324 


Wortverzeichnis. 


8818. Bild 75. 9038. 9630. 
9643. Bild 80. 

tragen vb sich ze Sünden t. 

in Sünden einicilligen 2203. 
tregerinne f. Trägerin (der 
Waffen) 4870. 

trlben vb .: mit den drin buoch¬ 
staben hie vor getriben, 
que j’ai dit (0) 2394. 
triegerinne f. 2975. 4045. 
trippeln vb. 12060. 
trnferie f. Zauberei 6741. 
trügerie (driegerie, driigerie) f. 
4494. 5208. 9255. 9797. 
10006. 10009. 

Trürecheit personif. 7156. 
tücke f. das Tun, Gewohn¬ 
heit 9216. 

tugen vb.: ez tone nit 8399. 
Tngent personif. 12383. 
tngentriche adv. vertuaumeut 
(O), virtualiter (A) 3108. 
tunken vb.: sich dar under t. 
12139. 

tuon vb.: daz ich so vil arbeit 
h&n dun dnn, das erste dun 
= tftn = getün = get&n 
4697 ; ähnlich 6587. 
tupfen (duppeu) n. Topf 1961. 
1989.2008. 2016. 2034. 2040. 
2043. 

ttbele st&n vb.: iibelst&nde 
Sachen 3156. 

über (über) präp.: Uber sant 
Niclas, trotz, ungeachtet 
8507. 

übereinzic (uberentzig) adj. 
10553. 

überkoraen vb.: ü. mit Überein¬ 
kommen 5794. 

tiberleste f. Beschwerde 4442. 
Überlesten vb.: din gedenken 
ist mit törheit überlast 
1208. 

überlüt adv. 3785. 4496. 7373. 
7494. 

ttbermüetec adj. 473. 
überschetzunge f. 618. 
Ubertretunge f. 2200. 


übertwerh adv. schräg 11747. 
tibervüllen vb.: die übervüllent 
ir m&z 9616. 

♦überwsenec (uberwenig) adj. 
übermütig, anmassend in 
Gedanken 980. 

♦überwsenunge (nberwenonge) 
f. Anmassung 5033. 5042. 

I Überwindunge personif. Bild 

1 100 . 

i überwunne f. outrage (0), Aus¬ 
schweifung 13664. 
üf m.Verb.] -dringen: etewenne 
sie die (hant) üfdranc 9152; 
-geben: sinen geist fifgeben 
2306; *-welgen: viuhtecheit 
üf gewolken (: wölken), va- 
peur alevee (0[Af]) 6422. 
üfenthalt m. Unterhalt 11865. 
üferstentuisse f.: ü. aller töten 
j 3306; ü. des vleisches Paren- 
these nach 3309. 
üfganc m. Aufgang {der Sonne) 
677. 6016. 

üfhalt m. Erhaltung 7681. 
üfhalterinne f 8152. 
üfhap (uffhab) m. eig. Abhub, 
Überrest der Mahlzeit: ü. 
den knaben ze geben 2223; 
ü. vür vrouwen swanger 
2225; ü. vür die siechen 
2227; ü. der dä Uber bliben 
was an dem nahtm&le d& 
Got selbes az Altarsakra¬ 
ment 2231; 2216.2220.2237. 
2469.2485. 2489. 2496. 2516. 
2524.2527. 2531. 2544. 2563. 
2579.2590. 2600. 3196. 4886. 
Bild 43. 

üfrehtecliche adv. 1615. 

I üfvanc (ufffang) tn. Fang, 
Jagdbeute 7790. 
umbe m. Verb.] -gürten 8981. 
8983; -hangen: die umbe 
hangenden stücke der Übel¬ 
tat 996; *-welben (wölben): 
die zirkel (der Planeten) ir 
umbeweibt 1389. 
uinbehanc m. Vorhang 3706. 
*umbeleiter (umbleyder) m.: 


u. der liute einer der die 
Leute an der Nase herum¬ 
fuhrt 6669. 

♦umbeheldet parf.: mit spitzen 
phriemen u. (: verstellet) 
{Ableitung von md. helde = 
Fessel?) 8836- 

♦nmberinge adj. (?): sö ist mir 
der verdriez vaste umbe¬ 
ringe (: ringe), min umb- 
geberin (A) 11267. (Ist an 
Zusammenhang mit umbe- 
rinc = Umkreis zu denken, 
etwa so, daß aus dem Subst. 
gewaltsam ein Adj. = um- 
ringend gemacht wurde ?). 
umbetriber (umbdryber) m.: 
u. der liute einer der die 
Leute zum Besten hat 6668. 
unbekentlich adj. 978. 11021. 
♦unbekeutlicheit f. ingnorence 
(0) 6519. 

unbeBlagen part. adj., der 
Stab des Pilgers so genannt 
3344. 3648.3665. 3671. 3675. 
3685. 

und conj. für uns pleonastiseh 
4410.5253. 5517. 5520. 7997. 
10331. 11177. 13579. 13851. 
underdrückunge f.: der guoten 
morsel u. Beiseiteschaffung 
10475. 

*undergesihte ».: mit under- 
gesihte besehen schief, von 
der Seite 7595. 
undergürtel m. 9859. 
*nnderhap m. : mit solichem 
underhabe, par tel condicion 
(0), nnderscheit (A) 3703. 
nnderlachen vb. 5255. 8575. 
underlesen vb. auslesen 1977. 
*underlösunge f: Stiche in 
anevehtungen gebent ime 
underloschungen, recreation 
(0), lossunge (A) 3761. 
undernemen vb.: dü solt dich 
nit n. die ze hindern 5429. 
underneraunge f. 617. 
underrihtunge f. 1152. 4705. 
underroc m. 7513. 9865. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





Wortverzeichnis. 


325 


nndencheidecliche adv. 1002. 
1137. 4276. 

nnderscheidenliche (-scheiden t- 
lich) adv. 2150. 
understän c6.: einen verren 
wec u. unternehmen 2188. 
Undertsenecheit personif. 
Bild 99. 

nnderwisunge f. 4704. 7541. 

9977. 13443. 
underzuc m. 9411. 
•ungebaerecheit f Ungeberde 
8743. 

•ungeformieret pari. adj. un¬ 
gestillt 7520. 

ungehindert part. adj. 3677. 
Ungehörsamecheit personif. 

Büd 65. 7895. Bild 68. 
nngelückec (ungluckig) adj. 
2519. 

ungemüetec adj- betrübt 6291. 
ungestüemecheit (ungestnm- 
mekeit) f. 11706. 
ungetröst part. adj. 8815. 
ungeverwet adj. 8273. 
nngewin m. 1273. 
ünkiascheit personif. Bild 78 
u. 79. 13131. 

nnkunst f. Unwissenheit 6581. 
Unmtiezecheit personif. 6647. 
Unmuoze personif. Bild 57. 
unrftt m. Unrat 5214. 
nnredelich adj. unvernünftig 
3205. 4221. 10343. 
unsihtlich adj. 4926. 
nnstate m. (so auch h): grfizen 
unstaten 5031. 

•unsträflich (-strefflich) adj. 

saus roesproison (0) 4172. 
♦unverdüret part.: eie tuot vil 
tibeles u., et jour et nnit 
(0) 9527. 

unversehenliche adv. 1534. 
unverstentlich adj. unverstän¬ 
dig 1543. 

uuvertregelich adj- 8875. 
unverwertet (nnverwartet) 
part. adj. = unverletzt, von 
ungeschwächter Festigkeit 
11454. 


♦unvüelebaere adj. unempfind¬ 
lich 8775. 

nnwär n. ( oder unwaere f. ?): 

&n nnw&re 2254. 
unwert adj.: wi der wec ist 
gar n. 10773. 

♦unwilligen vb. touraenter (O) 
12698. 

unwizzentlich adj. 977. 
unzseme adj.= ungezieme8986. 
üppige 6re f. 7657. Bild 66. 
uscht, ätscht s. iht. 
fiz »i. Verb.] ♦-kürnen: fizge- 
kürnet, esmailliö (O), gla- 
suret (A) 3265; ♦-lecken: 
mit ir krappen sie mit ge- 
walt üz leckent (:8teckent) 
Gotes Gn&de, eslochent (O) 
9940; -mezzen 8375; -recken: 
üzracken (: hacken) 7140; 
-rghten: özgeracht 1343; 
-scheiden 5889; -Behüten: 
die unreinecheit ü. 1974; 
-sin: die üzwesenden Ab¬ 
wesenden 8687. 
üzerlich adj.: daz üzerliche 
lieht 6023. 

fizern vb. refl.: sich von dem 
guoten ü. 767; von der weit 
799. 

üzg&be f. 9563. 

♦ftzgeberinne f. 2469. 9607. 

10988. 10999. 11385. 
♦üzkürnunge f. Glasur 3266. 
♦ftzricken ». das Ausziehen 
(des Wamses) 3837. 
özrihterinne f. 8361. 


üzrihtunge f. 426. 2046. 5139. 
♦flzruofec (ußruffig) adj. escla- 
tans (O) 474. 
üzsetzecheit f. 990. 
üzsprechunge f. 1128. 
♦fiztregerinne f. 9606. 


Tabs nm.? nerf (0)6185.8205. 
val m.: ich gienc abe in den 
tiefen tal und steic abe in 
einen grözen v., je descen- 
doie en ce val (parfont) et 
avaloie (0) 9103. 


vrele treten vb. 8765 (Hs. woh- 
irrtümlich falletr.). 
valscherie f. Betrug, Fälschung 
8142. 

valt tu.: ftz den felden legen, 
desploier (0) 1125. 
var (faer) m. 7648. 
fardel n. 1133. 1135. 
vazzen (fassen) vb. in Fässer 
fidlen 10598. 

vellec adj. hinfällig 5000. 
venekin (fenychin) n. Fähn¬ 
chen 53. 

♦veuger (fenger) tu. 7863. 
venne s. vinne. 
verenderunge f. 1419. 5348. 
♦ver&sen vb. 2536. 
verbleichen vb. bleich machen 
8275. 

verbüezen vb., part. ver¬ 
bissen (: znrryssen), ta- 
connöe ( 0), geplacket (A) 
geflickt 9446. 

verbuntlich adj. gebunden, 
unfrei 1820. 

♦verbuntlicheit f. Dienstbar¬ 
keit 8740. 

verdsehtecliche (vordechtec- 
lich) adv. — verdsehtliche 
4847. 

verdenkunge (vordenckonge) 
f. Trug, Täuschung 10113. 
verdienen n. 6218. 
verdienunge f. 427. 
verdöuwunge (verdaugouge) f. 
13708. 

verdriezen n. 2596. 
verdrützic (verdrussig) adj. 
1444. 

♦verdultigen vb. sich gedulden 
4285. 

♦vereinecheit f. Einheit 8954. 
vereinigunge f. 13669. 
♦vereinschaft (vereynischaflft) 
f. : v. der heiligen 3302. 
verenden vb.: die in daz gelt 
verendent (: verphendent), 
geben (A) 9947. 
vergenclich adj. 6282. 
vergezzunge f. 606. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


326 


Wortverzeichnis. 


vergiftigen vb. vergiften 8325. 1 schiden, (des)aevree (0) 

8904. I 8964. 

vergrifen vb. sich vergreifen, versiechen vb. 2280; versflchen 
einen Mißgriff tun 1548. 4193. 

Vergunnunge personif. Bild veralüchen vb. refL: sich in 
71. brnochen v., habiter (O) 

verhärten vb. verstockt werden 10679. 

(in Sünden) 1935. 1936. *verslurken (-slurgen) vb. ter- 

verhartunge (verhertonge) f. schlucken 12024. 

7958. Bild 69, 73 u. 80. versmähunge f. 982. 7491. 

verhonwen vb. verwunden Bild 74. 8917. 8928. 

3537. verspehen vb. auskundschaften 

verhungern vb. 2279. 13323. 13324. 

verkfirlich adj.: v., ungestalt verspiwen r6.: er wart vcr- 
8401. spiget 3479. 

verklutem vb. refl sich ver- verstalt part. adj. 4786. 4809. 

wirren , verschlingen 9822. ‘versteinecbeit f. Verstocktheit 
verkouferinne(verkenfferjnne) ; 1967. 

f. 9721. ‘vereteinnnge f. desgl. 5155. 

•verlsezecheit (verlessikeit) f. BiUI 65 u. 80. 

laschete ( 0 ), verlaßenkeit 1 verstoerunge f. 11103. 

(h) 7198. • versftmnisse f. 7197. 

verleschen (verloschen) vb.: I versuochen vb.: der epfel v. 

die Sünde v. 1949. 8564. 

verliesunge (verlierouge) f. verswernnge f. Bild 76. 10100. 

7734. 10111. 10112. 10114. 10124. 

verlnst m.: dar au h&stn keinen 10220. 10226. 

v. genomen 2870. I vertiuren vb.: ich kan ime 

•vermsernnge f. diffamation I daz nit v. 10777. 

(O) 8738. ; vertoeren vb. 1526; ir guot 

•vermomparn vb. ( von munt- * nemen und v. 616; weit ir 
bor, momper) mainbournir . iuwer abc nit v. 11053. 

(0) beschützen 5669. | vertrac (verdrag) m. deduit 

vermüge (vermöge) f. Ver- . (0) Zeitvertreib 5706. 

mögen, Fähigkeit 1756. vertragen vb.: ich han iu 

vern Hegen vb. befriedigen 3028. vertragen ze vil 1471; Bich 

3032. 12742. mit törheit v. 718; m. Bat. 

Verratene personif. 8141. | mit einem Nachsicht haben 

Bild 71. 8492. 8704. 8721. j 1540; einen verschonen 2031. 

8781. 8800. Bild 73. , *vertürmeln vb., part. ver- 

verrosten vb. im eigentl. Sinn i durmelt, estourdiz ( 0 ) 4443. 
6602; bildl.: verrostet iu vervachen vb. oblegen 3402. 

Sünden 6613. vervachen part.: mit schimpfe 

•verrouclien vb.: ein lanterne, vervachen (: nnderlachen) 
verrouchet dunkel 6005. (= vervangenP), tont a la 

•versnz (versaiß)?, saiß (ä), trufle tournant (0) 5256. 
verjus ( 0 ), Saft unreifer , vervähen, verfangen vb.: einen 
Trauben 8893. wec v. einschlagen 6512. 

verschiden vb.: doz ich von vervlizen vb.: die üf die weit 
Got dem vater werde ver- | vervlizzen sint 11891. 


vervülen vb. 13814. 
vervlirhten »6., part. verfoch¬ 
tet : obe ir slt vertceret oder 
v. 1527; stark verfochten: 
alter din v. 13563. 
verwandelnnge f. 1369. 1377. 
verwenden vb.: die zlt v. 
6486. 

♦verwenerinne f.: ein ver- 
wenerinne der liute, en- 
veloperesse (0) 5473. 
verwicken vb. vencickeln 7203. 
verwiz m. 2851. 
verwundern vb.: ein verwun- 
dertiu Sache 4808. 
•verwurzeln vb.: die gleven 
sint verwurzelt tief in min 
herze 8320. 
verzoubem vb. 5464. 
verzwlvelunge f. 7218.11089. 
veste (feist: ist) adv. 549. 
vic&rie m. 366. 422. 483. 527. 
•fiden vb. refl. sich verlassen 
auf 2645. 3255. 3572. 3634. 
3657. 4919. 6380. 7938. 9047. 
11224. 11412. 

•fidunge f. Vertrauen 4922. 
vige f. 5920. 
vihelin n. 805. 

vile f. 6622. 9139. 9654. 9679. 

9716. 12999. 13081. 13085. 
viler m. 6622. 

♦vllerinne (fylerynne) f. 8935. 
vinden vb. intr.: ich mache 
doner v. sich einfinden 8900. 
vinne (venne) m. Bauer (im 
Schachspiel) 9330. 
vinsterlich adj. 6426. 

•violette f. Veilchen 2887.6723. 
firmnnge f. Bild 10. 
viuhtunge f. 1486. 
•fleckmatiken, die m. plur. 
8896. 

vliegen ( Nebenform: fliehen) 
vb. 1448. 

vlöch m.: vloehe in den 6ren 
5977. 

•flörette f. Blümchen 2886. 
flottichen (flettigen) vb. flattern 
•12094. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Wortverzeichnis. 


327 


rluckec (flockig) adj. flügge 

7201. i 

'volbringerinne (follenbrenge- 1 
rynne) f. 8362. 

Tolle m.: ich h&n nit den 
vollen ze spilen 12097. , 

'vollechig adj. bitnmineus 
[Oj, follechtig (h) 12217. 
vollentllche adv. 1846. 2640. 
3373. 

volznc (follentzog) m. 3551. I 
vor- i. ver-, i 

vorhanc m.: Trägheit hat ge¬ 
tafen in vorhengen der 
bischove 7093. 

vrecheclich adj. = vrechlich 
7648. 

vTechheit (frechikeit) f 465. 
979. 2179. 

vmierle f. 4028. ! 

vrischecliche adv. = vrisch- J 

liebe 5561. 5597. 8447. 

Trumen (frommen) vb. 4552. 
vüelunge f. 4093. 
vilererinne f. 6096. 12840. 
'vuhshüt f. Fuchspelz: ge- 
vnotert mit vühshiuten 8037. 
vülecheit (fnlekeit, fnlikeit) | 

f- 5751. 8565. 8567. 

Mlecllche (fnleclich) adv. 

frage 9033. ; 

fundament (fondement, fnlle- 
mint) n. 13. 9245. 9286. 
fundieren vb. 251. i 

Tunt m.: mit laster and boesen 
vünden 6614. 6618; spottige 
vünde 7616. 

vuoter (fnder) n. Scheide (des 
Schwertes) 4230. 4241. 4256. 
4262. 4268. 4278.4283. 4286. 
4295. 4301. 4347. 4353. 
Tuoternrft.: gevuotertiu klei¬ 
ner 7500; derspiez was mit 
Hute 6ren gevootert durch 
8222; gevuotertiu ören 8625. i 
v noz m.\ daz holz über v. | 
verkonfen 9742. 

Tuozen vb. re fl.: sie begunde 
sich vür mich v. zu Füßen 
tyen 9038. 


vlirderliche (forderlich) adv. 

alsbald 5785. 
vürkomen vb. 5601. 
vürsihticheit f. Bild 37. 4365. 
4812. 

vürspreche m. Fürsprecher, i 
Anwalt 1620. 5056. 
vürsprecher m. 6750. 
vüraprecherinne f. 10171. 
vürtuoch (furduch, furduch, 
furduch) m.pallarium 12323. ! 
12336. 12343. 12349. 

wacke m. Feldstein 8839.8853. 

8917. 8919. 8925. ! 

wall>ere (weller) m. Pilger 
passim. | 

•wallesac m. Pilgertasche 93. 
3233. 

wallestap m. 83. 92. 149. 356. i 
wallevart f. 293. 
wander m. = wandel: war zuo i 
ich diene und mlnen wan¬ 
der vervolge 12043. 
wandern vb.: brdt wart in 
vieisch gewandert (: ver¬ 
ändert) 2609. 

wannen vb.: daz körn w. 2696. j 
2697. 

Wfirheit personif. 10128. 
10607. 

was adj.: an den vliigeln der 
mtllen was (: was) schneidend, 
scharf 2703. j 

wec m.: underwegen läzen 
4950; üzer wege: bösheit 
diu tuot ü. w., felonnie (la) 
desvee (0) 754; ü. w. tuon 
11164. : 

wecholter m. Wacholder 7172. 
wegen (wigen) vb.: einen fiz 
der helle w. 2310. 
wegevertic adj. 4725. 
weidelich adj. 3253. 7760. 1 

wele f.: obe ich in mime 
harten herzen nit h&n die 
w. 11341. 

welle f.: ein w. holzes Bündel 
11721. 1 

weller s. wallsere. 


wSnicheit f.: einwenichet eine 
Kleinigkeit 11446. 
weppe n. Gürtel (des Kleides) 
105; Riemen (der Pilger¬ 
tasche) 3261. 

werben vb. betreiben 5810; 

slnen töt soltu nit w. 5811. 
werbunge (werffonge) f.: von 
weltlichen Werbungen, se- 
culiere implication(O) 12169. 
wercgeziuc n. 6053. 7671. 
werffonge s. werbunge. 
werltlicheit f. 9943. 
wescherinne f. 1956. 13518. 
wesen «.: din komen(de) w., 
ta production ( O) 5927. 
wesentliche (weselich, wesen- 
lich) adv. localiter (h) 3107. 
3113. 

wider so vil widers er dir 
nit tsete, intrages (h) 6324. 
*widerbizeni’b.: widerbizende, 
remordant (0) 2025. 
*widergewihte n. Gegengewicht 
13355.- 

widerh&ke m. 8633. 
*widerkleiden vb. revestir (O) 
2270. 

widermacher m.: w. alter 
socken und alter kleider 
6494. 

•widermachet part. adj. wider¬ 
natürlich 4741. 5758. 9347. 
10828. 

widersagunge /'.: einer dem 
andern w., contradictio 7492. 
widersin m. entgegengesetzter 
Sinn 1096. 1530. 5343. 6592. 
8064. 

widerspringen n. regiber (0) 
hinten ausschlagen 4175. 
Widerspruch m. 2506. 
•widerstalt part. adj. wider¬ 
wärtig 5009. 

widerstant m. 4200.4831.7930. 
•widerstellecheit f. Widersetz¬ 
lichkeit 7896. 

•widerstellerinne f.: w. der 
valschen sigel, contrefaiser- 
resse (0) 9598. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





328 


Wort Verzeichnis. 


♦Widerstellunge personif. 

Bild 65 u. 68. ! 

♦widerverkoufer m. 9945. 
widerwenden vb. 5377. 
widerwert m. 6263. 6294.6459. i 
11062. 

widerwiBen vb. 2852. 3096. 
*wigerinne fi Wiegerin, Wü- ! 

gerin 9720. 1 

wiknnge f. 600. 

wildecheit f. 8163. 8184. i 
wiltvanc m. fremde (gleichsam 
wie ein Wild eingefangene) 
Person 9112; Jagdbezirk 
9514. j 

winde f.: reife nnd winde 
(des Schiffes), bintwinden 
(A) 12801. 

winden vb.: daz mer was ge¬ 
windet af re 11632. 
winkelmftz n. 2382. 2440. 
♦winnebröt n. gaaiguepains 
(0) 4122. 4130. 4133. 4145. I 
4423. 4457. 9810. I 

winnunge f. 10190. 
wint m. leere Prahlerei 4291. | 
•wirdisch (: frisch) adj. — wir- I 
die schön, herrlich 3523. 
wlsecliche adv. = wislicbe 
4050. 

wiser m. Führer 10297. 

WIsheit personif. 2730. 2754. 
2760. 2797. Bild 28. 2867. 
3035. 

wizbröt n. 1670. 2649. 10607. 
WIze (Wibsse) personif. 13144. 
wizzecliche adv. 2765. 4226. 
wizzenthaft adj. scieute (O) 
13573. ! 


*wolfvenger (wolfffenger) »«. 
7060. 

*wolfvengerinne (wolffefenge- 
rynne) f. 7059. 
wolgevallen n. 355. 4428. 
wolgevellicheit f. 11150. 
wolt&t (woledait) f 6443. 
wUestecheit (wustikeit) f. Un¬ 
sauberkeit 7047. 
wileatenie f. 11515. 
wtilpinne f. Wölfin 10497. 
wunderunge f. 1370. 
wurmsezic (wnrmessig) adj. 
wurmstichig 8479. 

zeln vb.: din gröze smidinne 
gezelt (: heit) 12667. 
zerquetschen vb. 2035. 
zerteilunge f. 7733. 
zil ».: Tr&cheit hatte z. sich 
ze plnigen 8818. 
zimbervrouwe f. 1735. 
zinke (syncke) m.: sie sparete 
mich nit mit zinken 8791; 
suochen gedenken mit zin¬ 
ken, quier mncailles et 
cornes (0), snochen Ver¬ 
borgenheit ( h) 10763. 
*ziukeleht (sinckelecht) adj.: 
daz isen an der gleveu was 
z., barbele (O), mit Wider¬ 
haken versehen 8228. 
zinneleht adj. zackig: ein 
möre z. 6688. 
zinshaftic adj. 9320. 
zipf m.: zipfen an grözeu 
kappen Zipfel 7512. 
zirkel m.: die zirkel (der Pla¬ 
neten) balde oder gemache 


umbeweiben, les esperea (O) 
1388; des himels zirkel, 
zodiaque (0) 9142. 9704. 
9718. 9719. 9738.9757. 9799. 
zirkeln (circulen) vb. nach dem 
Zirkelmaß verfertigen 5893; 
abzirkeln, abwiegen 12181. 
zit fi: in zlte 8480. 
zltglocke f. Stundenglocke 
13847. 

zltvertrlp m. 10461. 
zogen vb.: von allen guoteu 
Worten zuget (: erzioget), 
entwiset (A) 8657. 
zögen s. zöugen. 
zolle fi: 8pilen mit der zollen 
ein Kinderspiel (vgl. Renner 
14864) 12096. 

Zorn personif. 8903. 

*zomisck adj. zornig 1100. 
zöugen (zeugen, zögen) vb. 

zeigen 4504. 13727. 
zouwen vb. re fl. sich bereit 
machen, rüsten 8524. 
zllcker m. Räuber 9590. 
zuo m. Verb.] -*hellen: die mit 
zuo hellent ze solicher tat 
9612; -ziehen 9586. 

♦zuohal (zuhall, verzehr. [aucA 
in A]: zuhalt) m. Wieder¬ 
holt 8191. 

zuohellunge fi desgl. 8177. 
*zuohoerer (zughorer) m. 5372. 
zuovluht f. 11056. 
zuozuc m. 11221. 
zweien vb. refl.: einen wec 
der sich zweiete 6466. 
zwivaltigeu vb. 4121. 
zwtvelunge f. 226. 


Druck von Ehrhardt Karras, G. m. b. H., Halle a. S. 


Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Deutsche Texte des Mittelalters XXV 


Tafel I 





CÖä^ 


V 

*4 





Handschrß^ >^teich Sayn-Wittgep^^g^ii^j^ GA N 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Tafel II 


Deutsche Texte des Mittelalters XXV 










Handschrift d^^yrs,^^sayn-Wittgenstei 

V\iKlintViolr 711 UörO^ur.r 1 «f A \T*- 10<i 



MICHIGAN 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Deutsche Texte des Mittelalters XXV 


Tafel 





Original from 

r StadtbibliothekLifÜITfä6d5ili<gf MICHIGAN 


Digitized 







Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Verlag der Weidmannschen Buchhandlung in Berlin SW. 68. 

Deutsche Texte des Mittelalters 

berausgejelen Ton der Königlich Preussiscbeu Akademie der Wissenschaften. 


I. Band: 


II. Band: 


III. Band: 


IV. Band: 


V. Band: 


VI. Band 

VII. Band 


VIII. Band 


IX. Band: 


X. Band: 


XI. Band: 


XII. Band: 


XVI. Band : 


Friedrich von Schwaben. Aus der Stuttgarter Handschrift herausgegeben von 
Hermann Jcllinek. Mit einer Tafel in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XaII u. 127 S.l 


XIII. Band: 


XIV. Band: 


XV. Band: 


XVII. Band: 


XVIII Baud: 


XIX. Band: 


XX. Band: 


XXI Baud: 


XXII Band: 


XXIII. Band: 


XXIV. Band: 


M a x ■ 
1904. 1 
Geh. 4.40 M. 

Rudolfs von Ems Willehalm von Orlens. Herausg. von Victor Junk. Mit 3 Tafeln 
in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XL1II u. 277 S.) 1905.Geh. 10 M.| 

Johanns von Wflrzburg Wilhelm von Österreich. Herausg. von Ernst Regel. Mit: 
2 Tafeln in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XXII u. 334 S.) 190(5.Geh. 10 M. 

Die Lehrgedichte der Melker Handschrift. Herausgegeben von Albert Leitzmann. 
Mit einer Tafel in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XIV u. 55 S) 1904.Geh. 2.40 M. 

Volks-und Gesellschaftslieder des 15. und 16. Jahrhunderts. 1. Die Lieder der Heidel¬ 
berger Handschrift Pal. 343, herausgegeben von Arthur Kopp. Mil einer Tafel in Licht¬ 
druck. gr. Lex. 8. (XV111 u. 254 S.) 1905..Geh. 7.60 M. 

Elsbeth Stagel. Das Leben der Schwestern zu Töß. Herausgegeben von Ferdinand 
Vetter. Mit 2 Tafeln in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XXVI ti. 132 S.) 1906 . . Geh. 5 M. 

Die Werke Heinrichs von Neustadt. Herausgegeben von Samuel Singer. Mit 3 Tafeln 
in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XIII u. 534 S.) 190(5.Geh. 15 M. 

Heinrich von Hesier, Apokalypse. Aus der Danziger Handschrift herausgegeben von : 
Karl Helm. Mit 2 Tafeln in Lichtdruck, gr. l.ex. 8. (XX u. 414 S.l 1907. . Geh. 12 M. 

Tilos von Kulm Gedicht von siben Ingesigeln. Aus der Königsberger Handschrift heraus¬ 
gegeben von Karl Kochcndörffer. Mit einer Tafel in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XII u. 
110 S.) 1907.Geh. 3.60 M. 

Der sog. St. Georgener Prediger. Aus der Freiburger und der Karlsruher Handschrift 
herausgegeben von Karl Rieder. Mit 2 Tafeln in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XXIV u. 
383 S.) 1908. . ..Geh. 15 M. 

Die Predigten Taulers. Aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie 
aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften herausgegeben von 
Ferdinand Vetter, gr. Lex 8. (XVI u. 518 S.) 1910.Geh. 18 M. 

Die Meisterlieder des Hans Folz. Aus der Münchener Originalhandschrift und anderen 
Quellen herausgegeben von August L. Mayer. Mit 2 Tafeln in Lichtdruck, gr. Lex. 8. 
(XXII u. 438 S.) 1908.Geh. 16.60 M. 

Der große Alexander. Aus der Wernigeroder Handschrift herausgegeben von Gustav 
Guth. Mit 2 Tafeln in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (Xlli u. 102 S.) 1908. . . . Geh. 4 M. 

Die sog. Wolfenbflttler Priamelhandschrift. Herausgegeben von Karl Euling. Mit einer 
Tafel in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XVIII u. 243 S.) 1908.Geh. 9 M. 

Die Lilie, eine mittclfränkischc Dichtung in Reimprosa, und andere geistliche Gedichte, 
aus der Wiesbadener Handschrift herausgegeben von Paul Wüst. Mit einer Tafel in 
Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XXX u. 90 S ) 1909.Geh. 4.b0 M. 

Die heilige Regel für ein vollkommenes Leben, eine Cistcrzienserarbeit des XIII. Jahr¬ 
hunderts, ans der Handschrift Additional 9048 des British Museum herausgegeben von Robert 
Priebsch. Mit einer Tafel in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XXII u 104 S.) 1909. Geh. 5 M. 

Die Heidelberger Handschrift cod. Pal. germ. 341. Herausgegeben von Gustav Rosen¬ 
hagen. Mit zwei Tafeln in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XLI u. 2ol S.) 1909. Geh. 10.60 M. 

Gundackers von Judenburg Christi Hort. Aus der Wiener Handschrift herausgegeben von 
J. Jaksche. Mit einer Tafel in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XVIII u. 92 S.) 1910. Geh. 4 M. 

Die poetische Bearbeitung des Buches Daniel. Aus der Stuttgarter Handschrift hcraus- 
gegeben von Arthur Hübner. Mit einer Tafel in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XXII u. 162 S.l 1911. 

Geh. 6.60 M. 

Rudolfs von Ems Weltchronik. Aus der Wernigeröder Handschrift herausgegeben von 
Gustav Ehrismann. (Im Druck.) 

Die mitteldeutsche poetische Paraphrase des Buches Hiob. Aus der Handschrift des 

König]. Staatsarchivs zu Königsberg herausgegeben von T. E. Karsten. Mit zwei Tafeln 
in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XLV u. 279 S ) 1910.Geh. 11.60 M. 

Das Väterbuch. Aus der Leipziger, Hildesheimer und Straßburger Handschrift heraus¬ 
gegeben von Karl Kcissenberger. Mit 3 Tafeln in Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XXV u. 
613 S) 1914.Geh. 23 M. 

Konrads von Megenberg Deutsche Sphaera. Aus der Münchener Handschrift heraus¬ 
gegeben von Otto Matthaei. Mit 15 Textabbildungen und 2 Tafeln in Lichtdruck, 
gr. Lex. 8. (XIV u. 63 S.) 1912.Geh. 2.80 M. 

Mittelhochdeutsche Minncreden I. Die Heidelberger Handschriften 341, 358. 376 und 393. 
Herausg. v. Kurt Matthaei. Mit 3 Tafeln ia Lichtdruck, gr. Lex. 8. (XVI u. 182 S.) 1913. 

r,.. .. \o Original from Geh. 8 M. 

Digitized by VjO QIC UNIVERSITY OF MICHIGAN 


* 

I 















Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 













Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Digitized by 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN